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EuGH 13.10.2022 - C-431/21
EuGH 13.10.2022 - C-431/21 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer) - 13. Oktober 2022 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr – Körperschaftsteuer – Bestimmung des steuerbaren Einkommens von Gesellschaften – Umsätze mit Auslandsbezug – Steuerliche Dokumentationspflicht für Geschäftsbeziehungen zwischen verflochtenen Personen – Schätzung und Erhöhung des steuerbaren Einkommens als Sanktion“
Leitsatz
In der Rechtssache C-431/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Bremen (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juli 2021, in dem Verfahren
X GmbH & Co. KG
gegen
Finanzamt Bremen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der X GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwälte S. Stahlschmidt und J. Uterhark sowie Steuerberaterin M. Giese,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und V. Uher als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 und 49 EG sowie der Art. 49 und 56 AEUV.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der X GmbH & Co. KG und dem Finanzamt Bremen (Deutschland) über einen Zuschlag auf das steuerbare Einkommen (im Folgenden: Steuerzuschlag), den dieses wegen Nichterfüllung der steuerlichen Aufzeichnungspflichten zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen festgesetzt hatte.
Rechtlicher Rahmen
In § 90 der Abgabenordnung (BGBl. 2002 I S. 3866) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: AO), in dem es um die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen geht, heißt es:
„(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
…
(3) Bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, hat ein Steuerpflichtiger über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 des [Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) vom 8. September 1972 (BGBl. 1972 I S. 1713) (im Folgenden: AStG)] Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden. Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind die Aufzeichnungen zeitnah zu erstellen. Die Aufzeichnungspflichten gelten entsprechend für Steuerpflichtige, die für die inländische Besteuerung Gewinne zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen oder den Gewinn der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens zu ermitteln haben. Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen. Die Finanzbehörde soll die Vorlage von Aufzeichnungen in der Regel nur für die Durchführung einer Außenprüfung verlangen. Die Vorlage richtet sich nach § 97 mit der Maßgabe, dass Absatz 2 dieser Vorschrift keine Anwendung findet. Sie hat jeweils auf Anforderung innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu erfolgen. Soweit Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle vorzulegen sind, beträgt die Frist 30 Tage. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.“
§ 162 („Schätzung von Besteuerungsgrundlagen“) AO bestimmt:
„(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
…
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 dadurch, dass er die Aufzeichnungen nicht vorlegt, oder sind vorgelegte Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 3 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 nicht vor oder sind vorgelegte Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5.000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5.000 Euro ergibt. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1.000.000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dessen Zweck, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen.“
§ 1 Abs. 2 AStG in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:
„Dem Steuerpflichtigen ist eine Person nahe stehend, wenn
die Person an dem Steuerpflichtigen mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt (wesentlich beteiligt) ist oder auf den Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige an der Person wesentlich beteiligt ist oder auf diese Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
eine dritte Person sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
X, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in Bremen (Deutschland), die Beteiligungen hält und verwaltet. Daneben erbringt sie Service-, Beratungs- und Managementleistungen. Zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens hielt sie sämtliche Anteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Deutschland, die ihrerseits sämtliche Anteile an vier weiteren Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz in Deutschland hielt.
X hat als Komplementärin eine in Deutschland ansässige Gesellschaft und als Kommanditistin eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft, bei deren Alleingesellschafterin Y es sich ebenfalls um eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft handelt.
2013 wurden X und die Komplementärgesellschaft verschmolzen.
Y erbrachte aufgrund eines für 2007 mit der Komplementärin von X und danach mit X geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags Dienstleistungen.
Dieser Vertrag sieht vor, dass die Vergütung von Y die tatsächlich entstandenen Kosten und Aufwendungen berücksichtigt, ausgenommen die Kosten, die im gesellschaftlichen Interesse von Y anfielen (im Folgenden: erstattungsfähige Kosten).
Y ist verpflichtet, Unterlagen zu den erstattungsfähigen Kosten sowie eine detaillierte jährliche Abrechnung zu erstellen. Der Vorlageentscheidung lässt sich entnehmen, dass Y allerdings keine solche Abrechnung erstellte.
