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BFH 19.12.2013 - V R 6/12
BFH 19.12.2013 - V R 6/12 - Zeitliche Grenze der Rücknahme des Verzichts auf Steuerbefreiungen - Beendigung der Stellung eines "Dritten" durch Verschmelzung
Normen
§ 164 AO, § 168 AO, § 169 AO, § 170 AO, § 174 Abs 4 AO, § 174 Abs 5 AO, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 1991, § 9 UStG 1991, § 19 UStG 1991, § 23 UStG 1991, Art 4 Abs 4 UAbs 2 EWGRL 388/77
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 26. Oktober 2011, Az: 7 K 7193/07, Urteil
Leitsatz
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1. Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG kann zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist (Klarstellung der Rechtsprechung).
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2. Nach Verschmelzung einer Organgesellschaft auf den Organträger ist sie nicht mehr Dritte i.S. von § 174 Abs. 5 AO.
Tatbestand
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I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 1991 vom 9. Juni 2005, mit dem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt IV --FA--) den der M-G-GmbH in 1991 gewährten Vorsteuerabzug rückgängig macht.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer KG, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der M-G-GmbH, die durch Verschmelzung auf die Klägerin mit der Handelsregistereintragung am 8. September 2003 erloschen ist. Bereits seit Februar 1995 war die M-G-GmbH finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert, wobei einer der Mitgeschäftsführer der Komplementärin der Klägerin seit dem 1. Juli 2000 zugleich einer der Geschäftsführer der M-G-GmbH war. Zum Organkreis der Klägerin gehörte auch die D-GmbH als Rechtsnachfolgerin der M-GmbH. Von dieser Gesellschaft (M-GmbH) erwarb die M-G-GmbH Ende Dezember 1991 ein mit einem Hotel bebautes Grundstück.
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Die M-GmbH verzichtete auf die Steuerfreiheit des Umsatzes und wies in der Rechnung vom 31. Dezember 1991 gesondert Umsatzsteuer in Höhe von 18.838.830,07 DM aus. Diese machte die M-G-GmbH in ihrer am 21. Dezember 1992 beim seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA II) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 1991 als Vorsteuer geltend. Unter dem 16. März 1993 stimmte das FA II zu und teilte mit, dass erklärungsgemäß ein Umsatzsteuerüberschuss in Höhe von 18.837.340,10 DM festgesetzt worden sei.
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Eine bei der M-G-GmbH im September 1995 angeordnete und im Dezember 1996 begonnene Außenprüfung betreffend die Umsatzsteuer 1991 führte zu keiner Änderung der erklärten Besteuerungsgrundlagen. Die M-G-GmbH erhielt daher im Januar 2000 eine Mitteilung gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO).
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Am 23. Dezember 1997 trafen die D-GmbH als Rechtsnachfolgerin der M-GmbH und die M-G-GmbH eine Vereinbarung über den Widerruf des Verzichts auf die Umsatzsteuerfreiheit der Grundstücksveräußerung. Hierauf erteilte die D-GmbH der M-G-GmbH noch am selben Tage eine Rechnung ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis. Die Klägerin ging davon aus, dass der Widerruf zu einer ihr als Organträgerin zuzurechnenden Kürzung des Vorsteuerabzugs der M-G-GmbH in 1997 führe und berücksichtigte diese in der am 10. Dezember 1998 beim FA eingegangenen --nicht zustimmungsbedürftigen-- Umsatzsteuererklärung für 1997.
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Im Rahmen einer im Jahr 2002 begonnenen Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1999 reichte die Klägerin am 16. März 2004 eine geänderte Umsatzsteuererklärung für 1997 ein und begehrte unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Februar 2001 V R 23/00 (BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673) die Erhöhung der Vorsteuer um den zuvor korrigierten Betrag. Nach dieser Entscheidung sei die Vorsteuerkorrektur wegen der Rücknahme des Verzichts auf die Steuerfreiheit des Grundstücksgeschäfts nicht im Jahre der Rücknahme (1997), sondern im Jahr des Leistungsbezugs (1991) vorzunehmen.
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Das FA erließ daraufhin gegenüber der Klägerin unter dem 20. Januar 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1997 und setzte die Umsatzsteuer entsprechend der geänderten Umsatzsteuererklärung 1997 herab. Außerdem erließ das FA am 9. Juni 2005 einen auf § 174 AO gestützten Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1991 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der M-G-GmbH und minderte den Vorsteuerabzug um 18.838.380,07 DM.
