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BFH 05.02.2015 - III R 24/14
BFH 05.02.2015 - III R 24/14 - Fahrtkosten eines Kindes wegen Fachschule und Praktikum
Normen
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 5 EStG 2009, § 12 Nr 5 EStG 2009 vom 07.12.2011, § 9 Abs 6 EStG 2009 vom 07.12.2011, EStG VZ 2011
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 29. August 2013, Az: 2 K 393/12, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Abzugsbegrenzung für Wegekosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist bei einem bezahlten halbjährigen Praktikum nicht zu beachten, wenn dieses lediglich als Teilabschnitt in eine längere und anderenorts stattfindende Ausbildung eingebettet ist, die nicht insgesamt als Ausbildungsdienstverhältnis organisiert ist .
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2. NV: Der Abzug ausbildungsbedingter Mehraufwendungen orientiert sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Werbungskostenabzug. Falls der Werbungskostenabzug nach § 12 Nr. 5 und § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 2011 -BeitrRLUmsG- (BGBl I 2011, 2592) ausgeschlossen ist, weil es sich um Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium handelt, steht dies dem Abzug von Fahrtkosten als ausbildungsbedingten Mehraufwendungen im Rahmen der Grenzbetragsberechnung nicht entgegen .
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3. NV: Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs wie auch des Abzugs ausbildungsbedingter Mehraufwendungen auf die Entfernungspauschale kommt nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht. Eine häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg aufgesuchte Fachschule ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, wenn sie nicht vom Arbeitgeber des Kindes betrieben wird .
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 29. August 2013 2 K 393/12 sowie der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 21. September 2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 5. April 2012 aufgehoben.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre im Jahr 1989 geborene Tochter, die vom 1. August 2008 bis zum 31. Juli 2011 an einer privaten Fachschule zur staatlich anerkannten Erzieherin ausgebildet wurde. Das monatliche Schulgeld belief sich auf 54 €.
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Vom 1. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011 absolvierte die Tochter in einem Kindergarten das nach der Thüringer Fachschulordnung verpflichtende Berufspraktikum, für das sie eine Vergütung erhielt. Im streitigen Zeitraum (1. Januar 2011 bis 31. Juli 2011) suchte sie den von ihrer Wohnung 7 km entfernten Kindergarten an 111 Tagen und die 76 km entfernte Fachschule an 12 Tagen auf.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung für Januar bis Juli 2011 im September 2011 auf, weil die Einkünfte und Bezüge in diesem Zeitraum den anteiligen Grenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 bis 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für 2011 geltenden Fassung in Höhe von (7/12*8004=) 4.669 € voraussichtlich übersteigen würden. Im Einspruchsverfahren ermittelte sie Einkünfte und Bezüge in Höhe von 4.879,51 € und wies daher den Einspruch als unbegründet zurück.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) zog im Gegensatz zur Familienkasse zwar auch die von der Tochter geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab und entschied, die Summe der anzurechnenden Einkünfte und Bezüge belaufe sich danach auf 4.996,50 €, wenn die Fahrten der Tochter von der Wohnung zur Fachschule (547,20 €) und zum Kindergarten (466,20 €) nicht der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (Entfernungspauschale) unterworfen, sondern mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer, d.h. insgesamt mit 1.013,40 € angesetzt würden. Bei seiner Berechnung blieb indessen das von der Tochter gezahlte Schulgeld in Höhe von 378 € unberücksichtigt, obwohl in den Urteilsgründen ausgeführt wird, dass die Studiengebühren als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG abzuziehen seien.
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Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, die vom FG mit 4.996,50 € ermittelten Einkünfte und Bezüge ihrer Tochter seien noch um das Schulgeld in Höhe von 378 € zu vermindern und lägen daher unter dem anteiligen Jahresgrenzbetrag.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, den Aufhebungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie führt aus, das FG habe zwar das Schulgeld --wohl versehentlich-- nicht als Werbungskosten berücksichtigt. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe gleichwohl nicht, denn der anteilige Grenzbetrag sei überschritten, weil die Kosten für die Wege zur Fachschule mit der Entfernungspauschale abgegolten seien.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils, des Aufhebungsbescheids und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das --wie die Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum Januar bis Juli 2011-- das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 bis 8 EStG ein Anspruch auf Kindergeld, wenn die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung des Kindes bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge des Streitzeitraums den (anteiligen) Grenzbetrag --hier 4.669 €-- nicht übersteigen.
