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BFH 17.11.2010 - I B 143/10
BFH 17.11.2010 - I B 143/10 - Nichtberücksichtigung von Betriebsausgaben wegen Nichtbenennung von Zahlungsempfängern - Bestimmung des Zahlungsempfängers bei Einschaltung einer Domizilgesellschaft
Normen
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 17. August 2010, Az: 10 V 1009/10 K,F, Beschluss
Leitsatz
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NV: Empfänger i.S.d. § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist, wem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert vom Steuerpflichtigen übertragen wurde. Dies ist die Person, die bei wirtschaftlicher Betrachtung die vom Steuerpflichtigen durch seine Zahlung entgoltene Leistung erbracht hat .
Tatbestand
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I. Streitig ist im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung zur Körperschaftsteuer, bei der im Streitjahr 2004 eine Zahlung an eine ausländische Gesellschaft nicht einkommensmindernd berücksichtigt wurde.
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Die Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt einen Handel mit … (Ware). Die … (Ware) bezieht die Antragstellerin vorwiegend von einem weißrussischen Unternehmen (X), das dem weißrussischen Staatskonzern Y angehört. Im Streitjahr zahlte die Antragstellerin insgesamt 537.870 € an die Z-Ltd. mit Sitz auf den British Virgin Islands für die Lieferung von …, einem Grundstoff für die Herstellung … (der Ware). Die Auslieferung erfolgte an X, die daraus die … (Ware) herstellte, die sie wiederum an die Antragstellerin lieferte. Den von X in Rechnung gestellten Kaufpreis zahlte die Antragstellerin unter Anrechnung der Zahlungen an die Z-Ltd.
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Der Antragsgegner, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sah insoweit den Tatbestand des § 160 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) als erfüllt an. Er berücksichtigte die Zahlungen auf der Grundlage von Erkenntnissen des Bundeszentralamts für Steuern, das die Z-Ltd. als wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaft mit Sitz an einem Massendomizil einschätzte, nach einem erfolglos gebliebenen Verlangen auf Empfängerbenennung als nichtabziehbare Betriebsausgabe (außerhalb der Gewinnermittlung) einkommenserhöhend. Ein Einspruchsverfahren beim FA ist noch nicht abgeschlossen.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Vollziehung des Steuerbescheids --im Rahmen eines Verfahrens, das noch weitere Streitpunkte betraf-- insoweit wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung ausgesetzt (FG Münster, Beschluss vom 17. August 2010 10 V 1009/10 K,F).
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Das FA beantragt mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, den Beschluss des FG teilweise aufzuheben und den Antrag auf AdV des Körperschaftsteuerbescheids 2004 abzulehnen.
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Die Antragstellerin beantragt, nachdem sie ihre eigene Beschwerde zurückgenommen hat, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist nicht begründet. Die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung des Streitjahres ist --wie auch das FG entschieden hat-- insoweit ernstlich zweifelhaft, als bei der Einkommensermittlung nicht abziehbare Betriebsausgaben (Zahlung an die Z-Ltd.) außerhalb der Gewinnermittlung einkommenserhöhend berücksichtigt wurden.
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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll --u.a. und soweit hier einschlägig-- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind u.a. dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
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2. Es bestehen nach dieser Maßgabe ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids, soweit das FA die Zahlung an die Z-Ltd. als nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO einkommenserhöhend angesetzt hat.
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a) Gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind u.a. Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen des FA nicht nachkommt, den Empfänger dieser Ausgaben genau zu benennen. Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist erkennbar die Verhinderung von Steuerausfällen. Es soll sichergestellt werden, dass nicht nur die steuermindernde Ausgabe beim Steuerpflichtigen, sondern auch die damit korrespondierende Einnahme beim Geschäftspartner erfasst werden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 1. April 2003 I R 28/02, BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855; BFH-Urteil vom 20. April 2005 X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739, jeweils m.w.N.).
