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BFH 12.07.2021 - VI R 3/19
BFH 12.07.2021 - VI R 3/19 - Zufluss von Tantiemen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern
Normen
§ 11 Abs 1 S 4 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 38a Abs 1 S 3 EStG 2009, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 3. Mai 2018, Az: 13 K 13107/16, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließen Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine Kapitalgesellschaft, die die Gesellschaft ihrem beherrschenden Gesellschafter schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben, bereits bei Fälligkeit zu (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
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2. NV: Fällig wird der Tantiemeanspruch mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben.
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3. NV: Fehlen im Anstellungsvertrag Regelungen zur Fälligkeit des Tantiemeanspruchs oder ist dort nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts enthalten, kann der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gleichwohl wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses über seinen Tantiemeanspruch verfügen, der damit zu diesem Zeitpunkt zugeflossen ist.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 03.05.2018 - 13 K 13107/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren (2013 und 2014) alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH). Nach ihrem Geschäftsführer-Dienstvertrag hatte sie Anspruch auf jährliche Tantiemen. Eine Anlage zu der Tantiemevereinbarung von 2010 enthielt folgende Regelung: "Der Anspruch auf Auszahlung der Tantieme wird aufgrund dieser Vereinbarung nicht mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig zur Auszahlung, sondern nach gesonderter Aufforderung durch den Geschäftsführer unter Berücksichtigung der Zahlungsmöglichkeit."
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Die GmbH bildete in ihren Jahresabschlüssen wegen der Tantiemeansprüche der Klägerin Rückstellungen. In den Streitjahren ließ sich die Klägerin auf ihre Tantiemeansprüche 6.720 € (2013) und 10.000 € (2014) auszahlen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre neben den ausgezahlten Tantiemen auch die nicht ausgezahlten Teilbeträge der Tantiemeansprüche als Arbeitslohn der Klägerin.
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Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Dem beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft fließe eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen seine Gesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Danach seien der Klägerin die Tantiemen nicht nur in Höhe des ausgezahlten Betrags zugeflossen, sondern in Höhe des vereinbarten Betrags. Die abweichende Fälligkeitsabrede in der Anlage zur Tantiemevereinbarung komme der Klägerin nicht zugute. Die Klägerin habe auch hiernach jederzeit die Auszahlung der Tantieme durch eine einfache Zahlungsaufforderung geltend machen und durchsetzen können.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung für 2014 vom 19.12.2017 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2013 vom 15.02.2017 und für 2014 vom 05.10.2017 dahin zu ändern, dass die Tantieme für 2013 nur in Höhe von 6.720 € und für 2014 nur in Höhe von 10.000 € bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Zufluss der Tantiemen zu Recht auch insoweit bejaht, als sie nicht an die Klägerin ausgezahlt worden sind.
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1. Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind.
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a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung tritt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein (z.B. Senatsurteil vom 28.04.2020 - VI R 44/17, BFHE 269, 7, BStBl II nn, Rz 24, m.w.N.). Das ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (z.B. Senatsurteil vom 22.02.2018 - VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 27 f., m.w.N.).
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b) Der Bundesfinanzhof (BFH) geht zudem in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen kann. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist (BFH-Urteil vom 08.05.2007 - VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249, unter II.1., m.w.N.). Hiervon werden allerdings nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben (BFH-Urteil vom 11.02.1965 - IV 213/64 U, BFHE 82, 440, BStBl III 1965, 407, unter 2.; Senatsurteil vom 15.06.2016 - VI R 6/13, BFHE 254, 134, BStBl II 2016, 903, Rz 12).
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Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses (BFH-Urteile vom 02.12.1992 - I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311, unter II.B.1.c aa; vom 17.12.1997 - I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545, unter II.3., und vom 14.03.2006 - I R 72/05, BFH/NV 2006, 1711, unter II.2.c), sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben (Senatsurteile vom 03.02.2011 - VI R 66/09, BFHE 232, 497, BStBl II 2014, 491, Rz 13, m.w.N., und in BFHE 269, 7, BStBl II nn, Rz 25). Wenn im Anstellungsvertrag Regelungen zur Fälligkeit des Tantiemeanspruchs fehlen oder dort nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts enthalten ist, hat es der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer zahlungsfähigen Gesellschaft in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs zu bestimmen. Er kann damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses über seinen Tantiemeanspruch verfügen, der damit zu diesem Zeitpunkt zugeflossen ist (zum Gewinnanspruch ebenso BFH-Urteil vom 17.11.1998 - VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223, unter 1.a).
