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BFH 22.12.2011 - III R 32/05
BFH 22.12.2011 - III R 32/05 - EuGH-Vorlage zum Anspruch auf Differenzkindergeld für Grenzgänger
Normen
Art 267 AEUV, Art 42 EG, Art 13 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 73 EWGV 1408/71, Art 10 EWGV 574/72, § 62 EStG 2002, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 65 Abs 2 EStG 2002, Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 6. Mai 2005, Az: 2 K 365/04, Urteil
nachgehend BFH, 28. Januar 2013, Az: III R 32/05, Beschluss
Leitsatz
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Dem EuGH wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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Ist Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er der Gewährung von (Differenz-)Kindergeld durch einen Wohnmitgliedstaat in den Fällen entgegensteht, in denen ein Kindergeldberechtigter --ebenso wie der andere Elternteil-- in der Schweiz als Grenzgänger einer nichtselbständigen Beschäftigung nachgeht und dort Familienleistungen für seine im Wohnmitgliedstaat lebenden Kinder bezieht, die geringer sind als das im Wohnmitgliedstaat vorgesehene Kindergeld?
Tatbestand
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I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) für sein Kind Anspruch auf sog. Differenzkindergeld hat.
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Der Kläger wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Töchtern in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Beide Ehegatten sind in der Schweiz (Kanton Thurgau) nichtselbständig beschäftigt. Der Kläger erhielt in Deutschland Kindergeld. Nachdem die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) davon erfahren hatte, dass der Kläger für seine Töchter eine Kinder- bzw. Ausbildungszulage von monatlich jeweils 190 Schweizer Franken (sfr) nach dem Recht des Kantons Thurgau bezog, hob sie die Festsetzung durch Bescheid vom 23. März 2004 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Juni 2002 auf und forderte einen Betrag von 5.544 € zurück. Zur Begründung verwies sie auf Art. 13 Abs. 1 der ab 1. Juni 2002 auch im Verhältnis zur Schweiz anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung (VO Nr. 118/97), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (VO Nr. 647/2005). Hiernach bestehe nur im Beschäftigungsland ein Anspruch auf Familienleistungen.
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Das Finanzgericht wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab, mit welcher der Kläger die Gewährung von Kindergeld in Höhe der Differenz zwischen dem deutschen Kindergeld von jeweils monatlich 154 € und der in der Schweiz bezogenen Kinder- bzw. Ausbildungszulage von 190 sfr begehrte. Es war der Ansicht, nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (BGBl II 2001, 810) --Freizügigkeitsabkommen-- werde die Schweiz im Hinblick auf die VO Nr. 1408/71 und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die VO Nr. 647/2005, so behandelt, als wäre sie Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU). Ein Anspruch des Klägers auf (Teil-) Kindergeld sei durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen.
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Zur Begründung der Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor, aufgrund des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 sei Differenzkindergeld zu zahlen, wenn nur ein Ehegatte in der Schweiz beschäftigt sei, nicht aber, wenn --wie im Streitfall-- beide dort arbeiteten. Ein sachlicher Grund für eine solche Differenzierung sei nicht ersichtlich.
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Das Revisionsverfahren wurde durch Beschluss vom 11. Oktober 2006 nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungsbeschwerden 2 BvR 1863/06 und 2 BvR 1864/06 gegen die Senatsurteile vom 24. März 2006 III R 41/05 (BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369) und III R 42/05 (BFH/NV 2006, 1639). Die beiden Entscheidungen, in denen ein Anspruch auf Differenzkindergeld verneint worden war, waren zu vergleichbaren Sachverhalten ergangen. Das BVerfG verband die Beschwerden durch Beschluss vom 24. August 2009 zur gemeinsamen Entscheidung und nahm sie nicht zur Entscheidung an.
Entscheidungsgründe
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II. Der Senat setzt das Revisionsverfahren nach § 121 Satz 1, § 74 FGO aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Leitsatz bezeichnete Frage zur Vorabentscheidung vor.
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1. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der für den streitigen Zeitraum maßgebenden VO Nr. 1408/71 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, vorbehaltlich der --hier nicht einschlägigen-- Art. 14c und 14f der VO Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staats, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt (Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71). Ziel der VO Nr. 1408/71 ist die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Union zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden. Zahl und Reichwerte der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, sind so klein wie möglich zu halten (Erwägungsgründe Nr. 8 und 9 der VO Nr. 1408/71).
