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EuGH 21.09.2017 - C-616/15
EuGH 21.09.2017 - C-616/15 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 21. September 2017 ( *1) - „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 132 Abs. 1 Buchst. f – Steuerbefreiung für Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen – Beschränkung auf selbständige Zusammenschlüsse, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben“
Leitsatz
In der Rechtssache C-616/15
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 20. November 2015,
Europäische Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung, B.-R. Killmann und R. Lyal als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Petersen als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2017,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. April 2017
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) verstoßen hat, dass sie die Mehrwertsteuerbefreiung auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen (im Folgenden: Zusammenschlüsse) beschränkt, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Sechste Richtlinie
Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2007 durch die Richtlinie 2006/112 aufgehoben und ersetzt. Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie sah vor:
„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.
…“
Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie bestimmte:
„(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt;
…“
Art. 28 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie sah vor:
„(3) Während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten
die in Anhang E aufgeführten nach Artikel 13 oder 15 befreiten Umsätze weiterhin besteuern;
…
(4) Die Übergangszeit wird zunächst auf fünf Jahre, beginnend mit dem 1. Januar 1978, festgelegt. Spätestens sechs Monate vor Ende dieses Zeitraums – und später je nach Bedarf – überprüft der Rat an Hand eines Berichts der Kommission die Lage, die sich durch die in Absatz 3 aufgeführten Abweichungen ergeben hat, um auf Vorschlag der Kommission einstimmig über die vollständige oder teilweise Abschaffung dieser Abweichungen zu entscheiden.“
In Anhang E („Liste der in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a) vorgesehenen Umsätze“) der Richtlinie hieß es:
„…
3. in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f) bezeichnete Umsätze, mit Ausnahme der Umsätze von Zusammenschlüssen Angehöriger ärztlicher oder arztähnlicher Heilberufe
…“
Achtzehnte Richtlinie 89/465/EWG
In Art. 1 der Achtzehnten Richtlinie 89/465/EWG des Rates vom 18. Juli 1989 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Aufhebung bestimmter in Artikel 28 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vorgesehener Ausnahmeregelungen (ABl. 1989, L 226, S. 21) heißt es:
„Die Richtlinie 77/388/EWG wird wie folgt geändert:
In Anhang E werden die unter den Nummern 1, 3 bis 6, 8, 9, 10, 12, 13 und 14 genannten Umsätze mit Wirkung vom 1. Januar 1990 gestrichen.
…“
Richtlinie 2006/112
Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.“
Art. 131 in Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“) von Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“
Art. 132 Abs. 1 in Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) von Titel IX der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen;
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden;
Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch;
Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker;
Dienstleistungen, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt;
eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden;
…
Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
…
bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben;
bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden;
…“
In Art. 133 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 heißt es:
„Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:
…
Die Befreiungen dürfen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen führen.“
Art. 135 Abs. 1 in Kapitel 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“) von Titel IX der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;
…
Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;
Umsätze – einschließlich der Vermittlung –, die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, mit Ausnahme von Sammlerstücken, d. h. Münzen aus Gold, Silber oder anderem Metall sowie Banknoten, die normalerweise nicht als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden oder die von numismatischem Interesse sind;
…“
Deutsches Recht
Der Zweite Abschnitt („Steuerbefreiungen und Steuervergütungen“) des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) enthält in § 4 eine Liste der Dienstleistungen, die von der Umsatzsteuer befreit sind. Nach § 4 Nr. 14 UStG in der für den vorliegenden Sachverhalt maßgeblichen Fassung sind von der Steuer befreit:
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Satz 1 gilt nicht für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen … und kieferorthopädischen Apparaten …, soweit sie der Unternehmer in seinem Unternehmen hergestellt oder wiederhergestellt hat;
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. …
…
sonstige Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Buchstabe a bezeichneten Berufe oder Einrichtungen im Sinne des Buchstabens b sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der Tätigkeiten nach Buchstabe a oder Buchstabe b verwendet werden und die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert;
…“
Vorverfahren
Mit Mahnschreiben vom 23. November 2009 machte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften betreffend die Befreiung von der Mehrwertsteuer von Dienstleistungen aufmerksam, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die selbst eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen.
