Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 29.06.2023 - C-232/22
EuGH 29.06.2023 - C-232/22 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer) - 29. Juni 2023 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 44 – Ort der Dienstleistung – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 – Art. 11 Abs. 1 – Dienstleistungen – Ort der steuerlichen Anknüpfung – Begriff ‚feste Niederlassung‘ – Von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur – Fähigkeit, Dienstleistungen für den eigenen Bedarf der festen Niederlassung zu empfangen und zu verwenden – Lohnveredelungsleistungen und Nebenleistungen – Exklusive vertragliche Verpflichtung zwischen einer dienstleistenden Gesellschaft in einem Mitgliedstaat und einer Empfängergesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat – Rechtlich unabhängige Gesellschaften“
Leitsatz
In der Rechtssache C-232/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Liège (Appellationshof Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 18. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 1. April 2022, in dem Verfahren
Cabot Plastics Belgium SA
gegen
État belge
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias sowie der Richter M. Ilešič und I. Jarukaitis (Berichterstatter),
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Cabot Plastics Belgium SA, vertreten durch J. Lejeune und G. Vael, Avocats,
der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland und C. Ehrbar als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 (ABl. 2008, L 44, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) und von Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 (ABl. 2011, L 77, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cabot Plastics Belgium SA (im Folgenden: Cabot Plastics) und dem belgischen Staat, vertreten durch den Finanzminister, wegen einer Entscheidung der Steuerverwaltung, mit der Cabot Plastics zur Zahlung eines zusätzlichen Mehrwertsteuerbetrags zuzüglich Verzugszinsen und einer Geldbuße verpflichtet wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Titel V („Ort des steuerbaren Umsatzes“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält ein Kapitel 3 („Ort der Dienstleistung“). In Abschnitt 2 („Allgemeine Bestimmungen“) dieses Kapitels sieht Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie vor:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.“
Kapitel V („Ort des steuerbaren Umsatzes“) der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 enthält einen Abschnitt 1 („Begriffe“), zu dem Art. 11 Abs. 1 gehört. Dieser bestimmt:
„Für die Anwendung des Artikels 44 der [Mehrwertsteuerrichtlinie] gilt als ‚feste Niederlassung‘ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.“
Belgisches Recht
In Art. 21 § 2 des Mehrwertsteuergesetzbuchs vom 3. Juli 1969 (Moniteur belge vom 17. Juli 1969, S. 7046) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung heißt es:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. …“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Cabot Switzerland GmbH ist ein Unternehmen schweizerischen Rechts. Der Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit befindet sich in der Schweiz. Sie ist in Belgien als Verkäuferin von Kohlenstoffprodukten für die Mehrwertsteuer registriert.
Cabot Switzerland schloss als wichtigste operative Gesellschaft des Cabot-Konzerns für die Region „Europa, Naher Osten und Afrika“ Lohnveredelungsverträge mit mehreren Unternehmen, darunter die belgische Handelsgesellschaft Cabot Plastics. Diese gehört zwar zum selben Konzern, ist aber von Cabot Switzerland rechtlich unabhängig. Eine finanzielle Verbindung zwischen ihnen besteht jedoch, da Cabot Plastics zu 99,99 % im Eigentum der Cabot Holding I GmbH steht, die ihrerseits zu 100 % der Cabot Lux Holdings Sàrl gehört, die auch sämtliche Anteile an Cabot Switzerland hält.
Wie im Lohnveredelungsvertrag vom 14. Februar 2012 (im Folgenden: Vertrag vom 14. Februar 2012) vereinbart, verwendet Cabot Plastics ihre Anlagen ausschließlich, um Rohstoffe für Cabot Switzerland nach deren Weisungen zu Produkten zu verarbeiten, die zur Herstellung von Kunststoffen verwendet werden. Die von Cabot Plastics an Cabot Switzerland erbrachten Dienstleistungen machen nahezu ihren gesamten Umsatz aus.
