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EuGH 19.12.2013 - C-426/13 P(R)
EuGH 19.12.2013 - C-426/13 P(R) - BESCHLUSS DES VIZEPRÄSIDENTEN DES GERICHTSHOFS - 19. Dezember 2013 ( *1) - „Rechtsmittel — Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes — Grenzwerte für Blei, Barium, Arsen, Antimon, Quecksilber, Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe in Spielzeug — Von der Bundesrepublik Deutschland zur Beibehaltung mitgeteilte Bestimmungen mit den nationalen Grenzwerten für diese Stoffe — Beschluss der Kommission, mit dem die vollumfängliche Billigung dieser Bestimmungen verweigert wird“
Leitsatz
In der Rechtssache C-426/13 P(R)
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 26. Juli 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch M. Patakia und G. Wilms als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
nach Anhörung des Ersten Generalanwalts P. Cruz Villalón
folgenden
Entscheidungsgründe
Beschluss
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Mai 2013, Deutschland/Kommission (T-198/12 R, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem dieser ihr aufgegeben hat, die Beibehaltung der von der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber in Spielzeug (im Folgenden: nationale Bestimmungen) zu billigen, bis das Gericht in der Hauptsache über die Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2012) 1348 final der Kommission vom 1. März 2012 (im Folgenden: streitiger Beschluss) zum Antrag auf Beibehaltung dieser nationalen Bestimmungen entschieden hat.
In Randnr. 2 des angefochtenen Beschlusses wird zum streitigen Beschluss ausgeführt:
„Mit dem [streitigen] Beschluss hat die Kommission dem auf Art. 114 Abs. 4 AEUV gestützten Antrag der Bundesregierung auf Billigung der Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für die vorerwähnten Schwermetalle in Bezug auf Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe stattgegeben, den Antrag hinsichtlich der Grenzwerte für Blei, Barium, Arsen, Antimon und Quecksilber jedoch im Ergebnis abgelehnt – wobei diese Grenzwerte denjenigen entsprechen, die mit der Richtlinie 88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. L 187, S. 1) (im Folgenden: alte Spielzeugrichtlinie) festgelegt worden waren – und entschieden, dass insoweit künftig auf die Grenzwerte der Richtlinie [2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. L 170, S. 1)] (im Folgenden: neue Spielzeugrichtlinie) abzustellen sei.“
Rechtlicher Rahmen
Der rechtliche Rahmen wird in den Randnrn. 3 bis 12 des angefochtenen Beschlusses wie folgt wiedergegeben:
„Primärrecht
In Art. 114 Abs. 1 bis 7 AEUV heißt es:
‚(1) Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, gilt für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 die nachstehende Regelung. Das Europäische Parlament und der Rat erlassen … die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.
…
(3) Die Kommission geht in ihren Vorschlägen nach Absatz 1 in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus und berücksichtigt dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen. Im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse streben das Europäische Parlament und der Rat dieses Ziel ebenfalls an.
(4) Hält es ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme … für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 … gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit.
…
(6) Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten nach [der Mitteilung gemäß Absatz 4], die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.
Erlässt die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keinen Beschluss, so gelten die in [Absatz 4] genannten einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt.
Die Kommission kann, sofern dies aufgrund des schwierigen Sachverhalts gerechtfertigt ist und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der in diesem Absatz genannte Zeitraum gegebenenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs Monaten verlängert wird.
(7) Wird es einem Mitgliedstaat nach Absatz 6 gestattet, von der Harmonisierungsmaßnahme abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, so prüft die Kommission unverzüglich, ob sie eine Anpassung dieser Maßnahme vorschlägt.‘
Sekundärrecht
Die alte Spielzeugrichtlinie
Nach Art. 2 der alten Spielzeugrichtlinie darf Spielzeug nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn es die Sicherheit und/oder Gesundheit von Benutzern oder Dritten bei einer bestimmungsgemäßen oder vorhersehbaren Verwendung unter Berücksichtigung des üblichen Verhaltens von Kindern nicht gefährdet. Das Spielzeug muss in dem Zustand, in dem es in den Verkehr gebracht wird, unter Berücksichtigung der Dauer seines voraussehbaren und normalen Gebrauchs die in dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen für Sicherheit und Gesundheit erfüllen.
In Anhang II (‚Wesentliche Sicherheitsanforderungen für Spielzeuge‘) Teil II (‚Besondere Risiken‘) Nr. 3 (‚Chemische Merkmale‘) sind als Zielgröße Grenzwerte für die pro Tag maximal zulässige Bioverfügbarkeit u. a. von Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber festgelegt, wobei die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte, die nicht nach der Konsistenz des Spielzeugmaterials differenzieren, die maximal zulässige Menge eines chemischen Stoffes beschreiben, die infolge des Umgangs mit Spielzeug im menschlichen Körper aufgenommen werden und für biologische Prozesse zur Verfügung stehen darf. Im Einzelnen setzt Anhang II Teil II Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 folgende Grenzwerte (tägliche maximal zulässige Bioverfügbarkeit in μg) fest: für Antimon: 0,2; für Arsen: 0,1; für Barium: 25,0; für Blei: 0,7; für Quecksilber: 0,5. Die alte Spielzeugrichtlinie enthält hingegen keine Vorschriften über Grenzwerte für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe in Spielzeug.
Auf dieser Grundlage hat das Europäische Komitee für Normung aufgrund eines Mandats der Kommission die Europäische harmonisierte Norm EN 71-3, ‚Sicherheit von Spielzeug‘ (im Folgenden: EN 71-3), erarbeitet, die aus den Bioverfügbarkeitsgrenzwerten sogenannte Migrationsgrenzwerte für Spielzeug ableitet und ein Verfahren aufzeigt, mit dem diese ermittelt werden können. Migrationsgrenzwerte beschreiben die maximal zulässige Menge eines chemischen Stoffes, die von einem Produkt in die Umgebung, zum Beispiel die Haut oder den Magensaft, übergehen darf. Werden die Werte der EN 71-3 eingehalten, so wird vermutet, dass auch die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie eingehalten werden. Im Einzelnen legt die EN 71-3 folgende Migrationsgrenzwerte fest: für Antimon: 60 mg/kg; für Arsen: 25 mg/kg; für Barium: 1000 mg/kg; für Blei: 90 mg/kg; für Quecksilber: 60 mg/kg.
Die neue Spielzeugrichtlinie
Im Jahr 2003 beschloss die Kommission, die alte Spielzeugrichtlinie zu überarbeiten. Nach Beratung zahlreicher Arbeitsentwürfe legte die Kommission Anfang 2008 den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Spielzeug vor, der am 11. Mai 2009 im Rat gegen die Stimme der Bundesregierung angenommen und am 18. Juni 2009 als die neue Spielzeugrichtlinie verabschiedet wurde. In Anhang II (‚Besondere Sicherheitsanforderungen‘) Teil III (‚Chemische Eigenschaften‘) Nr. 13 werden nunmehr unmittelbar Migrationsgrenzwerte festgelegt; hierbei wird nach drei Konsistenzformen des Spielzeugs differenziert, je nachdem ob das Material trocken/brüchig/staubförmig/geschmeidig oder flüssig/haftend oder abgeschabt ist.
Im Einzelnen legt Anhang II Teil III Nr. 13 der neuen Spielzeugrichtlinie folgende Migrationsgrenzwerte fest:
Die Mitgliedstaaten haben die neue Spielzeugrichtlinie gemäß Art. 54 spätestens bis zum 20. Januar 2011 in ihre nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen und diese Vorschriften ab dem 20. Juli 2011 anzuwenden. Art. 55 sieht jedoch insoweit eine Ausnahme vor, als Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie erst mit Wirkung vom 20. Juli 2013 aufgehoben wird. Die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie sowie die daraus abgeleiteten Migrationsgrenzwerte für Spielzeugmaterialien bestehen somit u. a. in Bezug auf Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber bis zum 20. Juli 2013 fort.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist Art. 55 der neuen Spielzeugrichtlinie eine lex specialis mit Vorrangwirkung gegenüber Art. 54, so dass der für das vorliegende Verfahren maßgebliche Anhang II Teil III Nr. 13 dieser Richtlinie ihres Erachtens erst zum 20. Juli 2013 umzusetzen ist. Die Kommission ist hingegen der Ansicht, auch für die hier streitigen Schwermetalle gelte die Umsetzungsfrist von Art. 54 der neuen Spielzeugrichtlinie. Art. 55 sehe insoweit lediglich im Interesse der Wirtschaft eine Übergangsfrist bis zum 20. Juli 2013 vor, während deren Spielzeug, das hinsichtlich seiner chemischen Eigenschaften die Voraussetzungen der alten Spielzeugrichtlinie erfülle, noch hergestellt und in den Verkehr gebracht werden dürfe. Ziel dieser Bestimmung sei es jedoch nicht, den Mitgliedstaaten eine längere Umsetzungsfrist zu gewähren.
