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EuGH 04.05.2023 - C-516/21
EuGH 04.05.2023 - C-516/21 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 4. Mai 2023 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c – Ausnahmen von der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l – Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen im Rahmen der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes“
Leitsatz
In der Rechtssache C-516/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. Mai 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 20. August 2021, in dem Verfahren
Finanzamt X
gegen
Y
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und A. Hoesch als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und V. Uher als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2022
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt X (Deutschland) und Y über die Mehrwertsteuerpflicht eines Umsatzes aus der Überlassung von Vorrichtungen und Maschinen im Rahmen der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrichtlinie
Titel IX der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält ein Kapitel 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“), in dem Art. 135 dieser Richtlinie enthalten ist, in dem es heißt:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.
(2) Die folgenden Umsätze sind von der Befreiung nach Absatz 1 Buchstabe l ausgeschlossen:
…
Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen;
Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen;
…
Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen von der Befreiung nach Absatz 1 Buchstabe l vorsehen.“
Durchführungsverordnung Nr. 282/2011
In Art. 13b Buchst. d der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2011, L 77, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 (ABl. 2013, L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung Nr. 282/2011) heißt es:
„Für die Zwecke der Anwendung der [Mehrwertsteuerrichtlinie] gilt als ‚Grundstück‘
…
Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.“
Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1042/2013 gilt Art. 13b der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 ab dem 1. Januar 2017.
Deutsches Recht
§ 4 Nr. 12 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes vom 21. Februar 2005 (BGBl. 2005 I S. 386) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:
„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
…
12. a) die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken …“
Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sind „[n]icht befreit … die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind“.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Y vermietete in den Jahren 2010 bis 2014 im Rahmen eines Pachtvertrags ein Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Dem vorlegenden Gericht zufolge gehörten zu diesen Vorrichtungen und Maschinen u. a. eine Industrieförderspirale zur Fütterung der Puten sowie ein Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssystem zur Sicherung einer dem Entwicklungsstadium der Tiere entsprechenden Temperatur und Ausleuchtung, die gewährleisteten, dass die Puten in der vorgegebenen Zeit unter den bis zur Erreichung ihrer Schlachtreife erforderlichen Bedingungen aufgezogen wurden. Diese Vorrichtungen und Maschinen waren speziell auf die Nutzung des Gebäudes als Putenaufzuchtstall abgestimmt.
Nach den Bestimmungen des Pachtvertrags erhielt Y ein einheitliches Entgelt für die Überlassung des Zuchtstalls sowie der Vorrichtungen und Maschinen. Y ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung insgesamt umsatzsteuerfrei sei.
Das Finanzamt vertrat hingegen die Ansicht, dass die Pacht der fraglichen Vorrichtungen und Maschinen nicht von der Umsatzsteuer befreit sei und dass das vereinbarte einheitliche Entgelt, das zu 20 % auf die Maschinen und Vorrichtungen entfalle, insoweit umsatzsteuerpflichtig sei. Es erließ für die streitigen Jahre Steueränderungsbescheide.
Das Finanzgericht (Deutschland) gab unter Berufung sowohl auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs als auch des Bundesfinanzhofs (Deutschland) der Klage von Y gegen diese Bescheide mit der Begründung statt, dass die in Rede stehende Leistung bei der Verpachtung vollständig steuerfrei sein müsse. Die Überlassung von Vorrichtungen und Maschinen war nach Ansicht dieses Gerichts nämlich eine Nebenleistung zur Überlassung des Zuchtstalls und müsse ebenso wie diese steuerfrei sein.
Das Finanzamt legte gegen dieses Urteil Revision beim vorlegenden Gericht, dem Bundesfinanzhof (Deutschland) ein.
Dieser hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie.
Das vorlegende Gericht führt erstens unter Berufung auf das Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038), aus, dass die Verpachtung von Industrieförderspiralen sowie von Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssystemen nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie mehrwertsteuerfrei sei. Diese Auslegung werde durch Art. 13b Buchst. d der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sowie durch das deutsche Zivilrecht bestätigt, wonach mit einem Zuchtstall fest verbundene Gegenstände wesentliche Grundstücksbestandteile seien.
Zweitens ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass ungeachtet des unterschiedlichen Wortlauts von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie und unabhängig von den Unterschieden zwischen den Sprachfassungen dieser Richtlinie die Verpachtung und die Vermietung für die Zwecke der Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie gleich zu behandeln seien.