Gemäß dem Vertrag vom 14. Februar 2012 lagert Cabot Plastics die von Cabot Switzerland gekauften Rohstoffe auf ihrem Betriebsgelände und verarbeitet sie dann zu Produkten, die zur Herstellung von Kunststoffen verwendet werden. Anschließend lagert sie diese Produkte, bis sie von Cabot Switzerland von Belgien aus an ihre verschiedenen Kunden auf dem belgischen Markt, dem europäischen Markt oder dem Exportmarkt verkauft werden. Die Abholung der Waren bei Cabot Plastics und der Transport der Waren erfolgen entweder durch diese Kunden oder durch von Cabot Switzerland beauftragte Spediteure.
Cabot Plastics erbringt außerdem eine Reihe von Zusatzleistungen an Cabot Switzerland, und zwar u. a. die Zwischenlagerung von Produkten (einschließlich der Verwaltung von Produkten, die in Zwischenlagern Dritter gelagert werden), die Abgabe von Empfehlungen zur Optimierung des Produktionsverfahrens, interne und externe technische Kontrollen und Bewertungen, die Übermittlung der Ergebnisse an Cabot Switzerland sowie die von anderen Produktionseinheiten benötigten Lieferungen oder Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang äußert sich Cabot Plastics zu den betrieblichen Bedürfnissen ihrer Fabriken, erleichtert die Zollformalitäten, hält die Standards und Verfahren von Cabot Switzerland im Bereich der Qualitätskontrolle und -sicherung ein, bietet dieser Gesellschaft Unterstützung bei der Verbesserung der Produktionsverfahren und bei der Geschäftsplanung an, leistet ihr administrative Unterstützung in Bezug auf Verbrauchsteuern und Zölle, fungiert als offizieller Importeur im Namen und im Auftrag dieser Gesellschaft und kümmert sich um das Verpackungsmaterial. Bei diesen zusätzlichen Tätigkeiten hält sich Cabot Plastics an die vertraglich festgelegten Bedingungen.
Cabot Plastics wandte sich an den Dienst für Vorabentscheidungen in Steuerangelegenheiten beim Föderalen Öffentlichen Dienst Finanzen (Belgien), der mit Bescheid vom 31. Januar 2012 in Bezug auf die Körperschaftsteuer die Auskunft erteilte, dass die Tätigkeiten dieser Gesellschaft keine feste Niederlassung von Cabot Switzerland in Belgien im Sinne der Art. 227 bis 229 des Code des impôts sur les revenus (Einkommensteuergesetzbuch) bzw. keine Betriebsstätte im Sinne von Art. 5 des am 28. August 1978 geschlossenen Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen begründeten.
Nach einer im Jahr 2017 durchgeführten Steuerprüfung vertrat die Steuerverwaltung jedoch die Auffassung, dass Cabot Switzerland in Belgien über eine feste Niederlassung im Sinne des Mehrwertsteuerrechts verfüge, so dass der Ort der von Cabot Plastics in den Jahren 2014 bis 2016 für diese Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen in Belgien sei und diese Leistungen dort mehrwertsteuerpflichtig seien. Cabot Plastics erhielt einen Berichtigungsbescheid, dem sie sich widersetzte.
Die Steuerverwaltung forderte Cabot Plastics daher mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 auf, Mehrwertsteuer in Höhe von 10609844,08 Euro und eine Geldbuße in Höhe von 1060980 Euro zu zahlen, zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab dem 21. Januar 2017.
Cabot Plastics erhob am 30. März 2018 beim Tribunal de première instance de Liège (Gericht Erster Instanz Lüttich, Belgien) Klage gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2017. Mit Urteil vom 14. Januar 2020 gab dieses Gericht der Klage teilweise statt. Es entschied zwar, dass Cabot Switzerland eine feste Niederlassung in Belgien habe, hob den Bescheid aber auf, soweit darin zur Zahlung der Geldbuße aufgefordert wurde.
