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BFH 30.08.2012 - III R 40/10
BFH 30.08.2012 - III R 40/10 - Veranlagungswahlrecht von Ehegatten und Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten
Normen
§ 42 AO, § 26 Abs 1 S 1 EStG 1987, § 26 Abs 1 S 1 EStG 1990
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 6. Mai 2010, Az: 3 K 839/09, Urteil
Leitsatz
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NV: Die (nachträgliche) Wahl der getrennten Veranlagung ist nicht bereits dann rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO, wenn dies bei dem einen Ehegatten zur Erstattung von einbehaltener Lohnsteuer führt, während sich bei dem anderen Ehegatten nach Anrechnung von Vorauszahlungen ergebende Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden können.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1991 (Streitjahre) die Durchführung von getrennten Veranlagungen.
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Ursprünglich wurden die Klägerin und ihr im Februar 1996 verstorbener Ehemann (E) in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E war in dieser Zeit als … selbständig, die Klägerin nichtselbständig tätig. Beide Ehegatten erzielten zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.
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Die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1991 wurden bestandskräftig, ergingen jedoch wegen der Höhe der Freistellung des Existenzminimums eines Kindes vorläufig nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die festgesetzte Einkommensteuer wurde durch anzurechnende Lohn- und Kapitalertragsteuern sowie die von E geleisteten Voraus- und Abschlusszahlungen getilgt.
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Über den Nachlass des E wurde im Mai 1996 das Konkursverfahren eröffnet und im November 2004 aufgehoben. Vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) angemeldete Steuerforderungen aus späteren Veranlagungszeiträumen wurden nur teilweise befriedigt.
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Im Februar 2001 ergingen für die Jahre 1988 bis 1991 nach § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) geänderte Einkommensteuerbescheide, die jeweils zu einer kleinen Erstattung führten.
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Die Klägerin legte Einspruch gegen die Änderungsbescheide ein und beantragte die Durchführung von getrennten Veranlagungen. Für die Jahre 1988 und 1989 ergäbe sich nach den vom FA durchgeführten Probeberechnungen zur Einkommensteuer in diesem Fall bei ihr nach Anrechnung der Lohnsteuer jeweils eine Erstattung, für 1990 und 1991 käme es (zunächst) zu einer Nachzahlung.
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Klägerin (getrennte VA)
1988
1989
1990
1991
ESt
0 DM
2.922 DM
5.379 DM
13.118 DM
LohnSt
2.258 DM
3.612 DM
3.806 DM
6.626 DM
verbleiben
- 2.258 DM
- 690 DM
1.573 DM
6.492 DM
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Bei Addition der Einkommensteuer bei getrennten Veranlagungen für die Klägerin und E ergäbe sich in allen Streitjahren eine höhere Einkommensteuer als bei den Zusammenveranlagungen.
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Das FA lehnte die Anträge auf Durchführung getrennter Veranlagungen ab, da diese unter den Besonderheiten des Streitfalls rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 AO seien. Mit den Anträgen auf Durchführung von getrennten Veranlagungen verfolge die Klägerin allein den Zweck, unter Berücksichtigung der vom VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Rechtsprechung zur Erstattungsberechtigung bei Ehegatten nach Köpfen Einkommensteuererstattungen in Höhe von rund 113.000 € zu erlangen, während die Nachforderungen bei E wegen des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens nicht mehr beigetrieben werden könnten. Da die getrennten Veranlagungen jeweils zu höheren Steuerfestsetzungen führten, seien nach den wirtschaftlichen Vorgängen die Zusammenveranlagungen angemessen. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1381 veröffentlichten Gründen ab. Dabei sah es die Anträge der Klägerin auf Durchführung von getrennten Veranlagungen zwar nicht als willkürlich, den erstrebten Wechsel der Veranlagungsart im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls jedoch wie das FA als rechtsmissbräuchlich (§ 42 AO) an. Die Klägerin übe das ihr zustehende Wahlrecht gegen seinen Zweck aus, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen, den das Gesetz dem Steuerpflichtigen mit dem Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung nicht habe einräumen wollen und der den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufe.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie verhalte sich mit ihren Anträgen auf getrennte Veranlagungen nicht rechtsmissbräuchlich, sondern im Hinblick auf die Gesamtsituation wirtschaftlich vernünftig. Es sei nicht nachvollziehbar, ihr das Wahlrecht zu verweigern, nur weil sie aus der Abrechnung der Steuervorauszahlungen eine Steuererstattung erhalten würde. Der finanzielle Vorteil, den sie durch ihre Handlungen erreichen wolle, sei kein unangemessener Gebrauch ihres Gestaltungsrechts "Wahl der getrennten Veranlagung".
