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BSG 16.11.2020 - B 10 EG 7/20 B
BSG 16.11.2020 - B 10 EG 7/20 B - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Elterngeld - selbstständige Tätigkeit - Einkommensermittlung - Maßgeblichkeit des letzten steuerlichen Veranlagungszeitraums - typischerweise geringe Einkünfte in der Anfangsphase - Verfassungsmäßigkeit - teleologische Reduktion - unbewusste Regelungslücke - Darlegungsanforderungen
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 2b Abs 2 S 1 BEEG, § 2b Abs 2 S 2 BEEG, § 2b Abs 1 S 1 BEEG, § 2b Abs 1 S 2 BEEG, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Kiel, 6. Oktober 2017, Az: S 4 EG 22/15, Urteil
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, 11. Juni 2020, Az: L 1 EG 2/18, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höheres Elterngeld unter Zugrundelegung des Zeitraums der letzten 12 Monate vor der Geburt ihres Kindes (28.12.2014) als Bemessungszeitraum hat das LSG mit Beschluss vom 11.6.2020 verneint. Der Beklagte habe zu Recht den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum - hier das Kalenderjahr 2013 - vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum zugrunde gelegt, weil die Klägerin vor der Geburt ihres Kindes eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Dass die Klägerin im Kalenderjahr 2013 als Berufseinsteigerin geringere Einkünfte erzielt habe, sei unerheblich. Eine hieraus für die Klägerin folgende Härte sei angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Elterngeldrecht und der Tatsache, dass sie Elterngeld iHv monatlich 557,38 Euro für den 1. bis 10. und 13. bis 14. Lebensmonat ihres Kindes erhalten habe, verfassungsrechtlich hinnehmbar.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 8.4.2020 - B 10 EG 13/19 B - juris RdNr 7). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
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Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob § 2b BEEG in seiner jetzigen Fassung, ohne die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion, mit dem Grundgesetz, im Besonderen mit Art. 1, 2, 3, 6 und 12 GG vereinbar ist".
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Der Senat lasst dahinstehen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG in der gebotenen klaren Formulierung bezeichnet hat. Denn sie hat die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Fragestellung zu § 2b BEEG in der hier maßgeblichen bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung nicht hinreichend dargetan.
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Zutreffend weist sie darauf hin, dass als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG gemäß § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich sind. Die Klägerin erkennt auch, dass im Unterschied dazu gemäß § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit iS von § 2d BEEG vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume heranzuziehen sind, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen. Sie trägt selbst vor, dass sie vor der Geburt des Kindes am 28.12.2014 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iS des § 2d BEEG erzielt habe. Die Klägerin arbeitet in der Beschwerdebegründung jedoch nicht hinreichend heraus, warum die Regelung des § 2b Abs 2 BEEG, die für diesen Fall als Bemessungszeitraum grundsätzlich den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes bestimmt, im Hinblick auf Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck auf ihrer Rechtsfolgenseite noch Raum dafür lassen sollte, den Bemessungszeitraum für das Elterngeld auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat des Kindes entsprechend § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG zu verschieben.
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Eingehender Begründungsbedarf hätte hier schon deshalb bestanden, weil der Wortlaut des § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG ("sind") den Elterngeldstellen kein diesbezügliches Ermessen eröffnet. Vielmehr verpflichtet er sie in gebundener Entscheidung bei der Berechnung des Elterngelds als Bemessungszeitraum den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legen, wenn der Elterngeldberechtigte vor der Geburt des Kindes - wie hier - allein Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat. Als einzige Ausnahme von dieser Regel ermöglicht § 2b Abs 2 Satz 2 iVm § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG, den Bemessungszeitraum auf Antrag noch weiter in die Vergangenheit auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zu verschieben. Das Gesetz greift also selbst in den dort genannten Ausnahmekonstellationen bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes nicht auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat zurück (vgl Senatsurteil vom 28.3.2019 - B 10 EG 6/18 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 5 RdNr 21; s auch Senatsurteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 23 ff und Senatsbeschluss vom 24.4.2019 - B 10 EG 2/19 B - juris RdNr 8, jeweils zu § 2b Abs 3 BEEG), den die Klägerin in ihrem Fall für den richtigen Bemessungszeitraum hält. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn der Elterngeldberechtigte aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum nach § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG gar keine oder nur negative Einkünfte erzielt hat (vgl Senatsurteil vom 28.3.2019, aaO RdNr 19; Senatsurteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R - BSGE 122, 102 = SozR 4-7837 § 2b Nr 3, RdNr 23 ff; Senatsbeschluss vom 24.4.2019, aaO).
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Sofern die Klägerin die Anwendung des § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG und damit eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG durch eine verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion für geboten erachtet, weil sie in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt ihres Kindes nur geringe Einkünfte erzielt habe, setzt sie sich in der Beschwerdebegründung nicht mit deren (engen) Voraussetzungen auseinander. Eine teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Methoden der Gesetzesauslegung (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 - juris RdNr 22; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - juris RdNr 38; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - juris RdNr 11; Senatsurteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 26; Senatsurteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 27 ff). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 31.10.2016, aaO; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.4.1997, aaO juris RdNr 15). Einen entsprechenden substantiierten Vortrag hierzu enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Allein der Hinweis auf das Vorliegen einer - vermeintlichen - Härte in ihrem Fall trotz des Bezugs eines monatlichen Elterngelds iHv 557,38 Euro für den 1. bis 10. und 13. bis 14. Lebensmonat ihres Kindes reicht insoweit nicht. Denn gerade bei Beginn oder erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit vor der Geburt eines Kindes kann es dazu kommen, dass ein Bemessungszeitraum, der nach dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zu bestimmen ist, in einen Zeitraum fällt, in dem der Elterngeldberechtigte aus einer Erwerbstätigkeit - sei es selbstständig oder nichtselbstständig - nur geringe Einkünfte erwirtschaften konnte. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt auch im Hinblick auf den bei gewährender Staatstätigkeit weiten Gestaltungsspielraum des BEEG-Gesetzgebers (vgl hierzu nur Senatsurteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 4/16 R - BSGE 123, 276 = SozR 4-7837 § 2f Nr 1, RdNr 27 mwN) wären eingehendere Ausführungen der Klägerin dazu notwendig gewesen, aus welchem Grund dennoch der Gesetzgeber diesen Fall bei der Fassung der Ausnahmetatbestände des § 2b Abs 2 Satz 2 iVm § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG nicht bedacht haben könnte und insbesondere weshalb hier ein Abweichen von dem in § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG normierten Grundsatz des letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in dem von der Klägerin geltend gemachten Sinne verfassungsrechtlich geboten sein könnte.
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Soweit die Klägerin meint, § 2b BEEG sei nicht mit Art 1, 2, 3, 6 und 12 GG vereinbar, erfüllt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht die Darlegungsanforderungen. Wenn ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend macht und insoweit höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufzeigen will, darf er nicht bloß das oder die angeblich verletzten Grundrechte benennen. Vielmehr muss er die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG auswerten und dazu in substantieller Argumentation darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargetan werden. Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums im Elterngeldrecht überschritten hat. An entsprechenden substantiierten Ausführungen fehlt es hier.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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