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BFH 07.06.2021 - X B 140/20
BFH 07.06.2021 - X B 140/20 - Steuerpflichtige Rente der Basisversorgung auch bei versehentlicher Rentenzahlung vor Beginn der maßgebenden Altersgrenze
Normen
§ 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 23. Juli 2020, Az: 10 K 2567/18 E, Urteil
Leitsatz
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NV: Zwar gehört es nach der Rechtsprechung des Senats zu den wesentlichen Merkmalen von Renten, die der Basisversorgung zuzuordnen sind, dass sie erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.12.2017 - X R 39/15, BFHE 261, 203, BStBl II 2018, 579, Rz 26). Dies bedeutet aber nicht, dass die Zuordnung einer Rente zur Basisversorgung aufgehoben wird und deren Steuerpflicht nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG entfällt, wenn sie infolge eines dem Versorgungsträger im Einzelfall unterlaufenen Fehlers bereits kurz vor Vollendung der maßgebenden Altersgrenze ausgezahlt wird.
Tenor
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Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23.07.2020 - 10 K 2567/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2014 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der am 19.12.1951 geborene Kläger ist seit 1982 (im angefochtenen Urteil ist fehlerhaft das Jahr 1992 angegeben) Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks (V). Bis zum 31.12.2004 gewährte V im Versorgungsfall grundsätzlich eine Kapitalleistung, wobei die Versorgungsberechtigten innerhalb bestimmter Fristen eine Verrentung beantragen konnten. Die zum 01.01.2005 in Kraft getretene neue Satzung des V sieht vor, dass die Versorgung grundsätzlich in Form einer lebenslangen Altersrente erbracht wird, wobei Übergangsregelungen für die Kapitalisierung von Beiträgen gelten, die bis zum 31.12.2004 geleistet worden waren (sog. Altbeiträge).
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Der Kläger beantragte am 15.11.2014 die Auszahlung der sich aus den Altbeiträgen ergebenden Kapitalleistung. Diese wurde am 05.12.2014 auf ein Bankkonto überwiesen, das der --in diesem Zeitpunkt 62 Jahre alte-- Kläger dem V benannt hatte.
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Nach mehreren Änderungen setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Kapitalleistung im zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheid 2014 vom 29.01.2020 mit dem sich für einen Renteneintritt im Jahr 2014 ergebenden Besteuerungsanteil von 68 % an, zog einen Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 € ab und gewährte hierauf den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Begehren, die Kapitalauszahlung nach Maßgabe der für Kapitallebensversicherungen geltenden Vorschriften zu besteuern. Zur Begründung führten sie aus, auch bei "anderen Leistungen" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG müsse es sich um "wiederkehrende Bezüge" i.S. des Satzes 1 dieser Regelung handeln. Eine vollständig kapitalisierbare Versorgung laufe dem Zweck der Basis-Altersversorgung entgegen und dürfe daher nicht nach den hierfür geltenden Vorschriften besteuert werden.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung verwies es auf das Senatsurteil vom 23.10.2013 - X R 3/12 (BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58), wonach der Begriff der "anderen Leistungen" autonom und ohne Rückgriff auf die Definition der "wiederkehrenden Bezüge" auszulegen sei.
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Darüber hinaus handele es sich auch nicht um eine bereits vor dem Versorgungsfall vorgenommene und damit dem Zweck der Basisversorgung widersprechende Auszahlung. In diesem Zusammenhang ging das FG davon aus, die maßgebenden Regelungen der Satzung des V hätten eine Kapitalauszahlung erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten ermöglicht. Das FG hielt diese Voraussetzung für erfüllt, da es --unzutreffend-- annahm, der Kläger habe im Zeitpunkt der Kapitalauszahlung das 63. Lebensjahr bereits vollendet.
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Anders als im Fall des Senatsurteils vom 12.12.2017 - X R 39/15 (BFHE 261, 203, BStBl II 2018, 579) handele es sich auch nicht um eine zur Basisversorgung hinzutretende und von dieser getrennt als Kapitallebensversicherung ausgestaltete Versorgung. Vielmehr habe die streitige Auszahlung allein auf der Pflichtmitgliedschaft des Klägers und den hierfür entrichteten Altbeiträgen beruht.
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Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen eines Verfahrensmangels.
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Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Keiner der von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe ist gegeben.
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1. Die Rüge eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) greift nicht durch.
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a) Die Kläger führen hierzu aus, das FG habe insoweit gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, als es fehlerhaft davon ausgegangen sei, der Kläger habe bei Auszahlung der Kapitalleistung bereits das 63. Lebensjahr vollendet.
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b) Objektiv trifft dieses Vorbringen der Kläger zu, da der Kläger das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Der Senat kann dabei offenlassen, ob es sich hierbei um den gerügten Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten handelt oder um das Geltendmachen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers, der unter den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zu subsumieren wäre.
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c) Allerdings kann das angefochtene Urteil nicht auf dem Verfahrensmangel "beruhen", was nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO Voraussetzung für das Durchgreifen einer Verfahrensrüge ist. Im Ergebnis handelt es sich auch nicht um einen schwerwiegenden Rechtsfehler, weil der Fehler des FG durch einen gegenläufigen Fehler aufgehoben wird.
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aa) Das FG hat in seinem Urteil sowohl die Satzungen des V nach dem Stand vom 01.07.1980 (nachfolgend als "Satzung 1980" bezeichnet) als auch nach dem Stand vom 01.01.2002 (Satzung 2002) und nach dem Stand von Januar 2014 (Satzung 2014) in Bezug genommen, so dass alle drei Regelwerke für den beschließenden Senat verwertbar sind. Inhaltlich hat das FG die Satzung 1980 und die Satzung 2002 zusammenfassend gewürdigt und beide Regelwerke einheitlich als "Satzung a.F." bezeichnet. Dies war indes fehlerhaft, da sich die Satzung 2002 u.a. in dem vom FG als rechtserheblich angesehenen Punkt erheblich von der Satzung 1980 unterschied. Erst recht gilt dies für die --die alleinige Rechtsgrundlage der Kapitalauszahlung bildende-- Satzung 2014, die vom FG zwar festgestellt, aber inhaltlich nicht ausgewertet worden ist.