Die Kommission wies in diesem Schreiben darauf hin, dass das deutsche Recht diese Befreiung auf Leistungen von Zusammenschlüssen beschränke, deren Mitglieder bestimmte heilberufliche Tätigkeiten oder Berufe ausübten, während die Richtlinie 2006/112 die fragliche Befreiung nicht auf Zusammenschlüsse von bestimmten Berufsgruppen beschränke, sondern sie Zusammenschlüssen jeglicher Personen gewähre, sofern diese Personen von der Mehrwertsteuer befreit oder für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit nicht Steuerpflichtige seien. Daher stehe das deutsche Umsatzsteuerrecht nicht im Einklang mit den unionsrechtlichen Zielen der Richtlinie 2006/112.
Die Bundesrepublik Deutschland beantwortete das Mahnschreiben mit einer Mitteilung vom 22. März 2010. Darin bestätigte sie, dass die in Rede stehende deutsche Regelung eine Steuerbefreiung für von Zusammenschlüssen erbrachte Leistungen tatsächlich nur gewähre, sofern es sich um Zusammenschlüsse von Ärzten oder Angehörigen arztähnlicher Berufe sowie von Krankenhäusern oder krankenhausähnlichen Einrichtungen handele. Diese Beschränkung sei dadurch gerechtfertigt, dass es dem nationalen Gesetzgeber zustehe, zu bestimmen, welche Berufsgruppen in den Genuss dieser Befreiung kommen sollten, ohne dass es zu einer Wettbewerbsverzerrung komme. Eine Prüfung durch den deutschen Gesetzgeber habe ergeben, dass diese Befreiung nur für den Gesundheitsbereich gerechtfertigt sei.
Am 7. April 2011 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Bundesrepublik Deutschland. Darin äußerte sie Zweifel am Vorbringen dieses Mitgliedstaats, wonach nur heilberufliche Tätigkeiten und Berufe in den Genuss der in Rede stehenden Steuerbefreiung kommen könnten, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Das Gesetzgebungsverfahren in der Union zeige, dass mit der Richtlinie 2006/112 gerade beabsichtigt werde, die Steuerbefreiung auf Zusammenschlüsse auszudehnen, die auch andere Personengruppen erfasse. Außerdem hätten deutsche Gerichte mehrmals den Anwendungsbereich der in Rede stehenden Befreiung auf andere als die im deutschen Umsatzsteuerrecht aufgezählten Berufsgruppen erstrecken müssen.
Es sei auch nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände der deutsche Gesetzgeber anhaltende Wettbewerbsverzerrungen für den Fall festgestellt habe, dass er die fragliche Befreiung über die Heilberufe, für die sie bereits gelte, hinaus auf alle inländischen Wirtschaftsbereiche erweitern sollte. Der deutsche Gesetzgeber habe die mögliche Wettbewerbsverzerrung nicht aufgrund einer allgemeinen Überlegung beurteilen dürfen. Vielmehr sei die Befreiung nur zu verweigern, wenn die reale Gefahr bestehe, dass sie für sich genommen unmittelbar und in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen könne.
Die Bundesrepublik Deutschland antwortete auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mit einer Mitteilung vom 6. Juni 2011. Darin wies sie erstens auf die systematische Stellung der fraglichen Befreiungsbestimmung in der Richtlinie 2006/112, nämlich im Kapitel über Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten, hin. Daraus leitete sie ab, dass diese Befreiung nicht auf sämtliche Tätigkeiten des Wirtschaftslebens erstreckt werden könne.
Zweitens berücksichtige die Umsetzung der betreffenden Bestimmung in das deutsche Recht gerade das Verbot von Wettbewerbsverzerrungen, indem es die Befreiung auf bestimmte Berufsgruppen des Gesundheitsbereichs beschränke. Insoweit wies der Mitgliedstaat darauf hin, dass die Steuerbefreiung aus Sicht des deutschen Gesetzgebers nur bei Zusammenschlüssen für Heilberufe gerechtfertigt sei, da es für die von derartigen Zusammenschlüssen angebotenen Tätigkeiten keine unabhängigen Anbieter gebe.
Drittens habe die Kommission keine Berufsgruppe festgestellt, die durch das deutsche Recht zu Unrecht von der Befreiung ausgeschlossen wäre.
Folglich wies die Bundesrepublik Deutschland die Aufforderung der Kommission zurück, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen.
