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BFH 18.08.2010 - X S 22/10 (PKH)
BFH 18.08.2010 - X S 22/10 (PKH) - Erledigung der Hauptsache während des finanzgerichtlichen Verahrens
Normen
§ 115 Abs 2 FGO, § 135 Abs 2 FGO, § 138 Abs 2 FGO, § 114 ZPO, § 117 ZPO
Leitsatz
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NV: Folgt ein Steuerpflichtiger dem Vorschlag des Gerichts nicht, die Hauptsache für erledigt zu erklären, ist das Verfahren fortzuführen und durch Urteil zu entscheiden. Hat sich das Verfahren tatsächlich (z. B. durch die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids) erledigt, muss das Gericht die Klage als unzulässig abweisen und die Kosten nach § 135 Abs. 1 FGO dem Steuerpflichtigen auferlegen.
Tatbestand
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I. Der Einkommensteuerbescheid der Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) für das Jahr 2005 wurde mehrfach geändert. Zuletzt hatte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Einkommensteuerbescheid vom 20. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2009 die Einkommensteuer in Höhe von 593 €, die Kirchensteuer in Höhe von 47,44 € sowie Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung in Höhe von 79 € festgesetzt.
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Im finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Antragstellerin die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2005 vom 20. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2009 begehrt hatte, machte das Finanzgericht (FG) mit Schreiben vom 22. Februar 2010 einen Einigungsvorschlag dahingehend, dass sich das FA verpflichten sollte, den Einkommensteuerbescheid vom 1. September 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26. August 2009 aufzuheben. Nach diesem Vorschlag sollte das FA die Gerichtskosten und jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Das FG wies im Schreiben vom 22. Februar 2010 darauf hin, dass die Antragstellerin als Folge dieses Einigungsvorschlags keine Einkommensteuer für 2005 zu zahlen habe.
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Während das FA mit Schreiben vom 3. März 2010 dem Einigungsvorschlag zugestimmt hatte, teilte die Antragstellerin dem FG mit Schreiben vom 9. März 2010 mit, sie nehme den Vorschlag nicht an.
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Das FA hat am 22. März 2010 den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 1. September 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2009 aufgehoben und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Schreiben vom 26. März 2010 hat das FG die Antragstellerin davon unterrichtet, dass das FA nach Aufhebung des streitigen Einkommensteuerbescheids 2005 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt habe und um Mitteilung gebeten, ob sie ebenfalls den Rechtsstreit für erledigt erkläre. Im Schreiben vom 22. April 2010 hat die Antragstellerin an der Klage festgehalten und mit Schreiben vom 24. April 2010 Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Berichterstatter des FG eingelegt.
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In der mündlichen Verhandlung, an der die Antragstellerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen hat, hat der Vertreter des FA zu Protokoll erklärt, dass mit dem Aufhebungsbescheid vom 22. März 2010 sämtliche Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer des Jahres 2005 aufgehoben sein sollten. Weiterhin hat er klargestellt, dass von der Antragstellerin auch keine Lohnsteuer für das Jahr 2005 nachgefordert werde.
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Das FG hat die in der Dienstaufsichtsbeschwerde enthaltene Ablehnung des Berichtserstatters des FG wegen der Besorgnis der Befangenheit als rechtsmissbräuchlich angesehen und den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Auch die Klage war nach Auffassung des FG unzulässig. Nach Erlass des Aufhebungsbescheids vom 22. März 2010 und der Erklärung in der mündlichen Verhandlung, wonach alle Bescheide den Veranlagungszeitraum 2005 betreffend aufgehoben seien, sei für 2005 keine Steuer festgesetzt. Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei weggefallen und eine objektive Erledigung der Hauptsache eingetreten.
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Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin über einen Prozessbevollmächtigten fristgemäß Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben. Vor Ablauf der am 19. Juli 2010 endenden Beschwerdebegründungsfrist hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. Juli 2010 --beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 13. Juli 2010-- Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten beantragt. Ihrer bisherigen Bevollmächtigten hat sie mit einem am 14. Juli 2010 beim BFH eingegangenen Schriftsatz das Mandat entzogen. Sie trägt im Ergebnis vor, das FA habe insgesamt sechs falsche Bescheide für den Veranlagungszeitraum 2005 erlassen. Der Steuerbescheid vom 20. November 2006, weswegen sie Klage erhoben habe, sei erst am 29. April 2010 während der mündlichen Verhandlung aufgehoben worden. Das FG-Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler. Sie habe einem "Güteverfahren" und einer Einigung weder zugestimmt noch daran teilgenommen. Das FA habe ihren Vorschlag vom 22. September 2009, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären, nicht angenommen und ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Zudem erfordere die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit eine Entscheidung des BFH. Das FG dürfe nicht einen Verwaltungsakt, der während des Klageverfahrens aufgehoben werde, als "außergerichtlich aufgehoben" in der Entscheidung werten. Ihr obendrein die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, widerspreche dem Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland. Im Übrigen habe der abgelehnte Richter selbst bei der Entscheidung über das ihn betreffende Ablehnungsgesuch mitgewirkt.