Deutsches innerstaatliches Recht
Die alte Spielzeugrichtlinie wurde im Jahr 1989 durch eine Verordnung in nationales Recht umgesetzt, wobei auf die Sicherheitsanforderungen des Anhangs II der alten Spielzeugrichtlinie verwiesen wurde, die die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte u. a. für die fünf Schwermetalle Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber enthielten.
Nach Veröffentlichung der neuen Spielzeugrichtlinie wurde 2011 das nationale Recht der neuen Rechtslage angepasst. Hinsichtlich der Grenzwerte für die fünf vorerwähnten Schwermetalle erfolgte jedoch wegen der Fortgeltung von Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie keine Änderung. Die Kommission hat deshalb mit Mahnschreiben vom 22. November 2012 gegen die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 258 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren wegen teilweiser Nichtumsetzung der neuen Spielzeugrichtlinie eingeleitet. Mit Antwortschreiben vom 21. März 2013 ist die Bundesregierung dem Mahnschreiben mit der Begründung entgegengetreten, Anhang II Teil III der neuen Spielzeugrichtlinie entfalte erst ab dem 20. Juli 2013 Rechtswirkungen.“
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Verfahren vor dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wurde in den Randnrn. 13 bis 15 des angefochtenen Beschlusses wie folgt zusammengefasst:
Mit Schreiben vom 18. Januar 2011 beantragte die Bundesregierung gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit Art. 36 AEUV bei der Kommission, die Beibehaltung ihrer nationalen Bestimmungen mit den Grenzwerten für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber (die den Werten in Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie entsprechen) sowie für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe über den 20. Juli 2013 hinaus zu billigen, da diese Bestimmungen ein höheres Schutzniveau im Hinblick auf die Gesundheit von Kindern gewährleisteten als die neue Spielzeugrichtlinie. Dabei berief sie sich insbesondere auf die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie für abschabbares Spielzeug. Ein Vergleich mit den Grenzwerten der EN 71-3 ergebe in Bezug auf Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber zukünftig höhere Migrationsgrenzwerte, wie aus der folgenden Tabelle hervorgehe:
Die Bundesregierung argumentierte, dass sich der vorgenommene Vergleich zwar auf die Werte für die Kategorie abgeschabtes Spielzeugmaterial beschränke. Bereits dieser Vergleich – ohne Berücksichtigung der beiden anderen Kategorien – zeige indes, dass die neue Spielzeugrichtlinie zu einer deutlichen Erhöhung der zulässigen Migration von Schwermetallen führe. Die neue Spielzeugrichtlinie stelle nicht mit Eindeutigkeit klar, in welchem Verhältnis die Migrationsgrenzwerte der drei Kategorien zueinander stünden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass aus jeder Kategorie täglich die angegebene Menge migrieren dürfe. Die Migrationsgrenzwerte seien daher kumulativ zu betrachten und müssten addiert werden, um die Gesamtexposition für den Fall zu bestimmen, dass ein Kind an einem Tag mit Spielzeug in allen drei Konsistenzformen in Kontakt komme.
Mit dem [streitigen] Beschluss … hat die Kommission den Antrag der Bundesregierung in Bezug auf Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe uneingeschränkt sowie in Bezug auf Barium und Blei ‚bis zu dem Tag gebilligt, an dem EU-Vorschriften mit neuen Grenzwerten … in Kraft treten, jedoch nicht länger als bis zum 21. Juli 2013‘, den Antrag betreffend Antimon, Arsen und Quecksilber hingegen abgelehnt.“
Mit Klageschrift, die am 14. Mai 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses beantragt, soweit die Kommission darin ihren Antrag auf Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen und Quecksilber abgelehnt sowie für Barium und Blei lediglich bis zum 21. Juli 2013 befristet gebilligt hat.
Mit besonderem Schriftsatz, der am 13. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Mitgliedstaat vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel begehrt,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Beibehaltung der von ihr mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Blei, Barium, Arsen, Antimon und Quecksilber bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache vorläufig zu billigen;
hilfsweise, der Kommission aufzugeben, die Beibehaltung der vorerwähnten nationalen Bestimmungen bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache vorläufig zu billigen.
In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 28. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt,
den Antrag als unzulässig, zumindest aber als unbegründet zurückzuweisen;
der Bundesrepublik Deutschland die zusätzlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung im Rahmen der Kostenentscheidung in der Hauptsache aufzuerlegen.
Mit Schriftsatz vom 14. März 2013 hat die Bundesrepublik Deutschland eine Erwiderung zur Stellungnahme der Kommission eingereicht. Die Kommission hat dazu mit Gegenerwiderung vom 27. März 2013 abschließend Stellung genommen.
Angefochtener Beschluss
Der Präsident des Gerichts hat in den Randnrn. 20 bis 23 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder andere einstweilige Anordnungen treffen könne, wenn glaubhaft gemacht sei, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne seien, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich sei, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nehme gegebenenfalls auch eine Interessenabwägung vor und verfüge im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er könne im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen seien, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Rechtsvorschrift ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibe. Der Präsident des Gerichts, der der Ansicht war, über alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen zu verfügen, so dass kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung bestehe, hat zunächst die Zulässigkeit dieses Antrags geprüft.
In den Randnrn. 24 bis 39 des angefochtenen Beschlusses hat sich der Präsident des Gerichts mit dem Vorbringen der Kommission auseinandergesetzt, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Bundesrepublik Deutschland unzulässig sei, da diese im Ergebnis die Aussetzung des Vollzugs einer negativen Entscheidung begehre. Dies sei in einem Eilverfahren jedoch grundsätzlich ausgeschlossen.
Der Präsident des Gerichts hat zwar anerkannt, dass ein auf die Aussetzung des Vollzugs einer negativen Entscheidung beschränkter Eilantrag grundsätzlich unzulässig sei, da die geforderte Aussetzung für sich allein die rechtliche Situation des Antragstellers nicht verändern könne; in Randnr. 28 des angefochtenen Beschlusses hat er jedoch ausgeführt, dass der Mitgliedstaat im konkreten Fall gerade keinen Aussetzungsantrag im Sinne von Art. 278 AEUV gestellt, sondern vielmehr den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Art. 279 AEUV beantragt habe. Unter Anführung insbesondere von Randnr. 41 des Beschlusses des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 7. März 2013, EDF/Kommission (C-551/12 P[R]), hat er festgestellt, dass ein derartiger Antrag weder nach Art. 279 AEUV noch nach Art. 104 der Verfahrensordnung des Gerichts, geschweige denn nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union allein deshalb für unzulässig erklärt werden könne, weil die ihm zugrunde liegende Klage auf die Nichtigerklärung einer negativen Entscheidung gerichtet sei.
In den Randnrn. 30 bis 38 des angefochtenen Beschlusses hat der Präsident des Gerichts befunden, dass für die Zulässigkeit der von der Bundesrepublik Deutschland beantragten einstweiligen Anordnung im Übrigen die Besonderheiten des vorliegenden Falles sprächen. Die Bundesrepublik könne die Fortgeltung der durch die nationalen Bestimmungen festgelegten Grenzwerte über den 20. Juli 2013 hinaus sinnvollerweise nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach Art. 279 AEUV beantragen. In Bezug auf das Vorbringen der Kommission, die beantragte einstweilige Anordnung verstoße gegen das institutionelle Gleichgewicht und überschreite den Rahmen der Entscheidung, zu deren Erlass das Gericht in der Hauptsache befugt sei, hat der Präsident des Gerichts darauf hingewiesen, dass dem Eilrichter Anordnungsbefugnisse zustünden, deren Gestaltungswirkung gegenüber der betroffenen EU-Institution den kassatorischen Effekt eines Nichtigkeitsurteils übersteige, vorausgesetzt, diese Anordnungen gälten nur für die Dauer des Hauptverfahrens, nähmen die Hauptsacheentscheidung nicht vorweg und beeinträchtigten nicht deren praktische Wirksamkeit. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, und die beantragte einstweilige Anordnung halte sich jedenfalls im Rahmen der Maßnahmen, die die Kommission aller Wahrscheinlichkeit nach im Anschluss an ein mögliches Nichtigkeitsurteil zu ergreifen hätte.
In Randnr. 39 des angefochtenen Beschlusses ist der Präsident des Gerichts zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung für zulässig zu erklären sei, allerdings nur in der Gestalt des Hilfsantrags, weil nach Art. 114 Abs. 4 und 6 AEUV nur die Kommission zuständig sei, mitgliedstaatliche Anträge auf Beibehaltung zu billigen, während der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter grundsätzlich darauf beschränkt sei, dem betreffenden Organ ein bestimmtes Tun oder Unterlassen aufzugeben.