Am 11. September 2020 legte Cabot Plastics gegen dieses Urteil bei der Cour d’appel de Liège (Appellationshof Lüttich, Belgien), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein. Sie beantragt, dieses Urteil abzuändern, festzustellen, dass sie die von ihr verlangte Mehrwertsteuer nicht schuldet, und den belgischen Staat zur Erstattung aller zu Unrecht erhobenen oder einbehaltenen Beträge zuzüglich Verzugszinsen zu verurteilen.
Cabot Plastics macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass der Ort der Dienstleistungen, die sie Cabot Switzerland in Rechnung gestellt habe, nicht in Belgien, sondern in der Schweiz sei, wo Cabot Switzerland den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit habe.
Mit am 15. Januar 2021 eingelegter Anschlussberufung beantragt der belgische Staat die Abänderung des Urteils des Tribunal de première instance de Liège (Gericht Erster Instanz Lüttich) hinsichtlich der gegen Cabot Plastics verhängten Geldbuße. Er ist der Ansicht, Cabot Switzerland habe eine feste Niederlassung in Belgien (nämlich in den Geschäftsräumen von Cabot Plastics), so dass der Ort der von Cabot Plastics an sie erbrachten Dienstleistungen in diesem Mitgliedstaat sei.
Erstens handle es sich bei der technischen Ausstattung, die diese feste Niederlassung auszeichne, um die Produktionsstätten, das Vertriebszentrum und die Lagerstätten, die zwar Cabot Plastics gehörten, bei denen aber davon auszugehen sei, dass sie Cabot Switzerland in Erfüllung des Vertrags vom 14. Februar 2012 zur Verfügung gestellt worden seien. Dieser Vertrag sehe nämlich vor, dass die Anlagen von Cabot Plastics ausschließlich für Cabot Switzerland und nach deren Weisungen genutzt würden, so dass letztere Gesellschaft frei darüber verfüge.
Zweitens handle es sich bei der personellen Ausstattung dieser festen Niederlassung um das Betriebspersonal von Cabot Plastics, das Cabot Switzerland zur Verfügung gestellt werde und es ihr ermögliche, u. a. in Belgien Verkäufe zu tätigen. Über die Lohnveredelungsleistungen hinaus erbringe dieses Personal für Cabot Switzerland unerlässliche Zusatzleistungen wie die Annahme der Rohstoffe, die Qualitätskontrolle, die Vorbereitung der Bestellungen, die Verpackung der Endprodukte und die Durchführung der Inventuren.
Was drittens die Möglichkeit betrifft, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung von Cabot Switzerland erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden, so macht der belgische Staat geltend, dass die dieser Gesellschaft von Cabot Plastics zur Verfügung gestellte Struktur es ihr ermögliche, die aus der Lohnveredelung herrührenden Produkte zu empfangen und zu verwenden, um in Belgien eigene Warenlieferungen von ihrer festen Niederlassung aus zu tätigen. Viertens weise diese Niederlassung schon aufgrund des Abschlusses des Vertrags vom 14. Februar 2012 einen hinreichenden Grad an Beständigkeit auf.
Das vorlegende Gericht stellt fest, dass Cabot Switzerland in der Schweiz den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit habe, da sich dort ihr satzungsmäßiger Sitz und ihr Büro mit 47 Beschäftigten befinde und in diesem Land die strategischen und unternehmenspolitischen Entscheidungen getroffen würden, die verschiedenen Verträge geschlossen würden und ihr Verwaltungsrat zusammentrete. Der Umstand, dass sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit von Cabot Switzerland in der Schweiz befinde, bedeute jedoch noch nicht zwangsläufig, dass sich dort auch der Ort der Dienstleistungen befinde, da Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Bezug auf den Ort der Dienstleistung eine Sonderregelung für den Fall vorsehe, dass Dienstleistungen an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen erbracht würden, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen sei.
