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BFH 19.01.2011 - X B 68/10
BFH 19.01.2011 - X B 68/10 - Nichtzulassungsbeschwerde: Schätzung der Einkünfte einer Prostituierten durch das FG
Normen
§ 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 FGO, § 162 AO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 9. März 2010, Az: 4 K 3/07, Urteil
nachgehend BFH, 4. Mai 2011, Az: X S 8/11, Beschluss
Leitsatz
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NV: Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich.
Gründe
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Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
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1. Ein von ihr geltend gemachter Verfahrensmangel, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führen könnte, liegt nicht vor.
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a) Die Klägerin rügt, das Finanzgericht (FG) hätte als Beweismittel ihre vollständigen Bankkontoauszüge der Streitjahre besorgen und zur Sachverhaltsermittlung heranziehen müssen, weil sie nur anhand dieser Kontoauszüge zu ihrer Entlastung hätte nachweisen können, wann sie welche Miete gezahlt habe und welche Zahlungen, insbesondere Ratenzahlungen sie geleistet habe. Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen und hat dabei die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn es auf das Beweismittel zur Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH---, vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. Februar 2004 V B 205/02, BFH/NV 2004, 964; vom 27. Oktober 2004 XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564, und vom 24. März 2009 VII B 178/08, BFH/NV 2009, 1277).
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Das FG durfte von der Beschaffung der vollständigen Kontoauszüge der Klägerin Abstand nehmen, weil diese als Beweismittel ungeeignet waren. Fehlende Einzahlungen oder Einzahlungen in bestimmter Höhe auf ein Girokonto erbringen keinen Beweis dafür, dass keine (weiteren) Einnahmen vorhanden sind. Zudem ist es, wie das FG zutreffend dargelegt hat, unüblich, Bareinnahmen aus erotischen Dienstleistungen auf ein Girokonto einzuzahlen.
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b) Soweit die Klägerin darlegt, es müsse zu einer Umkehr der Beweislast kommen, da sie für den klagegegenständlichen Zeitraum Steuererklärungen abgegeben habe, die sie --sofern möglich-- mit ihren Kontoauszügen und ergänzenden Angaben belegt habe, kann dies die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Darin liegt nämlich nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Denn sowohl die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als auch die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beweislastverteilung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
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c) Aus diesem Grund kann auch der Einwand der Klägerin, sie sei --im Gegensatz zur Auffassung des FG-- nur im eingeschränkten Maße als Gelegenheitsprostituierte tätig gewesen, nicht zur Zulassung der Revision führen. Unstreitig hat die Klägerin erotische Dienstleistungen erbracht. In welchem Umfang dies der Fall war, ist gerade Gegenstand der dem FG obliegenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung.
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2. Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen vermögen im Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision deren Zulassung regelmäßig nicht zu begründen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Juli 2007 X B 36/07, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, und vom 18. August 2009 X B 14/09, Zeitschrift für Steuern und Recht --ZSteu-- 2009, R1144).
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Nur ausnahmsweise kann eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann erforderlich sein, wenn dem FG ein Rechtsanwendungsfehler von einigem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung unterlaufen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. März 2006 V B 15/05, BFH/NV 2006, 1366, unter II.3.b, m.w.N., und vom 16. Juni 2009 V B 131/08, BFH/NV 2009, 1678, unter II.3.). Dies kann auch bei einer Entscheidung des FG zur Rechtmäßigkeit einer Schätzung der Fall sein, wenn das Schätzungsergebnis schlechthin unvertretbar ist, weil es wirtschaftlich unmöglich ist und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; in BFH/NV 2006, 1366, und in ZSteu 2009, R1144).
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Eine solche offensichtlich realitätsfremde Schätzung ist im Streitfall jedoch nicht erkennbar. Die Schätzung des FG von jährlich 200 Arbeitstagen mit durchschnittlich drei Freiern pro Tag sowie einem durchschnittlichen Entgelt pro Dienstleistung von 50 € bewegt sich innerhalb des üblichen Schätzungsrahmens (vgl. zu den geschätzten Einnahmen von Prostituierten auch die Senatsbeschlüsse vom 2. November 2004 X B 93/03, n.v., juris, und vom 14. Oktober 2008 X B 167/08, ZSteu 2008, R1180, die von gleichen beziehungsweise höheren Annahmen ausgehen).
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