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BFH 10.03.2016 - III R 25/12
BFH 10.03.2016 - III R 25/12 - Kindergeld: Vorrangige Anspruchsberechtigung des im anderen EU-Mitgliedstaat lebenden Elternteils - fiktive Übertragung der Wohnsituation in Inland
Normen
§ 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 EStG 2009, § 64 Abs 2 S 1 EStG 2009, § 64 Abs 2 S 2 EStG 2009, Art 1 Buchst i Nr 1 Buchst i EGV 883/2004, Art 1 Buchst i Nr 2 EGV 883/2004, Art 1 Buchst z EGV 883/2004, Art 2 Abs 1 EGV 883/2004, Art 3 Abs 1 Buchst j EGV 883/2004, Art 11 Abs 3 Buchst a EGV 883/2004, Art 67 EGV 883/2004, Art 60 Abs 1 EGV 987/2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 20. April 2012, Az: 7 K 59/12 Kg, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der in einem anderen EU-Mitgliedstaat lebende Elternteil kann gegenüber dem im Inland lebenden Elternteil nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt sein, wenn er sein Kind in seinem Heimatland in einen Haushalt aufgenommen hat.
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2. NV: Die nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird.
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3. NV: Fehlt es in dem anderen EU-Mitgliedstaat an einem gemeinsamen Haushalt der beiden Elternteile, kann der im Inland lebende Elternteil nicht nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG zum vorrangig Berechtigten bestimmt werden.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20. April 2012 7 K 59/12 Kg aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater seines im Oktober 2010 geborenen Sohnes D. Der Kläger wohnt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und ist hier selbständig tätig sowie sozialversichert.
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D lebte bei der Kindsmutter in Polen, mit welcher der Kläger nicht verheiratet war. Nach einer Mitteilung der polnischen Behörden war die Kindsmutter in Polen nichtselbständig beschäftigt und erhielt dort mangels Antragstellung keine polnischen Familienleistungen. Aus dem vom Kläger für D im Januar 2011 gestellten Kindergeldantrag, auf welchen das Finanzgericht (FG) in seinem Urteil Bezug genommen hat, geht hervor, dass der Kläger deutscher Staatsangehöriger ist und dass er drei weitere volljährige Kinder mit einer anderen Frau hat. Im Zeitpunkt der Antragstellung war der Kläger mit dieser Frau verheiratet und wohnte mit ihr unter einer gemeinsamen Anschrift.
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Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den im Januar 2011 gestellten Antrag des Klägers, Kindergeld für D ab Oktober 2010 festzusetzen, mit Bescheid vom 26. Januar 2011 ab. In diesem Antrag erklärte sich die Kindsmutter damit einverstanden, das Kindergeld dem Kläger zu zahlen. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2011). Die Familienkasse lehnte einen Kindergeldanspruch des Klägers ab, weil die in Polen lebende Kindsmutter nach § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorrangig anspruchsberechtigt sei.
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Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für D ab Oktober 2010 festzusetzen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der nach den §§ 62 ff. EStG bestehende Kindergeldanspruch des Klägers sei --entgegen der Auffassung der Familienkasse-- nicht nach § 64 Abs. 2 EStG durch einen vorrangigen Anspruch der Kindsmutter verdrängt worden. Es spreche zwar viel dafür, dass D ausschließlich dem Haushalt der Kindsmutter in Polen zuzurechnen sei. Dies stehe aber der Anspruchsberechtigung des Klägers nicht entgegen, weil die Kindsmutter keine Berechtigte i.S. des § 62 EStG sei.
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Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung des § 64 EStG.
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Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Mit Beschluss vom 26. November 2014 hat der Senat das Verfahren zum Ruhen gebracht, bis der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen C-378/14 entschieden hat. Der EuGH hat mit Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2015, 1501) über die Vorlagefragen entschieden.
Entscheidungsgründe
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II. Die Familienkasse … ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse … eingetreten (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2014 III R 21/12, BFHE 246, 389, BStBl II 2015, 135, Rz 11).
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III.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger ist zwar nach nationalem Recht (§§ 62 ff. EStG) anspruchsberechtigt (dazu 1.). Der in Polen lebenden Kindsmutter steht aber nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG für D ein vorrangiger Kindergeldanspruch zu (dazu 2. bis 6.).
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1. Der Kläger erfüllt im Streitzeitraum (Oktober 2010 bis Dezember 2011, dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung; vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. September 2014 III R 36/12, BFHE 247, 488, BStBl II 2015, 286, Rz 16) die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 EStG).
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Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) liegen --was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist-- die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG vor. Dass D seinen Wohnsitz (offensichtlich) in Polen hat, ist für die Kindergeldberechtigung unerheblich (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).
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2. Allerdings ist die Kindsmutter --entgegen der Rechtsauffassung des FG-- nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig anspruchsberechtigt, weil gemäß Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 883/2004 (Grundverordnung)-- i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung)-- zu unterstellen ist, dass die Kindsmutter mit D in Deutschland wohnt.
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a) Nach § 64 Abs. 1 EStG wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
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b) Im Streitfall ergibt sich die Anspruchsberechtigung der Kindsmutter aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
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Das FG ist (offensichtlich) davon ausgegangen, dass der nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche Inlandswohnsitz der Kindsmutter nicht vorliegt. Es finden jedoch die Vorschriften der VO Nr. 883/2004 und der VO Nr. 987/2009 Anwendung (dazu 3.). Gemäß Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist zu unterstellen, dass die Kindsmutter mit D in Deutschland wohnt; demnach wird ein Inlandswohnsitz der Kindsmutter fingiert (dazu 4.). Zudem erfüllt die Kindsmutter auch die übrigen Voraussetzungen für eine vorrangige Anspruchsberechtigung (dazu 5. und 6.).
