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BFH 22.07.2015 - V R 49/14
BFH 22.07.2015 - V R 49/14 - Zurückweisung eines Bevollmächtigten - Auslegung eines Verwaltungsakts (hier: Zurückweisungsverfügung) durch Revisionsgericht - Erlass eines Zwischenurteils
Normen
§ 62 Abs 2 S 1 FGO, § 62 Abs 3 FGO, § 97 FGO, § 80 Abs 5 AO, § 80 Abs 8 S 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. Juni 2013, Az: 5 K 95/12, Zwischenurteil
Leitsatz
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1. NV: Zur Auslegung eines Verwaltungsaktes ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts hierzu ausreichen .
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2. NV: Betrifft die Zurückweisung eines Bevollmächtigten nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt lediglich das Festsetzungsverfahren, ist es unbeachtlich, dass die Finanzbehörde subjektiv eine Zurückweisung für das gesamte Mandatsverhältnis und für sämtliche künftige Verfahrenshandlungen beabsichtigt hatte .
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. Juni 2013 5 K 95/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist die Zulässigkeit einer von der R-Ltd. im Namen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) erhobenen Klage wegen Umsatzsteuer 2009 (Streitjahr).
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Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Ltd. (C-Ltd.), die im Inland eine Zweigniederlassung unterhält und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung erbringt. Für das Streitjahr gab sie am 14. Dezember 2010 eine Umsatzsteuererklärung ab, die zu einer Vorbehaltsfestsetzung (§ 164 der Abgabenordnung --AO--) führte. Auf Seite 1 des amtlichen Formulars erklärte sie, bei der Erstellung dieser Steuererklärung habe die R-Ltd. aus A in den Niederlanden mitgewirkt.
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Mit Bescheid vom 28. Januar 2011 wies der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die R-Ltd. nach § 80 Abs. 5 AO "für das Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren des Kalenderjahrs 2009 als Bevollmächtigte" zurück, weil sie zur Hilfeleistung in Steuersachen nicht befugt sei. Dabei wies das FA darauf hin, dass alle Verfahrenshandlungen, die die R-Ltd. trotz dieser Zurückweisung künftig für ihre Auftraggeberin in dem o.g. Verfahren vornehme, ohne steuerliche Wirkung blieben.
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Am 7. März 2012 änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung des Streitjahres zum Nachteil der Klägerin nach § 164 Abs. 2 AO. Dagegen erhob die von der R-Ltd. vertretene Klägerin am 10. April 2012 Sprungklage zum Finanzgericht (FG), der das FA zugestimmt hat.
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Das FG wies die R-Ltd. mit Beschluss vom 4. Februar 2013 als Bevollmächtigte nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurück.
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Nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter entschied dieser durch Zwischenurteil vom 20. Juni 2013, dass die Klage zulässig sei. Die vom FA ausgesprochene Zurückweisung für das Verwaltungsverfahren führe nicht zum Ausschluss der R-Ltd. für das Klageverfahren. Die Zurückweisung eines Bevollmächtigten wirke nur für das jeweilige Verfahren und nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt. Das Gericht schließe sich der Auffassung des 6. Senats des Niedersächsischen FG an, die dieses im Urteil vom 26. November 2009 6 K 530/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 541) vertreten habe. Die Zurückweisung eines Bevollmächtigten nach § 80 Abs. 5 AO durch die Finanzbehörde gelte daher nur für das Verwaltungsverfahren.
