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BFH 07.02.2018 - XI R 17/17
BFH 07.02.2018 - XI R 17/17 - Ermäßigter Steuersatz für das Legen eines Hauswasseranschlusses
Normen
§ 12 Abs 2 Nr 1 UStG 2005, Art 98 EGRL 112/2006, Anh 3 Nr 2 EGRL 112/2006, Anl 2 Nr 34 UStG 2005, Anh H EWGRL 388/77, Art 12 Abs 3 Buchst a EWGRL 388/77, UStG VZ 2009, UStG VZ 2010, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012, Abschn 12.1 Abs 1 S 3 Nr 4 UStAE
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 4. April 2017, Az: 2 K 2309/15, Gerichtsbescheid
Leitsatz
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Das Legen eines Hauswasseranschlusses ist auch dann als "Lieferung von Wasser" i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG anzusehen, wenn diese Leistung nicht von dem Wasserversorgungsunternehmen erbracht wird, das das Wasser liefert (Anschluss an das BGH-Urteil vom 18. April 2012 VIII ZR 253/11, HFR 2012, 1110).
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. April 2017 2 K 2309/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, führt Tiefbauarbeiten aus. Sie errichtet u.a. Trinkwasseranschlüsse als Verbindungen vom öffentlichen Trinkwassernetz zum jeweiligen Gebäudebereich.
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Zu den vertraglichen Beziehungen bei der Erbringung dieser Leistungen in den Streitjahren (2009 bis 2012) hat das Finanzgericht (FG) festgestellt, dass die Auftragsvergabe jeweils vom zuständigen Wasser- und Abwasserzweckverband an die Klägerin erfolgte, die Abrechnung jedoch direkt zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Grundstückseigentümer stattfand. Die Rechnungslegung erfolgte getrennt: Für die Herstellung des Anschlusses von der Hauptversorgungsleitung bis zur Grundstücksgrenze gegenüber dem Wasser- und Abwasserzweckverband und von der Grundstücksgrenze bis ins Haus gegenüber dem Grundstückseigentümer oder Bauherrn. In keinem Fall war die Herstellung der Anschlüsse mit weiteren Bauleistungen verbunden.
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Für die Herstellung der Trinkwasseranschlüsse erteilte die Klägerin den Grundstückseigentümern bzw. Bauherren in den Streitjahren Rechnungen unter Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von 7 %, weil sie davon ausging, es handele sich bei diesen Leistungen um "Lieferungen von Wasser" i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG.
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Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 28. April 2014 die Auffassung, dass es sich insoweit um Leistungen handele, die dem Regelsteuersatz unterliegen, da es sich bei der Klägerin um ein Bauunternehmen handele.
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Die Einsprüche der Klägerin, mit denen sie sich darauf berief, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) wie auch des Bundesfinanzhofs (BFH) die Errichtung eines Trinkwasseranschlusses als "Lieferung von Wasser" dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliege, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 7. April 2009 (BStBl I 2009, 531) und Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) seien die Grundsätze der o.g. Rechtsprechung auf das Legen des Hausanschlusses durch ein Wasserversorgungsunternehmen beschränkt. Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes müsse die Erstellung des Hauswasseranschlusses und die Wasserbereitstellung durch ein und denselben Unternehmer erfolgen. Hieran fehle es vorliegend.
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Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA unter dem 26. Februar 2016 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2011, der gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden ist.
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Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1131 veröffentlichten Urteil statt.
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Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG. Das Urteil des FG weiche von der Verwaltungsauffassung ab. Aus dem EuGH-Urteil Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien vom 3. April 2008 C-442/05 (EU:C:2008:184, BStBl II 2009, 328) folge lediglich, dass die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) das Legen eines Hausanschlusses ermäßigt besteuern könne. Dem Mitgliedstaat Deutschland stehe insofern aber ein Ermessen zu. Mit der positiven Bezugnahme in Nr. 34 der Anlage 2 auf Unterpos. 2201 9000 des Zolltarifs habe der deutsche Gesetzgeber davon nur eingeschränkt Gebrauch gemacht. Eine inhaltliche Ausweitung der Steuerermäßigung auf das Legen eines Hauswasseranschlusses habe der deutsche Gesetzgeber nicht gewollt. Das BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 61/03 (BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321) würdige die Einbindung der Anlage 2 zum UStG in die Systematik des § 12 UStG nicht hinreichend. Die Finanzverwaltung teile die weiter gehende Auffassung des BFH nach wie vor nicht. Vielmehr sei der Hausanschluss gemäß Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 UStAE i.V.m. dem BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 531 nur dann ermäßigt zu besteuern, wenn er von einem Wasserversorgungsunternehmen als "Teilaspekt" der gesamten Lieferung erbracht werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
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Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. April 2012 VIII ZR 253/11 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1110) könne nichts anderes hergeleitet werden, da die Finanzverwaltung an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen und daher an die Entscheidung des BGH nicht gebunden sei.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung und macht geltend, die vom FA vorgenommene Differenzierung sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Auf das Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung komme es nach der Rechtsprechung nicht an. Die Klägerin könne außerdem ihren Kunden aufgrund der Rechtsprechung des BGH nur den ermäßigten Steuersatz in Rechnung stellen. Die Auffassung des FA gefährde daher die Neutralität der Mehrwertsteuer.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend auf die hier streitigen Leistungen der Klägerin den ermäßigten Steuersatz angewendet.
