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BSG 10.03.2016 - B 13 R 93/15 B
BSG 10.03.2016 - B 13 R 93/15 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Sachaufklärungsrüge - Erfordernis eines ausdrücklich zu Protokoll aufrechterhaltenen Beweisantrags - pauschale Bezugnahme im Urteil des LSG auf die Senatsakte
Normen
§ 103 SGG, § 106 SGG, § 109 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 153 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 412 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Reutlingen, 13. Januar 2014, Az: S 3 R 3485/10, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 27. Februar 2015, Az: L 4 R 518/14, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Das LSG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 27.2.2015 den von der Klägerin ab 1.3.2010 geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller oder hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung - auch bei Berufsunfähigkeit - verneint. Die Klägerin habe letztmals am 31.12.2006 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (Drei-Fünftel-Belegung) erfüllt. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch in der Lage gewesen sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten.
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Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend.
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Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 3.6.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
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Das Vorbringen der Klägerin wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Sie rügt in erster Linie, das LSG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) verletzt, weil es ihrem Beweisantrag, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Hierzu trägt sie vor, ihre damalige Prozessbevollmächtigte habe mit Schriftsatz vom 30.5.2014 gegenüber dem LSG die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach § 109 SGG bei Herrn Dr. E. beantragt. Aus diesem Schriftsatz und dem ihm beigefügten Schreiben der Klägerin vom 26.5.2014 gehe jedoch unmissverständlich hervor, dass auch eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen für erforderlich gehalten werde. Dies habe die Klägerin, die sich zwischenzeitlich im Berufungsverfahren wieder selbst vertreten habe, in einem weiteren Schreiben vom 22.9.2014 bekräftigt. Die Klägerin habe erneut im Schreiben vom 23.1.2015 ausgeführt: "Da weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht eine Sachaufklärung von Amts wegen gemäß § 103 für erforderlich hält, wurde ein weiteres Gutachten nach § 109 bei Herrn Dr. med. E. (…) am 30.05.2014 beantragt. Hieran halte ich fest. (…) Außerdem wiesen mein damaliger Hausarzt Dr. J., sowie mein Schmerztherapeut und Orthopäde Dr. S., , darauf hin, dass die Schmerzen psychologisch bedingt seien. Diese Aussagen sowie der Befundbericht der Uni T. hätten ausreichen müssen, dass das Gericht von sich aus in dieser Richtung von Amtswegen ermittelt. Für mich ist daher das Antragsrecht nicht verbraucht, denn in der Fachrichtung neurologisch/psychologisch steht mir meiner Meinung nach noch ein Gutachten nach § 109 zu."
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Diesen Ausführungen sei ein Beweisantrag des Inhalts zu entnehmen, dass nach § 103 SGG ein weiteres psychiatrisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen sei, dass das Leistungsvermögen der Klägerin bereits zum 31.12.2006 aufgrund der bei ihr zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden psychischen Erkrankungen quantitativ unter sechs Stunden gesunken gewesen sei. Allerdings habe die Klägerin diesen von ihr schriftsätzlich gestellten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 27.2.2015 ausweislich des Protokolls nicht wiederholt. Hierin liege jedoch, da sie nicht mehr anwaltlich vertreten gewesen sei, kein Verzicht auf den Beweisantrag. Hilfsweise sei davon auszugehen, dass der Beweisantrag im Tatbestand des LSG-Urteils wiedergegeben sei, weil dort auf das Vorbringen der Klägerin in der Senatsakte Bezug genommen werde. Zudem habe das LSG in den Entscheidungsgründen unter 3. ausgeführt, dass sich der Senat nicht veranlasst gesehen habe, von Amts wegen ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen, da Dr. W. als Facharzt ua für Psychiatrie und Psychotherapie bereits ein psychosomatisches Gutachten erstattet habe und zudem aufgrund fehlender fachärztlicher Behandlungen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet zwischen 1992 und 2011 auch ein weiterer Gutachter keine gesicherten Erkenntnisse über ihre Leistungsfähigkeit im Dezember 2006 gewinnen könne.