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Dagegen richtet sich die Revision des FA. Entgegen dem Urteil des FG lasse sich aus der systematischen Stellung des § 80 AO im 3. Teil der AO keine Einschränkung der Wirkung einer Zurückweisungsverfügung auf das Verwaltungsverfahren entnehmen. Die Auffassung des FG, wonach unter "Verfahren" nur jeweils kleine Verwaltungsschritte zu verstehen seien, nehme der Vorschrift jede sinnvolle Funktionalität. Eine Einschränkung der Wirkung eines Zurückweisungsbescheids könne auch nicht damit begründet werden, dass der Finanzverwaltung mit einem Untersagungsbescheid nach § 7 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ein wirksames Mittel zur Unterbindung der unbefugten Hilfeleistung zur Verfügung stehe, da es sich hierbei um ein von § 80 Abs. 5 AO unabhängiges und völlig eigenständiges Verfahren handle.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Zwischenurteil des Niedersächsischen FG vom 20. Juni 2013 5 K 95/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Urteils die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die R-Ltd. sei vom FA im Verwaltungsverfahren zu Unrecht zurückgewiesen worden, da sie im Zeitpunkt ihrer Zurückweisung die Voraussetzungen des § 3a StBerG erfüllt habe; dies werde derzeit u.a. in dem Revisionsverfahren II R 6/14 überprüft. Gerade im Falle einer materiell-rechtlich unzutreffenden Zurückweisung dürften das FG und der Bundesfinanzhof (BFH) nicht an die Zurückweisung der Verwaltungsbehörde gebunden sein. Abgesehen davon regele § 80 AO die Bevollmächtigung ausschließlich im Verwaltungsverfahren. Ob eine Zurückweisung im Verwaltungsverfahren nur für den einzelnen Verwaltungsabschnitt gelte oder nicht, sei im Streitfall irrelevant. Es komme nur darauf an, dass eine Zurückweisung im Verwaltungsverfahren keine Wirkung für das finanzgerichtliche Verfahren habe.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klage zulässig ist.
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1. Das FG war zum Erlass eines Zwischenurteils berechtigt.
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a) Nach § 97 FGO kann über die Zulässigkeit einer Klage durch Zwischenurteil vorab entschieden werden. Der Begriff "Zulässigkeit einer Klage" ist weit auszulegen; er bezieht sich auf alle für das Klageverfahren erheblichen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1985 IV R 1/81, BFHE 143, 223, BStBl II 1985, 368) und bedeutet nicht, dass ein Zwischenurteil nur ergehen darf, wenn sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für die betreffende Klage geprüft und bejaht worden sind (BFH-Urteil in BFHE 143, 223, BStBl II 1985, 368).
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b) Die Berechtigung eines Prozessbevollmächtigten zur Klageerhebung ist eine Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1988 I R 168/84, BFHE 156, 1, BStBl II 1989, 514) und betrifft damit die Zulässigkeit der Klage.
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2. Die von der R-Ltd. im Namen der Klägerin erhobene Klage ist zulässig. Die Klägerin hat sich bei der Klageerhebung wirksam durch die R-Ltd. als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 FGO). Dem steht weder die Zurückweisung der R-Ltd. durch das FG noch die dem vorausgehende Zurückweisung der R-Ltd. durch das FA entgegen.
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a) Mit unanfechtbarem Beschluss vom 4. Februar 2013 hat das FG die Prozessbevollmächtigte (R-Ltd.) als Bevollmächtigte zurückgewiesen (§ 62 Abs. 3 FGO). Die Zurückweisung wurde mit ihrer Bekanntgabe durch den am 6. Februar 2013 zur Post gegebenen einfachen Brief wirksam.
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Nach der gesetzlichen Anordnung in § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO wirkt der Zurückweisungsbeschluss ex nunc. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten sind und bleiben daher bis zur Bekanntgabe seiner Zurückweisung wirksam. Da die Klageerhebung mit Schriftsatz vom 10. April 2012 und damit fast ein Jahr vor der Bekanntgabe des Zurückweisungsbeschlusses erfolgte, steht diese Zurückweisung einer wirksamen Klageerhebung nicht entgegen.
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b) Eine wirksame Klageerhebung durch die R-Ltd. im Namen der Klägerin konnte auch die Zurückweisungsverfügung des FA im Verwaltungsverfahren nicht verhindern. Denn diese ist dahingehend auszulegen, dass sie lediglich das Besteuerungsverfahren zur Umsatzsteuerfestsetzung 2009, nicht aber das Klageverfahren betrifft.