Da die deutsche Umsatzsteuerregelung die Mehrwertsteuerbefreiung weiterhin auf Zusammenschlüsse beschränkt, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig sind, hat die Kommission beschlossen, beim Gerichtshof die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Vorbringen der Parteien
Die Kommission führt aus, dass die fragliche deutsche Regelung, d. h. § 4 Nr. 14 UStG, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Steuerbefreiung auf Dienstleistungen beschränke, die von Zusammenschlüssen erbracht würden, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausübten, die sich im Wesentlichen auf den Gesundheitsbereich beschränkten. Diese Beschränkung verstoße gegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112.
Erstens sei diese Regelung nicht mit dem Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vereinbar, da dieser nicht auf Dienstleistungen beschränkt sei, die von Zusammenschlüssen erbracht würden, deren Mitglieder Berufe bestimmter Berufsgruppen ausübten.
Die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung sei nicht auf Zusammenschlüsse beschränkt, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten, sondern beziehe sich auf alle Zusammenschlüsse, deren Mitglieder eine von der Mehrwertsteuer befreite Tätigkeit ausübten. Die Kommission führt weiter aus, dass selbst dann, wenn diese Befreiung sich nur auf Zusammenschlüsse beziehen sollte, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten, ihr Anwendungsbereich gleichwohl nicht auf Zusammenschlüsse beschränkt wäre, deren Mitglieder Berufe im Gesundheitsbereich ausübten, wie es die in Rede stehende deutsche Regelung vorsehe.
Die Kommission ist der Auffassung, dass ihre Auslegung des Anwendungsbereichs von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 durch den Wortlaut dieser Vorschrift, durch den mit ihr verfolgten Zweck und ihre Entstehungsgeschichte sowie durch das Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2003:621) bestätigt werde, in dem der Gerichtshof die fragliche Steuerbefreiung auf von einem Zusammenschluss von Versicherungsgesellschaften erbrachte Dienstleistungen angewandt habe.
Der bloße Umstand, dass das Kapitel, in dem Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 enthalten sei, mit „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ überschrieben sei, vermöge nicht, die Eindeutigkeit des Wortlauts dieser Vorschrift zu beseitigen. Die Überschrift dieses Kapitels beruhe auf einem Redaktionsversehen, das sich dadurch erkläre, dass der ursprüngliche Vorschlag zur Sechsten Richtlinie eine Beschränkung der fraglichen Befreiung auf Zusammenschlüsse Angehöriger ärztlicher oder arztähnlicher Heilberufe vorgesehen habe.
Zweitens könne die in Rede stehende deutsche Regelung nicht durch einen Verweis auf die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 genannte Voraussetzung, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen dürfe, gerechtfertigt werden.
Das Vorliegen oder Verneinen einer Wettbewerbsverzerrung könne allein anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Es sei unmöglich, das Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen allgemein für Dienstleistungen bestimmter Berufssparten und die damit unmittelbar in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen, die ein Zusammenschluss anbiete, zu beurteilen. Daher widerspreche es der vollständigen Anwendung der Richtlinie 2006/112, wenn der Gesetzgeber selbst diese Prüfung typisiert für gesamte Berufssparten vornehme, wie es der deutsche Gesetzgeber getan habe.
Die Bundesrepublik Deutschland macht erstens geltend, dass sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 ergebe, dass der persönliche Anwendungsbereich der in Rede stehenden Steuerbefreiung auf Zusammenschlüsse beschränkt sei, die bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten.
Zunächst weist die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Wortlauts und der systematischen Stellung der genannten Vorschrift darauf hin, dass die in Rede stehende Steuerbefreiung in Art. 132 der Richtlinie 2006/112 enthalten sei, der zu Kapitel 2 der Richtlinie gehöre, das mit „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ überschrieben sei. Daraus folge, dass sich die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Steuerbefreiung nur auf Dienstleistungen von Zusammenschlüssen beziehen könne, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten.
Konkret ist die Bundesrepublik Deutschland der Ansicht, dass die in der genannten Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung nur für Zusammenschlüsse gelte, deren Mitglieder die in den Buchst. b bis e von Art. 132 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 angeführten Tätigkeiten ausübten, die der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie angeführten Steuerbefreiung vorausgingen und den Gesundheitsbereich beträfen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber diese Befreiung an das Ende von Art. 132 der Richtlinie 2006/112 gesetzt oder sie sogar in einem eigenen Artikel geregelt.