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Es kann hier offenbleiben, ob die genannten Ausführungen der Klägerin zum Festhalten an ihrer Forderung auf Einholung eines weiteren Gutachtens auf psychiatrischem bzw neurologisch/psychologischem Fachgebiet nach § 109 SGG mit hinreichender Klarheit auch das Verlangen gegenüber dem LSG auf Durchführung entsprechender Sachaufklärung von Amts wegen nach § 103 SGG enthalten. Selbst wenn dies zu ihren Gunsten unterstellt wird, genügen ihre Darlegungen den besonderen Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge nicht. Hierzu muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
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Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt allerdings nur, wenn der Beschwerdeführer bereits in der Berufungsinstanz durch einen rechtskundigen und berufsmäßigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (vgl BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5 mwN). War dies - wie hier - im letzten Abschnitt des Berufungsverfahrens nicht der Fall, so kommen zum einen weniger strenge Anforderungen an Form und Inhalt eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags zur Anwendung (BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5). Zum anderen wird dann aus dem Fehlen eines in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu Protokoll aufrechterhaltenen Beweisantrags nicht stets der Schluss gezogen, dass dieser Beweisantrag bewusst nicht weiterverfolgt werden sollte und daher vom Berufungsgericht als erledigt angesehen werden kann (vgl BSG Beschluss vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 7). Das führt jedoch nicht dazu, dass die in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG normierten Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge insgesamt unbeachtlich wären. Deshalb kann auch bei einem solchen Beteiligten nicht darauf verzichtet werden, dass er darlegt, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben (BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 25.8.2015 - B 5 R 206/15 B - Juris RdNr 8).
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Das Vorbringen der Klägerin in der Beschwerdebegründung erfüllt die vorstehend genannten Anforderungen nicht. Sie gibt vielmehr selbst an, ihren zuvor schriftsätzlich gestellten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 27.2.2015 nicht mehr wiederholt zu haben (Beschwerdebegründung S 8). Ihre sonstigen - durchaus umfangreichen - Ausführungen lassen ebenfalls nicht erkennen, dass sie noch in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem LSG zumindest sinngemäß zum Ausdruck gebracht hat, welche konkreten Punkte am Ende des Verfahrens von ihr noch für aufklärungsbedürftig erachtet werden. Dass die Warnfunktion eines zumindest sinngemäß bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags in ihrem Fall wirksam wurde, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht daraus, dass am Ende des Tatbestands des LSG-Urteils wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten auf die Senatsakte Bezug genommen ist. Eine solche pauschale Bezugnahme auf eine Vielzahl von Schriftstücken ist nicht geeignet, das Erfordernis eines ausdrücklich zu Protokoll aufrechterhaltenen Beweisantrags qualitativ gleichwertig zu ersetzen; dies ist nur bei einer ausdrücklichen und unmittelbaren Wiedergabe des Beweisantrags im Urteil der Fall. Im Übrigen ergibt sich auch aus den Erwägungen unter Ziffer 3 der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils nicht, dass das Berufungsgericht angenommen hat, es müsse über einen von der Klägerin bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrag entscheiden.
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Ungeachtet der hiernach fehlenden Darlegung eines bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisbegehrens hat die Klägerin aber auch nicht hinreichend aufgezeigt, dass die Voraussetzungen vorgelegen haben, von denen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO die Verpflichtung des Gerichts zur Einholung eines weiteren Gutachtens auf demselben Fachgebiet abhängt (vgl BSG Beschluss vom 20.12.2012 - B 13 R 333/12 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 25.4.2013 - B 13 R 29/12 B - Juris RdNr 9), nachdem das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. bereits vorlag.
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Soweit die Klägerin "hilfsweise" rügt, das LSG habe es unter Verletzung von § 139 Abs 2 ZPO bzw § 106 Abs 1 SGG versäumt, sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass sie zu Protokoll einen Beweisantrag stellen solle, hat sie keinen Verfahrensmangel schlüssig bezeichnet. Denn die Tatsachengerichte sind nach den genannten Bestimmungen nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken (BSG Beschluss vom 26.11.1975 - 5 BKn 5/75 - SozR 1500 § 160 Nr 13; BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - Juris RdNr 10). Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (BSG Beschluss vom 3.9.2015 - B 5 R 148/15 B - JurionRS 2015, 25232 RdNr 12 mwN).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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