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BFH 12.07.2011 - III B 111/10
BFH 12.07.2011 - III B 111/10 - (Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei behauptetem Gleichheitsverstoß - Kein Zulassungsgrund bei Geltendmachung einer von der Rechtsauffassung des FG abweichenden Verwaltungspraxis eines FA - Bestimmung des maßgeblich abstrakten Prüfungsmaßstabes bei Art. 3 Abs. 1 GG bei Geltendmachung verfassungsrechtlicher Bedenken wegen der unterschiedlichen Sachbereiche des einkommensteuerrechtlichen Kindergeldes - Kindergeldberechtigung bei ausländischem Aufenthalt des Kindes)
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2009, § 1 Abs 3 EStG 2009, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 1 Abs 2 EStG 2009, Art 3 Abs 1 GG, § 63 Abs 1 S 3 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 17. Juni 2010, Az: 5 K 380/09, Urteil
nachgehend BVerfG, 22. Oktober 2011, Az: 2 BvR 1855/11, Kammerbeschluss ohne Begründung
Leitsatz
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1. NV: Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung wegen einer behaupteten gleichheitswidrigen Ausgestaltung des Kreises der Kindergeldberechtigten (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG) erfordert insbesondere substantiierte Ausführungen dazu, warum die vorgenommene Abgrenzung der Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des BFH sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt sein soll .
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2. NV: Mit dem bloßem Hinweis auf eine von der Rechtauffassung des FG abweichende Verwaltungspraxis eines Finanzamts wird kein Zulassungsgrund geltend gemacht .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist deutscher Staatsangehöriger. Seine Ehefrau und Tochter A wohnen in Venezuela. Dort hält sich auch der Kläger während des überwiegenden Teils des Jahres auf. Jedenfalls seit dem Jahr 2008 reist der Kläger vorzugsweise gegen Ende des Jahres für einige Monate nach Deutschland, um als Taxifahrer zu arbeiten.
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Der Kläger beantragte im Juni 2009 für seine im Jahr 2001 geborene Tochter A Kindergeld für die Zeit ab Januar 2009. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 8. Juli 2009 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 17. Juni 2010 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, es könne dahinstehen, ob der Kläger nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) oder nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG kindergeldberechtigt sei. Für einen Kindergeldanspruch fehle es jedenfalls an der weiteren Voraussetzung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet (EWR), haben müsse. A lebe im Haushalt der Eltern in Venezuela. Der Ausnahmetatbestand des § 63 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz EStG liege nicht vor, weil der Kläger nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 1 Abs. 2 EStG kindergeldberechtigt sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den eben genannten Ausnahmetatbestand bestünden nicht.
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Mit seiner Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Er trägt im Wesentlichen vor, es sei nicht ersichtlich, warum im Ausland arbeitende deutsche Staatsangehörige des öffentlichen Dienstes für ihre im Ausland lebenden Kinder Kindergeld erhalten würden, nicht hingegen die in der Privatwirtschaft Beschäftigten. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass die Regelung in § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 1 Abs. 2 EStG auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes beschränkt sei. Es müsse eine Kindergeldberechtigung des Klägers nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG oder § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 1 Abs. 2 EStG bestehen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Der Kläger hat die behaupteten Zulassungsgründe nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.
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1. Der Vortrag des Klägers genügt nicht den Anforderungen zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Hierzu bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2010 II B 39/10, BFH/NV 2011, 206). Die Beschwerde muss sich insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie ggf. mit veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46). Macht ein Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der rechtlichen Problematik erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, BFH/NV 2011, 38).
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b) Diesen Erfordernissen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Selbst wenn der Kläger weder einen Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben sollte, ist der behauptete Verfassungsverstoß nicht hinreichend belegt.
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aa) Der Kläger hat schon nicht den für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblichen abstrakten Prüfungsmaßstab aufgezeigt, an dem die in Rede stehenden Vorschriften zu messen sind. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil das einkommensteuerrechtliche Kindergeld zwei unterschiedlichen Sachbereichen --zum einen der steuerlich gebotenen Verschonung des Familienexistenzminimums (Entlastungsfunktion), zum anderen der Förderung der Familie (Förderfunktion)-- zuzuordnen ist und je nachdem, welcher der beiden Bereiche betroffen ist, unterschiedliche Maßstäbe für die Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht kommen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u.a., BVerfGE 82, 60; vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164).