Die Auslegung, wonach die in Rede stehende Steuerbefreiung die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bis e der Richtlinie 2006/112 angeführten Tätigkeiten betreffe, werde dadurch untermauert, wie der Gerichtshof den Begriff „Berufsausübende“ im Rahmen der Auslegung dieser Steuerbefreiung im Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 37), verwende. In der Richtlinie 2006/112 werde der Begriff „Beruf“ nämlich ganz überwiegend im Zusammenhang mit ärztlichen Heilberufen verwendet.
Sodann macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass ihr Vorbringen durch die Entstehungsgeschichte von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 bestätigt werde. Sie weist insoweit insbesondere darauf hin, dass in der Erstfassung der Sechsten Richtlinie mit Art. 28 Abs. 3 Buchst a in Verbindung mit Anhang E Nr. 3 dieser Richtlinie sichergestellt werden sollte, dass die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung für die Dienstleistungen von Zusammenschlüssen Angehöriger ärztlicher oder arztähnlicher Heilberufe gelte, während die Mitgliedstaaten die entsprechenden Dienstleistungen sonstiger Arten von Zusammenschlüssen bis zum 31. Dezember 1989 weiter hätten besteuern dürfen. Die Aufhebung dieser Möglichkeit mit Wirkung vom 1. Januar 1990 habe den Anwendungsbereich der in Rede stehenden Steuerbefreiung nicht geändert, sondern habe vielmehr bezweckt, rein praktische Schwierigkeiten außerhalb des Mehrwertsteuersystems zu beseitigen.
Zweitens vertritt die Bundesrepublik Deutschland die Auffassung, dass die in Rede stehende deutsche Regelung in Anbetracht der Voraussetzung, dass die fragliche Steuerbefreiung nur gelte, wenn sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führe, gerechtfertigt sei. Entgegen der Auffassung der Kommission dürfe der nationale Gesetzgeber eine typisierende Beurteilung der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen für bestimmte Berufsgruppen vornehmen und damit die in Rede stehende Steuerbefreiung auf solche Gruppen beschränken.
Hierzu weist der Mitgliedstaat darauf hin, dass diese Voraussetzung weder hinreichend klar noch inhaltlich unbedingt sei und daher einer Präzisierung auf nationaler Ebene bedürfe. Die Beurteilung dieser Voraussetzung könne nicht den Steuerbehörden übertragen werden, da sie nur auf Grundlage komplexer wirtschaftlicher Analysen des jeweiligen Tätigkeitsbereichs vorgenommen werden könne.
In diesem Zusammenhang weist die Bundesrepublik Deutschland darauf hin, dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus dem Urteil vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, EU:C:2008:505, Rn. 35 und 36), hervorgehe, dass die Beurteilung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 enthaltenen Voraussetzung, dass keine Wettbewerbsverzerrungen vorliegen dürften, die derjenigen in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 entspreche, vom nationalen Gesetzgeber vorgenommen werden könne.
Außerdem sei es im Rahmen einer Klage nach Art. 258 AEUV Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, die es ihm ermöglichten, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen. Die Kommission habe aber nicht belegt, dass eine Steuerbefreiung für Dienstleistungen von Zusammenschlüssen an ihre Mitglieder in anderen Bereichen als den vom UStG erfassten Heilberufen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Würdigung durch den Gerichtshof
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klage der Kommission nur die von der Bundesrepublik Deutschland festgelegte Beschränkung der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung auf Zusammenschlüsse betrifft, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben.
Daher ist als Erstes der persönliche Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 zu prüfen und als Zweites die in dieser Bestimmung vorgesehene Voraussetzung zu beurteilen, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen darf.
Zum Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112
Hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 wird mit der Hauptrüge der Kommission geltend gemacht, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung nicht auf Zusammenschlüsse beschränkt sei, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten, sondern alle Zusammenschlüsse betreffe, deren Mitglieder eine von der Mehrwertsteuer befreite Tätigkeit ausübten, also einschließlich derjenigen, deren Mitglieder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Banken- und Versicherungsbereich ausübten. Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass selbst dann, wenn diese Befreiung sich nur auf Zusammenschlüsse beziehen sollte, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten, ihr Anwendungsbereich gleichwohl nicht auf Zusammenschlüsse beschränkt wäre, deren Mitglieder Berufe im Gesundheitsbereich ausübten, wie es die in Rede stehende deutsche Regelung vorsehe.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut dieser Bestimmung, der sich auf die steuerbefreite Tätigkeit der Mitglieder eines Zusammenschlusses bezieht, es nicht erlaubt, auszuschließen, dass diese Befreiung für alle Zusammenschlüsse gelten kann, deren Mitglieder eine von der Mehrwertsteuer befreite Tätigkeit ausüben.
Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift jedoch nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteile vom 26. April 2012, Able UK,C-225/11, EU:C:2012:252, Rn. 22, und vom 4. April 2017, Fahimian, C-544/15, EU:C:2017:255, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hinsichtlich der systematischen Stellung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift im mit „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ überschriebenen Kapitel 2 von Titel IX dieser Richtlinie enthalten ist. Diese Überschrift zeigt, dass die in der genannten Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung nur Zusammenschlüsse betrifft, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausüben.
Diese Auslegung wird auch durch den Aufbau des Titels IX der Richtlinie 2006/112 bestätigt, der „Steuerbefreiungen“ zum Gegenstand hat. Art. 132 Abs. 1 Buchst. f ist nämlich innerhalb der Richtlinie 2006/112 nicht in dem mit „Allgemeine Bestimmungen“ überschriebenen Kapitel 1 dieses Titels enthalten, sondern in dessen Kapitel 2. Zudem wird in diesem Titel zwischen Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) und Kapitel 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“) unterschieden, und diese Unterscheidung zeigt, dass die in Kapitel 2 für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vorgesehenen Bestimmungen für die übrigen Tätigkeiten, auf die sich Kapitel 3 bezieht, nicht gelten.
Das genannte Kapitel 3 enthält aber in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a eine Steuerbefreiung für „Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze“ und in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d und e eine Steuerbefreiung für bestimmte Umsätze im Bereich der Finanzdienstleistungen wie namentlich„Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren“ und „Umsätze – einschließlich der Vermittlung –, die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind“. Aus der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2006/112 geht somit hervor, dass die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f dieser Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung weder für im Bereich der Versicherungen und Rückversicherungen getätigte Umsätze noch für im Bereich der Finanzdienstleistungen durchgeführte Umsätze gilt, und dass folglich die Dienstleistungen, die von Zusammenschlüssen erbracht werden, deren Mitglieder in diesen Bereichen tätig sind, nicht unter diese Steuerbefreiung fallen.
Hinsichtlich der Zielsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst f innerhalb der Richtlinie 2006/112 ist auf den Zweck der Gesamtheit der Bestimmungen des Art. 132 der Richtlinie 2006/112 hinzuweisen, der darin besteht, bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer zu befreien, um den Zugang zu bestimmten Dienstleistungen und die Lieferung bestimmter Gegenstände unter Vermeidung der höheren Kosten zu erleichtern, die entstünden, wenn diese Dienstleistungen und die Lieferung dieser Gegenstände der Mehrwertsteuer unterworfen wären (Urteil vom 5. Oktober 2016, TMD, C-412/15, EU:C:2016:738, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Somit fallen die von einem Zusammenschluss erbrachten Dienstleistungen unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112, wenn sie unmittelbar zur Ausübung von Tätigkeiten beitragen, die nach Art. 132 dieser Richtlinie dem Gemeinwohl dienen (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Oktober 2016, TMD, C-412/15, EU:C:2016:738, Rn. 31 bis 33).
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Anwendungsbereich der in Art. 132 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Steuerbefreiungen eng auszulegen ist, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2016, TMD, C-412/15, EU:C:2016:738, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daraus folgt, dass Dienstleistungen, die nicht unmittelbar zur Ausübung von dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten nach Art. 132 der Richtlinie 2006/112 beitragen, sondern zur Ausübung anderer steuerbefreiter Tätigkeiten, insbesondere nach Art. 135 dieser Richtlinie, nicht unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie fallen können.
Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 ist demnach dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung sich nur auf Zusammenschlüsse bezieht, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausüben, die in dieser Bestimmung aufgeführt sind. Folglich ist die Hauptrüge der Kommission, wonach der Anwendungsbereich der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Steuerbefreiung nicht auf Zusammenschlüsse beschränkt sei, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten, zurückzuweisen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2003:621), anders als in der vorliegenden Rechtssache nicht über die Frage entschieden hat, ob die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie (der Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 entspricht) vorgesehene Steuerbefreiung auf Dienstleistungen beschränkt war, die von einem Zusammenschluss erbracht wurden, dessen Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausübten.
