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BFH 24.07.2012 - XI B 87/11
BFH 24.07.2012 - XI B 87/11 - Auslegung einer Klageschrift
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 47 Abs 1 FGO, § 65 Abs 1 S 1 FGO, § 133 BGB
Vorinstanz
vorgehend FG München, 3. August 2011, Az: 3 K 1091/11, Urteil
Leitsatz
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NV: Zu den Anforderungen an die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung in der Klageschrift.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die Beschwerde damit begründet, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht wegen Umsatzsteuer 2006 und 2007 durch Prozessurteil entschieden, weil es insoweit in unzutreffender Weise von einer Versäumung der Klagefrist ausgegangen sei.
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Darin liegt die Rüge eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird (u.a. BFH-Beschlüsse vom 4. April 2011 VIII B 96/10, BFH/NV 2011, 1172; vom 1. Juni 2011 IV B 33/10, BFH/NV 2011, 1888, unter II.1.b, m.w.N.).
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2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt indes nicht vor.
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a) Prozesserklärungen sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs so auszulegen, dass der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68; BFH-Urteil vom 27. November 2008 IV R 16/06, BFH/NV 2009, 783, jeweils m.w.N.). Dabei können auch außerhalb der Erklärung liegende weitere Umstände berücksichtigt werden. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. November 2007 I B 104/07, BFH/NV 2008, 799, m.w.N.).
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Die Anfechtungsklage muss --auch-- den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zwar mag der Kläger grundsätzlich die Möglichkeit haben, in der Klageschrift fehlende Angaben später durch Präzisierung des bisherigen Klageinhalts nachzuholen; hat er aber einen Anfechtungsgegenstand eindeutig bezeichnet und lässt das bisherige Klagevorbringen nicht erkennen, dass die Klage weitere Anfechtungsgegenstände haben könnte, so ist es dem Kläger nach Ablauf der Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) nicht gestattet, an die Stelle des bezeichneten Verwaltungsakts oder neben diesen einen anderen Verwaltungsakt als Gegenstand der Anfechtung zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 15/87, BFH/NV 1990, 580; BFH-Beschluss vom 10. September 1997 VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282, unter 2.b).
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Von obigen Rechtsgrundsätzen ist das FG frei von Rechtsfehlern ausgegangen.
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b) Im Streitfall hat die Klägerin mit Klageschrift vom 23. September 2010 "wegen Einspruchsentscheidung vom 23.08.2010 i.S. Körperschaftsteuer 2006" Klage erhoben mit dem Antrag, "den Einspruchsbescheid i.S. Körperschaftsteuer 2006 vom 23.08.2010 aufzuheben". Mit Klageschrift vom selben Tage hat sie auch "wegen Einspruchsentscheidung vom 23.08.2010 i.S. Körperschaftsteuer 2007" Klage erhoben mit dem Antrag, "den Einspruchsbescheid i.S. Körperschaftsteuer 2007 vom 23.08.2010 aufzuheben".
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Bei den Einspruchsentscheidungen vom 23. August 2010 handelt es sich um zusammengefasste Bescheide, mit denen über mehrere Einsprüche entschieden wurde und die über die Körperschaftsteuer 2006 und 2007 hinaus noch weitere Regelungen enthalten. Allerdings hat die Klägerin mit ihren Klageschriften ausdrücklich nur wegen der Einspruchsentscheidungen in Sachen Körperschaftsteuer 2006 und 2007 Klage erhoben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 580). Anhaltspunkte dafür, dass sie innerhalb der Klagefrist auch wegen Umsatzsteuer 2006 und 2007 Klage erhoben habe, ergeben sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass in der Klageschrift für 2006 auf "Erlöse" und in der für 2007 auf "die Bescheide 2007" Bezug genommen wurde. Die Verwendung des Begriffs "Erlöse" --zumal nach § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes der Umsatzsteuer "Umsätze" unterliegen-- lässt nicht darauf schließen, dass neben der ausdrücklich genannten Einspruchsentscheidung wegen Körperschaftsteuer auch diejenige wegen Umsatzsteuer hat angefochten werden sollen. Wenn "wegen Einspruchsentscheidung ... i.S. Körperschaftsteuer 2007" Klage erhoben und ausgeführt wurde, "gegen die Bescheide 2007 muss Klage erhoben werden", lässt dies ebenso wenig auf die Anfechtung auch der Einspruchsentscheidung wegen Umsatzsteuer schließen; der betreffenden Klage konnte innerhalb der Klagefrist nur entnommen werden, dass es sich bei "den Bescheiden" offensichtlich um die Einspruchsentscheidung wegen Körperschaftsteuer sowie um den dieser zugrunde liegenden Körperschaftsteuerbescheid 2007 handele.
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c) Da der Gegenstand der Klagen mit Körperschaftsteuer 2006 und 2007 angegeben war, bestand für das FG kein Anlass, die Klägerin nach § 65 Abs. 2 FGO zu Ergänzungen dahingehend aufzufordern, ob noch weitere Bescheide Gegenstand der Klage sein sollten.
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d) Im Übrigen geht die Klägerin mit ihrer Beschwerde offensichtlich selbst von einer Erweiterung ihrer ursprünglichen Klage wegen Körperschaftsteuer 2006 und 2007 aus, wenn sie sich auf eine "nach § 263 ZPO zulässige Erweiterung" beruft. Ihr ist es nach Ablauf der Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) jedoch nicht gestattet, neben die bezeichneten Einspruchsentscheidungen wegen Körperschaftsteuer 2006 und 2007 einen anderen Verwaltungsakt zu setzen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 580).
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