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Die vom FG als maßgebend angesehene Voraussetzung, dass eine Kapitalleistung frühestens bei Vollendung des 63. Lebensjahres gewährt werden dürfe, findet sich lediglich in § 20 Abs. 2 der Satzung 1980. Bereits nach § 20 Abs. 4 Satz 1 der Satzung 2002, die die Satzung 1980 vollinhaltlich abgelöst hat und bis zum 31.12.2004 in Kraft war, konnte die Kapitalleistung schon mit dem Monat der Vollendung des 60. Lebensjahres ausgezahlt werden.
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Tatsächlich war für die im Streitfall zu beurteilende Kapitalauszahlung aber weder die Satzung 1980 noch die Satzung 2002 maßgebend. Vielmehr richtete sich die Behandlung des im Jahr 2014 gestellten Kapitalauszahlungsantrags des Klägers nach der in diesem Zeitpunkt gültigen Satzung 2014. Nach deren § 71 Abs. 2 Satz 2 konnte die Kapitalleistung --ebenso wie nach der Satzung 2002-- bereits mit dem Monat der Vollendung des 60. Lebensjahres ausgezahlt werden.
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bb) Danach kam es --wenn man überhaupt dem rechtlichen Ansatz des FG folgen wollte, wonach eine vorzeitig ausgezahlte Kapitalzahlung nicht steuerpflichtig sei, woran der Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. dazu noch unten 2.b)-- jedenfalls nicht auf die Vollendung des 63. Lebensjahres, sondern die des 60. Lebensjahres an. Diese Voraussetzung war im Zeitpunkt der Auszahlung des Kapitalbetrags (05.12.2014) unstreitig erfüllt. Die --objektiv unzutreffende-- Annahme des FG, der Kläger habe in diesem Zeitpunkt bereits das 63. Lebensjahr vollendet, ist daher im Ergebnis nicht entscheidungserheblich.
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2. Die von den Klägern gerügte Divergenz zum Senatsurteil in BFHE 261, 203, BStBl II 2018, 579 liegt nicht vor. Die Kläger entnehmen dieser Entscheidung den Rechtssatz, eine Versorgungsleistung, die vor der hierfür geltenden Altersgrenze erbracht werde, stelle keine unter § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG fallende Leistung der Basisversorgung dar.
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a) Eine Divergenz ist schon deshalb nicht gegeben, weil das FG von diesem Rechtssatz hat ausgehen wollen und zudem die Versorgungsleistung objektiv nicht vor der hierfür geltenden Altersgrenze erbracht worden ist.
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b) Darüber hinaus enthält das zitierte Senatsurteil nicht den Rechtssatz, den die Kläger dieser Entscheidung entnehmen wollen. In Rz 26 des Urteils in BFHE 261, 203, BStBl II 2018, 579 heißt es lediglich, wesentliches Merkmal der Basisversorgung sei u.a., dass die Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden. Damit ist aber nur gemeint, dass eine abstrakte Regelung bestehen muss, wonach die Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gezahlt werden. Dies bedeutet indes nicht, dass die Zuordnung einer Renten- oder ausnahmsweisen Kapitalzahlung zur Basisversorgung aufgehoben wird --mit der Folge der fehlenden Steuerpflicht nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG--, wenn sie infolge eines dem Versorgungsträger im Einzelfall unterlaufenen Fehlers versehentlich bereits kurz vor Vollendung der maßgebenden Altersgrenze ausgezahlt wird.
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3. Auch die weitere Divergenzrüge der Kläger, das FG sei hinsichtlich der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Kapitalzahlungen von den Senatsurteilen in BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58 und vom 23.10.2013 - X R 21/12 (BFH/NV 2014, 330) abgewichen, bleibt ohne Erfolg.
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Die Kläger vertreten die Auffassung, den beiden vorzitierten Senatsurteilen habe nicht die vorliegende Sachverhaltskonstellation zugrunde gelegen, in der die Auszahlung vor Erreichen der Altersgrenze vorgenommen worden sei. Bei Zugrundelegung dieses Vorbringens wäre die Divergenzrüge unschlüssig, weil dem angefochtenen vorinstanzlichen Urteil und den herangezogenen Divergenzentscheidungen --wie das FA in der Beschwerdeerwiderung zutreffend ausführt-- schon nach dem eigenen Vorbringen der Kläger unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lagen.
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Aber auch bei Zugrundelegung des zutreffenden Sachverhalts im Streitfall (Auszahlung erst nach Erreichen der Altersgrenze) ergibt sich keine Divergenz zu den zitierten Senatsurteilen.
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4. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
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Die von den Klägern formulierte Rechtsfrage, ob die in § 22 EStG enumerativ festgelegten Besteuerungstatbestände abschließend seien, ist offensichtlich zu bejahen. Zur Klärung dieser --im Streitfall ohnehin nicht erkennbar entscheidungserheblichen-- Frage bedarf es keines Revisionsverfahrens.
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Soweit die Kläger zur Erläuterung der von ihnen formulierten Rechtsfrage weiter ausführen, die Satzung des V lasse Rentenzahlungen nicht vor Vollendung des 63. Lebensjahres zu, ist dies nach dem Vorstehenden unzutreffend (vgl. oben II.1.c).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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