Sodann hat der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 40 bis 67 des angefochtenen Beschlusses die Voraussetzung des fumus boni iuris geprüft. Er hat zunächst festgestellt, dass dieser gegeben sei, wenn das Vorbringen des Antragstellers zumindest hinsichtlich eines einzigen Klagegrundes auf den ersten Blick stichhaltig und jedenfalls nicht ohne Grundlage erscheine. Hierfür reiche es aus, dass dieses Vorbringen komplexe und heikle Fragen aufwerfe, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden könnten, sondern einer eingehenden Prüfung bedürften, welche dem für die Entscheidung zur Hauptsache zuständigen Spruchkörper vorbehalten sei, bzw. dass im Verfahren zur Hauptsache ausweislich des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten eine bedeutsame rechtliche Kontroverse bestehe, deren Lösung sich nicht ohne Weiteres aufdränge.
Zu der bis zum 21. Juli 2013 befristeten Billigung der Grenzwerte für Blei und Barium hat der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 41 und 42 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland der streitige Beschluss gegen Art. 114 AEUV verstoße, soweit die Kommission die Billigung der nationalen Bestimmungen mit diesen Grenzwerten längstens bis zum 21. Juli 2013 befristet habe; weder der Wortlaut von Art. 114 Abs. 6 noch der Regelungszusammenhang dieser Vorschrift erlaubten es der Kommission, einen Beschluss über eine Billigung der Beibehaltung nationaler Bestimmungen zeitlich zu befristen. Ferner hat der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 43 und 44 dieses Beschlusses im Wesentlichen festgestellt, dass es sich nach Ansicht der Kommission bei der Gewährung der Beibehaltung strengerer nationaler Bestimmungen um eine Ausnahme von den Harmonisierungsvorschriften handele, und dass im vorliegenden Fall eine Befristung der Genehmigung folgerichtig gewesen sei, da es nur mit dieser flexibleren Lösung möglich gewesen sei, die legitimen Anliegen des betreffenden Mitgliedstaats zu berücksichtigen und gleichzeitig sicherzustellen, dass jederzeit einheitliche Regelungen für auf dem Binnenmarkt vertriebenes Spielzeug bestünden, und dies bei möglichst geringer Beeinträchtigung des Binnenmarkts.
In den Randnrn. 45 und 46 des angefochtenen Beschlusses hat der Präsident des Gerichts im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kommission selbst im streitigen Beschluss die in den nationalen Bestimmungen festgelegten Grenzwerte für Blei und Barium zum einen als durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt angesehen habe, da sie ein höheres Schutzniveau für diese böten als die in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Grenzwerte, und zum anderen für mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen habe, so dass sie „vorbehaltlich einer Befristung“ zu billigen gewesen seien. Er hat hieraus in Randnr. 47 dieses Beschlusses gefolgert, dass die Kommission in Bezug auf Blei und Barium das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 114 Abs. 4 und 6 AEUV bestätigt habe, und in den Randnrn. 48 bis 50 des angefochtenen Beschlusses hinzugefügt, dass die laufenden Verfahren zum Erlass revidierter Grenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie für diese Stoffe nicht mit Sicherheit vor dem 21. Juli 2013, der für die Beibehaltung der nationalen Bestimmungen im streitigen Beschluss festgesetzten Frist, beendet seien. Der Präsident des Gerichts hat daher in Randnr. 51 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zur befristeten Billigung der Grenzwerte für Blei und Barium erhebliches Gewicht habe und Fragen aufwerfe, die prima facie einer vertieften Prüfung bedürften, welche dem für die Entscheidung zur Hauptsache zuständigen Spruchkörper vorbehalten sei, so dass bei dem Eilantrag die Voraussetzung eines fumus boni iuris gegeben sei.
Zur Ablehnung des Antrags auf Billigung der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber hat der Präsident des Gerichts in Randnr. 53 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland der streitige Beschluss gegen Art. 114 Abs. 4 und 6 AEUV verstoße, soweit die Kommission diesem Mitgliedstaat vorgeworfen habe, nicht nachgewiesen zu haben, dass die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie kein angemessenes Schutzniveau mehr böten bzw. negative Auswirkungen auf die Gesundheit erwarten ließen. Diese Argumentation ziele darauf ab, dass ein Mitgliedstaat nur nachweisen müsse, dass seine nationalen Bestimmungen ein höheres Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit als die unionsrechtliche Harmonisierungsmaßnahme gewährleisteten und dass sie nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgingen. In den Randnrn. 54 und 55 des Beschlusses hat der Präsident des Gerichts festgestellt, dass dieser Mitgliedstaat der Auffassung sei, seiner Darlegungslast nachgekommen zu sein, da er auf der Grundlage eigener Berechnungen dargetan habe, dass die Grenzwerte der nationalen Bestimmungen, die auf die Bioverfügbarkeit abstellten und bei denen es sich um dieselben handele wie die in der alten Spielzeugrichtlinie festgelegten, für die drei betroffenen Elemente niedriger seien und somit ein höheres Schutzniveau für die menschliche Gesundheit böten als die Migrationsgrenzwerte, die sich aus der neuen Spielzeugrichtlinie ergäben, unabhängig von der Konsistenz des Spielzeugs.
Der Präsident des Gerichts hat in den Randnrn. 56 bis 59 des angefochtenen Beschlusses das Vorbringen der Kommission wiedergegeben, demzufolge nach ihren Berechnungen die Migrationswerte nach den nationalen Bestimmungen bei flüssigen und trockenen Materialien deutlich höher seien als die der neuen Spielzeugrichtlinie, und nur bei „abgeschabten“ Materialien niedriger seien, wobei diese in der Regel schwerer verfügbar seien, weil sie erst abgeschabt werden müssten. Er hat festgestellt, dass die Kommission der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen vorwerfe, nicht die pro Tag praktisch erreichbare Bioverfügbarkeit für die drei Konsistenzen der Stoffe, die in der neuen Spielzeugrichtlinie getrennt behandelt würden, unter Anwendung der in der alten Spielzeugrichtlinie festgelegten Einheitswerte berechnet zu haben, obwohl der Mitgliedstaat eine solche Bioverfügbarkeit pro Tag für die von der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Migrationswerte berechnet habe und in der Folge einen Vergleich dieser verschiedenen Bioverfügbarkeiten vorgenommen und somit Bioverfügbarkeitswerte verwendet habe, die nicht vergleichbar seien.
In den Randnrn. 60 und 61 des angefochtenen Beschlusses hat der Präsident des Gerichts festgestellt, dass die Kontroverse zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission um die „richtigen“ Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber in Spielzeug hochtechnische Fragen aufwerfe, was insbesondere für die Umrechnung der Migrations- in Bioverfügbarkeitsgrenzwerte gelte, zumal der Mitgliedstaat die „praktisch erreichbaren Bioverfügbarkeitswerte“ der Kommission für irrelevant halte. In Randnr. 62 dieses Beschlusses hat der Präsident des Gerichts bemerkt, die Kommission gestehe selbst zu, dass die durch die nationalen Bestimmungen festgelegten Werte bei abgeschabtem Material niedriger seien als diejenigen der neuen Spielzeugrichtlinie; die Kommission habe aber nicht erläutert, welche Relevanz insoweit ihrer Behauptung zukomme, dass abgeschabte Materialien für das Kind schwerer zugänglich seien, weil sie zuerst abgeschabt werden müssten. In Randnr. 63 des angefochtenen Beschlusses hat er ferner festgestellt, dass die Kommission die von dem Mitgliedstaat zur Stützung seines Vorbringens verwendete Methode nicht mit Erfolg beanstanden könne, da sie sie selbst 30 Jahre lang angewandt habe, und zwar auch im streitigen Beschluss, um die Werte für Barium und Blei vorläufig zu billigen.
Nach der Feststellung in Randnr. 65 des angefochtenen Beschlusses, dass das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zur Ablehnung der Billigung der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber komplexe Fragen aufwerfe, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden könnten, hat der Präsident des Gerichts in Randnr. 66 dieses Beschlusses ausgeführt, dass im vorliegenden Fall kein Grund ersichtlich sei, warum die nationalen Bestimmungen in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sein sollten. Er ist somit in Randnr. 67 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt, dass in Bezug auf die Ablehnung der Billigung der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber der fumus boni iuris gegeben sei.
Drittens hat der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 68 bis 79 des angefochtenen Beschlusses die Voraussetzung der Dringlichkeit geprüft. Er hat in Randnr. 68 darauf hingewiesen, dass es Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes sei, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache sicherzustellen, und dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dringlich sei, wenn dem Antragsteller andernfalls ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde, wobei der Antragsteller die Umstände glaubhaft zu machen habe, die den Eintritt eines solchen Schadens erwarten ließen. In den Randnrn. 69 und 70 hat er ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland mache geltend, dass nach dem 20. Juli 2013 ein Schaden für die Gesundheit von Kindern drohe, der schwer wöge, weil die Gesundheit an sich ein besonders hohes Schutzgut sei, das irreversiblen Schäden ausgesetzt sein könne. Hierauf habe die Kommission im Wesentlichen entgegnet, selbst wenn die Grenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie zu einem höheren Schutzniveau führten als die Werte der neuen Spielzeugrichtlinie, dies nicht zur Folge hätte, dass Letztere ab dem 20. Juli 2013 zu schweren, irreparablen Schäden führen würden.
