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BFH 28.06.2010 - III B 73/10
BFH 28.06.2010 - III B 73/10 - (Aussetzung eines Klageverfahrens nach § 74 FGO)
Normen
§ 74 FGO, § 251 ZPO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 29. April 2010, Az: 9 K 1404/08 Kg, Beschluss
Leitsatz
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NV: Ein Klageverfahren darf nicht allein deshalb nach § 74 FGO ausgesetzt werden, weil bei dem BFH ein anderer Rechtsstreit anhängig ist, der eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird. In einem solchen Fall können beim FG schwebende Parallelverfahren nur gemäß § 251 ZPO i.V.m. § 155 FGO zum Ruhen gebracht werden, wozu es jedoch der Zustimmung des Klägers und des Beklagten bedarf.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine polnische Staatsangehörige, war für mehrere Monate als Saisonarbeiterin in Deutschland beschäftigt. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag der Klägerin, ihr für diese Zeit für ihre in Polen lebenden Kinder Kindergeld zu gewähren, im Hinblick auf die in Polen geleisteten Familienleistungen ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage.
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Mit Beschluss vom … setzte das Finanzgericht (FG) das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Ergehen der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Verfahren III R 40/08 und III R 41/08 aus, da die genannten Verfahren u.a. auch die im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Frage zum Gegenstand hätten, ob auf die Klägerin ausschließlich polnisches Recht anwendbar sei und ob dadurch auch Differenzzahlungen zum höheren deutschen Kindergeld ausgeschlossen seien.
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Gegen den ihr am … zugegangenen Beschluss erhob die Klägerin am … Beschwerde zum BFH. Sie begehrt die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses, da die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht vorlägen.
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Das FG beschloss am …, dass der Beschwerde nicht abgeholfen werde.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat das Klageverfahren zu Unrecht ausgesetzt.
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Nach § 74 FGO kann ein FG die Aussetzung eines bei ihm anhängigen Verfahrens anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.
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Darüber hinaus kommt nach der Rechtsprechung des BFH eine Aussetzung des Klageverfahrens entsprechend § 74 FGO in Betracht, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (z.B. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2006 I B 91/05, BFH/NV 2006, 1115, m.w.N.). Ein Klageverfahren darf jedoch nicht allein deshalb nach § 74 FGO ausgesetzt werden, weil bei dem BFH ein anderer Rechtsstreit anhängig ist, der eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird. In einem solchen Fall können vielmehr beim FG schwebende Parallelverfahren nur gemäß § 251 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO zum Ruhen gebracht werden, wozu es jedoch u.a. der --im vorliegenden Fall bislang offenbar fehlenden-- Zustimmung der Klägerin bedarf (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Januar 2004 I B 71/03 u.a., BFH/NV 2004, 915).
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Danach lagen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nicht vor. Weder hat das FG ein vor dem BVerfG anhängiges Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm bezeichnet noch ist ein solches ersichtlich. Allein der Hinweis auf vor dem BFH bereits anhängige Verfahren, die die gleiche streitige Rechtsfrage betreffen, reicht für eine Aussetzung nach § 74 FGO nicht aus.
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Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Januar 2001 II B 36/00, BFH/NV 2001, 800, m.w.N.).
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