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BFH 25.05.2011 - IX R 23/10
BFH 25.05.2011 - IX R 23/10 - Wirtschaftliches Eigentum an einer Beteiligung in qualifizierter Höhe
Normen
§ 39 Abs 1 AO, § 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO, § 17 Abs 1 S 1 EStG 1997, § 17 Abs 1 S 4 EStG 1997
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 17. März 2010, Az: 2 K 1049/03, Urteil
Leitsatz
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Besteht die Position eines Gesellschafters allein in der gebundenen Mitwirkung an einer inkongruenten Kapitalerhöhung, vermittelt sie kein wirtschaftliches Eigentum i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an einem Gesellschaftsanteil.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit einheitlichem notariellem Vertrag vom 16./17. Juli 1999 mit sofortiger Wirkung zunächst einen Geschäftsanteil von 12,6 % an der K GmbH von der H GmbH. Das Stammkapital der K GmbH betrug 25.565 € (50.000 DM). Die H GmbH --seit Gründung der K GmbH am 4. Dezember 1996 alleinige Gesellschafterin-- splittete ihre Beteiligung in einen Anteil zu 9.458,90 € (18.500 DM) und je fünf Anteile zu 3.221,14 € (6.300 DM), von denen der Kläger einen und die H GmbH selbst ebenfalls einen erhielt. Nach diesem Vertrag hielten die "Erschienenen" --darunter auch der Kläger bzw. sein Stellvertreter-- sodann unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften eine Gesellschafterversammlung der K GmbH ab und beschlossen eine Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft auf 24.000.000 €. Damit verminderte sich die Beteiligung des Klägers auf 0,0208 %. Der Kläger wurde als einer von drei Geschäftsführern bestellt. Erst dann wurde der Vertrag von den Vertragsparteien unterzeichnet und notariell beurkundet.
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Am 22. August 2000 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil für 1.533.875 € (3.000.000 DM). Der Veräußerungsgewinn betrug 1.528.875 € (2.990.220 DM)/Veräußerungspreis 1.533.875 € (3.000.000 DM) ./. Anschaffungskosten 5.000 € (9.780 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) besteuerte diesen Gewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr maßgebenden Fassung (EStG). Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1499 veröffentlichten Urteil ab. Insbesondere sei der Kläger an der K GmbH wesentlich, d.h. zu mindestens 10 % i.S. des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG beteiligt gewesen. Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils in Höhe von 3.221,14 € (6.300 DM) an der K GmbH mit einem Stammkapital von 25.565 € (50.000 DM) sei zivilrechtlich wie auch steuerrechtlich wirksam gewesen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) rügt. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO an einer 12,6 %igen Beteiligung an dem Stammkapital der K GmbH innegehabt.
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Der Kläger habe die Beteiligung in Höhe von 12,6 % von Seiten der ehemaligen Alleininhaberin sämtlicher Geschäftsanteile, der H GmbH, nur zu dem Zweck erhalten, um in der unmittelbar anschließend folgenden Gesellschafterversammlung an der Herstellung der von Anfang an zwischen den Geschäftspartnern verabredeten Gesellschaftsstruktur mitzuwirken. Es habe auch von Anfang an festgestanden, dass der Kläger keine vermögensrechtlichen Ansprüche aus dieser Beteiligung in Höhe von 12,6 % würde geltend machen können.
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Der gesamte Beurkundungsvorgang sei unter der Prämisse des Joint Venture Agreements gestanden, die Herstellung der von den Geschäftspartnern verabredeten gesellschaftsrechtlichen Strukturen zu bewerkstelligen. Die beiden Hauptgesellschafter hätten es aufgrund der Einheitlichkeit des Beurkundungsvorgangs in der Hand gehabt, die Einhaltung der "Spielregeln" bis zur abschließenden Unterzeichnung der Urkunde sowie bis zu der notariellen Beurkundung zu kontrollieren. Die Geschäftsanteilsübertragung auf den Kläger sei erst nach abschließender Unterzeichnung der Urkunde und der notariellen Beurkundung, also nach der vollständigen Umsetzung des verabredeten Konzepts, wirksam geworden. Hätte der Kläger sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung nicht wie von Anfang an verabredet ausgeübt, wäre die Unterzeichnung der Urkunde und die erforderliche notarielle Beurkundung unterblieben.
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Auch unter Berücksichtigung der Gesamtplanrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne vorliegend nicht von einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG ausgegangen werden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2003, zuletzt geändert durch den Einkommensteuerbescheid vom 19. Dezember 2003, mit der Maßgabe zu ändern, dass der aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH erzielte Gewinn in Höhe von 2.990.220 DM (1.528.875 €) keine Berücksichtigung findet.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Nach der tatrichterlichen Überzeugungsbildung sei der Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsanteils an der K GmbH zu Recht als Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG erfasst worden. Dass der Kläger auch wirtschaftlich über seine Beteiligung verfügte, indem erst nach dem Erwerb seiner wesentlichen Beteiligung an einer Gesellschafterversammlung teilgenommen habe und dabei in dieser Gesellschafterfunktion die Kapitalerhöhung mit beschlossen habe, ergebe sich aus dem insoweit ebenfalls unstrittigen Sachverhalt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung). Zu Unrecht ist das FG von einer wesentlichen Beteiligung des Klägers i.S. von § 17 Abs. 1 EStG an der K GmbH ausgegangen und hat den Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsanteils des Klägers der Besteuerung unterworfen.
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1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat.
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Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die Anteilshöhe einer wesentlichen Beteiligung bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Gesetzeslage (s. BFH-Beschluss vom 17. November 2004 VIII B 129/04, BFH/NV 2005, 540; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 73/06, BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2.).
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Eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG wird mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2.). Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung i.S. des § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 2008 IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004; vom 17. Februar 2004 VIII R 26/01, BFHE 205, 204, BStBl II 2004, 651, m.w.N.). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ihm muss also auch der wirtschaftliche Erfolg aus der (Weiter-)Veräußerung gebühren (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331, unter 1.; vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870, unter II.1.a ee, und vom 18. Mai 2005 VIII R 34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857, unter II.1.c cc).
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Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), wenn der Käufer des Anteils
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(1) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
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(2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie
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(3) Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2.,und vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296, m.w.N.).
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Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857; vom 8. November 2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253; in BFH/NV 2008, 2004).
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Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. BFH-Urteile in BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296; in BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2., m.w.N.).
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2. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht, sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Der Kläger war innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der K GmbH nicht wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt, so dass der Gewinn aus der Veräußerung seines GmbH-Anteils nicht der Besteuerung unterliegt.
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Der Kläger hat vor der inkongruenten Kapitalerhöhung keine tatsächliche freie Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung von 12,6 % erworben. Es war ihm zu keinem Zeitpunkt möglich, aus einer wesentlichen Beteiligung resultierende Rechte --jenseits der Mitwirkung an der inkongruenten Kapitalerhöhung-- auszuüben. Seine Position bestand allein in der gebundenen Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen Beteiligungsquote. Die aus der Beteiligung resultierenden Verwaltungsrechte standen dem Kläger ausschließlich in Gestalt einer einmaligen vorweg gebundenen Stimmrechtsausübung zu. Für die tatsächliche Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Ansprüchen ließ die konkrete Vertragsgestaltung keinerlei Raum.
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