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Die Prüfung der rechtmäßigen Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO vollzieht sich in zwei Schritten. Zunächst ist zu prüfen, ob sich das Benennungsverlangen des FA selbst im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens gehalten hat, insbesondere ob keine Angaben gefordert werden, die für den Steuerpflichtigen unzumutbar sind. Sodann ist zu entscheiden, ob im Falle der nicht ordnungsgemäßen Empfängerbenennung die vom FA angesetzte steuerliche Folge pflichtgemäßem Ermessen entspricht (z.B. Senatsurteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855).
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b) Empfänger i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist, wem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert vom Steuerpflichtigen übertragen wurde (z.B. Senatsurteil vom 24. Oktober 2006 I R 90/05, BFH/NV 2007, 849; BFH-Beschluss vom 21. Juli 2009 IX B 55/09, BFH/NV 2010, 3, m.w.N.), bei dem er sich demzufolge steuerlich auswirkt. Benannt ist ein Empfänger, wenn er (nach Namen und Adresse) ohne Schwierigkeiten und eigene Ermittlungen der Finanzbehörde bestimmt und ermittelt werden kann (z.B. Senatsurteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855). Handelt es sich --was im Streitfall für die Z-Ltd. als Zahlungsempfängerin wohl als unstreitig anzusehen ist-- um Zahlungen an eine ausländische Gesellschaft, die selbst nicht in nennenswertem Umfang wirtschaftlich tätig ist (ausländische Basisgesellschaft), ist Empfänger dieser Zahlungen in der Regel nicht die Gesellschaft selbst, sondern die Person, die diese Gesellschaft zwischengeschaltet hat. In diesen Fällen genügt die Benennung der ausländischen Gesellschaft daher nicht den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Empfängerbenennung i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO (z.B. Senatsurteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855). Die mit § 160 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgte Zielsetzung ist vielmehr in diesem Fall erst dann erreicht, wenn der wirkliche Empfänger der Zahlungen benannt ist und die Finanzbehörde überprüfen kann, ob dieser seine steuerlichen Pflichten entweder erfüllt hat oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Inland nicht steuerpflichtig ist (z.B. Senatsurteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855).
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Zum Begriff des (Zahlungs-)Empfängers hat der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 2007, 849 entschieden, dass eine Person nicht als Zahlungsempfänger anzusehen ist, wenn sie die geleistete Zahlung für einen anderen entgegennimmt, der die entgoltene Leistung erbracht hat und für den die Zahlung deshalb nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien bestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn jemand bei dem Empfang der Zahlung zwar im eigenen Namen auftritt, den ihm übertragenen Wert aber nur zwecks Weiterleitung an einen Dritten erhält. Diese auf den eigentlichen Leistungsgrund für die Zahlung aufbauende Auslegung des Empfängerbegriffs liegt auch dem Urteil des FG Hamburg vom 2. Februar 2007 2 K 21/06 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 974) zugrunde, wonach bei einem Kaufvertrag mit einem wirtschaftlich tätigen Geschäftspartner (keine Basis-/Domizilgesellschaft) dieser Geschäftspartner bezogen auf die Kaufpreisforderung Gläubiger und Zahlungsempfänger i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sei; dies gelte auch dann, wenn der Geschäftspartner den Steuerpflichtigen anweisen würde, die Zahlung an einen Dritten zu leisten. Denn auch in diesem Fall erlösche die Kaufpreisforderung durch die Zahlung, und die Zahlung fließe dem Geschäftspartner wirtschaftlich zu (dem zustimmend z.B. Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 160 AO Rz 32; Rüsken in Klein, AO, 10. Aufl., § 160 Rz 8; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 160 AO Rz 21; Kühnen, EFG 2007, 975, 976; Bauhaus, AO-Steuerberater 2007, 235). Entscheidend ist daher --worin dem Urteil des FG Hamburg (in EFG 2007, 974) zuzustimmen ist-- stets, wer bei wirtschaftlicher Betrachtung die vom Steuerpflichtigen durch seine Zahlung entgoltene Leistung erbringt (Senatsurteil in BFH/NV 2007, 849; Buciek in Beermann/Gosch, a.a.O., § 160 AO Rz 32).
