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BSG 19.12.2022 - B 1 KR 2/22 BH
BSG 19.12.2022 - B 1 KR 2/22 BH - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Pflicht zur Urteilsbegründung - kein Verstoß bei bloßen Lücken
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 6. Februar 2020, Az: S 36 KR 1978/19, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Februar 2022, Az: L 11 KR 96/20, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 2022 zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte am 26.4.2018 bei dieser die "Kostenübernahme einer ärztlichen Behandlung zur Feststellung der Ursache seiner Erkrankungen und des Zeitpunkts der Entstehung der Erkrankung durch toxische Viren, Bakterien, Schimmelpilz und Schwermetalle sowie einer zusätzlichen Wohnraum- und Arbeitsplatzuntersuchung". Die Erkrankungen hätten in den Jahren 2000/2001 begonnen. Es müssten Wohnungen, das T gelände in G sowie die Vergiftungen seines Körpers untersucht werden. Hierzu müsse eine Blut- und Haaruntersuchung bei einem Spezialisten der Umwelt- und Rechtsmedizin erfolgen. Mit seinem Begehren ist er bei der Beklagten - nachdem diese den Antrag zuständigkeitshalber an die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft in der Sozialversicherung weitergeleitet hatte - und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe weder als Sachleistung noch im Wege der Kostenerstattung Anspruch darauf, eine ärztliche Behandlung zur Feststellung von Ursache und Zeitpunkt seiner Erkrankung gewährt zu bekommen. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zwar habe die KK nicht rechtzeitig über den Antrag entschieden, ein Anspruch aufgrund einer Genehmigungsfiktion komme aber nicht in Betracht, wenn - wie hier - eine zukünftige Leistung in Form einer Kostenübernahme als Sachleistung begehrt werde (Urteil vom 2.2.2022).
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Der Kläger hat mit von ihm unterzeichnetem Schreiben Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt.
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II. 1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
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Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
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das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
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Dagegen ist die bloße Behauptung der Unrichtigkeit einer Berufungsentscheidung kein Revisionszulassungsgrund.
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Die Durchsicht der Akten und das Vorbringen des Klägers in seinen beim BSG eingegangenen Schreiben und Unterlagen hat keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der oben genannten Revisionszulassungsgründe ergeben.
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a) Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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b) Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG entscheidungstragend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Erforderlich hierfür wäre, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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c) Auch ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere steht die Entscheidung des LSG im Einklang mit den Vorgaben des § 153 Abs 5 SGG. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger in einem Beschwerdeverfahren einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen die Begründungspflicht (Verfahrensmangel nach § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) darlegen können wird. Hiernach liegt ein Verfahrensfehler nicht erst dann vor, wenn überhaupt keine Gründe vorliegen, sondern auch dann, wenn einzelne Ansprüche, Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht behandelt worden sind oder wenn die Erwägungen, die das Gericht in einem entscheidungserheblichen Streitpunkt zum Urteilsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind (vgl BSG vom 9.9.1993 - 7 RAr 96/92 - BSGE 73, 90, 92 = SozR 3-4100 § 101 Nr 4 S 5 f; BSG vom 11.7.2000 - B 1 KR 14/99 R - SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 8 f = juris RdNr 11 sowie RdNr 12 mwN zur Offenlassung der Frage, ob ein Verstoß gegen die Begründungspflicht zugleich ein absoluter Revisionsgrund iS des § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO ist).
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Das Urteil des LSG führt unter Ziffer IV. zunächst aus, nachfolgend werde das Nichtbestehen eines Sachleistungsanspruchs unter 1> und eines Kostenerstattungsanspruchs unter 2> näher begründet, ohne jedoch tatsächlich einen Gliederungspunkt IV.2. zu enthalten. Im Wesentlichen befasst sich das LSG unter dem Gliederungspunkt IV.1. mit dem von ihm schon wegen einer fehlenden Selbstbeschaffung verneinten Anspruch auf Kostenerstattung aufgrund einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V. Das LSG geht dort jedoch zumindest kurz auf die Anspruchsvoraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs ein, den es zuvor verneint hat. Dem Kontext seiner weiteren Ausführungen ist zu entnehmen, dass es einen Sachleistungsanspruch von vornherein als ausgeschlossen und nur den Anspruch kraft Genehmigungsfiktion als allein mögliche Anspruchsgrundlage ansieht. Denn es verweist auf die neuere Rechtsprechung des BSG vom 26.5.2020 (B 1 KR 9/18 R - BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53), wonach dem Versicherten kein vom materiellen Recht losgelöster Sachleistungsanspruch zustehen kann, und prüft deshalb nur einen hier nicht gegebenen Kostenerstattungsanspruch. Selbst wenn das LSG damit die Erwägungen, die in einem entscheidungserheblichen Streitpunkt zum Urteilsausspruch geführt haben, unzureichend dargestellt haben sollte, hätte es lediglich eine weitere Anspruchsgrundlage - und damit eine hier ohnehin fernliegende alternative Begründung desselben prozessualen Anspruchs - im Rahmen seiner Ablehnungsentscheidung nicht umfassend abgehandelt. Bloße Lücken führen aber nicht zum Fehlen von Gründen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 136 RdNr 7g).
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2. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 SGG vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden ist. Auf das Erfordernis, sich vor dem BSG durch einen der in § 73 Abs 4 SGG aufgeführten Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen (zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG <Kammer> vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 13 mwN), ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils ausdrücklich hingewiesen worden. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss zu verwerfen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Schlegel Estelmann Geiger
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