In den Randnrn. 71 bis 74 des angefochtenen Beschlusses hat der Präsident des Gerichts ausgeführt, dass die Beurteilung der Frage, ob im vorliegenden Fall ein schwerer und irreparabler Schaden aufgrund angeblicher Risiken für die menschliche Gesundheit drohe, unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips vorzunehmen sei, und dass für diese Beurteilung im Kontext der vorliegenden Rechtssache ein fumus boni iuris dargetan worden sei. Zu den Werten für Barium und Blei hat er in Randnr. 75 dieses Beschlusses ausgeführt, dass die nationalen Bestimmungen nach den eigenen Feststellungen der Kommission durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt seien, da sie insoweit ein höheres Schutzniveau böten als die neue Spielzeugrichtlinie. In den Randnrn. 76 und 77 des Beschlusses hat er darauf hingewiesen, dass Kinder, wenn ihnen dieses bessere Schutzniveau bezüglich des Kontakts mit Schwermetallen verweigert würde, schweren und irreparablen Gesundheitsgefahren ausgesetzt wären, und ausdrücklich das Vorbringen zurückgewiesen, dass die neue Spielzeugrichtlinie ein ausreichendes Schutzniveau biete; ein solches Vorbringen sei im Rahmen der nach Art. 114 Abs. 4 AEUV grundsätzlich zulässigen „Renationalisierung“ der Gesundheitspolitik fehl am Platz.
Zu den Werten für Antimon, Arsen und Quecksilber hat der Präsident des Gerichts in Randnr. 78 des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die von der Bundesrepublik Deutschland insoweit aufgeworfenen komplexen Fragen nach eingehender Prüfung im Verfahren zur Hauptsache dahin gehend beantwortet würden, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen auch für Antimon, Arsen und Quecksilber ein höheres Schutzniveau aufwiesen als die neue Spielzeugrichtlinie, weshalb die Kinder schweren und irreparablen Gesundheitsgefahren ausgesetzt wären, wenn ihnen dieses Schutzniveau verweigert würde. Er ist daher in Randnr. 79 dieses Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Mitgliedstaat dargetan habe, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Fall erfüllt sei.
Schließlich hat der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 80 bis 83 des angefochtenen Beschlusses zur Interessenabwägung ausgeführt, dass das Interesse der Kommission an einer Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz zum Schutz der Kohärenz des Binnenmarkts hinter dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Billigung der Beibehaltung der nationalen Bestimmungen, um den größtmöglichen Schutz der Gesundheit von Kindern sicherzustellen, zurücktreten müsse, zumal durch die beantragte einstweilige Anordnung lediglich ein seit 1988 bestehender Rechtszustand aufrechterhalten werde, und zwar nur für einen begrenzten Zeitraum.
Aufgrund all dieser Erwägungen hat der Präsident des Gerichts beschlossen, die hilfsweise von diesem Mitgliedstaat beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen. In Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses heißt es insoweit:
„Der Europäischen Kommission wird aufgegeben, die Beibehaltung der von der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen, Quecksilber, Barium und Blei in Spielzeug bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache zu billigen.“
Anträge der Parteien
Die Kommission beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben;
den Antrag der Bundesrepublik Deutschland, ihr aufzugeben, die Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache vorläufig zu billigen, zurückzuweisen;
hilfsweise,
den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als dieser sie dazu verpflichtet,
die von der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilten Grenzwerte für Antimon und Quecksilber bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache vorläufig zu billigen und
die von diesem Mitgliedstaat mitgeteilten Grenzwerte für Arsen und Blei in trockenen und flüssigen Materialien bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache vorläufig zu billigen;
den Antrag der Bundesrepublik Deutschland, ihr aufzugeben, die Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon und Quecksilber bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache vorläufig zu billigen, zurückzuweisen;
den Antrag dieses Mitgliedstaats, ihr aufzugeben, die Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Arsen und Blei bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache vorläufig zu billigen, insoweit zurückzuweisen, als er sich auf die von der Bundesregierung mitgeteilten Grenzwerte für Arsen und Blei in trockenen und flüssigen Materialien bezieht;
der Bundesrepublik Deutschland die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.
Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,
das Rechtsmittel sowohl in Bezug auf den Haupt- als auch auf den Hilfsantrag zurückzuweisen;
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf folgende fünf Rechtsmittelgründe:
Rechtsfehler betreffend die Beweislast im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 114 Abs. 4 und 6 AEUV;
verzerrte Darstellung des Sachverhalts betreffend die Verfügbarkeit von „abgeschabten Spielsachen“;
unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses;
in sich unschlüssige Begründung dieses Beschlusses;
Rechtsfehler bei der Interessenabwägung.
Der erste und der vierte Rechtsmittelgrund sind zusammen zu prüfen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Rechtsfehler in Bezug auf die Beweislast gerügt wird, und zum vierten Rechtsmittelgrund, mit dem eine in sich unschlüssige Begründung des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht wird
Vorbringen der Parteien
Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass der Präsident des Gerichts die Beweislast verkannt habe, die bei dem Mitgliedstaat liege, der gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV die Genehmigung beantrage, eine von einer Harmonisierungsrichtlinie abweichende Bestimmung beizubehalten; ein solcher Staat habe nachzuweisen, dass diese Bestimmung einen besseren Gesundheitsschutz gewährleiste als die Bestimmungen der Richtlinie. Im vorliegenden Fall sei diese Beweislastverteilung umso zwingender, als die Werte der alten Spielzeugrichtlinie durch die Werte der neuen Spielzeugrichtlinie ersetzt worden seien und der Unionsgesetzgeber dabei in voller Kenntnis der Regelung und entsprechend seiner Verpflichtung nach Art. 114 Abs. 3 AEUV, von einem hohen Schutzniveau auszugehen und die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen zu berücksichtigen, entschieden habe, die alten Werte, die die Bundesrepublik Deutschland beizubehalten wünsche, durch die neuen zu ersetzen.
Der Präsident des Gerichts habe im angefochtenen Beschluss diese Besonderheiten des Verfahrens nach Art. 114 Abs. 4 AEUV nicht berücksichtigt, indem er u. a. im Rahmen seiner Prüfung des fumus boni iuris, insbesondere in den Randnrn. 61 und 64 dieses Beschlusses, festgestellt habe, dass die von der Bundesrepublik Deutschland vor dem Gericht geltend gemachten Nichtigkeitsgründe prima facie nicht irrelevant seien. Ebenso habe der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter zur Voraussetzung der Dringlichkeit in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber in den Randnrn. 78 und 79 dieses Beschlusses festgestellt, dass der Umstand, dass „nicht ausgeschlossen werden [könne]“, dass die nationalen Bestimmungen ein besseres Schutzniveau für die Gesundheit gewährleisteten, genüge, um die beantragte Maßnahme zu erlassen. Diese fehlerhafte Beweislastumkehr gehe besonders deutlich aus Randnr. 76 des Beschlusses hervor, in der der Präsident des Gerichts von einer „Renationalisierung“ der Gesundheitspolitik gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV spreche. Dieser Rechtsfehler wirke sich auf die Bewertung des fumus boni iuris, der Dringlichkeit und schließlich auch der Interessenabwägung aus und sei der Grund dafür, dass der für die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter die Grenzen seiner Kontrollbefugnis missachtet habe.
Zum fumus boni iuris macht die Kommission geltend, dass der Präsident des Gerichts in dem angefochtenen Beschluss das Regel-/Ausnahmeverhältnis verkenne, das dem Verfahren nach Art. 114 Abs. 4 AEUV immanent sei, indem er auf dieses Verfahren die gleichen Beweislastregeln anwende, wie sie in anderen Zusammenhängen, wie etwa in Wettbewerbssachen, gälten. Diese Lösung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters würde die Kommission verpflichten, sich beim Erlass neuer Werte ganz bewusst auf andere Maßnahmen als die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu stützen, und das institutionelle Gleichgewicht zwischen dem Eilrichter und dem Unionsgesetzgeber beeinträchtigen.