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c) Vor diesem Hintergrund ist nach summarischer Prüfung nicht auszuschließen, dass "wahrer" Empfänger der in Rede stehenden Leistungen X war.
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aa) Im Streitfall bestand (unstreitig) ein Kaufvertrag über die … (Ware) zwischen der Antragstellerin und X. Dieser Vertrag wurde von Seiten der X durch Lieferung der … (Ware), von der Antragstellerin durch Zahlung an X (unter Anrechnung der an die Z-Ltd. gezahlten Beträge) erfüllt. Feststellungen zu diesem Vertrag (z.B. zum Umfang der Gewährleistung; zur Vereinbarung einer Materialbeistellung durch die Antragstellerin) sind vom FG nicht getroffen worden.
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bb) Das FA hat unter Hinweis auf Rechnungen der Z-Ltd. an die Antragstellerin auf eine (weitere) kaufvertragliche Vereinbarung (zwischen der Z-Ltd. und der Antragstellerin, erfüllt durch Lieferung des "Vormaterials" der Z-Ltd. an X) geschlossen, ohne den Gegenstand, den Zeitpunkt und weitere Einzelheiten der Vereinbarung zu benennen. Demgegenüber hat die Antragstellerin auf eine Vereinbarung zwischen der Z-Ltd. und X über die Lieferung des Rohstoffs bzw. "Vormaterials" (erfüllt durch Lieferung der Z-Ltd. an X und abgedeckt durch die Zahlung der Antragstellerin) verwiesen. Ein Interesse der Antragstellerin an einer eigenständigen Abnahme des "Vormaterials" der Z-Ltd. (auf der Grundlage einer gesonderten kaufvertraglichen Verpflichtung) --ohne Weiterverarbeitung durch X zum Endprodukt als Handelsgegenstand im Unternehmensbereich der Antragstellerin, z.B. für den Fall einer Insolvenz der X-- hat das FA nicht dargelegt, wohingegen die Antragstellerin unter Hinweis auf drei eidesstattliche Versicherungen aus der Geschäftsführung von X und der Z-Ltd. auf eine durch Liquiditätsschwierigkeiten der X verursachte Motivlage der Vereinbarungen zwischen X und der Antragstellerin verweisen konnte (Zahlung, um die Lieferung des Rohstoffs an X und die dortige Herstellung des Endprodukts sicherzustellen).
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cc) Auch wenn diese Darlegung der Antragstellerin zur Grundlage der Vereinbarung einer vorherigen Zahlung an die Z-Ltd. nicht als die einzig mögliche Motivation für die Einschaltung einer wohl unstreitig als Basis-/Domizilgesellschaft zu qualifizierenden Gesellschaft (hier: die Z-Ltd.) anzusehen ist, die gleichwohl nach der Einschätzung beider Beteiligter selbst oder durch andere Personen in der Lage gewesen war, das "Vormaterial" bei X anzuliefern, kann es bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage jedenfalls als zweifelhaft angesehen werden, die Zahlung der Antragstellerin an die Z-Ltd. als eine Zahlung aufgrund eigenständiger Rechtsverpflichtung an eine eigenständige Empfängerin (hier: die Z-Ltd.) zu werten. Vielmehr könnte diese Zahlung --wie auch vom FG angenommen-- als Zahlungsmodalität ("Vorauszahlung" im abgekürzten Zahlungsweg) eines Teils des Gesamtkaufpreises (Kaufvertrag zwischen der Antragstellerin und X) anzusehen sein, wodurch der Streitfall bei wirtschaftlicher Betrachtung der Anweisungssituation gleichzustellen wäre. Einer Rechtsbeziehung ohne wirtschaftlichen Gehalt könnte die Situation der Anweisung gleichgestellt werden, in der keine Rechtsbeziehung zwischen dem tatsächlichen, vom Leistungserbringer benannten Zahlungsempfänger und dem als Leistungsempfänger Zahlungsverpflichteten besteht.
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