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bb) Soweit die Entlastungsfunktion der in Rede stehenden Vorschriften betroffen ist, ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht ersichtlich, weil im Falle einer unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers --gleichviel, nach welcher Vorschrift-- das Existenzminimum der A durch den Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) freigestellt ist. Dieser Freibetrag wird dem Grunde nach unabhängig davon gewährt, ob das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im In- oder Ausland hat (§ 32 Abs. 6 Satz 4 EStG).
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cc) Soweit der Kläger einen Verfassungsverstoß wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Förderfunktion annehmen will, fehlen jegliche Ausführungen dazu, warum die vorgenommene Abgrenzung der Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des BFH sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt sein soll.
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Bei der Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Allerdings ist dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten nicht gestattet, sachwidrig zu differenzieren (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 164).
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(1) Der Kläger behauptet zwar, die nicht erfolgte Einbeziehung der bei einem privaten Arbeitgeber Beschäftigten in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 EStG sei gleichheitswidrig. Es fehlt aber jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, warum der mit § 1 Abs. 2 EStG verfolgte Zweck --einerseits die Nachteile der beschränkten Steuerpflicht, andererseits das Entstehen unbesteuerter Einkünfte zu vermeiden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 60/05, BFHE 212, 468, BStBl II 2007, 106)-- nicht auch die erfolgte Abgrenzung der Leistungsberechtigten rechtfertigen kann. Im Übrigen können die bei einem privaten Arbeitgeber Beschäftigten nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG kindergeldberechtigt sein.
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(2) Soweit der Kläger einen Gleichheitsverstoß darin erblicken will, dass die in § 1 Abs. 3 EStG genannten Personen zwar als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden und grundsätzlich kindergeldberechtigt sind, aber --anders als die in § 1 Abs. 2 EStG Genannten-- für ihre in deren Haushalt lebenden Kinder, die weder über einen Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-/EWR-Staat verfügen, keinen Kindergeldanspruch haben, finden sich in der Beschwerdebegründung keine Ausführungen zur Frage, warum nicht das Territorialitäts-Prinzip hierfür einen ausreichenden sachlichen Differenzierungsgrund liefern kann. Nach Auffassung des BFH ist die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG als weitere Ausprägung des Territorialitäts-Prinzips nicht sachwidrig (BFH-Urteile vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279; vom 26. Februar 2002 VIII R 85/98, BFH/NV 2002, 912). Hierzu wird im Fachschrifttum u.a. die Meinung vertreten, die Gewährung des der Familienförderung dienenden Kindergeldes für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-/EWR-Staat hätten, jedoch im Haushalt eines Berechtigten nach § 1 Abs. 2 EStG lebten, rechtfertige sich mit dem bei diesem Personenkreis typischerweise fortbestehenden Inlandsbezug (Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 63 EStG Rz 72; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 63 EStG Rz 19). Gleichwohl enthält die Beschwerdebegründung hierzu keine Ausführungen.
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2. Mit dem Hinweis auf eine von der Rechtsauffassung des FG abweichende Verwaltungspraxis eines Finanzamtes wird kein Zulassungsgrund geltend gemacht.
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a) Der Tatbestand einer Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist damit nicht schlüssig dargelegt. Es ist schon nicht erkennbar, ob das genannte Finanzamt tatsächlich eine vom FG abweichende Rechtsauffassung vertritt. Aber selbst eine hiervon in Einzelfällen abweichende Handhabung durch das Finanzamt würde keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen. Ein Klärungsbedarf wegen generell unterschiedlicher Verfahrensweisen der Verwaltung --z.B. aufgrund voneinander abweichender Verwaltungsanweisungen-- ist nicht geltend gemacht (vgl. Senatsbeschluss vom 19. August 1999 III B 38/97, BFH/NV 2000, 212). Aus den gleichen Gründen ist auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO), der ein spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision ist, nicht hinreichend dargelegt.
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b) Es liegt auch keine zulässige Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) vor, weil schon keine vom FG-Urteil abweichende andere Gerichtsentscheidung angeführt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Mai 2009 VII B 233/08, BFH/NV 2009, 1455).
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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