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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BFH 22.09.2011 - III R 57/09
BFH 22.09.2011 - III R 57/09 - Arbeitgeberbeiträge zur Vermögensbildung im Rahmen der Grenzbetragsprüfung
Normen
§ 32 Abs 4 S 2 EStG 2002, § 2 VermBG 5, § 10 VermBG 5
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 22. Dezember 2008, Az: 10 K 3694/06 Kg, Urteil
Leitsatz
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NV: Bei der Grenzbetragsprüfung sind die Arbeitgeberbeiträge zu den vermögenswirksamen Leistungen nicht von den Einkünften und Bezügen des Kindes abzuziehen.
Tatbestand
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I. Die im Februar 1987 geborene Tochter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begann im Oktober 2004 eine dreijährige Ausbildung. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte die Festsetzung von Kindergeld für das Jahr 2006 mit der Begründung ab, die Einkünfte und Bezüge des Kindes würden den Grenzbetrag von 7.680 € voraussichtlich überschreiten. Bei dieser Berechnung wurde die Zulage des Arbeitgebers zu den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 159,48 € (monatlich 13,29 €) einbezogen; ohne diese wäre der Grenzbetrag nicht erreicht worden.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die vermögenswirksamen Leistungen gehörten zu den Einkünften.
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Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, die Arbeitgeberbeiträge zur Vermögensbildung dürften bei der Grenzbetragsberechnung nicht berücksichtigt werden, weil der erforderliche Schutz von Jugendlichen anderenfalls unzulässig beeinträchtigt würde.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für ihre Tochter Kindergeld für das Kalenderjahr 2006 festzusetzen.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2, § 63 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) wird im Streitjahr 2006 ein Kind zwischen der Vollendung des 18. und des 27. Lebensjahres für die Festsetzung von Kindergeld nur dann berücksichtigt, wenn es zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmte oder geeignete Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 7.680 € im Kalenderjahr hat.
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a) Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (Senatsurteil vom 9. Juni 2011 III R 28/09, zur Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2011, 1597).
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b) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) ist § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungskonform dahin auszulegen, dass sich der Relativsatz "die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind" nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte des Kindes bezieht. Nicht als Einkünfte anzusetzen sind deshalb Beträge, die --wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge-- dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stehen und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten können (Senatsurteile vom 14. Dezember 2006 III R 24/06, BFHE 216, 225, BStBl II 2007, 530 --Beiträge eines beihilfeberechtigten Kindes für eine private Kranken- und Pflegeversicherung--; vom 26. September 2007 III R 4/07, BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738 --Lohnsteuer, Kirchensteuer, Beiträge zu einer privaten Zusatzkrankenversicherung und einer privaten Rentenversicherung--).
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2. Vermögenswirksame Leistungen sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber --hier der Ausbildungsbetrieb-- für den Arbeitnehmer anlegt; sie sind insgesamt, d.h. auch soweit sie auf einem vom Arbeitgeber zusätzlich zum an sich geschuldeten Lohn gezahlten Zuschuss beruhen (§ 10 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes --5. VermBG--), arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohns oder Gehalts, gehören gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 5. VermBG im Sinne der Sozialversicherung und des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zum Arbeitsentgelt und steuerrechtlich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG).
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a) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Einkünfte und Bezüge nicht um die aus dem Arbeitslohn erbrachten Sparbeiträge der Tochter (§ 11 5. VermBG) zu kürzen sind. Denn es besteht weder eine gesetzliche Verpflichtung zum vermögenswirksamen Sparen noch ist dies für eine der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechende existentielle Absicherung erforderlich (z.B. Senatsurteil in BFHE 216, 225, BStBl II 2007, 530). Für die Entscheidung, ob Einkünfte dem Kind von Gesetzes wegen nicht zur Verfügung stehen, ist maßgeblich, ob sich das Kind der Zahlung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung nicht entziehen kann und nicht, ob die Beträge vom Arbeitgeber einzubehalten sind (Senatsurteil vom 17. Juni 2010 III R 63/09, BFH/NV 2010, 2047 --Beiträge zur VBL-Pflichtversicherung--).