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1. Beide Beteiligte sind mit dem FG zu Recht stillschweigend davon ausgegangen, dass aufgrund der vertraglichen Beziehungen die Klägerin ihre Leistungen an den jeweiligen Zweckverband erbracht hat. Die Zahlungen der Grundstückeigentümer sind Entgelt von dritter Seite (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2017 XI R 17/15, BFHE 257, 169, BStBl II 2017, 812).
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2. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die hier zu beurteilenden Leistungen der Klägerin dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
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a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage 2 zum UStG bezeichneten Gegenstände.
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aa) Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG lautet:
"Wasser, ausgenommen
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Trinkwasser, einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird,
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Heilwasser und
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Wasserdampf
aus Unterpos. 2201 9000"
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bb) Der EuGH hat in seinem Urteil Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien (EU:C:2008:184, BStBl II 2009, 328) entschieden, dass Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) dahin auszulegen sind, dass unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" auch das Legen eines Hausanschlusses fällt, das in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht (Leitsatz 2, Satz 1). Da der Hausanschluss für die Wasserversorgung der Allgemeinheit unentbehrlich sei, weil ohne den Hausanschluss dem Eigentümer oder Bewohner des Grundstücks kein Wasser bereitgestellt werden könnte, falle er unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" in Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG.
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cc) Der erkennende Senat hat zur Steuerermäßigung für das Legen eines Hauswasseranschlusses als Lieferung von Wasser in seinem Urteil vom 10. August 2016 XI R 41/14 (BFHE 255, 300, BStBl II 2017, 590, Rz 56) entschieden, dass
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es auf die Frage, ob es sich bei der Leistung um eine Lieferung eines Gegenstandes oder um eine sonstige Leistung (Dienstleistung) handelt, nicht ankommt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321, unter II.3.d dd, Rz 59),
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es unerheblich ist, ob der Leistungsempfänger der Verlegung des Hausanschlusses identisch mit dem Leistungsempfänger der Wasserlieferungen ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 27/06, BFHE 223, 482, BStBl II 2009, 325, unter II.3.c, Rz 39) und
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nicht nur das erstmalige Legen eines Hausanschlusses, sondern auch Arbeiten zur Erneuerung oder zur Reduzierung von Wasseranschlüssen unter die Steuerermäßigung fallen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2012, 1110, Rz 20).
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Ebenso unerheblich ist nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil in HFR 2012, 1110, Rz 18), der sich der Senat anschließt, ob die Leistung von demselben Unternehmer erbracht wird, der das Wasser liefert.
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b) Ausgehend davon hat das FG zu Recht angenommen, dass --entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung-- die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht deshalb ausscheidet, weil die Klägerin kein Wasserversorgungsunternehmen ist. Ob die Leistungen der Klägerin als sonstige Leistungen möglicherweise teilweise der Erneuerung von Wasseranschlüssen gedient haben könnten, ist ebenso unerheblich.
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c) Aus Rz 58 des BFH-Urteils in BFHE 255, 300, BStBl II 2017, 590 ergibt sich ebenfalls nichts anderes, weil die hier zu beurteilenden Leistungen der Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Wasserleitung von der Grundstücksgrenze bis ins Haus betreffen und damit nicht dem Aufbau und Betrieb einer leistungsfähigen Wasserversorgung für den jeweiligen Zweckverband gedient haben.
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d) Soweit das FA weiter ausführt, die Finanzverwaltung sei gemäß Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 UStAE i.V.m. dem BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 531 (Tz 1) nach wie vor anderer Auffassung als die Rechtsprechung, reicht eine derartige Verwaltungsanweisung zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Steuerermäßigung nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321, unter II.3.d cc, Rz 57, m.w.N.; Lange, HFR 2009, 167).
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e) Soweit das FA --wie bereits das BMF im Verfahren V R 61/03-- einwendet, dass Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG auf die Unterpos. 2201 9000 des Zolltarifs verweise (vgl. dazu auch Schrader, Mehrwertsteuerrecht 2013, 115), hat sich der BFH bereits mit diesem Argument auseinandergesetzt und ausgeführt, daraus könne ein gesetzlicher Ausschluss des Legens eines Hausanschlusses von der Steuerermäßigung nicht hergeleitet werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321, unter II.3.d ee, Rz 60 und 62). Die Ausführungen des FA gebieten nicht, von der dort geäußerten Auffassung abzurücken.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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