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Der hiergegen gerichtete Einspruch vom 24. Juni 2005 ist bisher noch nicht beschieden worden. Als Grund hierfür teilte das FA mit, dass das Rechtsbehelfsverfahren bis zur endgültigen außergerichtlichen oder gerichtlichen Entscheidung über den Einspruch einer weiteren Organgesellschaft der Klägerin zurückgestellt werde.
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Die am 29. Mai 2007 erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 800 veröffentlichten Urteil aus, die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet. Das FA habe die Umsatzsteuerfestsetzung 1991 zu Recht gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert. Zwar sei spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2000 Festsetzungsverjährung eingetreten, allerdings lägen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO vor. Die M-G-GmbH sei nicht als Dritte i.S. von § 174 Abs. 5 AO anzusehen, da sie zum Zeitpunkt der Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1997 am 20. Januar 2005 und der Änderung der Umsatzsteuer 1991 am 9. Juni 2005 bereits auf die Klägerin verschmolzen gewesen sei.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt Verletzung materiellen Rechts. Bei Erlass des angegriffenen Bescheides sei die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1991 bereits abgelaufen gewesen. Eine Änderung könne nicht auf § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AO gestützt werden. Es komme der in § 174 Abs. 5 AO verkörperte Drittschutzgedanke zum Tragen, da im Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Darüber hinaus setzten § 174 Abs. 3 und 4 AO voraus, dass es sich bei dem zu korrigierenden und dem korrekturauslösenden Bescheid um materiell bestandskräftige, endgültige Bescheide handele. Eine Umsatzsteuererklärung, die lediglich einem Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe, genüge diesen Anforderungen nicht. Zudem fehle es an einer irrigen Beurteilung durch die Finanzbehörde. Außerdem gebe es keinen Bescheid, in dem der Sachverhalt erkennbar berücksichtigt worden sei; eine unterlassene Änderung eines Bescheides könne dem nicht gleichgestellt werden. Schließlich sei § 174 Abs. 3 AO nur anwendbar, wenn eine spätere Berücksichtigung des Sachverhalts erfolgen solle. Im vorliegenden Fall handele es sich aber um eine gleichzeitige Berücksichtigung, da das FA im selben Moment zwischen zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen habe wählen müssen.
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Als Rechtsnachfolgerin der M-G-GmbH müsse sie sich nicht die Kenntnisse als vormaliger Organträger zurechnen lassen. Die mit der Organschaft verbundene Eingliederung ändere nichts an der verfahrensrechtlichen Selbständigkeit beider Rechtspersonen. Auf die Kenntnis einer anderen Rechtsperson könne es ebenso wenig ankommen wie auf Kenntnisse, die der Geschäftsführer der Organgesellschaft in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Organträgers gewonnen habe.
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Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1991 vom 9. Juni 2005 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Rücknahme der Option vom 23. Dezember 1997 führte zum Verlust des der M-G-GmbH in 1991 gewährten Vorsteuerabzugs und das FA war berechtigt, den Verlust des Vorsteuerabzugs durch den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1991 vom 9. Juni 2005 geltend zu machen, da die Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 4 und 5 AO vorliegen.
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1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG), konnte der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG von anderen Unternehmern gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen.
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Der Vorsteuerabzug setzt ferner voraus, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87, Genius Holding, Slg. 1989, 4227, 4242; BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695). Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, wird der Umsatz rückwirkend wieder steuerfrei, sodass eine Steuer für den berechneten Umsatz nicht mehr geschuldet wird. Der Erwerber verliert dann den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (BFH-Urteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 Rz 25). Der rückwirkende Verlust des Vorsteuerabzugs durch die Rücknahme des Verzichts setzt allerdings voraus, dass die Rücknahme in formaler und zeitlicher Hinsicht wirksam war:
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a) Hatte der Unternehmer auf die Steuerfreiheit des Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, kann er den Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt (BFH-Urteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 Rz 20).
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Im Streitfall ist der Verzicht durch Übersenden einer neuen Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis am 23. Dezember 1997 formal zutreffend rückgängig gemacht worden.
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b) Die Rücknahme des Verzichts war auch in zeitlicher Hinsicht wirksam. Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG kann zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist. Soweit die bisherige Senatsrechtsprechung dahingehend verstanden werden konnte, dass die Rücknahme des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des Leistenden zulässig ist, hält der Senat daran nicht fest (Klarstellung der Rechtsprechung).