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aa) Maßgebend für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteile vom 21. Juli 2011 II R 6/10, BFHE 234, 474, BStBl II 2011, 906, sowie vom 15. April 2010 V R 11/09, BFH/NV 2010, 1830). Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, was die Finanzbehörde erklären wollte oder wie ein außen stehender Dritter den Verwaltungsakt auffassen konnte. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96).
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bb) Zur Auslegung ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG hierzu ausreichen (BFH-Urteil vom 24. August 2005 II R 16/02, BFHE 210, 515, BStBl II 2006, 369). Der BFH ist dabei nicht an die Auslegung eines Bescheids durch das FG gebunden (BFH-Urteil in BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96).
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cc) Im Streitfall ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der streitgegenständlichen Verfügung, dass das FA die R-Ltd. lediglich für einen Teil des Verwaltungsverfahrens zurückgewiesen hat. Anlass hierfür war das Mitwirken der R-Ltd. bei der Erstellung der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2009 der Klägerin. Im Hinblick darauf wies das FA die R-Ltd. für das "Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren des Kalenderjahres 2009" als Bevollmächtigte zurück. Bei der Bestimmung des Umfangs der Zurückweisung bezieht sich das FA offensichtlich auf die in der Abgabenordnung angelegte Unterscheidung zwischen Ermittlungs-, Besteuerungs-, Erhebungs-, Vollstreckungs- und Rechtsbehelfsverfahren. Das Festsetzungsverfahren ist Teil des Besteuerungsverfahrens und im ersten Unterabschnitt des dritten Abschnitts geregelt (§§ 155 bis 178a AO). Einer lediglich auf das Festsetzungsverfahren beschränkten Auslegung steht der Hinweis des FA in der Zurückweisungsverfügung ("Alle Verfahrenshandlungen, die die R-Ltd. trotz dieser Zurückweisung künftig für ihre Auftraggeberin in dem oben genannten Verfahren vornimmt, bleiben ohne steuerliche Wirkung") nicht entgegen. Damit wird im Wesentlichen die in § 80 Abs. 8 Satz 2 AO geregelte Rechtsfolge einer Zurückweisungsverfügung wiedergegeben, nicht aber deren Umfang erweitert. Vielmehr bestätigt die ausdrückliche Bezugnahme auf das "oben genannte Verfahren" die Geltung lediglich für die Umsatzsteuer-Festsetzung 2009. Soweit die Rechtsfolge laut Zurückweisungsverfügung für alle künftig vorgenommenen Verfahrenshandlungen der R-Ltd. eintreten soll, wird damit lediglich verdeutlicht, dass die im Rahmen der Umsatzsteuer-Festsetzung 2009 künftig erfolgenden Verfahrenshandlungen betroffen sind. Dabei handelt es sich etwa um Anträge auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO), Änderungsanträge von Vorbehaltsfestsetzungen (§ 164 AO) oder Anträge auf Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden (§§ 172 ff. AO).
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Soweit das FA im finanzgerichtlichen Verfahren und der Revisionsbegründung davon ausgeht, dass die Zurückweisung das Mandatsverhältnis insgesamt und sämtliche künftigen Verfahrenshandlungen des unbefugt Tätigen nach seiner Zurückweisung für einen bestimmten Auftraggeber betreffen sollte, berührt dies nicht den objektiven, sondern nur den subjektiv gewollten Inhalt der Zurückweisungsverfügung, der im Wortlaut der Verfügung nicht zum Ausdruck kommt und daher bei der Auslegung unbeachtlich bleibt.
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3. Die Revision des FA ist auch insoweit unbegründet, als es hilfsweise die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung an das FG beantragt. Denn die Frage einer Zurückverweisung stellt sich nur bei einer --im Streitfall nicht gegebenen-- rechtsfehlerhaften Vorentscheidung.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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