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2. Das FG hat die Fahrtkosten zum Kindergarten und zur Fachschule zu Recht nicht mit der sog. Entfernungspauschale, sondern mit den tatsächlich entstandenen Kosten --hier pauschal 0,30 € je gefahrenen Kilometer-- angesetzt.
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a) Die Aufwendungen für die Fahrten zum Kindergarten sind in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abzuziehen.
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Der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind infolge seiner Berufsausbildung --wie hier für das Praktikum-- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten (§ 9 EStG) abzuziehen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Urteile vom 17. Juni 2010 III R 59/09, BFHE 230, 142, BStBl II 2011, 121, und vom 16. Januar 2013 VI R 14/12, BFHE 240, 125, BStBl II 2013, 449).
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Werbungskosten durch berufsbezogene Bildungsmaßnahmen umfassen Fahrtkosten, die grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), soweit der Arbeitnehmer nicht auf deren konkrete Ermittlung verzichtet und die in H 9.5 des Amtlichen Lohnsteuerhandbuchs 2011 vorgesehene Pauschale (0,30 € je Fahrtkilometer) ansetzt.
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Die Abzugsbegrenzung für Wegekosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist grundsätzlich nicht zu beachten, wenn die zu Einkünften führende Bildungsmaßnahme nicht auf Dauer angelegt, sondern wie das hier vorliegende halbjährige bezahlte Praktikum im Kindergarten lediglich als Teilabschnitt in eine längere und anderenorts stattfindende Ausbildung eingebettet ist, die nicht insgesamt als Ausbildungsdienstverhältnis organisiert ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 10. April 2014 III R 35/13, BFHE 245, 207, BStBl II 2014, 1011). Wie bei einer Auswärtstätigkeit besteht in einem solchen Fall typischerweise nicht die Möglichkeit, sich auf die immer gleichen Wege einzustellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinzuwirken (BFH-Urteil in BFHE 240, 125, BStBl II 2013, 449, m.w.N.); derartige Sachverhalte sind auch nicht mit befristeten Arbeitsverhältnissen vergleichbar (vgl. dazu BFH-Urteil vom 6. November 2014 VI R 21/14, BFHE 247, 427, BStBl II 2015, 338).
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b) Die Aufwendungen für die Fahrten zur Fachschule sind ebenfalls in tatsächlicher Höhe abzuziehen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das FG die Kosten für die Fahrten zur Fachschule --etwa wegen einer vorangegangenen Ausbildung der Tochter-- zu Recht als Werbungskosten abgezogen hat oder ob diese als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind.
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aa) Alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG a.F. als besondere Ausbildungskosten von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Der Abzug ausbildungsbedingter Mehraufwendungen orientiert sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Werbungskostenabzug (Senatsurteil vom 22. September 2011 III R 38/08, BFHE 235, 331, BStBl II 2012, 338, m.w.N., zu § 9 Abs. 2 EStG). Falls der Werbungskostenabzug nach § 12 Nr. 5 und § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) ausgeschlossen wäre, weil es sich um Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium handeln sollte, würde dies dem Abzug der Fahrtkosten als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen im Rahmen der Grenzbetragsberechnung nicht entgegenstehen.
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bb) Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs wie auch des Abzugs ausbildungsbedingter Mehraufwendungen auf die Entfernungspauschale scheidet danach aus, weil eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 VI R 44/10, BFHE 236, 431, BStBl II 2013, 234). Die von der Tochter besuchte Fachschule ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, obwohl sie häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg aufgesucht wurde, weil sie nicht vom Arbeitgeber der Tochter betrieben wurde (Senatsurteil in BFHE 245, 207, BStBl II 2014, 1011).
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3. Die Beteiligten gehen zutreffend und in Übereinstimmung mit den Rechtsausführungen des FG-Urteils davon aus, dass das Schulgeld bei der Grenzbetragsberechnung abzuziehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 27. September 2012 III R 13/12, BFHE 239, 123, BStBl II 2014, 28, und in BFHE 240, 125, BStBl II 2013, 449, beide betreffend Studiengebühren). Insoweit ist ebenfalls unerheblich, ob es sich um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen oder um Werbungskosten handelt.
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4. Die Summe der vom FG mit 4.996,50 € ermittelten Einkünfte und Bezüge ist wegen des Schulgeldes um 378 € zu verringern; es verbleiben 4.618,50 € und damit weniger als der anteilige Grenzbetrag.
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5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.
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