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b) Das FG hat zutreffend entschieden, dass die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassenden Arbeitgeberbeiträge in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einzubeziehen sind.
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aa) Ungeachtet der sich aus dem 5. VermBG oder dem Anlagevertrag ergebenden Sperrfrist ist es nicht im Sinne des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 ausgeschlossen, dass die Arbeitgeberbeiträge für Unterhalt und Ausbildung des Kindes verwendet werden können und deshalb die Eltern finanziell entlasten. Denn die Arbeitgeberbeiträge fließen dem Kind aufgrund seiner --freiwilligen-- Entscheidung zum vermögenswirksamen Sparen zu und werden nicht aufgrund gesetzlicher Verpflichtung abgezogen.
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Würden die Arbeitgeberbeiträge wegen der Sperrfrist nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag einbezogen, so entstünde zudem eine mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung mit den Fällen, in denen Kinder keinen Arbeitgeberbeitrag, aber dafür eine entsprechend höhere Ausbildungsvergütung erhalten und aufgrund eines Anlagevertrages mit einer vereinbarten Sperrfrist monatlich denselben Betrag sparen, wie er für die Tochter der Klägerin aus ihrem Arbeitslohn zuzüglich des Arbeitgeberbeitrags abgeführt wird. Denn bei diesen Kindern könnte der gesamte Sparbeitrag im Rahmen der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag überschreiten, nicht abgezogen werden (vgl. Senatsurteile in BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738 --private Rentenversicherung--; vom 17. Juni 2010 III R 59/09, BFHE 230, 142, BStBl II 2011, 121 --VBL-Beiträge--). Die Tochter der Klägerin hat sich demgegenüber für ein durch zusätzliche Arbeitgeberbeiträge gefördertes vermögenswirksames Sparen entschieden, das sie als insgesamt vorteilhaft beurteilt hat.
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bb) Die vom Arbeitgeber zusätzlich zu dem ansonsten geschuldeten Lohn erbrachten vermögenswirksamen Leistungen sind im Übrigen zwar --wie auch die Sparbeiträge des Arbeitnehmers-- insofern "eingefroren", als der Arbeitnehmer verpflichtet ist, bis zum Ablauf der Sperrfrist nicht über die Anlage zu verfügen (z.B. § 4 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 5. VermBG). Diese Verpflichtung entfällt aber unter besonderen Voraussetzungen wie z.B. einer Eheschließung, einer mehr als ein Jahr andauernden Arbeitslosigkeit oder einer Verwendung des Erlöses für die eigene Weiterbildung (z.B. § 4 Abs. 4, § 8 Abs. 3 5. VermBG). Durch die Sperrfrist wird zudem die Kündigung des Vertrages und die Verfügung über das Guthaben nicht ausgeschlossen; die vorzeitige Kündigung lässt lediglich den Anspruch auf Gewährung der Arbeitnehmer-Sparzulage entfallen (§ 13 Abs. 4, § 14 Abs. 5 5. VermBG). Daher ist es möglich, den Sparvertrag zu kündigen und die vermögenswirksamen Leistungen einschließlich der Arbeitgeberbeiträge für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Einkünfte erzielenden Kindes zu verwenden.
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cc) Dem steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. April 2005 XII ZR 273/02 (BGHZ 162, 384) nicht entgegen, wonach Zusatzleistungen des Arbeitgebers wegen ihrer Zweckgebundenheit für die Vermögensanlage bei der Unterhaltsbemessung anrechnungsfrei bleiben. Denn dies beruht auf besonderen Wertungen des Unterhaltsrechts, aufgrund derer z.B. auch aus überobligatorischer Tätigkeit erzielte oder die Lebensverhältnisse nicht prägende Einkünfte unberücksichtigt bleiben können und die sich auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht übertragen lassen.
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3. Da die Arbeitgeberbeiträge zum vermögenswirksamen Sparen und die privaten Versicherungsaufwendungen nicht abzuziehen sind, überschreiten die Einkünfte und Bezüge der Tochter den im Streitjahr geltenden Jahresgrenzbetrag. Dessen gesetzliche Ausgestaltung als Freigrenze ohne Übergangs- oder Härtefallregelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 7. April 2011 III R 72/07, BFHE 233, 449).
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