In Bezug auf die Dringlichkeit macht die Kommission unabhängig von der von ihr im Ergebnis verneinten Frage, ob die nationalen Bestimmungen ein besseres Schutzniveau gewährleisten als die Bestimmungen der neuen Spielzeugrichtlinie, geltend, dass es um die Frage gehe, inwieweit die neuen Bestimmungen nicht nur ein niedrigeres Schutzniveau vorsähen als die nationalen Bestimmungen, sondern darüber hinaus die Gesundheit von Kindern schwer und irreparabel gefährdeten. Nach der Rechtsprechung trage der Antragsteller im Eilverfahren die Beweislast dafür, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten könne, ohne dass er einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleide. Außerdem habe die Bundesrepublik Deutschland in einem an die Kommission gerichteten Schreiben vom 2. März 2011, in dem die Gründe für ihren am 18. Januar 2011 gestellten Antrag auf Genehmigung der Abweichung dargelegt wurden (im Folgenden: Schreiben vom 2. März 2011), ausdrücklich eingeräumt, dass die in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Werte für Antimon und Quecksilber nicht die tolerierbare tägliche Gesamtaufnahme überschritten. Zu dem gleichen Ergebnis sei im Übrigen auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung in seinem Gutachten vom 12. Januar 2011 gekommen.
Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass sie bei komplexen technischen Bewertungen über ein weites Ermessen verfüge. Die richterliche Kontrolle gehe im vorliegenden Fall erheblich über den sich daraus ergebenden Rahmen hinaus. Der Präsident des Gerichts habe die Grenzen seiner Befugnisse als für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständiger Richter überschritten, indem er implizit zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die neue Spielzeugrichtlinie teilweise rechtswidrig sei.
Im Rahmen ihres vierten Rechtsmittelgrundes wirft die Kommission dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter vor, dass der angefochtene Beschluss keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Spielzeugmaterialien treffe. Selbst wenn man annähme, dass die Argumentation des Präsidenten des Gerichts zutreffend sei, hätte der Beschluss dem Antrag auf Beibehaltung der nationalen Bestimmungen nur in Bezug auf abgeschabte Materialien stattgeben dürfen, da, wie die Kommission dargetan habe, die neue Spielzeugrichtlinie in Bezug auf flüssiges und trockenes Material sehr viel strenger sei.
Diese gemäß den Anforderungen des Art. 114 Abs. 3 AEUV auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte Darlegung außer Acht lassend, verpflichte der angefochtene Beschluss die Kommission dazu, für Antimon, Arsen, Blei und Quecksilber in flüssigem und trockenem Spielzeugmaterial Grenzwerte zu billigen, die die Gesundheit von Kindern deutlich weniger schützten als die Werte der neuen Spielzeugrichtlinie.
Zwar seien, was abgeschabtes Material betreffe, die Migrationsgrenzwerte, die sich aus den in den nationalen Bestimmungen festgelegten Bioverfügbarkeitsgrenzwerten ergäben, niedriger als die der neuen Spielzeugrichtlinie, doch sei im Hinblick auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse die Beibehaltung dieser nationalen Werte nicht erforderlich, weil die Gesundheit der Kinder durch die neuen Werte ebenso wirksam geschützt werde, wie die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Schreiben vom 2. März 2011 für Antimon und Quecksilber selbst zugestanden habe. Hilfsweise ersucht die Kommission den Gerichtshof für den Fall, dass dieses Vorbringen keinen Erfolg haben sollte, den angefochtenen Beschluss nur in Bezug auf flüssige und trockene Materialien aufzuheben.
Die Bundesrepublik Deutschland macht zum ersten Rechtsmittelgrund vorab geltend, dass dieser unzulässig sei, weil die Kommission in Wirklichkeit die Tatsachenwürdigung des Präsidenten des Gerichts in Frage stelle. Jedenfalls habe der Präsident des Gerichts keine Beweislastumkehr vorgenommen, sondern sich auf die Auffassung beschränkt, dass die von diesem Mitgliedstaat zur Begründung seines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz vorgebrachten Argumente plausibel und in sich widerspruchsfrei seien. Der angefochtene Beschluss nehme somit die Entscheidung zur Hauptsache in keiner Weise vorweg. Soweit die Kommission die Befugnisse des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters zum Erlass einer einstweiligen Anordnung in Frage stelle, wie sie in Nr. 1 des Tenors dieses Beschlusses angeordnet worden sei, wiederhole sie nur ihre bereits vor dem Gericht vorgebrachten Argumente, so dass dieser Teil ihres Vorbringens auch aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen sei.
Auch in Bezug auf den vierten Rechtsmittelgrund hält die Bundesrepublik Deutschland die von der Kommission zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente für unzulässig, weil die Kommission in Wirklichkeit die Tatsachenwürdigung des Präsidenten des Gerichts in Frage stelle. Darüber hinaus macht sie im Wesentlichen geltend, die Kommission habe Fehler bei der von ihr verwendeten Berechnungsmethode begangen, insbesondere soweit sie zu diesem Zweck die in der Norm EN 71-3 festgelegten Migrationsgrenzwerte verwendet habe. Diese Fehler hätten dazu geführt, dass sie einen unzutreffenden Vergleich zwischen dem durch die nationalen Bestimmungen gewährleisteten Niveau des Gesundheitsschutzes und dem der neuen Spielzeugrichtlinie vorgenommen habe.
Würdigung durch den Gerichtshof
Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz „den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen“. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen. Diese Voraussetzungen haben kumulativen Charakter, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen nicht erfüllt ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C-268/96 P[R], Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C-445/00 R, Slg. 2001, I-1461, Randnr. 73).
– Zum fumus boni iuris
Zunächst ist zu beachten, dass die Voraussetzung des fumus boni iuris erfüllt ist, wenn im Stadium des Verfahrens der einstweiligen Anordnung ein Streit besteht, dessen Entscheidung sich nicht sofort aufdrängt, so dass die Klage prima facie nicht einer ernsthaften Grundlage entbehrt (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Juni 1989, Publishers Association/Kommission, 56/89 R, Slg. 1989, 1693, Randnr. 31, und vom 8. Mai 2003, Kommission/Artegodan u. a., C-39/03 P-R, Slg. 2003, I-4485, Randnr. 40). Da nämlich der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes darin besteht, die volle Wirksamkeit der Hauptsacheentscheidung sicherzustellen, um Lücken im durch den Gerichtshof gewährleisteten Rechtsschutz zu vermeiden, muss sich der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter darauf beschränken, die Begründetheit der im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geltend gemachten Klagegründe prima facie zu beurteilen, um festzustellen, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Klage Erfolg haben wird.
Soweit die Kommission im vorliegenden Fall geltend macht, der Präsident des Gerichts habe die Beweislast verkannt – die bei dem Mitgliedstaat liege, der gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV die Beibehaltung einer von einer Harmonisierungsrichtlinie abweichenden Bestimmung beantrage und der darzutun habe, dass diese Bestimmung einen besseren Gesundheitsschutz gewährleiste als die Bestimmungen der in Rede stehenden Harmonisierungsrichtlinie –, ist festzustellen, dass die Kommission eine unzutreffende Auffassung von der Art der Beurteilung hat, die von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter unabhängig davon vorzunehmen ist, um welche Materie es in der beim Gericht anhängigen Rechtssache geht.
Zwar sind der spezifische Kontext des Verfahrens gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV und insbesondere der Umstand, dass dem Mitgliedstaat der Nachweis obliegt, dass die von ihm beantragte Abweichung von den Bestimmungen einer Harmonisierungsrichtlinie gerechtfertigt ist, sowie der Gestaltungsspielraum, über den die Kommission insoweit verfügt, für die Prüfung des fumus boni iuris relevant. Jedoch bedeutet diese Relevanz nur, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter bei seiner Prüfung, ob der Mitgliedstaat, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, Klagegründe vorgebracht hat, die prima facie geeignet sind, das Vorliegen eines rechtswidrigen Handelns der Kommission und damit eines fumus boni iuris darzutun, zu berücksichtigen hat, dass es Sache des Mitgliedstaats ist, im Stadium des Verwaltungsverfahrens nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Billigung der beantragten Abweichung vorliegen. Diese Relevanz bedeutet dagegen nicht, dass der Mitgliedstaat verpflichtet wäre, das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes endgültig nachzuweisen. Denn hätte der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter zu dieser Frage Stellung zu nehmen, würde er zwangsläufig über einen Aspekt der Begründetheit der Klage des betreffenden Mitgliedstaats entscheiden und damit die Grenzen seiner Befugnisse überschreiten.
Folglich hat der Präsident des Gerichts keinen Rechtsfehler begangen und insbesondere keine Beweislastumkehr vorgenommen, indem er im angefochtenen Beschluss, insbesondere Randnrn. 61 und 65, festgestellt hat, dass die von der Bundesrepublik Deutschland vor dem Gericht geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht prima facie irrelevant seien.
