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BFH 09.03.2011 - IX R 9/10
BFH 09.03.2011 - IX R 9/10 - Beitritts-Aufforderung BMF: außerordentliche Einkünfte, Zusammenballung, Vergleichsberechnung
Normen
§ 24 Nr 1 EStG 2002, § 34 Abs 1 EStG 2002, § 34 Abs 2 Nr 2 EStG 2002, § 122 Abs 2 S 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 1. Dezember 2009, Az: 3 K 965/08, Urteil
Leitsatz
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NV: Das BMF wird zum Beitritt in dem Revisionsverfahren aufgefordert, in dem die ermäßigte Besteuerung außerordentlicher Einkünfte (§ 34 Abs. 1 EStG) in Gestalt einer an die Klägerin gezahlten Entschädigung (§ 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) unter dem Gesichtspunkt der Zusammenballung von Einkünften streitig ist .
Tatbestand
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I. Im Jahr 2005 erhielt die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) als Beschäftigte einer AG einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 64.014 €, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrugen 63.094 €. Bis zum 31. März des Streitjahres (2006) erzielte sie einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 16.699 €.
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Das Arbeitsverhältnis wurde Ende März durch Ausscheidensvereinbarung mit der AG beendet. Als Ausgleich dafür zahlte die AG eine Abfindung in Höhe von 46.653,48 €, in Höhe von 7.200 € steuerfrei. Vom 24. Juni bis zum 22. Dezember des Streitjahres bezog die Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 9.197 €. Danach meldete sie ein Gewerbe an und erzielte daraus im Streitjahr negative Einkünfte in Höhe von 13.158 €.
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In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte die Klägerin, den steuerpflichtigen Teil der Abfindung (46.653 € - 7.200 € = 39.453 €) nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern.
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Berechnung der Klägerin:
Einnahmen 2005:
§ 19 EStG
64.014 €
Einnahmen 2006:
§ 19 EStG
16.699 €
laufende Einkünfte bis 31. März
§ 3 Nr. 9 EStG
7.200 €
steuerfreier Abfindungsteil
39.453 €
steuerpflichtiger Entschädigungsteil
§ 3 Nr. 2 EStG
9.197 €
steuerfreies Arbeitslosengeld
Summe 2006:
72.549 €
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab, weil er unter Einbeziehung der negativen Einkünfte nicht zu einer die bisherigen Einkünfte übersteigenden Zusammenballung von Einkünften gekommen sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Berechnung des FA:
Einkünfte 2005:
§ 19 EStG
64.014 €
- 920 €
Arbeitnehmer-Pauschbetrag
63.094 €
Einkünfte 2006:
§ 19 EStG
16.699 €
laufende Einkünfte bis 31. März
- 920 €
Arbeitnehmer-Pauschbetrag
+ 39.453 €
steuerpflichtiger Entschädigungsteil
+ 9.197 €
steuerfreies Arbeitslosengeld
64.429 €
§ 15 EStG
- 13.158 €
= 51.271 €
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abweichend in der Einspruchsentscheidung
Einkünfte 2006:
§ 19 EStG
16.699 €
laufende Einkünfte bis 31. März
- 920 €
Arbeitnehmer-Pauschbetrag
+ 39.453 €
steuerpflichtiger Entschädigungsteil
55.232 €
§ 15 EStG
- 13.158 €
= 42.074 €
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Das Finanzgericht gab der Klage statt (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1789). Die streitigen außerordentlichen Einkünfte stellten eine "besondere Abteilung" innerhalb der Summe der Einkünfte bzw. der jeweiligen Einkunftsart dar, ihr Umfang sei daher für sich gesondert zu ermitteln. Eine Kürzung um laufende Verluste erfolge nicht.
Entscheidungsgründe
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II. In dem anhängigen Revisionsverfahren ist zu prüfen, ob die für die ermäßigte Besteuerung von außerordentlichen Einkünften nach § 34 Abs. 1 EStG (in Gestalt einer an die Klägerin gezahlten Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) erforderliche Zusammenballung von Einkünften vorliegt.
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Der erkennende Senat hält es für angezeigt, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung zum Beitritt aufzufordern. Im Falle eines Beitritts wäre es nach Auffassung des Senats sachdienlich, wenn das BMF zu nachfolgenden Fragen Stellung nimmt.
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1. Welche Bedeutung hat die Einordnung der außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 EStG als "besondere Abteilung"? Bezieht sie sich nur auf das Tatbestandsmerkmal (des § 34 Abs. 1 EStG) "sind in dem zu versteuernden Einkommen ... enthalten" oder hat sie darüber hinaus auch Bedeutung für die sog. Vergleichsberechnung (im Rahmen des § 34 Abs. 2 EStG) bei der Prüfung der Zusammenballung?
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2. Im Rahmen der Vergleichsberechnung sind zwei Größen einander gegenüberzustellen: die "Ist-Größe", also das, was der Steuerpflichtige in dem betreffenden Veranlagungszeitraum (Streitjahr) einschließlich der Entschädigung insgesamt erhält, und die "Soll-Größe", nämlich die Einkünfte, die der Steuerpflichtige bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses (bei normalem Ablauf der Dinge) erhalten hätte. Es fragt sich, welche Einkünfte bei der "Ist-Größe" zu berücksichtigen sind:
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- sämtliche positiven und negativen Einkünfte oder
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- nur solche, die in einem (gewissen) Veranlagungszusammenhang mit der beendeten Arbeitstätigkeit stehen, und
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- auch Lohnersatzleistungen wie im Streitfall das nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreie Arbeitslosengeld (so etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Februar 2003 XI B 140/02, BFH/NV 2003, 772; BMF-Schreiben vom 24. Mai 2004, BStBl I 2004, 505, Rz 12 2. Absatz letzter Satz vor Beispiel 1)?
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3. Nach h.M. kommt es auf einen konkreten Progressionsnachteil nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787, m.w.N.; Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 34 Rz 15; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 34 Rz 8; BMF in BStBl I 2004, 505 Rz 12 1. Absatz). Sollte angesichts des Normzwecks des § 34 EStG, nämlich eine für den Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmalige und außergewöhnliche Progressionsbelastung abzumildern, die Vergleichsberechnung nicht genau darauf abheben und daher nur im Fall einer tatsächlich höheren Progressionsbelastung der "Ist-Größe" die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG zur Anwendung kommen?
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