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Eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Antragstellerin bis heute nicht eingereicht.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt.
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Es kann dahinstehen, ob durch die seit dem 1. Juli 2008 geltende Neuregelung des Vertretungszwangs in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und das Außerkrafttreten des § 62a FGO insofern eine Änderung eingetreten ist, dass nun auch der Antrag auf PKH vertretungspflichtig ist. Die erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen jedenfalls nicht vor.
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1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierbei hat der Prozessbeteiligte die dafür eingeführten Vordrucke zu benutzen.
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2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann einem Antragsteller, der selbst Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegt, PKH nur dann gewährt werden, wenn er die "Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt hat (vgl. hierzu z.B. Senatsbeschluss vom 28. September 2005 X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249). Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller nicht berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 8. April 1999 II B 82/98, BFH/NV 1999, 1470, m.w.N.); die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. August 1991 2 BvR 995/91, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 426).
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3. Die Frage, ob Steuerpflichtigen, deren Prozessbevollmächtigte die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zwar fristgerecht einlegen, jedoch nicht begründen, PKH nur dann gewährt werden kann, wenn sie die "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" wenigstens innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist vorlegen, kann offenbleiben. Die im vorliegenden Fall beabsichtigte Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde bietet bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Der angerufene Senat vermag bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags der Antragstellerin, des Inhalts der vorliegenden Akten und des von der Antragstellerin beanstandeten FG-Urteils keinen hinlänglichen Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 FGO gebietet. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Antragstellerin keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und einer Divergenzentscheidung andererseits herausgearbeitet und einander gegenübergestellt hat. Überdies vermag der Senat auch ansonsten nicht zu erkennen, dass das FG mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten tragenden und abstrakten Rechtssatz von der Entscheidung eines anderen Gerichts zu derselben Rechtsfrage abgewichen ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
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Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das FG-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erscheint und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; Lange, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 782, 784). Schließlich beruht das Urteil auch nicht erkennbar auf einem Verfahrensmangel, der --auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts-- dessen Entscheidung hätte beeinflussen können (zu Letzterem vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79 und 96, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Zwar entscheidet gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 ZPO das Gericht über das Ablehnungsgesuch grundsätzlich ohne den abgelehnten Richter. Eine Ausnahme hiervon ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung jedoch dann möglich, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich oder deshalb offensichtlich unzulässig ist, weil der Ablehnungsgrund nicht substantiiert bzw. glaubhaft gemacht worden ist (z.B. BFH-Beschluss vom 23. Februar 1994 IV B 79/93, BFH/NV 1994, 877, m.w.N.). Dieser Ausnahmefall liegt hier vor. Mangels ausreichender Substantiierung des Befangenheitsantrags konnte das FG auch unter Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters entscheiden.
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Im Übrigen ist auch die Entscheidung des FG, der Antragstellerin die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen, nicht zu beanstanden. Da die Antragstellerin --anders als das FA-- dem Vorschlag des Gerichts, nach Aufhebung der streitgegenständlichen Steuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 2005 die Hauptsache für erledigt zu erklären, nicht gefolgt ist, war das Verfahren fortzuführen und durch Urteil zu entscheiden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 4/78, BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375). Da das FG --zutreffend-- zu dem Ergebnis kam, das Verfahren habe sich durch die Aufhebung der Steuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 2005 erledigt, musste es die Klage als unzulässig abweisen und die Kosten nach § 135 Abs. 1 FGO der Antragstellerin auferlegen (BFH-Beschluss vom 22. September 1999 VII B 82/99, BFH/NV 2000, 335). Hätte hingegen --wie vom FG vorgeschlagen-- die Antragstellerin ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, wäre über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden gewesen. Da sich der Rechtsstreit durch die Aufhebung der Steuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 2005 erledigt hatte, hätte das FG die Kosten nach § 138 Abs. 2 FGO dem FA auferlegt.
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4. Insgesamt ist somit bei der gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision erkennbar, so dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses zurück, um der Antragstellerin die Möglichkeit einzuräumen zu prüfen, ob sie ggf. ihre Beschwerde zur Vermeidung höherer Gerichtskosten zurücknehmen möchte. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Der Widerruf einer Vollmacht wird gegenüber dem BFH erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten wirksam (st. Rspr., z.B. BFH-Beschluss vom 7. Juli 1999 VI R 203/98, BFH/NV 2000, 59; Gräber/Koch, a.a.O., § 62 Rz 18, m.w.N.). Dennoch hat der Senat bislang davon abgesehen, die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in das Verfahren einzubeziehen und lässt auch dahingestellt, ob der PKH-Antrag schon deswegen zurückzuweisen wäre, weil bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist noch eine --im Außenverhältnis-- vertretungsberechtigte Person i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 FGO vorhanden war.
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5. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
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