Der Gerichtshof habe sich bislang zu keinem Fall geäußert, der dem vorliegenden ähnlich genug wäre, um jeden Zweifel hinsichtlich der Auslegung des anwendbaren Unionsrechts auszuräumen. Zu beachten sei insoweit zum einen, dass Cabot Plastics im Verhältnis zu Cabot Switzerland eine rechtlich getrennte Einheit und keine Tochtergesellschaft sei, und zum anderen, dass die Steuerverwaltung Cabot Plastics sowohl als Dienstleistungserbringer als auch als Anbieter der technischen und personellen Ausstattung von Cabot Switzerland ansehe.
Daher stelle sich die Frage, ob ein Steuerpflichtiger über eine von der eigenen Ausstattung her geeignete, eine feste Niederlassung bildende Struktur verfüge, wenn diese Ausstattung zwar dem Unternehmen gehöre, das Dienstleistungen für ihn erbringe, dieser Dienstleister aber in Erfüllung eines zwischen ihm und dem betreffenden Steuerpflichtigen geschlossenen Vertrags verpflichtet sei, diese Ausstattung ausschließlich oder fast ausschließlich zur Erbringung dieser Dienstleistungen zu verwenden. Da der Gerichtshof festgestellt habe, dass eine Struktur, bei der es an eigenem Personal fehle, nicht als „feste Niederlassung“ eingestuft werden könne (Urteil vom 3. Juni 2021, Titanium, C-931/19, EU:C:2021:446), sei insbesondere zu klären, ob unter solchen Umständen das Personal des Erbringers der betreffenden Dienstleistungen, das gemäß einer zwischen diesen Parteien geschlossenen Vereinbarung nach den Vorgaben des Dienstleistungsempfängers handle, als dessen „eigenes“ Personal angesehen werden könne.
Zu klären sei außerdem, welchen Einfluss es auf die Feststellung einer festen Niederlassung von Cabot Switzerland in Belgien haben könnte, dass diese Gesellschaft dank der technischen und personellen Ausstattung von Cabot Plastics Warenlieferungen in diesem Land tätige.
Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Liège (Appellationshof Lüttich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen, dass dann, wenn Dienstleistungen von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen zugunsten eines anderen Steuerpflichtigen erbracht werden, der als solcher handelt und der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Europäischen Union hat, dabei beide Steuerpflichtige getrennte, rechtlich unabhängige Einheiten sind, die aber zum selben Konzern gehören, und der Dienstleistungserbringer sich vertraglich verpflichtet, seine Anlagen und sein Personal ausschließlich für die Herstellung von Waren für den Dienstleistungsempfänger zu verwenden, der diese dann verkauft, wobei dieser Verkauf eine steuerpflichtige Warenlieferung darstellt, zu deren Ausführung der Dienstleistungserbringer logistisch beiträgt und die im fraglichen Mitgliedstaat belegen ist, davon auszugehen ist, dass der außerhalb der Union ansässige Steuerpflichtige in diesem Mitgliedstaat eine feste Niederlassung hat?
Sind Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger eine feste Niederlassung haben kann, wenn die erforderliche personelle und technische Ausstattung die seines Dienstleisters ist, der zwar rechtlich unabhängig ist, aber zum selben Konzern gehört und der sich vertraglich verpflichtet, sie ausschließlich zugunsten des genannten Steuerpflichtigen einzusetzen?
Sind Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger eine feste Niederlassung im Mitgliedstaat seines Dienstleistungserbringers hat, wenn dieser für ihn in Erfüllung eines Ausschließlichkeitsvertrags eine Reihe von Leistungen erbringt, die im Verhältnis zu einer Lohnveredelung im engeren Sinne Neben- oder Zusatzleistungen darstellen, und damit zur Erfüllung von Verkaufsverträgen beiträgt, die dieser Steuerpflichtige an seinem Sitz außerhalb der Union schließt, die aber zu steuerpflichtigen Warenlieferungen führen, die nach Mehrwertsteuerrecht im Gebiet dieses Mitgliedstaats belegen sind?