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a) Der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Person, die nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften eines ausländischen Mitgliedstaats unterliegt, auch dann keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld hat, wenn sie an sich die Voraussetzungen der §§ 62 ff. EStG erfüllt (vgl. Nachweise im Vorabentscheidungsersuchen des Senats zum EuGH vom 21. Oktober 2010 III R 5/09, BFHE 231, 183, BFH/NV 2011, 360). Auch der EuGH hat den Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer, für den die VO Nr. 1408/71 gilt, nur den Rechtsvorschriften eines Staats unterliegt, in den Urteilen vom 20. Mai 2008 C-352/06, Bosmann (Slg. 2008, I-3827) und vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer (Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht -ZESAR- 2011, 86) erwähnt. Die Rechtssache Bosmann betrifft einen Fall, in dem eine in Deutschland wohnende Kindergeldberechtigte (Frau Bosmann), die für ihre dort lebenden volljährigen Kinder zunächst Kindergeld bezog, in den Niederlanden eine nichtselbständige Tätigkeit aufnahm und dort keinen Anspruch auf Familienleistungen für ihre Kinder hatte, weil diese die nach niederländischem Recht vorgesehene Altersgrenze überschritten. Der EuGH war der Ansicht, dass Frau Bosmann hinsichtlich des Anspruchs auf Familienleistungen grundsätzlich den niederländischen Rechtsvorschriften unterliege. Das Gemeinschaftsrecht verpflichte Deutschland nicht, Frau Bosmann Kindergeld zu gewähren. Jedoch sei daran zu erinnern, dass die Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 "im Licht" des Art. 42 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auszulegen sei, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtern solle und u.a. impliziere, dass Wanderarbeiter nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlören oder geringere Leistungen erhielten, weil sie das ihnen vom EG-Vertrag verliehene Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hätten (vgl. Rechtssache Bosmann in Slg. 2008, I-3827 Rdnr. 29). Der Wohnstaat solle nicht daran gehindert werden, in einem derartigen Fall nach seinem Recht Familienbeihilfen zu gewähren.
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b) Wäre das Ausschließlichkeitsprinzip des Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 weiterhin anzuwenden, so hätte der Kläger des vorliegenden Verfahrens keinen Anspruch in Deutschland auf (Differenz-)Kindergeld. Ein Anspruch auf Familienleistungen bestünde nur nach dem Recht des Kantons Thurgau. Wären allerdings die Ausführungen des EuGH im Urteil Bosmann in Slg. 2008, I-3827 dahin zu verstehen, dass in jedem Fall, in dem ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht und eine Beschäftigung in einem ausländischen Mitgliedstaat aufnimmt, dieser insgesamt keine geringeren Familienleistungen erhalten darf als vor seiner Grenzgängertätigkeit, dann käme die Leistung von Differenzkindergeld in Betracht. Dies widerspräche allerdings dem Prinzip der Ausschließlichkeit, das auch nach Ansicht des EuGH seine Bedeutung nicht verloren hat (vgl. Rechtssache Bosmann in Slg. 2008, I-3827 Rdnr. 17, und Rechtssache Schwemmer in ZESAR 2011, 86 Rdnr. 40).
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c) Der EuGH hat im Urteil vom 7. Juni 2005 C-543/03, Dodl und Oberhollenzer (Slg. 2005, I-5049 Rdnr. 49) und in der Rechtssache Schwemmer in ZESAR 2011, 86 Rdnr. 42 ausgeführt, dass Art. 73 der VO Nr. 1408/71, in dem das Beschäftigungslandprinzip normiert ist, keine absolute Regel darstelle. Vorschriften wie die Art. 13 und 73 der VO Nr. 1408/71 seien bei einer Kumulierung von Ansprüchen gegenüber dem Wohnstaat und gegenüber dem Beschäftigungsstaat den Antikumulierungsregeln der VO Nr. 1408/71 und der VO Nr. 574/72 "gegenüberzustellen" (vgl. Rechtssache Schwemmer in ZESAR 2011, 86 Rdnr. 43). Diese Ausführungen legen die Annahme nahe, dass nach Ansicht des EuGH die Antikumulierungsvorschrift des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72, der unter den dort näher geregelten Voraussetzungen das Ruhen eines Anspruchs auf Familienleistungen in einem Mitgliedstaat in Höhe der in dem anderen Mitgliedstaat geschuldeten Leistungen anordnet, auch in Fällen anwendbar ist, in denen die Ansprüche nur einer (einzigen) Person kumulieren und somit nicht nur die Fälle betrifft, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger einen Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsland hat und einer anderen Person, insbesondere dem anderen Elternteil, ein solcher Anspruch im Wohnmitgliedstaat zusteht.
