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BFH 29.10.2019 - IX R 22/18
BFH 29.10.2019 - IX R 22/18 - Veräußerungskosten grundsätzlich keine vorab entstandenen Werbungskosten
Normen
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 2 EStG 2009, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 21. März 2018, Az: 3 K 2364/15, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Veräußert der Steuerpflichtige eine private, zuvor nicht vermietete Immobilie, um sich die nötigen Geldmittel für die Anschaffung eines Vermietungsobjekts zu verschaffen, sind die Veräußerungskosten grundsätzlich nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar .
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2. NV: Eine den Veräußerungszusammenhang überlagernde und diese verdrängende Veranlassung durch die beabsichtigte Vermietung ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn sich der Steuerpflichtige ohne wirtschaftlichen oder rechtlichen Zwang zur Veräußerung entschlossen hat und er auch über die Verwendung des Veräußerungserlöses frei disponieren kann (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 11.02.2014 - IX R 22/13, BFH/NV 2014, 1195) .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 21.03.2018 - 3 K 2364/15 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit 1994 Eigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Das Grundstück hatte ihr ihr Vater unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs übertragen. In dem Haus wohnten die Eltern der Klägerin.
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Im Mai 2013 erwarb die Klägerin eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Der Kaufpreis in Höhe von 172.900 € sollte nach Baufortschritt bezahlt werden. Die Klägerin beabsichtigte, die Wohnung nach Fertigstellung an ihre Eltern zu vermieten. Zur Finanzierung des Kaufpreises für die Wohnung nahm die Klägerin zwei Darlehen auf. Das eine Darlehen (60.000 €) war tilgungsfrei und am 31.08.2014 in voller Höhe zur Rückzahlung fällig. Die Klägerin hatte dem Kreditinstitut in Aussicht gestellt, bis zu diesem Termin das noch von den Eltern bewohnte Grundstück veräußert zu haben und aus dem Erlös das Darlehen tilgen zu wollen. Das andere Darlehen (70.000 €) war regelmäßig zu tilgen; die Zinsen waren auf zehn Jahre festgeschrieben. Den Rest des Kaufpreises für die Wohnung entrichtete die Klägerin aus Eigenmitteln.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 18.10.2013 veräußerte die Klägerin das Hausgrundstück zum Preis von 77.500 €. Die Eltern der Klägerin verpflichteten sich in dem Vertrag, das Haus bis zum 30.06.2014 zu räumen und bewilligten die Löschung des Nießbrauchs. Zugunsten der Erwerber wurde im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Die Erwerber leisteten jedoch weder den Kaufpreis noch die Beurkundungskosten. Mit anwaltlicher Unterstützung gelang es der Klägerin, vom Kaufvertrag zurückzutreten und die Auflassungsvormerkung löschen zu lassen. Für ihre anwaltliche Vertretung zahlte sie im Streitjahr 1.168,87 € und als Zweitschuldnerin an den Notar 423,67 €.
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Am 16.05.2014 wurde die Eigentumswohnung bezugsfertig. Mit Vertrag vom 15.06.2014 vermietete die Klägerin die Wohnung an ihre Eltern, die dort auch einzogen.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 11.07.2014 veräußerte die Klägerin das Hausgrundstück zum Preis von 75.000 € an andere Erwerber. Der Kaufvertrag war durch Vermittlung einer Immobilienmaklerin zustande gekommen. Dafür bezahlte die Klägerin 2.677,50 €. Die Erwerber leisteten den Kaufpreis in Teilzahlungen bis zum 13.08.2014 auf ein Konto der Klägerin. Am 13.08.2014 zahlte die Klägerin von diesem Konto das am 31.08.2014 fällig werdende Darlehen in voller Höhe zurück. Ein Angebot des Kreditinstituts, das Darlehen ab dem 01.09.2014 zu geänderten Bedingungen fortzuführen, nahm sie nicht an.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für 2014 machte die Klägerin u.a. die im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hausgrundstücks angefallenen Kosten von zusammen 4.270,04 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung der neu angeschafften Wohnung geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die streitigen Aufwendungen nicht und setzte die Einkommensteuer entsprechend höher fest. Es handele sich in vollem Umfang um Veräußerungskosten im nicht steuerbaren Bereich (Einkommensteuerbescheid vom 25.08.2015 mit ausführlicher Begründung).
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Der dagegen mit Zustimmung des FA erhobenen Sprungklage gab das Finanzgericht (FG) statt. Auf Hinweis des Gerichts hatte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nur noch beantragt, weitere Werbungskosten von insgesamt 3.375 € zu berücksichtigen, da sie den Veräußerungserlös nur teilweise zum Erwerb des Vermietungsobjekts eingesetzt habe.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die streitigen Aufwendungen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung.
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1. Das FG hat zur Begründung u.a. ausgeführt, Maklerkosten, die für die Veräußerung eines Vermietungsobjekts anfielen, könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften aus einem anderen Objekt sein (BFH-Urteil vom 11.02.2014 - IX R 22/13, BFH/NV 2014, 1195). Die dortigen Grundsätze seien auf den Streitfall übertragbar und erfassten auch die im Zusammenhang mit dem gescheiterten Kaufvertrag angefallenen Rechtsanwalts- und Notarkosten. Zwar habe sich die Klägerin im Kaufvertrag nicht verpflichtet, den Veräußerungserlös zur Tilgung der Zwischenfinanzierung einzusetzen. Vielmehr sei sie in der Verwendung des Geldes frei gewesen und hätte auch das Angebot zur Fortsetzung des Darlehens annehmen können. Das sei jedoch unschädlich, weil sie sich tatsächlich so verhalten habe, als ob sie auch rechtlich gebunden gewesen wäre. Im Übrigen fehle eine Begründung für eine dahin gehende rechtliche Einschränkung. Die Veräußerungskosten seien vielmehr schon dann durch die zukünftigen Einkünfte aus Vermietung veranlasst, wenn der Veräußerungserlös von vornherein zur Bezahlung des neuen Vermietungsobjekts bestimmt gewesen und auch tatsächlich dazu verwendet worden sei. Die Aufwendungen könnten allerdings nur anteilig berücksichtigt werden, soweit dies der Fall war.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Maßgeblich ist danach, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 - GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, unter C.III.1.a, Rz 93, sowie BFH-Urteil vom 20.06.2012 - IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275).
