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BFH 25.02.2010 - IV R 24/07
BFH 25.02.2010 - IV R 24/07 - Unstatthaftes Teilurteil: Verstoß gegen Grundordnung des Verfahrens - Teilurteil über Steuermessbetrag nach Gewerbeertrag nicht statthaft - Keine Umdeutung des unstatthaften Teilurteils in ein Zwischenurteil - Streitgegenstand einer Anfechtungsklage gegen Gewerbesteuermessbetrag
Normen
§ 98 FGO, § 99 Abs 2 FGO, § 157 Abs 2 AO, § 14 GewStG 1991
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 15. März 2007, Az: 10 K 104/01, Urteil
nachgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Mai 2013, Az: 10 K 148/10, Zwischenurteil
nachgehend BFH, 2. Juni 2016, Az: IV R 23/13, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Entscheidet das FG verfahrensfehlerhaft durch Teilurteil, so liegt darin ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens .
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2. NV: Ein Teilurteil über die Höhe des Steuermessbetrags nach dem Gewerbeertrag ist nicht statthaft .
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3. Ein unstatthaftes Teilurteil kann nicht in ein Zwischenurteil umgedeutet werden .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Gesellschaftszweck der Erwerb des Erbbaurechts an bestimmten Grundstücken der Stadt X sowie die Errichtung einer Tiefgarage, deren Vermietung oder Veräußerung ist. Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 6. Oktober 1989 bestellte die Stadt X der Klägerin für die Dauer von 50 Jahren ein Erbbaurecht an den betreffenden Grundstücken. Die Klägerin verpflichtete sich darin zum Bau einer Tiefgarage. Am selben Tag schlossen die KG und die Stadt X einen Mietvertrag über die von der Klägerin zu errichtende Tiefgarage. Das Mietverhältnis sollte mit der Übernahme des Mietobjekts durch die Mieterin, spätestens zum 1. Juli 1991, beginnen. Die Mietdauer sollte 22 Jahre betragen. In dem Mietvertrag bot die Klägerin der Stadt X den Abschluss eines Kaufvertrags über das Erbbaurecht mit Tiefgarage an. Das Angebot konnte von der Stadt X zum Ablauf des Mietverhältnisses angenommen werden; als Kaufpreis wurden die noch nicht durch die Mieten amortisierten Gesamtkosten einschließlich etwaiger rückständiger Leistungen zum Zeitpunkt des Verkaufs vereinbart.
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Die Klägerin erklärte in ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 1991 einen Verlust, der u.a. aus Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf das Erbbaurecht und auf die Tiefgarage resultierte, und nahm die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) in Anspruch. Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die AfA nicht mehr an, weil die Stadt X wirtschaftliche Eigentümerin des Erbbaurechts sei. Auch eine Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG lehnte das FA ab. Außerdem berücksichtigte es, dass eine geänderte Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 ergangen war. Dementsprechend änderte das FA den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1991. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Über den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 hat das FA noch nicht entschieden.
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Das Finanzgericht (FG) entschied auf die gegen den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1991 gerichtete Klage durch Teilurteil, dass der Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag für 1991 unter Berücksichtigung der AfA auf das Erbbaurecht und auf die Tiefgarage sowie der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG festgesetzt wird; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1836 veröffentlicht. Die Klage sei dahin auszulegen, dass die Klägerin auch die Höhe des Steuermessbetrags nach dem Gewerbekapital angreife, weil sonst ohnehin nicht auf die begehrte Herabsetzung des einheitlichen Steuermessbetrags auf 0 DM erkannt werden könne. Dessen Höhe hänge jedoch vom Ausgang des Einspruchsverfahrens gegen die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 ab. Da der Rechtsstreit jedoch hinsichtlich der Höhe des Steuermessbetrags nach dem Gewerbeertrag zur Entscheidung reif sei, sei es sachgerecht, durch Teilurteil über diesen Streitgegenstand zu entscheiden.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO).
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Es beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Das FG hat verfahrensfehlerhaft durch Teilurteil entschieden. Darin liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Februar 2000 VIII B 67/99, BFH/NV 2000, 966; vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 67/97, BFH/NV 1998, 1197, m.w.N., zum Grundurteil).
