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BFH 06.07.2015 - III B 168/14
BFH 06.07.2015 - III B 168/14 - Keine Einwendungen gegen Grund und Höhe von Säumniszuschlägen im Erlassverfahren - Verletzung des rechtlichen Gehörs - Anforderung an die Darlegung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Normen
§ 218 Abs 2 S 1 AO, § 227 AO, § 240 AO, § 96 Abs 2 FGO, § 76 Abs 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG München, 20. November 2014, Az: 10 K 3514/13, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Greift der Steuerpflichtige eine Entscheidung des Finanzamts über die Ablehnung des Erlasses von Säumniszuschlägen mit der Klage an, kann er in diesem finanzgerichtlichen Verfahren keine Einwendungen geltend machen, die sich mit der Frage befassen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die betreffenden Säumniszuschläge entstanden sind .
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2. NV: Einwendungen, die sich gegen den Grund oder die Höhe verwirkter Säumniszuschläge richten, sind mit einem Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung) geltend zu machen .
Tenor
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Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 20. November 2014 10 K 3514/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ gegenüber den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) diverse Bescheide zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 2001 bis 2008 sowie zu den Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 2008 bis 2010. Die hiernach festgesetzten Steuern und Vorauszahlungen wurden bei Fälligkeit zunächst nicht vollständig entrichtet. Nach Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen tilgten die Kläger die Rückstände bis 18. Februar 2011 in vollem Umfang. Ausweislich einer Rückstandsaufstellung vom 15. März 2011 blieben nur noch Säumniszuschläge in Höhe von 82.283,10 € offen. Den Antrag der Kläger, sämtliche Säumniszuschläge zu erlassen, lehnte das FA mit Bescheid vom 17. März 2011 ab. Durch mehrere Ratenzahlungen entrichteten die Kläger anschließend bis 13. Juni 2012 auch alle rückständigen Säumniszuschläge. Dem gegen die Ablehnung des Erlasses und mittlerweile auf Erstattung der bereits geleisteten Säumniszuschläge gerichteten Einspruch half das FA in Höhe von 585 € wegen des Vorliegens sachlicher Billigkeitsgründe hinsichtlich der Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag für das IV. Quartal 2008 ab. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2013).
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Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass die vom FA getroffene Entscheidung keine Ermessensfehler erkennen lasse. Das FA habe zu Recht angenommen, dass weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe gegeben seien.
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Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und daher gemäß § 116 Abs. 5 Satz 1 FGO durch Beschluss zurückzuweisen. Soweit die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt sind, liegen sie jedenfalls nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen.
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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst vor allem das durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 2 FGO gewährleistete Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat. Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. April 2008 X B 154/07, BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.).
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b) Dies zugrunde gelegt, ergibt sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht im Hinblick auf die Rüge der Kläger, das FG habe ihren Vortrag im Schriftsatz vom 20. August 2014, wonach die Säumniszuschläge zu den ursprünglich festgesetzten Vorauszahlungen zur Einkommensteuer 2008 und 2009 wegen nachfolgender Aufhebung dieser Vorauszahlungen nicht gerechtfertigt gewesen seien, nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.
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Aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung folgt, dass das FG dieses Vorbringen nicht für entscheidungserheblich gehalten hat. Das FG hat sich --entsprechend dem durch das Klagebegehren begrenzten Entscheidungsrahmen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO)-- nur mit der Frage befasst, ob die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 227 der Abgabenordnung (AO) ermessensfehlerhaft war. Innerhalb dieses Prüfungsrahmens hat es --wie sich aus dem Protokoll über die am 27. Mai 2014 durchgeführte Erörterung, aus dem Tatbestand und aus II.2.a der Gründe der Entscheidung ergibt-- die durch die Rückstandsaufstellung vom 15. März 2011 ausgewiesene Zusammensetzung und Höhe der Säumniszuschläge als gegeben angesehen. Zur Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Säumniszuschläge zu den Einkommensteuer-Vorauszahlungen 2008 und 2009 tatsächlich entstanden waren, brauchte sich das FG --im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (zur Zweigleisigkeit des Verfahrens s. etwa BFH-Beschluss vom 20. Juli 2007 VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069, m.w.N.)-- nicht auseinanderzusetzen, weil etwaige Streitigkeiten hierüber in einem eigenständigen Verfahren durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO zu entscheiden sind (s. im Einzelnen Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 240 AO Rz 84; Lindwurm in Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung, § 240 Rz 34).
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c) Auch soweit die Kläger geltend machen, das FG habe sich nicht mit ihrem Vortrag auseinandergesetzt, wonach ihr Prozessbevollmächtigter sich mit einer Vielzahl von Anträgen um eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) bemüht, das FA hiervon aber nur einen beantwortet habe, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor. Denn das FG ist --wie die Kläger selbst ausführen-- davon ausgegangen, dass eine AdV zu einem früheren Zeitpunkt ohnehin ausgeschieden wäre, weil die Steuerfestsetzungen auf Schätzungen beruhten und die dagegen gerichteten Einsprüche erst mit der Einreichung der Steuererklärungen begründet wurden. Daraus wird deutlich, dass es für das FG nicht entscheidungserheblich war, wie viele Anträge auf AdV die Kläger gestellt haben und ob diese alle durch das FA beantwortet wurden.
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2. Soweit die Kläger rügen, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es ihrem Einwand, dass keine Vorauszahlungsverpflichtung bestanden habe, nicht nachgegangen sei, haben sie einen Verfahrensmangel nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.
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a) Wird gerügt, das FG habe gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, weil es auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter hätte aufklären müssen, ist insbesondere anzugeben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunkts hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2005 VII B 61/04, BFH/NV 2005, 921, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 70).
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b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Die Kläger führen schon nicht aus, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären müssen und welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen. Sie gehen auch nicht darauf ein, warum sich dem FG nach seinem insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Das FG hat im Tatbestand der Entscheidung tatsächliche Feststellungen zu den die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 2008 und 2009 betreffenden Bescheiden getroffen.
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Soweit die Kläger sich im Kern dagegen wenden, dass das FG die Frage, welchen Inhalt diese Verwaltungsakte aufweisen, anders beurteilt hat als von ihnen gewünscht, handelt es sich bereits nicht um eine Frage der Tatsachenfeststellung, sondern der materiellen Würdigung (BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II 1998, 601; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 210). Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit des erstinstanzlichen Gerichts vermögen die Zulassung der Revision indes grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (z.B. BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2013 X B 239/12, BFH/NV 2014, 65, m.w.N.).
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3. An der hinreichenden Darlegung eines Verfahrensfehlers fehlt es auch insoweit, als die Kläger vortragen, das FG habe zu Unrecht eine weitere Sachaufklärung zu den von den Klägern gestellten Anträgen auf AdV unterlassen. Insbesondere setzen sich die Kläger nicht mit der Frage auseinander, weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts, dass das FA ohnehin zu keinem früheren Zeitpunkt AdV hätte gewähren dürfen, hätte aufdrängen müssen.
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.
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