Zu den Vorlagefragen
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass ein steuerpflichtiger Dienstleistungsempfänger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Europäischen Union hat, in dem Mitgliedstaat, in dem der von ihm rechtlich unabhängige Erbringer der betreffenden Dienstleistungen ansässig ist, über eine feste Niederlassung verfügt, wenn der steuerpflichtige Dienstleistungserbringer diese Leistungen sowie eine Reihe von Neben- oder Zusatzleistungen, die zur wirtschaftlichen Tätigkeit des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers in diesem Mitgliedstaat beitragen, in Erfüllung einer exklusiven vertraglichen Verpflichtung für diesen steuerpflichtigen Dienstleistungsempfänger erbringt und die personelle und technische Ausstattung der etwaigen festen Niederlassung dem Dienstleistungserbringer gehört.
Nach Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung.
Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist eine Regel, die den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen bestimmt, indem sie in einheitlicher Art und Weise den Ort der steuerlichen Anknüpfung festlegt. Mit dieser Regel sollen einerseits Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, und andererseits die Nichtbesteuerung von Einnahmen verhindert werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 16. Oktober 2014, Welmory, C-605/12, EU:C:2014:2298, Rn. 42, 50 und 51).
Der Unionsgesetzgeber hat in Bezug auf den Ort der an einen Steuerpflichtigen erbrachten Dienstleistung als vorrangigen Anknüpfungspunkt den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gewählt, da er als objektives, einfaches und praktisches Kriterium große Rechtssicherheit bietet. Demgegenüber ist die Anknüpfung an die feste Niederlassung des Steuerpflichtigen in Art. 44 Satz 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie nachrangig und eine Ausnahmevorschrift zur allgemeinen Regel, die nur dann zum Tragen kommt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Oktober 2014, Welmory, C-605/12, EU:C:2014:2298, Rn. 53 bis 56, vom 7. August 2018, TGE Gas Engineering, C-16/17, EU:C:2018:647, Rn. 49, und vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 29).
Folglich kommt, wie der Gerichtshof u. a. in Rn. 53 des Urteils vom 16. Oktober 2014, Welmory (C-605/12, EU:C:2014:2298), festgestellt hat, die Berücksichtigung einer anderen Niederlassung als des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn die Anknüpfung an diesen Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat, da, wie sich aus Rn. 55 jenes Urteils ergibt, die Vermutung, dass Dienstleistungen an dem Ort erbracht werden, an dem der steuerpflichtige Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, es sowohl den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten als auch den Dienstleistungserbringern ermöglicht, komplizierte Nachforschungen zur Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts zu vermeiden.
Als „feste Niederlassung“ im Sinne von Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt nach Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Oktober 2014, Welmory, C-605/12, EU:C:2014:2298, Rn. 58, und vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 31). Folglich kann, wie der Gerichtshof in Rn. 59 des Urteils vom 16. Oktober 2014, Welmory (C-605/12, EU:C:2014:2298), klargestellt hat, nur dann festgestellt werden, dass eine Gesellschaft in dem Mitgliedstaat, in dem ihr die betreffenden Dienstleistungen erbracht werden, eine feste Niederlassung hat, wenn sie dort über eine hinreichend beständige Struktur verfügt, die es ihr ermöglicht, die betreffenden Dienstleistungen dort zu empfangen und für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden.
Bei der Prüfung der Frage, ob eine feste Niederlassung im Sinne von Art. 44 Satz 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorliegt, ist nicht auf den steuerpflichtigen Dienstleistungserbringer, sondern auf den steuerpflichtigen Empfänger der Dienstleistungen abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 30).