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2. Das BVerfG hat in einem Verfahren über eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes einen Anspruch auf in Deutschland zu gewährendes Differenzkindergeld in einem Fall verneint, in dem ein Kindergeldberechtigter, der mit seiner Familie in Deutschland wohnte, in der Schweiz als Arbeitnehmer beschäftigt war und dort Familienleistungen für seine in Deutschland lebenden Kinder bezog (Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, BGBl I 2004, 2570). In dem Verfahren ging es um die Verfassungskonformität des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 EStG. Nach dieser Vorschrift ist in Deutschland kein Kindergeld für ein Kind zu gewähren, für das im Ausland Leistungen gezahlt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind. In dem Zeitraum, über den das BVerfG zu entscheiden hatte, war § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG im Verhältnis zur Schweiz von Bedeutung. Um zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschrift zu gelangen, musste sich das BVerfG mit der Frage befassen, ob dem Kläger des Verfahrens ein Anspruch auf Differenzkindergeld aufgrund der Vorschriften in den VO Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 zustand.
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Das BVerfG verneinte dies. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, das Freizügigkeitsabkommen regele, dass die Schweiz im Hinblick auf die VO Nr. 1408/71 und die VO Nr. 574/72 so zu behandeln sei, als wäre sie Mitgliedstaat. Auch die kantonalen Zulagen seien in den Geltungsbereich dieses Abkommens einbezogen. Innerhalb der EU gelte in Bezug auf das Kindergeld für den Grenzgänger selbst uneingeschränkt das Beschäftigungslandprinzip. Der Grenzgänger habe keinen Anspruch auf Differenzkindergeld im Wohnland. Solche Ansprüche auf Differenzausgleich stünden dagegen anderen Personen zu, die für dasselbe Kind aufgrund des Wohnsitzes kindergeldberechtigt seien. Durch die VO Nr. 1408/71 und die Durchführungsverordnung Nr. 574/72 werde der Konkurrenzkonflikt der jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften nach dem Prinzip der grundsätzlichen Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats gelöst. So regele Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der VO Nr. 1408/71, dass alle Personen, die von dieser Verordnung erfasst würden, den Rechtsvorschriften ausschließlich eines Mitgliedstaats unterlägen (Ausschließlichkeitsprinzip), so dass die Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergäben, vermieden würden. Die Frage, welcher Mitgliedstaat zuständig sei, richte sich nach dem Beschäftigungslandprinzip. So gelte gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 für Personen, welche in dem Gebiet eines Mitgliedstaats tätig seien und dort in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis stünden, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz stets das Recht des Tätigkeitsstaats. Die Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 enthielten ein geschlossenes System von Kollisionsnormen. Dieses nehme dem nationalen Gesetzgeber die Befugnis, Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterlägen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalteten. Unterliege ein deutscher Grenzgänger den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaats, sei nach diesem Grundsatz in Deutschland weder Kindergeld noch Differenzkindergeld zu zahlen. Die Vorschrift des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 betreffe nur Fälle, in denen verschiedene Ansprüche aufgrund einer Beschäftigung kumulierten. Beschäftigte, die allein in einem Land tätig seien, erhielten wegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der VO Nr. 1408/71 auch nur in diesem Land Familienleistungen wegen Beschäftigung. Sie unterlägen im Hinblick auf die Familienleistungen nicht den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten. Auch aus Art. 10 der VO Nr. 574/72, der Vorschriften enthalte für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen oder -beihilfen für Arbeitnehmer und Selbständige unter anderem für den Fall, in dem der Erwerb eines Anspruchs nicht von einer Beschäftigung abhänge, ergebe sich kein Anspruch auf Differenzkindergeld. Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 regele, dass der Anspruch auf Leistungen eines Mitgliedstaats, der nicht von einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Versicherung abhängig sei, ausgesetzt werde, wenn und soweit Familienleistungen gleichzeitig allein aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach den Art. 73 f., Art. 77 f. der VO Nr. 1408/71 geschuldet würden. Auch danach bestehe für einen Grenzgänger selbst kein Anspruch auf Differenzkindergeld im Wohnland, denn er unterliege gemäß dem vorrangigen Grundsatz des Art. 13 der VO Nr. 1408/71 allein den Vorschriften des Beschäftigungslandes. Vielmehr regele Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 nur den Fall, dass ein Anspruchsberechtigter einen Anspruch in seinem Beschäftigungsland habe, während ein anderer Anspruchsberechtigter (insbesondere der andere Elternteil) für denselben Familienangehörigen einen Anspruch in dem Wohnland der Familie habe.
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3. Die in dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 110, 412, BGBl I 2004, 2570 aufgestellten Rechtsgrundsätze könnten auf den Streitfall zu übertragen sein. Nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht binden dessen Entscheidungen die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden in Deutschland.
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