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2. Nach diesen Maßstäben hat das FG den Zufluss der Tantiemeansprüche zu Recht auch insoweit bejaht, als sie nicht an die Klägerin ausgezahlt wurden.
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a) Die Klägerin war im Streitfall alleinige und damit auch beherrschende Gesellschafterin der GmbH.
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b) Das FG hat für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass der Klägerin im Streitjahr 2013 gegen die GmbH ein Tantiemeanspruch in Höhe von 16.800 € und im Streitjahr 2014 in Höhe von 19.200 € zustand. Es hat zudem festgestellt, dass die GmbH in Höhe der Tantiemeforderungen der Klägerin in ihren Jahresabschlüssen Rückstellungen gebildet hat.
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Diesen Feststellungen der Vorinstanz entnimmt der erkennende Senat, dass die Gesellschafterversammlung der GmbH entsprechende Jahresabschlüsse festgestellt hat, die den vorgenannten, in den Streitjahren entstandenen Tantiemeansprüchen der Klägerin zugrunde lagen. Durch die Passivierung in den Jahresabschlüssen der GmbH haben diese sich auch bei der Ermittlung des Einkommens der Gesellschaft ausgewirkt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
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c) Eine abweichende Fälligkeitsvereinbarung, die für die Bestimmung des Zuflusszeitpunkts der Tantiemen im Streitfall zu beachten wäre, haben die Klägerin und die GmbH in ihrem Anstellungsverhältnis nicht getroffen. Soweit nach der Anlage zur Tantiemevereinbarung von 2010 die Fälligkeit der Tantieme nicht mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sondern erst nach gesonderter Aufforderung durch den Geschäftsführer (die Klägerin) unter Berücksichtigung der Zahlungsmöglichkeit (der GmbH) eintreten sollte, lässt sich hieraus keine konkrete Bestimmung eines abweichenden Fälligkeitszeitpunkts entnehmen. Denn die Klägerin konnte auch nach dieser Regelung die Fälligkeit der Tantieme im Anschluss an die Feststellung des Jahresabschlusses durch eine bloße Aufforderung gegenüber der GmbH herbeiführen. Es lag daher allein in ihrer Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Tantiemeanspruchs zu bestimmen. Sie konnte damit über die streitigen Tantiemeansprüche wirtschaftlich verfügen, auch soweit sie noch nicht ausgezahlt worden waren.
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Der Umstand, dass die Klägerin bei der (Zahlungs-)Aufforderung die Zahlungsmöglichkeit (der GmbH) zu berücksichtigen hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch insoweit konnte die Klägerin nämlich frei entscheiden, ob und in welcher Höhe ihr die Tantiemezahlung durch die von ihr beherrschte GmbH als möglich erschien. Irgendwelche Vorgaben, in welchem Umfang die Klägerin der GmbH Liquidität auch in Ansehung ihrer Tantiemeforderungen zu belassen hatte, sind der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Eine bestimmte oder zumindest nach objektiven Merkmalen bestimmbare Einschränkung der Verfügungsmöglichkeit über den Tantiemeanspruch ergibt sich aus der Anlage zur Tantiemevereinbarung von 2010 mithin nicht. Sofern die GmbH in Folge von Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Tantiemeforderungen der Klägerin zu erfüllen, wäre im Übrigen schon aus diesem Grund ein Zufluss der nicht ausgezahlten Tantiemeansprüche zu verneinen. Auf die Fälligkeit der Forderungen oder den Inhalt der Tantiemevereinbarung würde es in einem solchen Fall nicht ankommen.
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d) Feststellungen dazu, dass die GmbH in den Streitjahren nicht in der Lage war, die Tantiemeansprüche der Klägerin in voller Höhe --also über die von der Klägerin abgerufenen Beträge hinaus-- zu erfüllen, hat das FG allerdings nicht getroffen. Die Klägerin hat auch selbst nicht behauptet, dass die GmbH zahlungsunfähig gewesen sei.
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3. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.
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a) Soweit die Klägerin sinngemäß eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) rügt, weil das FG (angeblich) nicht berücksichtigt habe, dass im Streitfall eine andere Fälligkeitsabrede getroffen worden sei, liegt ein solcher Verfahrensmangel jedenfalls nicht vor. Denn das FG hat die Fälligkeitsabrede in der Anlage zu der Tantiemevereinbarung ersichtlich zu Kenntnis genommen und sich damit sowie mit dem entscheidungserheblichen Kern des klägerischen Vorbringens hierzu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in hinreichendem Umfang auseinandergesetzt (s. dazu z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.1992 - 2 BvR 430/91, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2217).
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b) Die Rüge der Verletzung formellen Rechts hat auch im Übrigen keinen Erfolg. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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