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BFH 05.02.2013 - VII R 16/12
BFH 05.02.2013 - VII R 16/12 - Tarifierung von Terrassendielen aus Holzfasern und Polypropylen
Normen
Art 220 Abs 1 ZK, Pos 3918 KN, Pos 4409 KN, Pos 4411 KN, Art 220 Abs 1 EWGV 2913/92
Vorinstanz
vorgehend FG München, 16. Februar 2012, Az: 14 K 2416/09, Urteil
nachgehend BFH, 6. Juni 2013, Az: VII R 16/12, Beschluss
Leitsatz
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NV: Waren aus Holzfasern - auch in einer gepressten oder anderweitigen gebundenen Form - können nicht in die Pos. 4409 (KN) eingereiht werden. Denn in Kap. 44 KN wird der Begriff "Holz" i.S. des gewachsenen oder mechanisch zugerichteten Naturproduktes verwendet, während zerkleinertes Holz - auch Holzfasern - mit eigenen Begriffen, jedoch nicht als "Holz" bezeichnet wird.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte im Jahr 2006 aus den USA Terrassendielen "X" nach Deutschland ein. Die Dielen bestehen aus ca. 60-65 % Holzfasern (Hartholz) und aus ca. 35-40 % Polypropylen. Außerdem sind UV-stabilisierende Farbstoffe und andere Zuschlagstoffe enthalten. Zur Herstellung werden die Bestandteile zusammen erhitzt, in eine Form gegossen und durch Abkühlung ausgehärtet. Die Waren wurden antragsgemäß unter der Codenummer 4409 1018 00 "Holz ... profiliert ..." (Zollsatz frei) der Kombinierten Nomenklatur (KN) zum zollrechtlich freien Verkehr abgefertigt. Mit Eingangsabgabenbescheiden wurde jeweils lediglich Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt.
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Aufgrund eines Einreihungsgutachtens der Bundesfinanzdirektion D - Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt E vom …, mit dem die Terrassendielen in die Codenummer 3918 9000 90 0 KN "Bodenbeläge aus Kunststoffen, in Form von Fliesen oder Platten, aus Polymeren des Propylens, andere" (Zollsatz 6,5 %) eingereiht wurden, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) für die Dielen nachträglich Zoll fest. Den dagegen eingelegten Einspruch der Klägerin wies es zurück, nachdem das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung die Einreihung bestätigt hatte.
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Das Finanzgericht (FG) gab der von der Klägerin erhobenen Klage statt und hob den Nacherhebungsbescheid auf (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2013, Beilage 1, 3). Es urteilte, die von der Klägerin eingeführten Terrassendielen seien unter Anwendung der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) in die Codenummer 4409 1018 00 0 KN einzureihen. Eine Einreihung nach AV 1 und AV 6 anhand des Wortlauts der Positionen bzw. Unterpositionen sei nicht möglich, weil die zu beurteilenden Waren weder von der Pos. 4409 KN noch von der Pos. 3918 KN ausdrücklich erfasst würden.
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Der Wortlaut der Pos. 4409 KN und die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) Rz 01.2 sprächen dafür, dass in erster Linie solche Waren darunter fielen, denen ein Stück Holz als Ausgangsprodukt zugrunde liege. Die Terrassendielen würden jedoch nicht aus einem Stück Holz oder aus Brettern, sondern in der Weise hergestellt, dass eine zu etwa 60 % aus Holzfasern und zu etwa 40 % aus Polypropylen bestehende Masse durch eine Maschine in eine bestimmte Form gegossen und anschließend gehärtet werde.
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Auch der Wortlaut der Pos. 3918 KN "Bodenbeläge aus Kunststoffen ..." und die Anm. 1 zu Kap. 39 KN (künstliche Formung einer Masse aus Kunststoffen der Pos. 3901 bis 3914 KN) ließen eine eindeutige Zuordnung nicht zu. Denn einerseits sei der Herstellungsprozess der von der Klägerin eingeführten Terrassendielen dem in Anm. 1 zu Kap. 39 KN dargestellten Verfahren vergleichbar, weil einer Holzfaser-Kunststoffmasse eine bestimmte Form, nämlich die von Holzbrettern, gegeben werde, andererseits bestünden die Dielen aber nicht nur aus einem Stoff der Pos. 3901 bis 3914 KN, sondern überwiegend aus Holzfasern.