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3. Der Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 ist eröffnet und Deutschland der zuständige Mitgliedstaat.
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a) Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der Grundverordnung. Ebenso ist das Kindergeld nach dem EStG eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. z der VO Nr. 883/2004, weshalb auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist.
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b) Nach Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 unterliegen die von dieser Verordnung erfassten Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Im Streitfall sind dies aufgrund der vom Kläger in Deutschland ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit die deutschen Rechtsvorschriften (Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der VO Nr. 883/2004).
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4. Aus Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 folgt, dass die Wohnsituation der Kindsmutter (fiktiv) ins Inland übertragen wird.
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a) Nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist bei Anwendung von Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als fielen alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats und wohnten dort. Nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Danach schafft Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 eine gesetzliche Fiktion dahin, dass bei Anwendung der Koordinierungsregelungen der Grundverordnung die Situation der gesamten Familie in einer Weise berücksichtigt wird, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des für die Gewährung der Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaats fielen und dort wohnten.
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b) Art. 67 der VO Nr. 883/2004 ist ungeachtet dessen anwendbar, dass es nach nationalem Recht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 EStG) unerheblich ist, ob das Kind seinen Wohnsitz im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) hat (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 35 ff.). Ebenso kommt es für die Anwendung des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 883/2004 nicht darauf an, ob eine von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 erfasste Konkurrenzsituation gegeben ist. Sollte es hieran --wie vom FG mangels Gewährung polnischer Familienleistungen für D angenommen-- fehlen, griffe Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 bereits über Art. 67 der VO Nr. 883/2004 ein (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 35 ff.).
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c) Zu den "beteiligten Personen" i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 gehören die "Familienangehörigen" i.S. des Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i der VO Nr. 883/2004. Da das Kindergeldrecht nach dem EStG den Begriff des Familienangehörigen weder verwendet noch definiert, sind hierunter neben den Elternteilen und dem Kind auch alle Personen zu verstehen, die nach nationalem Recht berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 38). Daher werden von diesem Begriff nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG beide Elternteile erfasst, damit auch die in Polen wohnende Kindsmutter. Ob die Elternteile miteinander verheiratet sind, ist für die Kindergeldberechtigung ohne Bedeutung.
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Der Begriff der "beteiligten Personen" i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist auch nicht unter Rückgriff auf Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der VO Nr. 883/2004 zu bestimmen. Danach werden als "Familienangehörige" nur der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder angesehen, wenn die anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen unterscheiden, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind. Die Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmung ergibt sich zum einen daraus, dass im deutschen Kindergeldrecht die Anspruchsberechtigung von einer familienrechtlichen Beziehung abhängig gemacht wird (vgl. § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 EStG). Zum anderen hat auch der EuGH in seinem Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 38 zur Bestimmung der "beteiligten Personen" auf die nach nationalem Recht Anspruchsberechtigten abgestellt und damit auch die ehemalige (geschiedene) Ehefrau des Anspruchstellers als "beteiligte Person" qualifiziert.
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5. Die Kindsmutter erfüllt auch die übrigen erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen.
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a) Anhaltspunkte dafür, dass sie eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin i.S. des § 62 Abs. 2 EStG ist, hat das FG nicht festgestellt. Schließlich hat sie D nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG in ihren Haushalt in Polen aufgenommen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
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b) Ein vorrangiger Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG. Denn es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass in Polen ein gemeinsamer Haushalt des Klägers mit der Kindsmutter und D existiert haben könnte.
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aa) Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei bewirkt die nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen Mitgliedstaat der EU (hier Polen) gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird.
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bb) Im Streitfall war zwar die Kindsmutter mit einer Zahlung des Kindergeldes an den Kläger einverstanden. Es existierte aber in Polen kein gemeinsamer Haushalt des Klägers mit der Kindsmutter und D.
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Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Hierfür ist erforderlich, dass die Beteiligten gemeinsam zum Unterhalt der Familie beitragen und der bestehende Haushalt beiden zuzurechnen ist (vgl. Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 64 Rz C 19; Blümich/Selder, § 64 EStG Rz 26). Danach wird man regelmäßig ein örtlich gebundenes Zusammenleben mit gemeinsamer Versorgung fordern müssen (vgl. Wendl in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 64 EStG Rz 10). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist Tatfrage und vom FG als Tatsacheninstanz anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
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Der Kläger hat zwar vor dem FG vorgetragen, dass er für D Kindesunterhalt gezahlt und bei berufsbedingten Aufenthalten (gemeint sind wohl solche in Polen), ebenso in seiner Freizeit ausgiebigen Kontakt und Umgang mit seinem Kind gehabt habe. Der Senat ist jedoch aufgrund dieses pauschalen Vorbringens nicht gehalten, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass im Streitzeitraum zwischen dem Kläger, der Kindsmutter und D eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in Polen bestanden haben könnte. So fehlt jeglicher subtantiierter Vortrag zur Form und Höhe des Kindesunterhalts sowie zur Häufigkeit, Dauer und den Zwecken der Zusammentreffen.
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6. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Kindsmutter selbst einen Antrag auf Kindergeld in Deutschland gestellt hat.
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Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt nach Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil gestellt wird. Der Anspruch auf Kindergeld müsste daher nicht wegen der fehlenden Antragstellung der Kindsmutter dem Kläger zuerkannt werden (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 50). Vielmehr reichte es aus, dass der Kläger einen Antrag auf Kindergeld gestellt hat. Diesen hätte die deutsche Familienkasse auch als solchen zugunsten des Kindergeldanspruchs der Kindsmutter zu berücksichtigen.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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