Drittens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich aus dem Urteil vom 4. März 2021, Frenetikexito (C-581/19, EU:C:2021:167), ergebe, dass bei einem wirtschaftlichen Vorgang, der ein Leistungsbündel darstelle, eine Gesamtbetrachtung erforderlich sei, um zu ermitteln, ob sich ihm eine oder mehrere Leistungen entnehmen ließen, wobei jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten sei, oder ob sie ein untrennbares Ganzes bildeten, das nicht künstlich aufgespalten werden dürfe.
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das Finanzgericht auf der Grundlage dieser Rechtsprechungsgrundsätze entschieden habe, dass im vorliegenden Fall die Überlassung der Vorrichtungen und Maschinen, die als speziell abgestimmte Ausstattungselemente nur der Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen gedient hätten, eine Nebenleistung zur Überlassung des Gebäudes als Hauptleistung gewesen sei. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, das das Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038), anführt, steht eine solche Beurteilung, der zufolge es sich bei der erbrachten Leistung um eine einheitliche Leistung handele, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs.
Das vorlegende Gericht hält zwei Auslegungen von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie in diesem Zusammenhang für möglich.
Nach einer ersten Auslegung erlaubten es die Grundsätze, die der Gerichtshof zur Feststellung des Vorliegens einer einheitlichen wirtschaftlichen Leistung entwickelt habe, eine Leistung, die nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie grundsätzlich der Mehrwertsteuer zu unterwerfen sei, von dieser Steuer zu befreien, wenn sie eine Nebenleistung zu einer steuerfreien Leistung darstelle. Diese Auslegung werde durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, insbesondere durch die Urteile vom 13. Juli 1989, Henriksen (173/88, EU:C:1989:329, Rn. 17 und 18), vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038), das die Übertragung von Inventargegenständen im Rahmen der Vermietung eines Restaurants betroffen habe, und vom 18. Januar 2018, Stadion Amsterdam (C-463/16, EU:C:2018:22), wonach eine einheitliche Leistung zu dem Mehrwertsteuersatz zu besteuern sei, der sich nach dem Hauptbestandteil richte.
Daraus folge, dass sich die Anwendung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie auf Fälle beschränke, in denen die Überlassung der auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen unabhängig von der Überlassung eines Gebäudes oder Grundstücks erfolge.
Nach einer zweiten Auslegung könnte aus Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie abzuleiten sein, dass die einheitlichen wirtschaftlichen Vorgänge aufzuspalten seien, indem die nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreiten Leistungen von den Leistungen unterschieden würden, die nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c dieser Richtlinie der Mehrwertsteuer unterlägen.
Auch eine solche Auslegung finde eine Stütze in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere im Urteil vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 43), wonach die für eine Grundstücksvermietung gewährte Steuerfreiheit, die darauf beruhe, dass dieser Vermietung passiver Charakter zukomme, nicht mehr gerechtfertigt sei, wenn die Vermietung mit anderen, geschäftlichen Tätigkeiten wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung sowie Zurverfügungstellung anderer Anlagen seitens des Eigentümers des Grundstücks einhergehe, so dass, sofern nicht ganz besondere Umstände vorlägen, die Vermietung keine ausschlaggebende Leistung darstellen könne. Daraus könnte sich ergeben, dass die in Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannte Überlassung von Vorrichtungen und Maschinen nicht passiv erfolge, sondern wesentlich dadurch geprägt sei, dass sie in betriebsbereitem Zustand gehalten würden.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage vorzulegen:
Erfasst die Steuerpflicht der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen gemäß Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie
nur die isolierte (eigenständige) Vermietung derartiger Vorrichtungen und Maschinen oder auch
die Vermietung (Verpachtung) derartiger Vorrichtungen und Maschinen, die aufgrund einer zwischen denselben Parteien erfolgenden Gebäudeverpachtung (und als Nebenleistung zu dieser) nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie steuerfrei ist?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf die Vermietung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.
Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt, dass die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie für die Verpachtung und Vermietung von Grundstücken vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung ausgeschlossen ist.
Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das vorlegende Gericht keine Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie auf einen Fall hat, in dem die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von einer Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes unabhängig erfolgt.
Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass im Ausgangsverfahren die Überlassung solcher Vorrichtungen und Maschinen eine Nebenleistung zu der Hauptleistung sei, die in der Überlassung des Gebäudes bestehe, und mit dieser untrennbar verbunden sei, so dass diese Überlassungen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eine einheitliche Leistung darstellten.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (Urteil vom 25. März 2021, Q-GmbH [Versicherungsschutz für besondere Risiken], C-907/19, EU:C:2021:237, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Jeder Umsatz ist zwar im Hinblick auf die Mehrwertsteuer in der Regel als eigenständige und selbständige Leistung zu betrachten; ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Q-GmbH [Versicherungsschutz für besondere Risiken], C-907/19, EU:C:2021:237, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Das ist namentlich dann der Fall, wenn ein Teil oder mehrere Teile als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Teile als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 25. März 2021, Q-GmbH [Versicherungsschutz für besondere Risiken], C-907/19, EU:C:2021:237, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Rahmen einer solchen wirtschaftlich einheitlichen Leistung teilt die Nebenleistung das mehrwertsteuerliche Schicksal der Hauptleistung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Februar 1999, CPP, C-349/96, EU:C:1999:93, Rn. 32, und vom 21. Juni 2007, Ludwig, C-453/05, EU:C:2007:369, Rn. 20).
Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Vermietung von Grundstücken, die unter Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt, und die mit dieser Vermietung zusammenhängenden Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer eine einheitliche Leistung der Vermietung von Grundstücken darstellen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Field Fisher Waterhouse, C-392/11, EU:C:2012:597, Rn. 28). Darüber hinaus stellte der Gerichtshof im Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 39 bis 41), fest, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Pachtvertrag, der eine Immobilie, die einem Geschäftsbetrieb diente, sowie für diesen Betrieb erforderlichen Sachanlagen und Inventargegenstände zum Gegenstand hat, eine einheitliche Leistung darstellt, bei der die Verpachtung der Immobilie die Hauptleistung war.
Ferner hat der Gerichtshof bei der Auslegung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1), die im Wesentlichen denselben Wortlaut wie Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie hatten, festgestellt, dass, da der Begriff der Vermietung von Grundstücken notwendigerweise die Vermietung von Gegenständen, die den Hauptgegenstand dieser Vermietung bildeten und deren Zubehör umfasste, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen nicht von der Mehrwertsteuerbefreiung für die Vermietung von Grundstücken ausgeschlossen war, wenn sie mit der Vermietung dieser Grundstücke eng verbunden war, so dass beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 1989, Henriksen, 173/88, EU:C:1989:329, Rn. 14 bis 17).
Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, stellt Art. 135 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie daher keine Bestimmung dar, aus der sich, wie die deutsche Regierung vorträgt, das Erfordernis ergäbe, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen.
Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Begriffe, mit denen die in Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat, C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher sind Ausnahmen von einer solchen von der Geltung der Mehrwertsteuer abweichenden Bestimmung, die dazu führt, dass die von ihr erfassten Umsätze gemäß der Grundregel, auf der diese Richtlinie beruht, der Besteuerung unterliegen, weit auszulegen (Beschluss vom 1. Dezember 2021, Pilsētas zemes dienests, C-598/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:971, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Grundsätze stehen jedoch der Anwendung der Rechtsprechung, nach der die verschiedenen Leistungen, die eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer derselben Regelung unterliegen, nicht entgegen. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass, würde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, auf die einzelnen Bestandteile einer einheitlichen Leistung verschiedene Mehrwertsteuersätze anzuwenden, dies darauf hinausliefe, dass ihnen eine künstliche Aufspaltung dieser Leistung eingeräumt wird, und die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2018, Stadion Amsterdam, C-463/16, EU:C:2018:22, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall geht es im Ausgangsverfahren um die Verpachtung eines Zuchtstalls und der in diesem Gebäude auf Dauer eingebauten Anlagen, die speziell an diese Zucht angepasst sind, wobei der Pachtvertrag zwischen denselben Parteien geschlossen ist und ein einheitliches Entgelt vorliegt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Leistungen, wie es nahe zu liegen scheint, eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellen.
Sollte dies der Fall sein, ergibt sich aus der oben in den Rn. 31 bis 33 angeführten Rechtsprechung, dass im Fall einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung, die zusammengesetzt ist aus einer nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreiten Hauptleistung in Form der Verpachtung oder Vermietung eines Grundstücks und einer mit der Hauptleistung untrennbar verbundenen Nebenleistung, die nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c dieser Richtlinie grundsätzlich von dieser Befreiung ausgeschlossen ist, die Nebenleistung steuerlich ebenso zu behandeln ist wie die Hauptleistung. Es ist ebenfalls Sache des nationalen Gerichts, zu bestimmen, ob es sich bei den Leistungen, die eine solche wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden, um eine Hauptleistung oder eine Nebenleistung handelt.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf die Vermietung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
er auf die Vermietung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.
Lycourgos
Rossi
Bonichot
Rodin
Spineanu-Matei
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Mai 2023.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Kammerpräsident
C. Lycourgos
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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