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aa) Nach allgemeiner Ansicht kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung wieder rückgängig gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394; vom 25. Februar 1993 V R 78/88, BFHE 171, 369, BStBl II 1993, 777, und vom 11. August 1994 XI R 57/93, BFH/NV 1995, 170).
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bb) Umstritten ist dagegen, ob dies nur bis zum Zeitpunkt der formellen Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres der Leistungserbringung oder darüber hinaus noch möglich ist, solange die entsprechende Steuerfestsetzung nach § 164 AO änderbar ist. Der Verzicht und sein Rückgängigmachen als actus contrarius sind mit Blick auf die zeitlichen Grenzen ihres Ausübens gleich zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2002 V R 54/00, BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175, unter II.2.b).
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Die Begrenzung des Verzichts oder seiner Rücknahme auf die formelle Bestandskraft sorgt zwar für Rechtssicherheit und frühzeitig klare Verhältnisse, begrenzt den Steuerpflichtigen aber unverhältnismäßig in der Ausübung seines Wahlrechts. Eine derartig enge Eingrenzung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist, wie in § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG für die Option des Kleinunternehmers zur Regelbesteuerung oder in § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG für die Option zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen. In beiden Fällen muss bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) und damit innerhalb der formellen Bestandskraft widerrufen werden. Da § 9 UStG eine derartige Regelung nicht enthält und der Normzweck auch keine solche Einschränkung erfordert, ist der Unternehmer nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats berechtigt, den Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG und dessen Rücknahme solange geltend zu machen, wie die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist:
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(1) Nach dem Senatsurteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 (Leitsatz 2), kann auf die Steuerbefreiung einer Grundstückslieferung nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum der Lieferung nicht mehr durch Ausgabe einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis verzichtet werden. Der Begriff der "Bestandskraft" ist dabei in einem materiellen Sinne zu verstehen. Denn der erkennende Senat hat seine Entscheidung ausdrücklich damit begründet, dass die Wirksamkeit des Verzichts davon abhängt, dass es der Finanzbehörde möglich ist, die Steuer für den Umsatz festzusetzen, und dass ein "wirksamer Verzicht i.S. von § 9 Abs. 1 UStG 1980... daher nicht vor[liegt], wenn ein Unternehmer eine Grundstückslieferung als steuerpflichtig behandelt, nachdem die Steuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum der Lieferung unabänderbar geworden ist. Die Behandlung eines steuerfreien Umsatzes als steuerpflichtig setzt voraus, dass die Steuerpflicht (und der dadurch begründete Steueranspruch) durch Steuerfestsetzung noch verwirklicht werden kann" (BFH-Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.4.a).
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Dementsprechend hat der erkennende Senat darauf abgestellt, dass die Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr der Lieferung, die erst nachträglich --aufgrund des erst später erklärten Verzichts-- aber mit Rückwirkung steuerpflichtig ist, nach den Vorschriften der AO noch änderbar ist. Dabei hat der Senat eine Änderbarkeit nach § 173 AO und § 175 AO verneint, sodass für die Änderbarkeit auf das Bestehen eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO abzustellen ist, während die Frage der formellen Bestandskraft, die bereits mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintritt, unerheblich ist.
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Der erkennende Senat hat hieran in der Folgezeit festgehalten. Im Urteil in BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175 (unter II.2.b) hat der Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Unternehmer den Verzicht zeitlich begrenzt bis zum Ende der Änderbarkeit nach § 164 Abs. 2 AO erklären kann.
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(2) Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673. Danach kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung eines Umsatzes gemäß § 9 UStG "jedenfalls" bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung rückgängig gemacht werden, wobei aber in diesem Verfahren die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig gemacht werden kann, nicht entscheidungserheblich war (Senatsurteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673).
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Auch aus dem Senatsurteil vom 6. Oktober 2005 V R 8/04 (BFH/NV 2006, 835), nach dem der Widerruf des Verzichts beim Leistungsempfänger zum Verlust des Vorsteuerabzugs für das Jahr des Leistungsbezugs, nicht aber zum Verlust des Vorsteuerabzugs für das Jahr der Widerrufserklärung führt, folgt keine abweichende Beurteilung der Rechtsfrage.