Die Kommission trägt vor, dass der angefochtene Beschluss sie zwinge, gestützt auf andere Informationen als die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse neue Bestimmungen zu erlassen und somit gegen ihre Verpflichtung nach Art. 114 Abs. 3 AEUV zu verstoßen, „von einem hohen Schutzniveau aus[zugehen] und … dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen [zu berücksichtigen]“. Dazu ist festzustellen, dass der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 41 bis 52 des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf Blei und Barium und in den Randnrn. 53 bis 67 in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber ausgeführt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland Argumente vorgebracht habe, mit denen dargetan werden konnte, dass ihre Klagegründe, die ihre im Gegensatz zur Kommission vertretene Auffassung stützen sollten, nicht jeder Grundlage entbehrten. Im Kontext des vorliegenden Rechtsmittels betreffend ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann dem zuständigen Richter nur dann ein Verstoß gegen die genannte Bestimmung vorgeworfen werden, wenn die Partei, die ihn geltend macht, darlegt, dass diese Feststellung als offensichtlich falsch erscheinen musste.
Insoweit ist festzustellen, wie die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Rechtsmittelbeantwortung eingehend dargelegt hat, dass sich ihr Vorbringen in der Hauptsache im Wesentlichen darauf stützt, dass die in ihren nationalen Bestimmungen festgelegten Bioverfügbarkeitsgrenzwerte in Bezug auf die Gesundheit von Kindern stärkeren Schutz böten als die mit den in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Migrationsgrenzwerten erhaltenen Werte.
Die Bundesrepublik Deutschland hebt insbesondere hervor, dass zwar die in den nationalen Bestimmungen festgelegten Bioverfügbarkeitsgrenzwerte in Mikrogramm von aufgenommenem Schadstoff je Tag, also die täglich zulässigen Aufnahmemengen, mit den in der alten Spielzeugrichtlinie festgelegten identisch seien; die Migrationsgrenzwerte für Spielzeugmaterialien, die mittels der Norm EN 71-3 aus der alten Spielzeugrichtlinie hergeleitet worden seien, seien aber nicht in diesen Bestimmungen umgesetzt worden. Die Kommission habe somit den Inhalt der nationalen Bestimmungen verzerrt, indem sie die mittels der Norm EN 71-3 festgelegten Migrationsgrenzwerte zur Berechnung der Bioverfügbarkeitsgrenzwerte verwendet habe, die sie dann den nationalen Bestimmungen zugeordnet habe, um diese mit den Bioverfügbarkeitsgrenzwerten zu vergleichen, die nach den in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Migrationsgrenzwerten für die drei dort festgelegten Materialarten berechnet worden seien.
Die so bestimmten Bioverfügbarkeitsgrenzwerte, die die Kommission den nationalen Bestimmungen für ihren Vergleich zugeordnet habe, lägen über den Bioverfügbarkeitsgrenzwerten, die tatsächlich in den nationalen Bestimmungen selbst festgelegt worden seien. Nach dem von der Bundesrepublik Deutschland selbst vorgenommenen Vergleich zwischen den in den nationalen Bestimmungen festgelegten Bioverfügbarkeitsgrenzwerten auf der einen Seite und denen, die sich aus den in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Migrationsgrenzwerten ergäben, vermittelten die nationalen Bestimmungen ein strengeres Schutzniveau als diese Richtlinie, die für alle verwendeten Stoffe in abschabbarem, trockenem und flüssigem Material eine höhere täglich zulässige Aufnahmemenge vorsehe.
Die Berechnungen der Grenzwerte durch die Kommission beruhten folglich auf der Anwendung einer fehlerhaften Methode, was dazu geführt habe, dass die Kommission einen unzutreffenden Vergleich zwischen dem von den nationalen Bestimmungen gewährleisteten und dem von den Bestimmungen der neuen Spielzeugrichtlinie gewährleisteten Gesundheitsschutzniveau vorgenommen habe.
Ohne dass über die Stichhaltigkeit der in der Hauptsache geltend gemachten Argumente der Bundesrepublik Deutschland oder der Gegenargumente der Kommission zu entscheiden wäre – dies ist dem für die Entscheidung zur Hauptsache zuständigen Spruchkörper vorbehalten –, ist festzustellen, dass das Vorbringen des Mitgliedstaats hinreichend plausibel ist, um im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels den Schluss zu erlauben, dass der Präsident des Gerichts nicht gegen Art. 114 Abs. 3 AEUV verstoßen hat, indem er in Randnr. 51 des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf Blei und Barium sowie in Randnr. 65 in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die von diesem Mitgliedstaat vorgebrachten Klagegründe prima facie nicht irrelevant seien. Aus dem Vorstehenden ergibt sich ferner, dass der angefochtene Beschluss nicht deswegen in sich unschlüssig im Sinne der Überschrift des vierten Rechtsmittelgrundes der Kommission ist, weil der Präsident des Gerichts trotz der von dieser vorgetragenen Gegenargumente zu den genannten Feststellungen gelangt ist. Vorbehaltlich der Richtigkeit seiner Beurteilung der Dringlichkeit und der Interessenabwägung hat der Präsident des Gerichts auch nicht die Grenzen seiner Befugnisse als für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständiger Richter überschritten oder gegen Art. 114 AEUV verstoßen, indem er die Konsequenzen aus diesen Feststellungen in Bezug auf den fumus boni iuris gezogen und somit der Kommission – nur vorläufig – aufgegeben hat, die Beibehaltung der nationalen Bestimmungen zu billigen.
– Zur Dringlichkeit und zur Interessenabwägung
Soweit die Kommission dem Präsidenten des Gerichts vorwirft, in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber die Beweislast umgekehrt zu haben, weil er in den Randnrn. 78 und 79 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, dass „nicht ausgeschlossen werden [könne]“, dass die nationalen Bestimmungen ein höheres Schutzniveau für die Gesundheit böten als die neue Spielzeugrichtlinie, ist vorab darauf hinzuweisen, dass der Präsident des Gerichts für die Prüfung, ob ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden drohe, denknotwendig voraussetzen musste, dass die in der Hauptsache vorgebrachten Klagegründe der Bundesrepublik Deutschland durchgreifen könnten (vgl. entsprechend Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 10. September 2013, Kommission/Pilkington Group, C-278/13 P[R], Randnr. 38).
Der schwere und nicht wiedergutzumachende Schaden, dessen wahrscheinliches Eintreten glaubhaft gemacht werden muss, ist nämlich der Schaden, der sich gegebenenfalls aus der Ablehnung einer beantragten einstweiligen Anordnung in dem Fall ergäbe, dass der Klage im Folgenden stattgegeben würde; er ist daher von dieser Prämisse ausgehend zu beurteilen, ohne dass dies eine Stellungnahme des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters in Bezug auf die Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Hauptsache darstellte. Die Beurteilung der Voraussetzung der Dringlichkeit durch den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter kann daher durch die Argumente der Kommission, mit denen sie sich auf die Beweislast stützt, die im Stadium des Verwaltungsverfahrens dem Mitgliedstaat obliegt, der die Billigung einer Abweichung von einer Harmonisierungsrichtlinie gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV beantragt, nicht in Frage gestellt werden. Zu dem spezielleren Argument, das darauf bezogen ist, dass der Präsident des Gerichts in Randnr. 76 des angefochtenen Beschlusses von einer „Renationalisierung“ der Gesundheitspolitik gesprochen hat, die nach Art. 114 Abs. 4 AEUV grundsätzlich zulässig sei, genügt die Feststellung, dass diese Rüge die in Rede stehende Beurteilung aus denselben Gründen wie den vorstehend angeführten nicht in Frage stellen kann, so dass dahingestellt bleiben kann, ob diese Qualifizierung des in der genannten Bestimmung vorgesehenen Verfahrens zutreffend ist.
Was das Argument der Kommission betrifft, dass, selbst wenn die nationalen Bestimmungen ein besseres Schutzniveau böten als die der neuen Spielzeugrichtlinie, es außerdem erforderlich sei, dass die zuletzt genannten Bestimmungen die Gesundheit von Kindern schwer und irreparabel gefährdeten, ist festzustellen, dass der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 71 bis 73 des angefochtenen Beschlusses zutreffend auf die Bedeutung hingewiesen hat, die dem Vorsorgeprinzip im vorliegenden Kontext zukommt.
Nach diesem Grundsatz können die Unionsorgane, wenn das Vorliegen oder der Umfang von Risiken für die menschliche Gesundheit ungewiss sind, Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Risiken klar dargelegt sind (Urteile vom 5. Mai 1998, National Farmers’ Union u. a., C-157/96, Slg. 1998, I-2211, Randnr. 63, und vom 12. Januar 2006, Agrarproduktion Staebelow, C-504/04, Slg. 2006, I-679, Randnr. 39). Folglich hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter keinen Rechtsfehler begangen, indem er bei seiner Beurteilung der Frage, ob der Eintritt eines schweren und irreparablen Schadens zu erwarten sei, vorbehaltlich seiner Beurteilung der Interessenabwägung angenommen hat, dass die auch nur vorläufige Anwendung von Grenzwerten, die im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit von Menschen und insbesondere der Gesundheit von Kindern möglicherweise nicht die wirksamsten sind, ausreicht, um den zukünftigen Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darzutun.