Jedoch ist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, wonach die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 auf Zusammenschlüsse beschränkt sei, deren Mitglieder eine berufliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich ausübten, zurückzuweisen.
Erstens erlaubt der bloße Umstand, dass die sich auf Zusammenschlüsse beziehende Steuerbefreiung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehen ist, nicht den Schluss, dass diese Befreiung nur für Zusammenschlüsse gilt, deren Mitglieder die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bis e der Richtlinie 2006/112 – also vor Art. 132 Abs. 1 Buchst. f – angeführten Tätigkeiten ausüben.
Diese Steuerbefreiung nimmt nämlich Bezug auf „selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind“. Die Richtlinie 2006/112 bezieht sich aber über die im Gesundheitsbereich getätigten Umsätze hinaus auch auf andere dem Gemeinwohl dienende steuerbefreite Umsätze wie etwa mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit sowie mit Erziehung, Sport und Kultur verbundene Umsätze, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i, m bzw. n der Richtlinie 2006/112 vorgesehen sind.
Zweitens besteht das Ziel der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Steuerbefreiung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darin, zu vermeiden, dass jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, Mehrwertsteuer entrichten muss, wenn er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, die Tätigkeiten übernimmt, die zur Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 37).
Entgegen der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland wird deren Vorbringen, wonach diese Steuerbefreiung sich nur auf Zusammenschlüsse beziehe, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig seien, nicht dadurch gestützt, dass der Gerichtshof den Begriff „Berufsausübende“ im Rahmen der Auslegung dieser Steuerbefreiung verwendet. Was Art. 132 der Richtlinie 2006/112 anbelangt, werden die Begriffe „Berufe“ bzw. „Berufsausübung“ nämlich nur in Abs. 1 Buchst. c bzw. Abs. 1 Buchst. e dieses Artikels verwendet, so dass die Verwendung dieser Begriffe nicht den Schluss zulässt, dass die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Steuerbefreiung sich nur auf Zusammenschlüsse bezieht, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig sind.
Drittens lässt sich aus der Entstehungsgeschichte von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 nicht ableiten, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung auf den Gesundheitsbereich beschränkt wäre. Historisch sah Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 Buchst. a und Anhang E dieser Richtlinie zwar die Möglichkeit vor, die in Rede stehende Steuerbefreiung auf Zusammenschlüsse Angehöriger ärztlicher oder arztähnlicher Heilberufe zu beschränken.
Jedoch zeigt der Umstand, dass die Sechste Richtlinie eine Möglichkeit für eine Ausnahme von der genannten Steuerbefreiung nur für andere Zusammenschlüsse als solche Angehöriger ärztlicher oder arztähnlicher Heilberufe vorsah, entgegen der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland, dass der Anwendungsbereich dieser Steuerbefreiung auch Zusammenschlüsse umfasst, deren Mitglieder in anderen Bereichen als dem Gesundheitsbereich tätig sind. Jedenfalls wurde diese Möglichkeit, von der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie abzuweichen, durch Art. 1 der Achtzehnten Richtlinie 89/465 mit Wirkung vom 1. Januar 1990 aufgehoben. Folglich ist diese Steuerbefreiung entgegen der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland nicht auf Zusammenschlüsse Angehöriger ärztlicher oder arztähnlicher Heilberufe beschränkt.
Nach alledem greift die von der Kommission hilfsweise vorgebrachte Rüge durch, mit der geltend gemacht wird, dass der Anwendungsbereich der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Steuerbefreiung nicht ausschließlich auf Zusammenschlüsse beschränkt sei, deren Mitglieder Berufe ausübten, die dem Gesundheitsbereich zugehörten, wie es die in Rede stehende deutsche Regelung vorsieht.
Zur Voraussetzung, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen darf
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 findet die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung unter der Voraussetzung Anwendung, dass sie nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.
Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland steht es dem nationalen Gesetzgeber zu, die Tätigkeitsbereiche zu bestimmen, für die die Steuerbefreiung gelten solle, ohne dass es zu einer Wettbewerbsverzerrung komme. Im vorliegenden Fall sei der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen, dass diese Befreiung allein für diejenigen Zusammenschlüsse gerechtfertigt sei, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig seien.