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(3) Gegen die Ausübung des Verzichts und der Rücknahme des Verzichts in den Grenzen der Änderbarkeit nach § 164 AO spricht nicht, dass der Unternehmer bei der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG an ein sachgerechtes Aufteilungsverfahren ab dem Zeitpunkt der formellen Bestandskraft der Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für das Jahr des Leistungsbezugs gebunden ist (Senatsurteil vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, Leitsatz). Diese zeitliche Beschränkung beruht auf den Besonderheiten des Vorsteuerabzugs, die eine sog. "Sofortentscheidung" auch über den "Umfang des Vorsteuerabzugs" erforderlich machen (Senatsurteil in BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, unter II.2.a und b). Dieser Umstand ist jedoch für die Frage der Ausübung von Verzicht und Widerruf des Verzichts nicht erheblich. Denn der nachträgliche Verzicht ist auch dann von Bedeutung, wenn der Unternehmer seine Grundstücksübertragung zunächst als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG ansieht, sich diese Annahme aber als unzutreffend herausstellt und es ohne nachträglichen Verzicht zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG kommen könnte.
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(4) Mit dieser Rechtsprechung weicht der erkennende Senat nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Dieser ist zwar im Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08 (BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c bb (2)) davon ausgegangen, dass "eine Bindungswirkung an die Option zur Steuerpflicht ab dem Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung" bestehe. Dabei handelt es sich aber um ein nicht bindendes obiter dictum, da es in dem vom XI. Senat entschiedenen Streitfall um die Frage eines rückwirkenden Wechsels von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und damit um einen anderen Sachverhalt ging.
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Soweit die Finanzverwaltung aus diesem Urteil folgert, dass sowohl die Erklärung zur Option nach § 9 UStG als auch ihr Widerruf nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig sind (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2010 IV D 3-S 7198/09/ 10002, 2010/0760001, juris; nunmehr Abschn. 9.1. Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; anders bis zum 1. Oktober 2010 Abschn. 148 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 --UStR 2008--) folgt der erkennende Senat dem nicht.
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(5) Im Streitfall erfolgte die Rücknahme der Option noch im Rahmen der zeitlichen Änderungsgrenze. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Umsatzsteuerfestsetzung 1991 der Leistenden (M-GmbH), selbst wenn diese ihre Umsatzsteuererklärung 1991 bereits im Laufe des Jahres 1992 abgegeben hätte, wegen der Anlaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO durch die konzernweite und damit auch die M-GmbH erfassende Betriebsprüfung der Klägerin noch änderbar war. Dafür spricht auch, dass die Finanzverwaltung im Zeitraum der Rücknahme der Option (1997) noch davon ausging, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung sowie dessen Rücknahme bis zum Eintritt der materiellen Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheids möglich ist (vgl. Abschn. 148 Abs. 3 UStR 2008).
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2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen einer widerstreitenden Folgeänderung nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO vorliegen und die Umsatzsteuerfestsetzung 1991 durch den Bescheid 1991 vom 9. Juni 2005 rechtmäßig geändert wurde.
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a) Ergeht aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor:
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aa) Sachverhalt i.S. von § 174 AO ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 45/09, BFH/NV 2011, 1655) der maßgebliche "Lebensvorgang", an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Im Streitfall ist dies die Rücknahme des Verzichts auf Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes durch die D-GmbH vom 23. Dezember 1997.
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bb) Diesen Sachverhalt berücksichtigte die Klägerin nicht im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung 1991, sondern bei ihrer Umsatzsteuererklärung 1997. Bei deren Abgabe ging sie davon aus, dass die Rücknahme des Verzichts auf die Steuerfreiheit der Grundstücksveräußerung vom 23. Dezember 1997 bei ihr als Organträgerin der Leistungsempfängerin (M-G-GmbH) erst im Jahr 1997 zu einer Korrektur des Vorsteuerabzugs führe.
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cc) Diese Annahme erwies sich jedoch als Folge des BFH-Urteils in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 als falsch. Danach wirkt die Rücknahme der Option auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurück, sodass der Umsatz rückwirkend wieder steuerfrei und eine Steuer für den berechneten Umsatz nicht mehr geschuldet wird. Dies führt dazu, dass der Leistungsempfänger den Vorsteueranspruch rückwirkend im Zeitpunkt des Leistungsbezugs verliert. Folglich war die Rücknahme der Option bereits im Veranlagungszeitraum 1991 zu berücksichtigen.
