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BFH 09.03.2017 - VI R 33/16
BFH 09.03.2017 - VI R 33/16 - Beweisanforderungen für Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland - Nachweis einer Bargeldübergabe
Normen
§ 33a Abs 1 EStG 2009, § 90 Abs 2 AO, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 18. Februar 2016, Az: 5 K 4220/12, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der Steuerpflichtige hat die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG nachzuweisen, und zwar neben der Bedürftigkeit des Unterstützungsempfängers insbesondere auch die behaupteten Zahlungen .
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2. NV: Gemäß § 90 Abs. 2 AO sind bei Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Unterstützungsempfänger die Beteiligten in besonderem Maße verpflichtet, bei der Aufklärung mitzuwirken und die Beweismittel zu beschaffen .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Februar 2016 5 K 4220/12 insoweit aufgehoben, als das Finanzgericht entschieden hat, dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 Unterhaltsleistungen an die Mutter der Klägerin von jeweils 1.800 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
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Die Klage wird insoweit abgewiesen.
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Die Kosten des Klageverfahrens haben die Kläger zu 93 % und der Beklagte zu 7 % zu tragen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Unterhalt an in Ungarn lebende Eltern als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr 2009 geltenden Fassung (EStG a.F.) und nach § 33a EStG i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung (BürgEntlG KV) vom 16. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1959) für das Streitjahr 2010 zu berücksichtigen sind.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) machten in den Streitjahren (2009 und 2010) in ihren Einkommensteuererklärungen Unterhaltsleistungen an die in Ungarn lebende Mutter der Klägerin in Höhe von 1.800 € jährlich als außergewöhnliche Belastungen geltend. Den inhaltlichen Vorgaben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) genügende Unterhaltsbescheinigung legten sie vor. Die Zahlungen seien --ausweislich der vorgelegten Bestätigungen der Mutter der Klägerin-- bar und jeweils im Dezember für das Folgejahr geleistet worden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen nicht.
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Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage insoweit mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1858 veröffentlichten Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 18. Februar 2016 5 K 4220/12 insoweit aufzuheben, als das FG den Beklagten verpflichtet habe, bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 für beide Jahre Unterhaltszahlungen an die Mutter der Klägerin in Höhe von jeweils 1.800 € als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen, und die Klage insoweit abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) als das FG entschieden hat, dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 Unterhaltsleistungen an die Mutter der Klägerin von jeweils 1.800 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Annahme des FG, die Kläger hätten das Vorliegen der Voraussetzungen für den Abzug der Unterhaltsleistungen an die Mutter der Klägerin gemäß § 33a Abs. 1 EStG hinreichend nachgewiesen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 € (im Jahr 2009) und 8.004 € (im Jahr 2010) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei Unterhaltszahlungen an nicht unbeschränkt steuerpflichtige Empfänger bestimmt § 33a Abs. 1 Satz 6 1. Halbsatz EStG i.d.F. des BürgEntlG KV (§ 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG a.F.) zusätzlich, dass die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind. Der Höchstbetrag von 7.680 €/8.004 € mindert sich danach bei Aufwendungen für den Unterhalt von in Ungarn lebenden unterhaltsberechtigten Personen auf 1/2 je unterhaltener Person (vgl. hierzu Senatsurteile vom 27. Juli 2011 VI R 13/10, BFHE 234, 307, BStBl II 2011, 965, und vom 7. Mai 2015 VI R 32/14, BFH/NV 2015, 1248, unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 17. November 2003, BStBl I 2003, 637, zuletzt ersetzt durch BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2016, BStBl I 2016, 1183). Nach § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG a.F.) darf die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzen. Werden die Unterhaltsaufwendungen von mehreren Steuerpflichtigen getragen, so wird bei jedem der Teil des sich hiernach ergebenden Betrages abgezogen, der seinem Anteil am Gesamtbetrag der Leistungen entspricht (§ 33a Abs. 1 Satz 7 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV, § 33a Abs. 1 Satz 6 EStG a.F.).
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2. Der Steuerpflichtige hat die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG nachzuweisen, und zwar neben der --hier unstreitig vorliegenden und vom FG bindend festgestellten (§ 118 Abs. 2 FGO)-- Bedürftigkeit des Unterstützungsempfängers insbesondere auch die tatsächlichen Zahlungen. Gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sind die Beteiligten bei Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Unterstützungsempfänger in besonderem Maße verpflichtet, bei der Aufklärung mitzuwirken und die Beweismittel zu beschaffen. Die in der Verwaltungsregelung (BMF-Schreiben vom 15. September 1997, BStBl I 1997, 826, Ziff. 3 und 4; ersetzt durch BMF-Schreiben vom 9. Februar 2006, BStBl I 2006, 217; ersetzt durch BMF-Schreiben vom 7. Juni 2010, BStBl I 2010, 588) aufgestellten Kriterien konkretisieren den Rechtsbegriff der "erforderlichen Beweismittel" zwar zutreffend, jedoch nicht abschließend (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 39/03, BFHE 206, 529, BStBl II 2005, 24, m.w.N.). Zuzulassen sind regelmäßig nur sichere und leicht nachprüfbare --soweit möglich inländische-- Beweismittel (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483, m.w.N.).