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2009 sowie die ablehnende Entscheidung vom 19. September 2005 aufzuheben und das FA unter Aufhebung der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 13. Februar 2001 zu verpflichten, für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1991 getrennte Veranlagungen durchzuführen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Wie das FG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH zutreffend ausgeführt hat, ist die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin im Streitfall nicht willkürlich und damit grundsätzlich wirksam.
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a) Liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, so können die Eheleute grundsätzlich zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung frei wählen. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelungen in §§ 26a und 26b EStG eingeschränkt. Seine Ausübung ist nicht an eine Frist gebunden (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1990 III R 195/86, BFHE 163, 341, BStBl II 1991, 451). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das Veranlagungswahlrecht deshalb bis zur Unanfechtbarkeit eines Änderungsbescheids ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl hinsichtlich der Veranlagungsart --vorbehaltlich rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung-- bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG widerrufen werden (BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 III R 49/00, BFHE 198, 12, BStBl II 2002, 408, m.w.N.).
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b) Die Rechtsprechung hat dieses Wahlrecht bislang vornehmlich --bezogen auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten und nicht auf das davon zu unterscheidende öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Steuerpflichtigen und dem FA-- insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen, sondern der Antrag als willkürlich motiviert erscheint (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980).
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Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
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2. Entgegen der Auffassung des FG und des FA ist die Ausübung des Wahlrechts zur nachträglichen getrennten Veranlagung im Streitfall aber auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO.
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a) Ein Missbrauch in diesem Sinn ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Senatsurteil vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186).
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b) § 42 AO setzt letztlich voraus, dass die gewählte Gestaltung nach den der jeweiligen steuerrechtlichen Vorschrift zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen der Steuerumgehung dienen soll. Hingegen ist für § 42 AO grundsätzlich kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Steuergesetz vorgezeichneten Weg wählt (Senatsurteil in BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, m.w.N.).
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c) Der Antrag auf getrennte Veranlagungen ist bereits deshalb nicht als missbräuchlich zu beurteilen, weil die Klägerin das von ihr damit verfolgte Ziel --nämlich die Vereinnahmung von Erstattungen der Einkommensteuerzahlungen in Höhe von insgesamt ca. 113.000 €, während sie als Alleinerbin des E infolge des Nachlasskonkursverfahrens für Nachforderungen nicht einzustehen bräuchte-- angesichts der Fortentwicklung der Rechtsprechung durch den VII. Senat des BFH (vgl. Urteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607) nicht erreichen kann. Ob ohne das Hinzutreten besonderer Umstände --wie z.B. eine wiederholte und widersprüchliche Ausübung von weiteren Wahlrechten (z.B. Lohnsteuerklassenwahl) in Kombination mit einer (an sich zulässigen) schuldrechtlichen Vereinbarung (vgl. hierzu das Senatsurteil in BFH/NV 2005, 186)-- der Antrag auf getrennte Veranlagung eines Ehegatten zu einem Zeitpunkt, zu dem über das Vermögen des anderen Ehegatten ein Insolvenzverfahren anhängig ist, überhaupt missbräuchlich wäre, kann deshalb dahinstehen.
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aa) Nach der von der Klägerin in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des BFH kann das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (vgl. BFH-Urteile vom 30. September 2008 VII R 18/08, BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38; vom 15. November 2005 VII R 16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.). Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist nach dieser Rechtsprechung für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem FA zum Zeitpunkt der Vorauszahlung darstellten (BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742).
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(1) Die danach von der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH unterstellte Tilgungsabsicht hat nach bisheriger Sichtweise zur Folge, dass im Fall einer --durch die Anrechnung der Vorauszahlungen auf die gegen die zusammen veranlagten Eheleute festgesetzte Steuer entstandenen-- Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind und der Erstattungsbetrag zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38).
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(2) Diese hälftige Zuordnung der geleisteten Vorauszahlungen hat der VII. Senat des BFH bislang auch in den Fällen --bei Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO oder getrennter Veranlagung nach § 26a EStG-- für geboten erachtet, in denen die Anrechnung dieses Teilbetrags nicht zur Tilgung der für den einen Ehegatten festgesetzten Jahressteuer ausreichte, so dass er eine Abschlusszahlung zu leisten hatte, während für den anderen Ehegatten nach Anrechnung ein Auszahlungsanspruch verblieb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607).