Zum Argument der Kommission, die deutsche Regierung habe in ihrem Schreiben vom 2. März 2011 ausdrücklich eingeräumt, dass die in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Werte für Antimon und Quecksilber nicht die tolerierbare tägliche Gesamtaufnahme überschritten, was durch das Gutachten des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung vom 12. Januar 2011 bestätigt worden sei, ist festzustellen, dass die Kommission damit eine die Tatsachenwürdigung betreffende Frage aufwirft, die der Präsident des Gerichts im angefochtenen Beschluss nicht ausdrücklich geprüft hat, ohne dass sie jedoch insoweit eine Verfälschung der Tatsachen behauptet.
Dieses Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Denn nach Art. 256 AEUV und Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die auch für Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 2 der Satzung gelten, ist das Rechtsmittel unter Ausschluss der Würdigung des Sachverhalts auf Rechtsfragen beschränkt. Somit ist allein das Gericht für die Feststellung der Tatsachen und für ihre Würdigung zuständig. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren unterliegt (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Linea GIG/Kommission, C-233/03 P[R], Slg. 2003, I-7911, Randnrn. 34 bis 36).
Jedenfalls ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland sowohl vor dem Gericht als auch vor dem Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens die Gründe dargelegt hat, aus denen sie der Auffassung ist, dass der zu erwartende Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens im vorliegenden Fall in Bezug auf die fünf in Rede stehenden Stoffe nachgewiesen sei. Sie hat u. a. geltend gemacht, dass die Gesundheit von Menschen, insbesondere von Kindern, an sich ein besonders hohes Schutzgut sei. Unabhängig von den Beweismitteln und Argumenten, die der Mitgliedstaat im Stadium des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht hat, genügt die Feststellung, dass nach Maßgabe des in Randnr. 54 des vorliegenden Beschlusses Ausgeführten der Präsident des Gerichts keinen Rechtsfehler begangen hat, indem er sich insbesondere auf das Vorsorgeprinzip gestützt hat.
Soweit schließlich die Kommission vorträgt, dass der von ihr in Bezug auf die Beweislast geltend gemachte Rechtsfehler auch die Interessenabwägung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters betreffe, ist festzustellen, dass sie insoweit keine spezielle Argumentation vorträgt. Die Frage der Interessenabwägung wird daher im Rahmen des fünften Rechtsmittelgrundes erörtert, der auf diesen Aspekt des angefochtenen Beschlusses abstellt.
Nach alledem sind der erste und der vierte Rechtsmittelgrund der Kommission zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: verzerrte Darstellung des Sachverhalts
Vorbringen der Parteien
Nach Auffassung der Kommission hat der Präsident des Gerichts den Sachverhalt verzerrt dargestellt, indem er in Randnr. 62 des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen sei, dass die in den nationalen Bestimmungen genannten niedrigeren Grenzwerte „abgeschabte“ Spielsachen in dem Sinne betreffe, dass diese besonders abgenutzt seien, während es in Wirklichkeit um Spielzeugmaterial gehe, das erst, nachdem es von Kindern abgeschabt worden sei, von diesen aufgenommen werden könne. Die Kommission macht geltend, dass es dem Präsidenten des Gerichts ohne diese Sachverhaltsverzerrung möglich gewesen wäre, dem Antrag lediglich hinsichtlich der abgeschabten Materialien stattzugeben und ihn hinsichtlich flüssiger und pulverförmiger Materialien abzulehnen. Diese Möglichkeit habe er sich durch die Verzerrung des Sachverhalts in seinem Beschluss genommen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist der Ansicht, dass der Präsident des Gerichts den Sachverhalt nicht verzerrt dargestellt habe, und macht geltend, dass die von der Kommission in diesem Zusammenhang beanstandete Passage des angefochtenen Beschlusses jedenfalls nicht tragend für die Schlussfolgerung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters in Bezug auf den fumus boni iuris sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
Es ist festzustellen, dass die von der Kommission im Hinblick auf die Randnr. 62 des angefochtenen Beschlusses geltend gemachte Verzerrung des Sachverhalts keinerlei Auswirkungen auf die umfassende Beurteilung des fumus boni iuris hatte, die der Präsident des Gerichts in den Randnrn. 53 bis 67 des Beschlusses in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber vorgenommen hat. Selbst wenn man unterstellt, dass er die in den Akten enthaltenen Bezugnahmen auf den Begriff der Verfügbarkeit von abgeschabten Spielsachen falsch aufgefasst hat und davon ausgegangen ist, dass dieses Spielzeug besonders abgenutzt sein müsse, hat er nämlich in dieser Randnr. 62 zutreffend auch festgestellt, dass die Kommission selbst zugestanden habe, dass auch nach ihrer eigenen Umrechnungsmethode die in den nationalen Bestimmungen enthaltenen Grenzwerte bei abgeschabtem Material einen strengeren Schutz für die Gesundheit von Kindern böten als die der neuen Spielzeugrichtlinie. Eine solche Feststellung genügt insoweit zur Begründung des Ergebnisses, zu dem der Präsident des Gerichts in Randnr. 67 gelangt ist, nämlich dass in Bezug auf abgeschabtes Material die Voraussetzung des fumus boni iuris für die drei in Rede stehenden Substanzen gegeben sei.
Folglich geht der zweite Rechtsmittelgrund der Kommission ins Leere und ist aufgrund dessen zurückzuweisen.
Zum dritten Rechtsmittelgrund: unzureichende Begründung
Vorbringen der Parteien
Die Kommission rügt, der Präsident des Gerichts habe nicht erläutert, aus welchen Gründen er ihre Argumentation, die neue Spielzeugrichtlinie schütze die Gesundheit von Kindern besser, für nicht stichhaltig halte. Eine solche Erläuterung sei im Kontext des Art. 114 Abs. 4 AEUV aufgrund des Regel-/Ausnahmeverhältnisses erforderlich. Daneben beanstandet die Kommission einen zweiten Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses: Sie habe im streitigen Beschluss bezüglich Antimon, Arsen und Quecksilber nicht geprüft, ob eine willkürliche Diskriminierung, eine verschleierte Beschränkung des Handels oder eine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts vorliege, während der Präsident des Gerichts in dem angefochtenen Beschluss diese Beurteilung selbst vorgenommen habe, wobei er sich darauf beschränkt habe, insoweit die Ausführungen der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen, wonach sich die für Blei, Barium, Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe angegebene Begründung in Bezug auf diese auf die Sicherstellung eines unverfälschten Wettbewerbs abzielenden Voraussetzungen ohne Weiteres auf die anderen Substanzen übertragen lasse, da die nationalen Bestimmungen identisch seien. Diese Begründung sei unzureichend, weil es nicht auf die Identität der Bestimmungen ankomme, sondern auf die Marktsituation. Auch in dieser Hinsicht ersetze der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter die Bewertung der zuständigen Stellen durch seine eigene.
Die Bundesrepublik Deutschland ist der Auffassung, dass keines der von der Kommission hierzu vorgebrachten Argumente einen Begründungsmangel belege, der zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führen könne.
Würdigung durch den Gerichtshof
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Urteile des Gerichts hinreichend begründet sein, damit der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 14. Mai 1998, Rat/de Nil und Impens, C-259/96 P, Slg. 1998, I-2915, Randnr. 32, vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, C-395/96 P und C-396/96 P, Slg. 2000, I-1365, Randnr. 106, sowie vom 18. Oktober 2012, Neuman u. a./José Manuel Baena Grupo, C-101/11 P und C-102/11 P, Randnr. 80). Insoweit genügt es, dass die Begründung aus sich heraus klar und verständlich ist und das Ergebnis, das sie stützen soll, trägt (Urteil vom 4. Oktober 2007, Naipes Herclio Fournier/HABM, C-311/05 P, Randnr. 53).
Was die Rüge der Kommission betrifft, der Präsident des Gerichts habe nicht hinreichend begründet, warum er ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, wonach die neue Spielzeugrichtlinie die Gesundheit von Kindern besser schütze als die nationalen Bestimmungen, ist festzustellen, dass der Präsident des Gerichts, dessen Prüfung in der Sache allein auf das Vorliegen eines fumus boni iuris gerichtet sein darf, in den Randnrn. 40 bis 67 des angefochtenen Beschlusses rechtlich hinreichend dargelegt hat, aus welchen Gründen er trotz dieses Vorbringens der Auffassung war, dass die Voraussetzung des fumus boni iuris erfüllt sei. Was die insoweit geltend gemachte Relevanz des Regel-/Ausnahmeverhältnisses im Kontext von Art. 114 Abs. 4 AEUV betrifft, genügt der Hinweis auf die Randnrn. 42 bis 44 des vorliegenden Beschlusses, aus denen hervorgeht, dass der Präsident des Gerichts in Bezug auf die der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes obliegende Beweislast keinen Rechtsfehler begangen hat.