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Die aus verschiedenen Stoffen bestehenden und nicht nach AV 3a eindeutig zuzuordnenden Dielen seien gemäß der AV 3b nach dem Stoff oder Bestandteil einzureihen, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleihe. Nach Überzeugung des FG verleiht der Holzanteil (60-65 %) den Waren ihren wesentlichen Charakter. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Dielen überwiegend aus Holz bestünden. Dass es sich dabei um Holzfasern und nicht um Späne handele, sei nicht ausschlaggebend, zumal die Holzfasern deutlich sichtbar seien und an den Schnittkanten kleine Holzpartikel abgekratzt werden könnten, das Material brennbar sei und der Verwitterung unterliege. Ein zentrales Argument für die Einreihung in das Kap. 44 KN sei weiterhin, dass auch Span- und Faserplatten dort eingereiht würden (Pos. 4410 KN bzw. 4411 KN) und der Senat keinen ausschlaggebenden Unterschied dieser Waren zu den hier zu beurteilenden Dielen erkennen könne. Dem nach Ansicht des HZA für die Kunststoffherstellung typischen Herstellungsverfahren sei keine entscheidende Bedeutung beizumessen, weil sonst jede in einem solchen Verfahren hergestellte Ware, sofern sie nur einen geringen Kunststoffanteil habe, in Kap. 39 KN eingereiht werden müsste. Auch die übrigen Merkmale (die Dielen splittern nicht wie Holz, bleiben unter den Füßen kühler, sind rutschfester und unempfindlicher als Holz, wasser- und feuchtigkeitsbeständig und mit einer feinen Kunststoffschicht überzogen) stünden einer Einreihung in Kap. 44 KN nicht entgegen. Denn im Verhältnis zur Zusammensetzung und zu den dargestellten systematischen Erwägungen träten diese Eigenschaften in den Hintergrund.
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Mit seiner Revision wendet sich das HZA gegen die Ausführungen, mit denen das FG den Holzanteil der Terrassendielen als charakterbestimmend i.S. der AV 3b und damit die Einreihung in die Pos. 4409 KN begründet. Bei Anwendung der AV 3b sei nicht ausschließlich die Zusammensetzung der Ware --hier Holz und Kunststoff-- zu berücksichtigen. Das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimme, sei je nach Art der Ware verschieden. Das FG habe in der Gesamtwürdigung die weiteren zur Feststellung des Charakters einer Ware heranzuziehenden Eigenschaften wie Beschaffenheit, Herstellungsverfahren, Wert oder Bedeutung in Bezug auf die Verwendung nicht ausreichend berücksichtigt. Der Charakter der in Rede stehenden Terrassendielen werde hinsichtlich des Wertes (der Rohstoffpreis des Kunststoffes betrage 70-80 % der Materialkosten), des für Kunststoffwaren typischen Herstellungsverfahrens und der Bedeutung im Hinblick auf die Verwendung (Wasser- und Feuchtigkeitsbeständigkeit, Verwitterungsbeständigkeit, Rutschfestigkeit, Schutz vor Schrammen und Beschädigungen) durch das enthaltene Polypropylen, dagegen mengenmäßig von den Holzfasern (60 %) bestimmt. Hinsichtlich der Beschaffenheit seien die beiden Stoffe gleichbedeutend. Unter Berücksichtigung aller wesentlichen Eigenschaften verleihe der Kunststoff den Terrassendielen ihren wesentlichen Charakter, so dass sie in die Pos. 3918 KN einzureihen seien.
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Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin hält die Entscheidung des FG für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG, mit dem es den Bescheid über die Nacherhebung von Zoll und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufgehoben hat, verletzt Bundesrecht, (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Die Nacherhebung von Zoll in der vom HZA geforderten Höhe (Zollsatz 6,5 %) ist rechtmäßig. Jedenfalls in dieser Höhe ist die gemäß Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex nachzuerhebende Zollschuld entstanden. Denn die Terrassendielen fallen unter die Pos. 4411 KN, für die ein Zollsatz von 7 % bestimmt ist.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin und des FG war die Einfuhr der Terrassendielen nicht zollfrei. Denn nach den vom FG festgestellten Beschaffenheitsmerkmalen der Terrassendielen kommt eine Einreihung in die Unterpos. 4409 1018 KN (Nadelholz ... anderes) --in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 286/1)-- für die der Zollsatz frei bestimmt ist, nicht in Betracht.
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1. Kap. 44 KN ist mit "Holz und Holzwaren; Holzkohle" überschrieben. In den Pos. 4401 KN bis einschließlich der Pos. 4409 KN sowie in den ErlHS zu Kap. 44 KN Rz. 01.1 bis 01.5 wird der Begriff "Holz" im Sinne des gewachsenen oder mechanisch zugerichteten Naturprodukts verwendet (geschlagenes oder geschnittenes bzw. anderweit bearbeitetes Rohholz, Brennholz etc.), während zerkleinertes Holz wie Schnitzel, Späne, Holzabfälle oder Holzausschuss, Holzwolle, Holzmehl und auch Holzfasern mit diesen Begriffen, jedoch nicht als "Holz" beschrieben werden (vgl. auch ErlHS zu Pos. 4401: Holz mechanisch in kleine Stücke zerkleinert (...) zur Herstellung mechanischen, chemischen oder halbchemischen cellulosehaltigen Halbstoffs oder zur Herstellung von Span- oder Faserplatten bestimmt).
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Da auch in Pos. 4409 KN profiliertes Holz beschrieben wird, können darunter Holzfasern und Waren daraus --auch in einer gepressten oder anderweitigen gebundenen Form-- nicht fallen.