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bb) Diese Rechtsprechung hat der VII. Senat des BFH jedoch in seinem Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 dahin fortentwickelt, dass eine Erstattung von Vorauszahlungen im Regelfall nur hinsichtlich des Betrags in Betracht komme, um den die Vorauszahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer überstiegen. Das gelte sowohl im Fall der Zusammenveranlagung als auch wenn getrennte Veranlagung gewählt werde. Sei die Vorauszahlung --insbesondere wegen anderweitiger Tilgung der Steuerschulden-- nicht bestimmungsgemäß auf die festgesetzten Steuern angerechnet worden, so sei die Vorauszahlung bei getrennter Veranlagung zunächst in Höhe des festgesetzten Betrags dem Ehegatten zu erstatten, auf dessen Schuld sie sonst anzurechnen gewesen wäre. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibe, sei dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd).
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Zu dieser nun vorrangig vor jedweder Aufteilung vorzunehmenden Verrechnung der Vorauszahlungen mit der später festgesetzten Einkommensteuer sah sich der VII. Senat des BFH insbesondere deshalb veranlasst, weil seine bisherige Rechtsprechung dem Zweck der Vorauszahlung in den Fällen nicht gerecht wurde, in denen bei getrennter Veranlagung oder Abrechnung unterschiedlich hohe Steuerschulden bei den Ehegatten anfallen. Denn bei hälftiger Aufteilung der Vorauszahlungen würde der Teil des Vorauszahlungsbetrags, der auf den Ehegatten mit der geringeren Steuerlast entfällt, nicht vollständig auf eine Steuerschuld angerechnet, während der Ehegatte mit der höheren Steuerbelastung nachzahlen müsste. Durch die Fortentwicklung der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH soll gerade eine Situation wie die vorliegende --nämlich ein Ausfallen des Fiskus mit einer Steuerforderung, wenn der höher belastete Steuerschuldner zwischenzeitlich seine Leistungsfähigkeit verloren hat, obwohl die Steuer durch die geleisteten Vorauszahlungen bereits "gesichert" schien-- vermieden werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd (1); Jäger, jurisPR-SteuerR 29/2011 Anm. 2).
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Danach ist erst ein --nach Verrechnung der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer mit den Vorauszahlungen verbleibender-- Betrag nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung des VII. Senats des BFH nach Kopfteilen zu erstatten, wenn die Eheleute für die Vorauszahlungen keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd (2)).
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cc) Der Streitfall unterscheidet sich von dem der Entscheidung des VII. Senats des BFH zugrunde liegenden Sachverhalt in dem Punkt, dass die Zahlungen jeweils nicht zur vollständigen Tilgung der sich im Fall von getrennten Veranlagungen ergebenden zusammengerechneten Zahllasten ausreichen. Die Frage, wie in einem solchen Fall anzurechnen bzw. aufzuteilen wäre --etwa im Verhältnis der Steuerbeträge--, konnte der VII. Senat des BFH offenlassen (vgl. Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd (3)). Dies ist indes für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich, da die betragsmäßigen Folgen der getrennten Veranlagung im Erhebungsverfahren nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind. Den erstrebten Vorteil kann die Klägerin jedenfalls nicht erlangen. Denn nach den vom VII. Senat des BFH fortentwickelten Grundsätzen sind die von E geleisteten Voraus- und Abschlusszahlungen zunächst auf die festgesetzten Einkommensteuern beider Ehegatten anzurechnen, weil davon auszugehen ist, dass E zum einen mit diesen Zahlungen die Einkommensteuer beider Ehegatten tilgen wollte und er sich zum anderen bewusst war, dass die Zahlungen insoweit endgültig beim Fiskus verbleiben sollten. Da seine Zahlungen aber in keinem Veranlagungszeitraum zur Tilgung der nun insgesamt höheren Einkommensteuern ausreichen, verbleibt kein Rest, von dem die Klägerin 50 % als Erstattung beanspruchen könnte.
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dd) Damit kommt die Annahme eines missbräuchlichen Verhaltens der Klägerin nicht in Betracht. Dass die Klägerin die von ihrem Arbeitslohn einbehaltene und ihre Einkommensteuer übersteigende Lohnsteuer aufgrund der nachträglich ausgeübten Wahl zur getrennten Veranlagung für die Streitjahre 1988 und 1989 ganz bzw. teilweise erstattet bekommt (vgl. insoweit z.B. BFH-Urteile vom 18. September 1990 VII R 99/89, BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47; vom 17. Februar 2010 VII R 37/08, BFH/NV 2010, 1078), während die sich für E nach Anrechnung der Vorauszahlungen ergebenden Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden können, stellt keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin des E ist. Ob die Wahl der getrennten Veranlagung für die Streitjahre 1990 und 1991 nach den vorstehend dargestellten Auswirkungen auf das Erhebungsverfahren noch sinnvoll ist, ist unerheblich, denn auf die steuerliche Sinnhaftigkeit im Verhältnis zur Finanzbehörde kommt es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteil in BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980).
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