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BFH 05.09.2017 - IV B 82/16
BFH 05.09.2017 - IV B 82/16 - Neue Tatsachen im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde
Normen
§ 47 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 122 Abs 2 Nr 1 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 7. September 2016, Az: 4 K 4023/16, Urteil
Leitsatz
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NV: Der BFH kann im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der fehlerhafte Erlass eines Prozessurteils gerügt wird, neues Tatsachenvorbringen im Hinblick auf die fristgerechte Klageerhebung nicht berücksichtigen .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. September 2016 4 K 4023/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2011 und 2012 betrifft, hat sie keinen Erfolg.
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a) Ist das angegriffene Urteil des Finanzgerichts (FG) nebeneinander (kumulativ) auf mehrere Begründungen gestützt, die jede für sich nach Auffassung des FG das Entscheidungsergebnis tragen, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht werden (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Oktober 2015 IV B 80/14). Daran fehlt es im Streitfall.
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b) Das FG hat die Zulässigkeit der Klage, soweit sie die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2011 und 2012 betrifft, auch mit der Begründung verneint, dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) den Gegenstand des Klagebegehrens nicht vor Ablauf der von dem Berichterstatter bestimmten Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausreichend bezeichnet hat. Diese das Urteil des FG insoweit selbständig tragende Begründung hat die Klägerin mit durchgreifenden Zulassungsgründen nicht angegriffen.
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2. Das FG-Urteil betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2007 beruht nicht auf einem Verfahrensfehler.
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a) Das FG hat § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zutreffend auf den Streitfall angewandt und die Klage daher zu Recht als unzulässig abgewiesen. Auch mit dem neuen Vorbringen der Klägerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren werden keine Gründe geltend gemacht, die die Beurteilung rechtfertigen, dass die Klage innerhalb der Klagefrist erhoben worden ist.
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aa) Wird über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, so liegt darin ein Verfahrensmangel (BFH-Beschlüsse vom 5. November 2007 IV B 166/06, BFH/NV 2008, 248, und vom 25. März 2015 V B 163/14). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht zu Unrecht davon ausgeht, dass die Klagefrist versäumt wurde (BFH-Beschluss vom 25. März 2015 V B 163/14).
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bb) Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klage verfristet war.
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(1) Gemäß § 47 Abs. 1 FGO ist eine Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung einzulegen. Diese gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO mit dem dritten Tage nach ihrer Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern den Erhalt innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische --Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post-- ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Dreitagesfrist reicht ein abweichender Eingangsvermerk nicht aus (BFH-Beschlüsse vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389, und vom 18. April 2013 X B 47/12, Rz 14, m.w.N.).
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(2) Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat den Sachverhalt aufgeklärt und die tatsächlichen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO gegeneinander abgewogen. Wenn es danach aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zum einen davon ausgegangen ist, die Einspruchsentscheidung sei --wie von der Zeugin glaubhaft dargelegt-- am 15. Dezember 2015 zur Post aufgegeben worden, und zum anderen der nicht näher substantiierten Behauptung der Klägerin über den verspäteten Zugang der Einspruchsentscheidung erst am 21. Dezember 2015 nicht folgte und infolgedessen keinen Zweifel am Zugang innerhalb der Dreitagesfrist hatte, so war dies nicht verfahrensfehlerhaft.
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(3) Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das FG aufgrund der Vernehmung der zuständigen Sachbearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle und der den Beteiligten zur Kenntnis gelangten schriftsätzlichen Stellungnahme des Landesverwaltungsamts ... (LA ...) vom 10. August 2016 den 15. Dezember 2015 als Tag der Postaufgabe angesehen hat. Anders als die Klägerin vorträgt, hat das FG auch berücksichtigt, dass sich der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) "mehrerer Erfüllungsgehilfen bei der Postversendung bediente". So ist das FG ausweislich der Entscheidungsgründe insbesondere unter Heranziehung der o.g. Stellungnahme des LA ... davon ausgegangen, dass jegliche Postversendung zentral von dem LA ... organisiert wird, dieses sämtliche ausgehende Post beim FA abholt und diese noch am selben Tag den zuständigen Postdienstleistern (Pin MailAG, DP AG, DHL) übergibt. Eine andere Würdigung erscheint angesichts der Feststellungen des FG deshalb ausgeschlossen.
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(4) Auch mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin wird ein Verfahrensfehler des FG nicht dargelegt. Denn es handelt sich dabei um neues Tatsachenvorbringen, welches das FG im Rahmen seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte, und mit dem die Klägerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch nicht mehr gehört werden kann. Aber selbst wenn neues Vorbringen im Hinblick auf die Überprüfung der Sachentscheidungsvoraussetzung der fristgerechten Klageerhebung vom BFH im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde von Amts wegen und ohne Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG zu prüfen sein sollte (so wohl BFH-Beschluss vom 25. März 2015 V B 163/14, Rz 4), wäre das Vorbringen der Klägerin unter Berücksichtigung der Feststellungen des FG nicht geeignet, Zweifel an der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu begründen oder diese Vermutung zu widerlegen. Denn anders als die Klägerin meint, ist es angesichts des geschilderten normalen Postlaufs und der von der Zeugin geschilderten Vorgehensweise bei der Ablage und der Datierung der Einspruchsentscheidung nicht Sache des FA gewesen, weiter unter Beweis zu stellen, zu welcher Tageszeit die Einspruchsentscheidung dem Postdienstleister am 15. Dezember 2015 übergeben worden ist. Anders als die Klägerin wohl meint, ist die Einspruchsentscheidung i.S. des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zur Post aufgegeben worden, wenn sie einem eingeschalteten privaten Postdienstleister übergeben worden ist (BFH-Beschluss vom 18. April 2013 X B 47/12, Rz 12). Auch setzt die Zugangsvermutung keineswegs voraus, dass der Tag der Aufgabe zur Post dem Tag der tatsächlichen Postbeförderung entspricht. Zweifel an der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO werden damit nicht schon deshalb begründet, wenn feststeht, dass die Beförderung des Verwaltungsakts --hier der Einspruchsentscheidung-- erst am Tag nach der Aufgabe zur Post --hier nach der Aufgabe an den privaten Postdienstleister-- erfolgt. Diese durchaus übliche Verzögerung wird gerade von der Dreitagesfiktion erfasst. Entsprechend hätte der Senat den unter Beweis gestellten Sachverhalt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Einspruchsentscheidung am 15. Dezember 2015 erst so spät vom Postdienstleister beim LA ... abgeholt worden sei, dass sie erst am Folgetag habe befördert werden können, als wahr unterstellen können. Insoweit hätte es auch keiner Entscheidung bedurft, ob der BFH dem Beweisantritt schon deshalb nicht hätte nachkommen müssen, weil es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handelt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Begründung und insbesondere von einer Darstellung des Sachverhalts sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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