Daher ist zu prüfen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens davon ausgegangen werden kann, dass ein steuerpflichtiger Dienstleistungsempfänger in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, in hinreichend beständiger und geeigneter Weise über eine personelle und technische Ausstattung verfügt und, wenn ja, ob diese Ausstattung es ihm tatsächlich ermöglicht, die Dienstleistungen dort zu empfangen und zu verwenden.
Das vorlegende Gericht fragt sich insbesondere, welche Auswirkungen es insoweit hat, dass erstens der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistungen zwar rechtlich unabhängige Einheiten sind, aber derselben Unternehmensgruppe angehören, zweitens die betreffende personelle und technische Ausstattung dem Dienstleistungserbringer gehört und drittens dieser vertraglich zusagt, seine Anlagen und sein Personal ausschließlich für die Erbringung der Dienstleistungen – im vorliegenden Fall die Lohnveredelung – einzusetzen, und gemäß dieser exklusiven Zusage außerdem eine Reihe von Neben- oder Zusatzleistungen zu diesen erstgenannten Dienstleistungen erbringt, indem er u. a. logistische Unterstützung leistet, die zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistungsempfängers beiträgt und Warenlieferungen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat, in dem sich die etwaige feste Niederlassung dieses Empfängers befinden würde, steuerpflichtig sind.
Was erstens die von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur einer festen Niederlassung betrifft, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Struktur, die durch eine solche Ausstattung zutage tritt, nicht nur punktuell bestehen darf. Zwar ist es nicht erforderlich, die personelle oder technische Ausstattung in einem anderen Mitgliedstaat selbst zu besitzen, doch muss der Steuerpflichtige befugt sein, über diese personelle und technische Ausstattung in derselben Weise zu verfügen, als wäre sie seine eigene, beispielsweise auf der Grundlage von Dienstleistungs- oder Mietverträgen, durch die ihm diese Ausstattung zur Verfügung gestellt wird und die nicht kurzfristig gekündigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 37 und 41).
Was die Tatsache anbelangt, dass der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistungen miteinander verbunden sind und dass insbesondere die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften demselben Konzern angehören, aber rechtlich voneinander unabhängig sind, so hat der Gerichtshof entschieden, dass die Einstufung als „feste Niederlassung“, die anhand der wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten zu beurteilen ist, nicht allein von der Rechtsform der betreffenden Einrichtung abhängen darf und dass der Umstand, dass eine Gesellschaft eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat besitzt, für sich genommen nicht bedeutet, dass sie dort auch eine feste Niederlassung hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 38 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Was den Umstand betrifft, dass der steuerpflichtige Dienstleistungserbringer vertraglich zusagt, seine Anlagen und sein Personal ausschließlich für die betreffenden Dienstleistungen einzusetzen, so geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass bei einer juristischen Person, auch wenn sie nur einen einzigen Kunden hat, davon auszugehen ist, dass sie die ihr zur Verfügung stehende technische und personelle Ausstattung für ihren eigenen Bedarf einsetzt. Nur wenn nachgewiesen werden sollte, dass eine Gesellschaft, die Dienstleistungen empfängt, aufgrund der geltenden vertraglichen Bestimmungen über die Ausstattung ihres Dienstleistungserbringers verfügt, als ob sie ihre eigene wäre, könnte davon ausgegangen werden, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem ihr Dienstleistungserbringer ansässig ist, über eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur verfügt, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 48).
Demnach könnte Cabot Switzerland im Ausgangsverfahren ungeachtet dessen, dass die fragliche personelle und technische Ausstattung nicht ihr, sondern Cabot Plastics gehört, eine feste Niederlassung in Belgien haben, sofern sie dort über einen unmittelbaren und ständigen Zugang zu dieser Ausstattung verfügt, als ob es sich um ihre eigene Ausstattung handelte. Insoweit könnte, ohne für sich genommen entscheidend zu sein, u. a. berücksichtigt werden, dass, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, Cabot Plastics zugesagt hat, ihre eigenen Anlagen ausschließlich für die Herstellung der vom Vertrag mit Cabot Switzerland erfassten Produkte zu verwenden, dass dieser Vertrag seit dem Jahr 2012 in Kraft ist und dass diese Leistungen nahezu den gesamten Umsatz von Cabot Plastics ausmachen.