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2. Aus demselben Grund kommt auch die vom HZA für möglich gehaltene Einreihung in die Pos. 4421 KN (andere Waren aus Holz) nicht in Betracht.
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3. Demgegenüber bietet sich nach dem Wortlaut der Pos. 4411 KN "Faserplatten aus Holz oder anderen holzigen Stoffen, auch mit Harz oder anderen organischen Stoffen hergestellt" (Zollsatz 7 %) die Einreihung in diese Position an. Nach den ErlHS zu Pos. 4411 KN Rz 01.0 werden Faserplatten hergestellt, indem (u.a.) den aus mechanisch zerfaserten oder durch Dampf zerrissenen Holzschnitzeln organische Bindemittel zum Agglomerieren der Fasern zugesetzt werden. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem zugesetzten Polypropylen, einer Kohlenstoffverbindung (C3H6), um ein organisches Bindemittel für die Holzfasern handelt. Die Form der Terrassendielen spricht ebenfalls für diese Eingliederung. Denn Faserplatten können ebenso wie die Waren der Pos. 4409 KN profiliert sein (vgl. zur Einreihung eines der Ware des Streitfalls ähnlichen Fußbodenbelags bestehend aus einer genuteten und gefederten Holzfaserplatte in die Pos. 4411 KN: Einreihungsverordnung (EG) Nr. 1199/2005 der Kommission vom 22. Juli 2005, ABlEU Nr. L 195/3).
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4. Nach der vom FG festgestellten Beschaffenheit werden die Terrassendielen wegen ihres nicht unbeträchtlichen Anteils an Polypropylen, welches nach der Unterpos. 3902 10 KN (auch tarifrechtlich) zu den Kunststoffen zählt, aber auch vom Wortlaut der Pos. 3918 KN "Bodenbeläge aus Kunststoffen, ... in Form von Fliesen oder Platten" erfasst.
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Waren, die aus mehr als einem Stoff bestehen --hier aus Holzfasern und Kunststoff--, werden gemäß der AV 2b Satz 3 nach den Grundsätzen der AV 3 eingereiht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine der Positionen (Pos. 3918 KN und Pos. 4411 KN) als diejenige mit der genaueren Warenbezeichnung anzusehen ist, die nach AV 3a Satz 1 derjenigen mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgeht. Nach der AV 3a Satz 2 werden diese beiden Positionen, weil sie sich jeweils nur auf einen Teil der in den Terrassendielen enthaltenen Stoffe beziehen, als gleich genau betrachtet mit der Folge, dass die Ware nach Maßgabe der AV 3b und damit in die Pos. 4411 KN einzureihen ist. Denn nach der vom FG vorgenommenen Gesamtwürdigung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile ist der Holzfaseranteil charakterbestimmend (vgl. AV 3b) für die Gesamtware. An diese grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehaltene Gewichtung, welche die Revision nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), auch wenn das FG sie nicht bei der Prüfung der Pos. 4411, sondern der Pos. 4409 vorgenommen hat. Denn die Bestimmung des Bestandteils, der der Ware ihren wesentlichen Charakter verleiht, ist für beide Positionen in gleicher Weise vorzunehmen.
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Die vom HZA gegen die Würdigung des FG vorgebrachten Einwände, das FG habe in der Gesamtwürdigung die weiteren zur Feststellung des Charakters einer Ware heranzuziehenden Eigenschaften wie Beschaffenheit, Herstellungsverfahren, Wert oder Bedeutung in Bezug auf die Verwendung nicht ausreichend berücksichtigt, sind revisionsrechtlich unbeachtlich, denn die Argumentation des FG ist vor dem Hintergrund der festgestellten und abgewogenen Tatsachen jedenfalls nachvollziehbar und möglich. Das HZA macht keine grundlegenden Mängel der tatrichterlichen Würdigung geltend. Es setzt lediglich seine Bewertung der Kriterien, die für die Tarifierung der Dielen von Bedeutung sind, an Stelle derjenigen des FG. Denn das FG hat weder das Herstellungsverfahren noch die Bedeutung des Kunststoffanteils und die darauf zurückzuführenden Eigenschaften der Dielen (Wasser- und Feuchtigkeitsbeständigkeit, Verwitterungsbeständigkeit, Rutschfestigkeit, Schutz vor Schrammen und Beschädigungen) unberücksichtigt gelassen. Die Bewertung der kunststoffbedingten Eigenschaften als gegenüber der Zusammensetzung der Dielen nachrangig hat das HZA zwar beanstandet, dem jedoch lediglich ohne nähere Begründung entgegengesetzt, diese und nicht der hohe Holzfaseranteil seien als charakterbestimmend anzusehen. Es liegt auf der Hand, dass damit ein gravierender Beurteilungsmangel nicht begründet wird.
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5. Ist nach alledem die Entscheidung des FG auf die Revision des HZA aus Rechtsgründen aufzuheben, so ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO.
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