Somit ist zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die Voraussetzung, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen darf, die Tätigkeitsbereiche, in denen die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2006/112 gilt, durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften beschränken darf.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, diese Voraussetzung wörtlich in ihr nationales Recht zu übernehmen (vgl. entsprechend zu Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie Urteil vom 17. Oktober 1989, Comune di Carpaneto Piacentino u. a., 231/87 und 129/88, EU:C:1989:381, Rn. 23).
Zudem stünde es dem nationalen Gesetzgeber zwar frei, zum Zweck der Bestimmung, ob die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 auf eine bestimmte Tätigkeit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, Vorschriften vorzusehen, die von den zuständigen Behörden einfach gehandhabt und kontrolliert werden können (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Februar 2015, Sopora, C-512/13, EU:C:2015:108, Rn. 33). Nach Art. 131 der Richtlinie 2006/112 legen die Mitgliedstaaten nämlich die Voraussetzungen fest, denen diese Steuerbefreiungen unterliegen, um deren korrekte und einfache Anwendung zu gewährleisten. Jedoch können sich diese Voraussetzungen nicht auf die Bestimmung des Inhalts der von dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen beziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2013, Kommission/Frankreich, C-197/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:202, Rn. 31, und vom 25. Februar 2016, Kommission/Niederlande, C-22/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:118, Rn. 28 und 29).
Dies ist aber gerade die Wirkung der in Rede stehenden deutschen Regelung, mit der der nationale Gesetzgeber alle Dienstleistungen ausgeschlossen hat, die von Zusammenschlüssen erbracht werden, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausüben, mit Ausnahme der Zusammenschlüsse, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig sind.
Entgegen der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland geht aus dem Urteil vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, EU:C:2008:505), nicht hervor, dass die Beurteilung der Voraussetzung, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen darf, es erlauben würde, die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 allgemein auf der Ebene nationaler Rechtsvorschriften zu beschränken. In diesem Urteil hat der Gerichtshof eine andere Bestimmung als die vorliegend in Rede stehende ausgelegt, nämlich Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, wonach Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige galten, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen geführt hätte. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Rn. 40 dieses Urteils festgestellt, dass sich die Mehrwertsteuerpflicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts nach dieser Bestimmung aus der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit als solcher ergibt, unabhängig davon, ob die betreffenden Einrichtungen auf der Ebene des bestimmten Marktes, auf dem sie diese Tätigkeit ausüben, Wettbewerb ausgesetzt sind oder nicht. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Voraussetzung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen darf, es erlauben würde, den Anwendungsbereich dieser Steuerbefreiung allgemein zu beschränken.
Wie die Bundesrepublik Deutschland ausgeführt hat, kann sich die Beurteilung der Voraussetzung, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen darf, als komplex erweisen. Jedoch hat sie nicht erläutert, weshalb diese Komplexität ein Eingreifen des nationalen Gesetzgebers erfordern sollte, durch das bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten auf der Grundlage dieser Voraussetzung allgemein ausgeschlossen werden.
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 119 und 120 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verpflichtet die deutsche Regelung nämlich die Steuerbehörden zu einer Einzelfallbeurteilung dieser Voraussetzung in Bezug auf Zusammenschlüsse, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig sind. Folglich ist die Bundesrepublik Deutschland selbst der Ansicht, dass eine solche Beurteilung durch die Steuerbehörden im Gesundheitsbereich möglich ist. Indessen hat sie nicht dargetan, inwiefern die Beurteilung der Voraussetzung, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen darf, in anderen Bereichen als dem Gesundheitsbereich anders sein sollte.
Ebenfalls zurückzuweisen ist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, die Kommission habe der ihr obliegenden Beweislast nicht genügt. Wie dieser Mitgliedstaat in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof eingeräumt hat, ist die Frage, ob es dem nationalen Gesetzgeber erlaubt ist, im Hinblick auf die Voraussetzung, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen darf, die Tätigkeitsbereiche zu beschränken, in denen die in Rede stehende Steuerbefreiung gilt, nämlich eine Rechtsfrage.
Nach alledem ist die Klage der Kommission begründet.
Demnach ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 verstoßen hat, dass sie die Mehrwertsteuerbefreiung auf Zusammenschlüsse beschränkt, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben.
Kosten
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, dass sie die Mehrwertsteuerbefreiung auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen beschränkt, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben.
Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
von Danwitz
Juhász
Vajda
Jürimäe
Lycourgos
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. September 2017.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Vierten Kammer
T. von Danwitz
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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