Da jedoch, wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, der Erbringer der betreffenden Dienstleistungen für seine eigene Ausstattung verantwortlich bleibt und diese Leistungen auf eigene Gefahr erbringt, hat der Dienstleistungsvertrag, auch wenn es sich um einen Exklusivvertrag handelt, für sich genommen nicht zur Folge, dass die Ausstattung dieses Dienstleistungserbringers zur Ausstattung seines Kunden wird.
Was zweitens das ebenfalls in Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 vorgesehene Kriterium betrifft, wonach die personelle und technische Ausstattung einer festen Niederlassung es dieser ermöglichen muss, Dienstleistungen zu empfangen und für den eigenen Bedarf zu verwenden, so ist zunächst zwischen den von Cabot Plastics an Cabot Switzerland erbrachten Lohnveredelungsleistungen und dem Verkauf der aus dieser Lohnveredelung herrührenden Waren durch Cabot Switzerland zu unterscheiden. Diese Leistungen und Verkäufe stellen nämlich unterschiedliche Umsätze dar, die unterschiedlichen Mehrwertsteuerregelungen unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist zur Bestimmung des Ortes, an dem Cabot Switzerland diese Leistungen empfängt, der Ort zu ermitteln, an dem sich die von ihr zu diesem Zweck verwendete personelle und technische Ausstattung befindet, und nicht der Ort, an dem sich die von ihr für ihre Verkaufstätigkeit verwendete Ausstattung befindet.
Sodann ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass ein und dieselbe Ausstattung nicht gleichzeitig zur Erbringung von Dienstleistungen und zum Empfang derselben Dienstleistungen verwendet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C-333/20, EU:C:2022:291, Rn. 54). Im vorliegenden Fall geht aber – vorbehaltlich der Beurteilung durch das vorlegende Gericht – aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten nicht hervor, dass es möglich wäre, die von Cabot Plastics für ihre Lohnveredelungsleistungen verwendete Ausstattung von derjenigen zu unterscheiden, die nach Ansicht der Steuerverwaltung von Cabot Switzerland verwendet wird, um diese Leistungen in Belgien in ihrer vermeintlichen festen Niederlassung – die im Übrigen nur aus der Ausstattung von Cabot Plastics bestehen soll – zu empfangen.
Das vorlegende Gericht wirft außerdem die Frage auf, welche Auswirkungen es auf die Bestimmung des Ortes der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lohnveredelungsleistungen haben kann, dass der Leistungserbringer in Anwendung des mit dem Leistungsempfänger geschlossenen Exklusivvertrags auch eine Reihe von Dienstleistungen erbringt, die das vorlegende Gericht im Verhältnis zur Lohnveredelung als „Nebenleistungen“ oder „Zusatzleistungen“ einstuft, nämlich die Verwaltung des Rohstoffbestands, dessen Inventur am Ende des Jahres, die Qualitätskontrolle, die Verwaltung des Lagerbestands der Endprodukte und die Vorbereitung der Bestellungen vor dem Versand. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Cabot Plastics Cabot Switzerland logistische Unterstützung leiste und damit zu deren wirtschaftlicher Tätigkeit beitrage, was u. a. steuerpflichtige Warenlieferungen in Belgien ermögliche, wo sich nach Ansicht der Steuerverwaltung die feste Niederlassung von Cabot Switzerland befinde.