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b) Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Veräußerung einer privaten Immobilie anfallen, zählen danach grundsätzlich zu den Veräußerungskosten. Veräußerungskosten können sich steuerlich im Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auswirken, sie können jedoch nicht als Werbungskosten bei einer anderen Einkunftsart abgezogen werden. Das zeigt sich insbesondere, wenn das veräußerte Grundstück vermietet war. Insofern kommt eine Zurechnung zu den (ehemaligen) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 01.08.2012 - IX R 8/12, BFHE 238, 129, BStBl II 2012, 781 betreffend Notar- und Gerichtskosten; BFH-Urteile vom 06.12.2005 - VIII R 34/04, BFHE 212, 122, BStBl II 2006, 265, und vom 11.02.2014 - IX R 42/13, BFHE 245, 131, BStBl II 2015, 633 betreffend Vorfälligkeitsentschädigung wegen Verpflichtung zur lastenfreien Eigentumsübertragung). Entsprechendes gilt im Grundsatz auch, wenn der Steuerpflichtige eine private und zuvor nicht vermietete Immobilie veräußert, um sich die nötigen Geldmittel für die Anschaffung eines Vermietungsobjekts oder einer anderen Einkunftsquelle zu verschaffen. Ist die Frist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits abgelaufen, handelt es sich um eine Umschichtung im nicht steuerbaren Vermögensbereich. Damit zusammenhängende Aufwendungen wirken sich steuerlich nicht aus; sie können grundsätzlich auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder bei einer anderen Einkunftsart abgezogen werden.
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c) Von diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFH/NV 2014, 1195 unter sehr engen Voraussetzungen eine Ausnahme gemacht und in einem Sonderfall die für den Verkauf einer Vermietungsimmobilie angefallenen Maklerkosten als Werbungskosten bei der Vermietung anderer Objekte zum Abzug zugelassen. Eine die Zuordnung zu den Veräußerungskosten überlagernde und diese verdrängende Veranlassung durch die Erzielung von Vermietungseinkünften sei mit dem FG jedenfalls dann anzunehmen, wenn "ausschließlicher Grund für die Beauftragung des Maklers das Erzielen liquider Mittel für eine Entschuldung ist, um mit Hilfe der dadurch möglichen Darlehenstilgung es weiterhin zu ermöglichen, aus den damit entschuldeten Objekten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen". Danach müssen die Veräußerung und die dadurch ermöglichte (teilweise) Entschuldung conditio sine qua non für die Fortsetzung der Vermietungstätigkeit und das Erzielen steuerpflichtiger Einkünfte sein. Unerheblich ist, ob das Kreditinstitut die Entschuldung verlangt hat. Entscheidend kommt es auf den objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang an (vgl. auch BFH-Urteil vom 13.10.2015 - IX R 35/14, BFHE 252, 34, BStBl II 2016, 210 betreffend Beiträge für eine in die Finanzierung eingebundene Risikolebensversicherung). Es bedarf keiner Entscheidung, ob stets eine unwiderrufliche Verfügung über den Veräußerungserlös im Veräußerungszeitpunkt erforderlich ist oder ob der erforderliche Zusammenhang zwischen den Veräußerungskosten und der (beabsichtigten) Einkünfteerzielung, wie das FG meint, auch auf andere Weise festgestellt werden kann.
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d) Eine vergleichbare Sachlage ist im Streitfall jedenfalls nicht gegeben. Die Klägerin war nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht wirtschaftlich gezwungen, das Hausgrundstück zu veräußern, um die Eigentumswohnung anschaffen zu können. Sie hat die Zwischenfinanzierung über 60.000 € offenbar erhalten, ohne das Hausgrundstück dinglich belasten zu müssen. Das Kreditinstitut hat auch nicht verlangt, dass der Veräußerungserlös bis zu dessen Tilgung auf das Darlehenskonto gezahlt werden muss. Es hat der Klägerin vielmehr angeboten, das Darlehen in voller Höhe zu geänderten Konditionen fortzusetzen. Die Klägerin musste sich mithin nicht entschulden, um (weiterhin) Vermietungseinkünfte erzielen zu können. Sie hat sich vielmehr ohne jeden wirtschaftlichen Zwang dazu entschlossen, das Haus zu verkaufen und das frei gewordene Kapital in die neue Eigentumswohnung zu investieren. Unter diesen Umständen ist eine den Veräußerungszusammenhang überlagernde und diesen verdrängende Veranlassung durch die Erzielung von Einkünften nicht anzunehmen. Es handelt sich vielmehr um eine Umschichtung im nicht steuerbaren Vermögensbereich. Die Veräußerungskosten, zu denen auch die Aufwendungen gehören, die angefallen sind, um den gescheiterten ersten Verkauf rückabzuwickeln und einen weiteren Verkauf zu ermöglichen, wirken sich daher nicht aus.
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3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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