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BVerfG 01.10.2024 - 1 BvR 782/24
BVerfG 01.10.2024 - 1 BvR 782/24 - Nichtannahmebeschluss: Zur Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter an Entscheidungen des Senats über außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Ablehnungsgesuche - teilweise Parallelentscheidung
Normen
§ 9 Abs 2 S 3 ArbGG, § 41 Abs 2 ArbGG, § 201 Abs 2 S 1 GVG
Vorinstanz
vorgehend BAG, 6. März 2024, Az: 5 E 1/24 (F) (PKH), Beschluss
vorgehend BAG, 24. Januar 2024, Az: 5 E 1/23 (PKH), Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
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Der Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts.
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1. Mit Beschluss vom 24. Januar 2024 wies das Bundesarbeitsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Klage wegen überlanger Verfahrensdauer zurück, weil keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die in Aussicht genommene Klage bestehe und die beabsichtigte Rechtsverfolgung überdies mutwillig erscheine.
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2. Hiergegen legte der Beschwerdeführer „sofortige Beschwerde“ ein, mit der er zugleich die für den Beschluss vom 24. Januar 2024 verantwortlichen Richter am Bundesarbeitsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnte.
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3. Mit Beschluss vom 6. März 2024 verwarf das Bundesarbeitsgericht die als Anhörungsrüge auszulegende „sofortige Beschwerde“ des Beschwerdeführers unter gleichzeitiger Verwerfung der Ablehnungsgesuche gegen die Richter am Bundesarbeitsgericht als unzulässig. Die Ablehnungsgesuche seien rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Daher seien die abgelehnten Richter auch nicht daran gehindert, an der Entscheidung über die Ablehnungsgesuche selbst mitzuwirken. Die Anhörungsrüge sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer eine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt habe. Der Beschluss vom 6. März 2024 erging ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter nur durch die berufsrichterlichen Mitglieder des Senats.
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II.
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Mit seiner mit Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts und Auslagenerstattung verbundenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Das Bundesarbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung über die von ihm beantragte Prozesskostenhilfe die Anforderungen an die Darlegung einer hinreichenden Erfolgsaussicht überspannt. Außerdem sei Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil die abgelehnten Richter mit Beschluss vom 6. März 2024 selbst über die Ablehnungsgesuche entschieden hätten.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie offensichtlich unzulässig ist.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie in Bezug auf die gerügten Verletzungen von Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Substantiierungsanforderungen offensichtlich nicht gerecht wird (vgl. dazu BVerfGE 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 140, 229 232 Rn. 9>; 157, 300 310 Rn. 25> – Unterschriftenquoren Bundestagswahl).
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2. Eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt auch nicht derart auf der Hand, dass ausnahmsweise auf die aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde verzichtet werden könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, Rn. 45; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2023 - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 6).
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a) Zwar bestehen Bedenken, ob das Bundesarbeitsgericht über die Ablehnungsgesuche des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 6. März 2024 ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter entscheiden durfte und damit das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkannt hat (vgl. auch BVerfGE 48, 246 263>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2023 - 2 BvR 1605/21 -, Rn. 52). Denn nach § 49 Abs. 1 ArbGG entscheidet über die Ablehnung von Gerichtspersonen die Kammer des Arbeitsgerichts. § 49 Abs. 1 ArbGG gilt über § 9 Abs. 2 Satz 3 ArbGG in Verbindung mit § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG auch für eine gegen den Bund vor dem Bundesarbeitsgericht geführte Entschädigungsklage nach § 198 GVG. An die Stelle der Kammer tritt im Fall des Bundesarbeitsgerichts der mit einem Vorsitzenden, zwei berufsrichterlichen Beisitzern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richter besetzte Senat (§ 41 Abs. 2 ArbGG) (vgl. Ahrendt, in: GK-ArbGG, § 72 Rn. 113 (Jun. 2022)). Dies gilt auch dann, wenn das Ablehnungsgesuch außerhalb der mündlichen Verhandlung in einem Verfahren angebracht wird, das durch Entscheidung nur der Berufsrichterinnen und -richter beendet wird (zum Beispiel Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder Anhörungsrüge) (vgl. Hamacher, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, § 49 ArbGG Rn. 46 (Sep. 2024); Klug, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024, § 72 ArbGG Rn. 37; Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Aufl. 2024, § 49 ArbGG Rn. 7; Künzl, in: Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2022, § 49 Rn. 44). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht von einem unzulässigen, weil rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuch ausgegangen ist. Ein offensichtlich unzulässiges und rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch gestattet lediglich, dass darüber unter Beteiligung der abgelehnten Richterin beziehungsweise des abgelehnten Richters entschieden werden darf (vgl. BVerfGE 131, 239 252 f.>; 133, 377 405 Rn. 69>). Aus der offensichtlichen Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs folgt hingegen nicht, dass eine diesbezügliche Entscheidung nur von den berufsrichterlichen Mitgliedern des Spruchkörpers ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter getroffen werden kann. § 49 Abs. 1 ArbGG sieht insofern nach seinem eindeutigen Wortlaut keine Ausnahmen vor. Die Vorschrift ist lex specialis zu § 53 Abs. 1 ArbGG (vgl. Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Aufl. 2024, § 49 ArbGG Rn. 7).
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b) Ein solcher Verstoß wäre allerdings nicht derart offensichtlich, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise auf die aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Begründung einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verzichtet werden könnte. Denn er liegt jedenfalls nicht aufgrund der Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung auf der Hand (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, Rn. 45; offen gelassen von BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2023 - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 6). Ausweislich seiner Beschwerdebegründung sieht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb gegeben, weil die abgelehnten Richter selbst über das Befangenheitsgesuch entschieden haben. Nach seinem Vorbringen ist die Verfassungswidrigkeit des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 6. März 2024 mithin in der Anwendung der Verfahrensvorschriften im konkreten Einzelfall begründet. Eine etwaige verfassungsrechtliche Problematik wegen der Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs nur durch die berufsrichterlichen Mitglieder des Senats erkennt der Beschwerdeführer nicht und geht dementsprechend darauf in seiner Beschwerdebegründung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ein.
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3. Mangels Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe und damit für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht vor (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Januar 2015 - 1 BvR 3457/14 -, Rn. 4).
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4. Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen nach § 34a Abs. 3 BVerfGG nicht vorliegen. Eine Erstattung entspricht hier nicht der Billigkeit, weil die Verfassungsbeschwerde vom Zeitpunkt ihrer Einlegung an unzulässig war (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2022 - 1 BvR 828/21 -, Rn. 3).
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5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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