Wie sich aus Rn. 40 des vorliegenden Urteils ergibt, ist hinsichtlich der Frage, ob ein steuerpflichtiger Dienstleistungsempfänger die betreffenden Dienstleistungen in seiner festen Niederlassung empfängt, zwischen einerseits der Erbringung dieser Dienstleistungen und der Fähigkeit des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers, sie in einer solchen Niederlassung zu empfangen, und andererseits den Umsätzen zu unterscheiden, die dieser Steuerpflichtige selbst im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bewirkt, wie im vorliegenden Fall den Verkauf der aus der Lohnveredelung herrührenden Waren. Folglich hat der Umstand, dass der Dienstleistungserbringer an den Dienstleistungsempfänger auch die oben genannten Nebenleistungen erbringt und damit die wirtschaftliche Tätigkeit dieses Empfängers – wie etwa den Verkauf der aus der Lohnveredelung herrührenden Waren – erleichtert, keinen Einfluss auf die Frage des Bestehens einer festen Niederlassung des Dienstleistungsempfängers.
Außerdem ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Umstand, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten von vertraglich durch eine Dienstleistungsvereinbarung verbundenen Gesellschaften eine ökonomische Einheit bilden und die Ergebnisse dieser Tätigkeiten hauptsächlich den Verbrauchern des Mitgliedstaats zugutekommen, in dem der Dienstleistungserbringer seinen Sitz hat, für die Beurteilung der Frage, ob der Empfänger dieser Dienstleistungen eine feste Niederlassung in diesem Mitgliedstaat hat, ohne Belang (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Oktober 2014, Welmory, C-605/12, EU:C:2014:2298, Rn. 64). Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass eine feste Einrichtung, die nur dazu verwendet wird, Tätigkeiten vorzunehmen, die im Verhältnis zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Empfängers der betreffenden Dienstleistungen Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten sind, keine feste Niederlassung darstellt (Urteil vom 28. Juni 2007, Planzer, C-73/06, EU:C:2007:397, Rn. 56).
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist – vorbehaltlich der Überprüfungen durch das vorlegende Gericht – davon auszugehen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lohnveredelungsleistungen von Cabot Switzerland für ihre wirtschaftliche Tätigkeit des Verkaufs der aus diesen Leistungen herrührenden Waren in der Schweiz empfangen und verwendet werden, da diese Gesellschaft in Belgien nicht über eine hierfür geeignete Struktur verfügt.
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass ein steuerpflichtiger Dienstleistungsempfänger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Union hat, in dem Mitgliedstaat, in dem der von ihm rechtlich unabhängige Erbringer der betreffenden Dienstleistungen ansässig ist, nicht über eine feste Niederlassung verfügt, wenn er dort nicht über eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur verfügt, die eine solche feste Niederlassung bilden könnte; dies gilt auch dann, wenn der steuerpflichtige Dienstleistungserbringer Lohnveredelungsleistungen sowie eine Reihe von Neben- oder Zusatzleistungen, die zur wirtschaftlichen Tätigkeit des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers in diesem Mitgliedstaat beitragen, in Erfüllung einer exklusiven vertraglichen Verpflichtung für diesen steuerpflichtigen Dienstleistungsempfänger erbringt.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung und Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112
sind dahin auszulegen, dass
ein steuerpflichtiger Dienstleistungsempfänger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Europäischen Union hat, in dem Mitgliedstaat, in dem der von ihm rechtlich unabhängige Erbringer der betreffenden Dienstleistungen ansässig ist, nicht über eine feste Niederlassung verfügt, wenn er dort nicht über eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur verfügt, die eine solche feste Niederlassung bilden könnte; dies gilt auch dann, wenn der steuerpflichtige Dienstleistungserbringer Lohnveredelungsleistungen sowie eine Reihe von Neben- oder Zusatzleistungen, die zur wirtschaftlichen Tätigkeit des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers in diesem Mitgliedstaat beitragen, in Erfüllung einer exklusiven vertraglichen Verpflichtung für diesen steuerpflichtigen Dienstleistungsempfänger erbringt.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Französisch.
Kontakt zur AOK Bremen/Bremerhaven
Persönlicher Ansprechpartner
E-Mail-Service