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dd) Der Wortlaut des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO setzt weiter voraus, dass aufgrund der irrigen Beurteilung des Sachverhalts ein Steuerbescheid ergeht. Ein solcher ist im Streitfall zwar nicht erlassen worden, aber auch nicht erforderlich. Denn eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach Abgabe einer Steuererklärung steht einem Steuerbescheid i.S. von § 174 Abs. 4 AO gleich (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1994 XI R 45/93, BFHE 174, 290). Da bei der irrigen Beurteilung des Sachverhalts auf die Perspektive der Klägerin abgestellt wird, ohne dass ein Steuerbescheid ergeht, ist es folgerichtig, auf die zu einer Vorbehaltsfestsetzung führende Steuererklärung des Steuerpflichtigen abzustellen.
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ee) Die aufgrund der irrigen Beurteilung des Sachverhalts abgegebene Umsatzsteuererklärung 1997 der Klägerin wurde aufgrund des Antrags der Klägerin --in Gestalt der geänderten Umsatzsteuererklärung 1997 vom 16. März 2004- durch den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1997 vom 20. Januar 2005 geändert. Gegenstand dieses Antrags war der Sachverhalt, der im Jahr 1997 zur Vorsteuerkorrektur aufgrund der Rücknahme des Verzichts auf Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes führte.
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Das FA war danach grundsätzlich zur Folgeänderung innerhalb der Jahresfrist berechtigt (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO). Diese Frist wurde eingehalten, da die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1997 am 20. Januar 2005 erfolgte und wenige Monate später --am 9. Juni 2005-- der Änderungsbescheid 1991 erlassen wurde. Der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1991 betraf zwar die M-G-GmbH, wurde jedoch zutreffend an die Klägerin adressiert, da die M-G-GmbH aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 31. Juli 2003 auf die Klägerin verschmolzen war und diese damit zur Gesamtrechtsnachfolgerin der M-G-GmbH geworden ist.
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b) Einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1991 durch den Bescheid vom 9. Juni 2005 steht § 174 Abs. 4 Satz 4 AO nicht entgegen.
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aa) War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, ist eine Folgeänderung nur unter der einschränkenden Voraussetzung des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO zulässig.
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bb) Im Streitfall beruhte die irrige und daher durch den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 20. Januar 2005 geänderte Steuerfestsetzung nicht auf einem Steuerbescheid der Finanzbehörde, sondern einer --dem gleichstehenden-- Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch die Umsatzsteuererklärung 1997 der Klägerin vom 10. Dezember 1998.
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Zu diesem Zeitpunkt war die insoweit maßgebliche Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1991 der M-G-GmbH noch nicht abgelaufen. Denn die bei der M-G-GmbH noch in der regulären Festsetzungsfrist begonnene Außenprüfung endete mit der im Januar 2000 bekannt gegebenen Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, sodass Festsetzungsverjährung erst nach Ablauf von drei weiteren Monaten eintrat (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO) und damit vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1991.
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c) Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1991 scheitert auch nicht an § 174 Abs. 5 AO. Danach gilt § 174 Abs. 4 AO gegenüber Dritten nur, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Dritter in diesem Zusammenhang ist, im Hinblick auf den zu ändernden fehlerhaften Bescheid jeder, der darin nicht als Steuerschuldner angegeben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2008 IV B 140/07, BFH/NV 2009, 1; BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764; BFH-Beschluss vom 27. August 1997 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148).
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Unter Berücksichtigung dieser Auslegung ist die Klägerin im Verhältnis zur M-G-GmbH kein Dritter i.S. von § 174 Abs. 5 AO, da sie in der Umsatzsteuerjahreserklärung für 1997 --die einer Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO)-- als Steuerschuldnerin angegeben ist. Dass diese Personenidentität auf der im Jahr 2003 eingetretenen Rechtsnachfolge beruht, vermag hieran nichts zu ändern. Wie sich aus § 45 Abs. 1 AO ergibt, tritt der Gesamtrechtsnachfolger in das Steuerschuldverhältnis des Rechtsvorgängers ein, mit der Folge, dass Steuerbescheide an den Gesamtrechtsnachfolger zu richten sind (vgl. zur Verschmelzung BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 I R 38/01, BFHE 202, 507, BStBl II 2003, 822).
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