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1. Nach § 98 FGO kann das Gericht ein Teilurteil erlassen, wenn nur ein Teil des Streitgegenstandes zur Entscheidung reif ist. Der Erlass eines Teilurteils setzt voraus, dass der Streitgegenstand teilbar ist (BFH-Urteil vom 30. November 1993 IX R 92/91, BFHE 173, 204, BStBl II 1994, 403, m.w.N.). Ein Teilurteil darf nur zu einem abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 17. November 1992 VIII R 35/91, BFH/NV 1993, 316, unter 1.b aa der Gründe; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2003 VIII ZR 320/02, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 1036, m.w.N.; sowie Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 98 FGO Rz 9). Ein Teil eines einheitlichen Streitgegenstands ist abtrennbar, wenn er einer gesonderten tatsächlichen und rechtlichen Würdigung zugänglich ist (vgl. Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 110 Rz 4, m.w.N.).
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2. Nach diesen Maßstäben durfte das FG über die Höhe des Steuermessbetrags nach dem Gewerbeertrag nicht durch Teilurteil entscheiden.
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a) Die Klägerin hat mit ihrer Klage den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1991 angefochten; denn sie begehrte die Herabsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für 1991 auf Null. Streitgegenstand ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag allein die Rechtmäßigkeit des durch ihn festgesetzten einheitlichen Steuermessbetrags (vgl. BFH-Urteil vom 6. August 1985 VIII R 280/81, BFHE 144, 386, BStBl II 1986, 17, unter II. der Gründe; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344, unter III.4. der Gründe). Die Steuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag und nach dem Gewerbekapital werden zwar nach den §§ 7 ff. und §§ 12 f. GewStG getrennt ermittelt (Selder in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 14 Rz 1). Festgesetzt wird aber (nur) der einheitliche Steuermessbetrag, der durch die Zusammenrechnung der Steuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag und nach dem Gewerbekapital gebildet wird (vgl. § 14 GewStG). Die beiden Steuermessbeträge sind ebenso wie die zu ihrer Feststellung führenden einzelnen Besteuerungsmerkmale nach § 157 Abs. 2 AO nicht selbständig anfechtbare Teile des Bescheids über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344, unter III.4. der Gründe).
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b) Die Höhe des Steuermessbetrags nach dem Gewerbeertrag ist als unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S. des § 157 Abs. 2 AO einer gesonderten tatsächlichen und rechtlichen Würdigung nicht zugänglich; über unselbständige Besteuerungsgrundlagen kann nicht durch Teilurteil entschieden werden (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 148/01, BFH/NV 2004, 527; Lange in HHSp, § 98 FGO Rz 10; Tipke in Tipke/Kruse, Finanzgerichtsordnung, § 98 FGO Rz 2; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 98 Rz 2; Woerner, Betriebs-Berater 1968, 1030, 1032; Gräber, Deutsches Steuerrecht 1968, 491, 492; vgl. auch Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344, unter III.3.c der Gründe). Das FG hat im Rahmen des Klagebegehrens die Rechtmäßigkeit des festgesetzten einheitlichen Steuermessbetrags ohne Rücksicht auf die --nach Auffassung der Verfahrensbeteiligten bestehenden oder fehlenden-- Besteuerungsgrundlagen zu prüfen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. November 1979 GrS 1/78 BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99, unter C.II.1. der Gründe, zum Steuerbescheid). Eine Herabsetzung (Erhöhung) des Steuermessbetrags nach dem Gewerbeertrag kann daher mit einer entsprechenden Erhöhung (Herabsetzung) des Steuermessbetrags nach dem Gewerbekapital saldiert werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 144, 386, BStBl II 1986, 17, unter II. der Gründe).
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3. Die Umdeutung des unstatthaften Teilurteils in ein Zwischenurteil i.S. des § 99 Abs. 2 FGO ist nicht möglich, weil bei Ergehen eines Zwischenurteils den Beteiligten --anders als bei einem Teilurteil-- nach § 99 Abs. 2 FGO ein Widerspruchsrecht zusteht, auf das sie vom Gericht hingewiesen werden müssen. Die Möglichkeit, dieses Recht wahrzunehmen, würde eingeschränkt, wenn das Gericht ein Teilurteil erließe, das wahlweise als Zwischenurteil aufgefasst werden könnte (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 527, m.w.N; Lange in HHSp, § 99 FGO Rz 52).
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