Was das Vorbringen betrifft, der Präsident des Gerichts habe in Randnr. 66 des angefochtenen Beschlusses seine Ausführungen zu der Frage, ob in Bezug auf Antimon, Arsen und Quecksilber eine willkürliche Diskriminierung, eine verschleierte Beschränkung des Handels oder eine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts vorliege, nicht hinreichend begründet, da er sich darauf beschränkt habe, die Ausführungen der Bundesrepublik Deutschland wiederzugeben, wonach sich die für Blei, Barium, Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe angegebene Begründung in Bezug auf diese auf die Sicherstellung eines unverfälschten Wettbewerbs abzielenden Voraussetzungen ohne Weiteres auf die anderen Substanzen übertragen lasse, weil die nationalen Bestimmungen identisch seien, ist darauf hinzuweisen, dass der Präsident des Gerichts als für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständiger Richter einzig und allein festzustellen hatte, ob ein fumus boni iuris in Bezug auf das Fehlen dieser Voraussetzungen besteht, und nicht, ob diese Voraussetzungen als solche definitiv vorliegen. Darüber hinaus stellt es für sich genommen keinen Begründungsmangel dar, wenn der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter in seiner Begründung zu einer bestimmten Tatsachen- oder Rechtsfrage Argumente der einen oder der anderen Partei verwendet.
Der Präsident des Gerichts hat folglich im Rahmen des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, mit dem er befasst war, eine angemessene Begründung gegeben, die dem Gerichtshof das Verständnis ermöglicht, aus welchen Gründen er zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein fumus boni iuris im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer willkürlichen Diskriminierung, einer verschleierten Beschränkung des Handels oder einer Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts für Antimon, Arsen und Quecksilber besteht, da nach seiner Auffassung die Begründung, die die Kommission für Blei, Barium, Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe in Bezug auf diese auf die Sicherstellung eines unverfälschten Wettbewerbs abzielenden Voraussetzungen gegeben hatte, auf die drei anderen Substanzen übertragen werden konnte, weil die nationalen Bestimmungen insoweit für alle diese Substanzen identisch seien.
Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund der Kommission zurückzuweisen.
Zum fünften Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Interessenabwägung
Vorbringen der Parteien
Die Kommission macht geltend, der Präsident des Gerichts habe sich in dem angefochtenen Beschluss darauf beschränkt, nur der Argumentation der Bundesrepublik Deutschland zu folgen, wonach sich das Interesse der Kommission auf das Funktionieren des Binnenmarkts beschränke. Die Kommission tritt dieser Auffassung entgegen und unterstreicht, dass das im vorliegenden Fall von ihr vertretene Interesse die Beachtung des Willens des Unionsgesetzgebers sei, wie er in der neuen Spielzeugrichtlinie zum Ausdruck komme. Praktisch diene dieses Interesse in erster Linie dem Schutz der Kinder und nicht lediglich des Binnenmarkts. Um diesen Gesundheitsschutz optimal zu gewährleisten, beruhe diese Richtlinie, wie die Kommission im Rahmen des ersten und des vierten Rechtsmittelgrundes festgestellt hat, nach Maßgabe des Art. 114 Abs. 3 AEUV auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der angefochtene Beschluss lasse dieses Interesse bei der Interessenabwägung völlig außer Acht.
Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, dass die neue Spielzeugrichtlinie als Harmonisierungsmaßnahme im Sinne von Art. 114 Abs. 1 AEUV, die dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts in Bezug auf die Spielzeugsicherheit diene, entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht in erster Linie den Schutz der Gesundheit von Kindern zum Ziel haben könne. Somit habe der Präsident des Gerichts insoweit keinen Fehler begangen, weshalb der fünfte Rechtsmittelgrund nicht durchdringen könne.
Würdigung durch den Gerichtshof
Es ist festzustellen, dass die Kommission im Rahmen des von der Bundesrepublik Deutschland beim Präsidenten des Gerichts eingeleiteten Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Anordnung verfolgt hat, um zu ermöglichen, dass die in der neuen Spielzeugrichtlinie festgelegten Migrationsgrenzwerte schon ab dem 21. Juli 2013 in der gesamten Union gelten, da sie die von diesem Mitgliedstaat gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV beantragte Ausnahme abgelehnt hatte.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die neue Spielzeugrichtlinie eine Harmonisierungsmaßnahme im Sinne dieses Art. 114 Abs. 4 AEUV darstellt. Sie wurde im Übrigen auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen, einer Bestimmung, die in Art. 114 Abs. 1 AEUV aufgegriffen worden ist. Diese Bestimmung enthält die Regelung für die Verwirklichung der Ziele des Art. 26 AEUV, d. h. im Wesentlichen der Ziele, die die Verwirklichung des Binnenmarkts ermöglichen. In Anbetracht der für ihren Erlass herangezogenen Rechtsgrundlage hat die neue Spielzeugrichtlinie daher notwendigerweise in erster Linie zum Ziel, die nationalen Vorschriften in ihrem Regelungsbereich, d. h. auf dem Gebiet der Spielzeugsicherheit, zu harmonisieren. Folglich liegt dieses Ziel dem Interesse der Kommission an der unverzüglichen Anwendung dieser Richtlinie zugrunde.
Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass nach Art. 168 Abs. 5 AEUV jegliche Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz und zur Förderung der menschlichen Gesundheit ausgeschlossen ist. Zwar können, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, auf der Grundlage anderer primärrechtlicher Bestimmungen erlassene Harmonisierungsmaßnahmen Auswirkungen auf den Schutz der menschlichen Gesundheit haben. Nach Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Vorschrift wird zudem bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt, und in Art. 114 Abs. 3 AEUV heißt es, dass das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse bei der Errichtung des Binnenmarkts dieses Ziel anstreben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Parlament und Rat, C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Randnrn. 77 und 78, und vom 12. Dezember 2006, Deutschland/Parlament und Rat, C-380/03, Slg. 2006, I-11573, Randnrn. 93 bis 95). Allerdings dürfen andere primärrechtliche Bestimmungen nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um den ausdrücklichen Ausschluss jeglicher Harmonisierung zum Schutz und zur Förderung der menschlichen Gesundheit gemäß Art. 168 Abs. 5 AEUV zu umgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Parlament und Rat, Randnr. 79).
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich somit, dass für die Zwecke eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, wie es Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels ist, davon auszugehen ist, dass dem Interesse, für das die Kommission im Rahmen dieses Verfahrens eintritt, tatsächlich das Ziel der Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Spielzeugsicherheit zugrunde liegt, und nicht das Ziel des Schutzes der Gesundheit von Kindern als solches.
Nach alledem hat der Präsident des Gerichts, nachdem er in den Randnrn. 82 und 83 des angefochtenen Beschlusses eine Interessenabwägung vorgenommen und dabei das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit dem Ziel des Schutzes der Gesundheit von Kindern dem Interesse der Kommission an der Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Anwendbarkeit der vom Unionsgesetzgeber in der neuen Spielzeugrichtlinie erlassenen Harmonisierungsvorschriften ab dem 21. Juli 2013 im gesamten Binnenmarkt einschließlich Deutschlands zu ermöglichen, gegenübergestellt hat, in Randnr. 83 zu Recht festgestellt, dass das Interesse der Kommission hinter dem Interesse dieses Mitgliedstaats an der Beibehaltung zurücktreten müsse.
Daher ist der fünfte Rechtsmittelgrund der Kommission zurückzuweisen.
Zu den Bemerkungen der Kommission betreffend die neuesten Entwicklungen in Bezug auf Barium und Blei
Soweit die Kommission den Gerichtshof am Ende ihrer Rechtsmittelschrift darüber informiert hat, dass sie die Migrationsgrenzwerte für Barium mit ihrer Verordnung (EU) Nr. 681/2013 vom 17. Juli 2013 zur Änderung von Teil III des Anhangs II der Richtlinie 2009/48 (ABl. L 195, S. 16) reduziert habe, genügt die Feststellung, dass diese Maßnahme den Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht berührt, da die Bundesrepublik Deutschland dem Gerichtshof mitgeteilt hat, dass ihr die Maßnahme nicht weit genug gehe. Erst recht kann der Umstand, dass eine Herabsetzung der Werte für Blei im Gespräch sei, keine Auswirkungen auf den vorliegenden Rechtsstreit haben.
Da keiner der von der Kommission zur Stützung ihres Rechtsmittels vorgetragenen Gründe durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.
Kosten
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland die Verurteilung der Kommission in die Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat die Kommission die Kosten zu tragen.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Vizepräsident des Gerichtshofs beschlossen:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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