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a) Welche Beweismittel zum Nachweis eines Sachverhalts erforderlich sind, richtet sich deshalb nach den Umständen des Einzelfalles. Auch wenn das FG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet und ihm als Tatsacheninstanz die Auswahl und Gewichtung der erforderlichen Beweismittel obliegt, hat es die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO zu berücksichtigen. Die Entscheidung, welche Anforderungen an den Nachweis von Vorgängen im Ausland zu stellen sind und welche Beweismittel der Steuerpflichtige zu beschaffen hat, gehört zur Rechtsanwendung und kann daher vom BFH überprüft werden (BFH-Urteil in BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483, m.w.N.).
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b) Die Erfüllung der Pflichten zur Aufklärung des Sachverhalts sowie zur Vorsorge und Beschaffung von Beweismitteln muss allerdings erforderlich, möglich, zumutbar und verhältnismäßig sein (BFH-Urteil in BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483, m.w.N.; ausführlich Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 90 AO Rz 180, 24 ff., m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90 AO Rz 34).
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c) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO muss das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden. Das Gesamtergebnis des Verfahrens bilden alle rechtserheblichen Umstände tatsächlicher Art, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Das FG ist bei der Feststellung und Gewichtung der entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnisse keinen starren Regeln unterworfen; es darf aber nicht willkürlich verfahren. Es muss insbesondere die gebildete subjektive Überzeugung objektivieren. Sie muss verstandesmäßig einsichtig und logisch nachvollziehbar sein und sich auf festgestellte Tatsachen stützen. Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat. Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (Senatsurteil vom 14. November 2013 VI R 25/13, BFH/NV 2014, 678, m.w.N.).
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3. Die Beweiswürdigung des FG wird diesen Maßstäben nicht hinreichend gerecht und ist für den Senat deshalb nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Es fehlt am Nachweis, dass die angegebenen Zahlungen tatsächlich geleistet worden sind. Die von den Klägern vorgelegten Empfangsbestätigungen genügen hierfür nicht. Aus ihnen ist nicht ersichtlich, ob der Mutter der Klägerin die Zuwendungen als Einmalbetrag oder in Teilbeträgen übergeben worden sind. Denn die Bestätigungen lauteten auf die Zahlung von insgesamt 1.800 € je Streitjahr. Auch ist aus den Bestätigungen nicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die Zahlung(en) von der Klägerin geleistet wurden. Die Schriftstücke sind zwar datiert. Das Datum lässt vorliegend jedoch nur auf den Tag ihrer Ausstellung, nicht aber den Zeitpunkt der Bargeldübergabe schließen. Auch streitet der Umstand, dass die bescheinigten Zahlungen nicht außergewöhnlich hoch waren, --entgegen der Auffassung des FG-- nicht für die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Bestätigungen. Schließlich lässt sich auch aus der Bedürftigkeit eines gesetzlich Unterhaltsberechtigten nicht auf tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen schließen.
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Vielmehr verlangt der Nachweis einer Bargeldübergabe neben einer belastbaren Empfängerbestätigung einen zeitnahen, lückenlosen Nachweis der "Zahlungskette", also Nachweise über die Abhebungen oder konkrete Verfügbarkeit dieser Beträge zum Zeitpunkt der Übergabe durch den Steuerpflichtigen. Allein das Vorliegen entsprechender Einkommens- und Vermögensverhältnisse genügt hierfür nicht. Darüber hinaus muss der Steuerpflichtige das "Wie und Wann" der Bargeldübergabe im Einzelnen darlegen und belastbar nachweisen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483). Deshalb steht --anders als das FG meint-- einer überzeugenden Nachweisführung der Umstand entgegen, dass der Steuerpflichtige nicht nachweisen kann, dass er zur behaupteten Bargeldübergabe am Übergabeort gewesen ist. Zu Recht weist das FG zwar daraufhin, dass der Unterhaltsverpflichtete die Barzuwendung nicht persönlich übergeben muss. In einem solchen Fall hat er jedoch "Roß und Reiter", d.h. den Überbringer des Geldes, zu benennen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483). Auch daran fehlt es im Streitfall. Die Klage war daher insoweit abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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