X wurde für die Geschäftsjahre 2007 bis 2010 u. a. im Hinblick auf die an Y gezahlten Managementkosten einer Steuerprüfung unterzogen. Die Dokumentation gemäß der in § 90 Abs. 3 AO vorgesehenen Pflicht (im Folgenden: steuerliche Dokumentationspflicht), die von X angefordert wurde, befand die deutsche Steuerbehörde für unzureichend.
Am 7. Januar 2016 teilte die von X eingeschaltete niederländische Steuerbehörde der deutschen Steuerbehörde mit, dass Y ihre Kosten einschließlich der nicht erstattungsfähigen Kosten in voller Höhe X in Rechnung gestellt habe.
Am 17. März 2016 schlossen X und die deutsche Steuerbehörde unter Beteiligung von Y eine tatsächliche Verständigung ab, der zufolge ein Teil der Zahlungen von X an Y im streitigen Zeitraum in Höhe von jährlich 400000 Euro und eines Gesamtbetrags von 1,6 Mio. Euro fehlerhaft als Betriebsausgaben erfasst worden war.
In ihrem Bericht vom 10. Juni 2016 führte die deutsche Steuerbehörde aus, dass die von X im Rahmen ihrer steuerlichen Dokumentationspflicht vorgelegten Unterlagen nicht verwertbar gewesen seien.
Die Steuerbehörde verhängte folglich am 8. November 2016 gegen X einen Zuschlag, der 5 % der – von der Behörde auf 20000 Euro pro Jahr geschätzten – zusätzlichen Einnahmen von X entsprach und sich damit auf insgesamt 80000 Euro belief.
Am 9. Dezember 2016 legte X bei der Steuerbehörde Einspruch gegen diese Entscheidung ein; dieser wurde zurückgewiesen.
Am 27. Dezember 2017 erhob X beim Finanzgericht Bremen (Deutschland) gegen die Einspruchsentscheidung eine Klage, in deren Rahmen sie geltend machte, § 162 Abs. 4 AO, auf dessen Grundlage der Steuerzuschlag gegen sie verhängt worden sei, verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit.
Das Finanzgericht Bremen weist darauf hin, dass der Bundesfinanzhof (Deutschland) entschieden habe, dass die steuerliche Dokumentationspflicht eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle, die durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden könne, insbesondere durch die Notwendigkeit, die Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und eine wirksame Steueraufsicht zu ermöglichen. Er habe allerdings keine Entscheidung darüber getroffen, ob ein Steuerzuschlag, der bei einem Verstoß gegen diese Pflicht verhängt werden könne, mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte dieser Zuschlag über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Bremen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die die Niederlassungsfreiheit gewährleistenden Art. 43 EGV bzw. 49 AEUV (bzw. die die Dienstleistungsfreiheit gewährleistenden Art. 49 EGV bzw. Art. 56 AEUV) so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Steuerpflichtige bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen Aufzeichnungen zu erstellen hat, welche auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden umfassen, und wonach dann, wenn der Steuerpflichtige die genannten Aufzeichnungen auf Anforderung der Finanzverwaltung nicht vorlegt oder die vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind, nicht nur widerlegbar vermutet wird, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind, und, wenn in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen hat und diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur aufgrund von Preisspannen bestimmt werden können, dieser Rahmen zulasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden kann, sondern außerdem ein Zuschlag festzusetzen ist, der mindestens 5 % und höchstens 10 % des ermittelten Mehrbetrags der Einkünfte, aber mindestens 5000 Euro, und bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen bis zu 1000000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, beträgt, wobei von der Festsetzung eines Zuschlags nur dann abzusehen ist, wenn die Nichterfüllung der Aufzeichnungspflichten entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist?
Zur Vorlagefrage
Vorbemerkungen
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sich bereits aus dem Wortlaut und der Formulierung der Vorlagefrage ergibt, dass es um die Erteilung von Hinweisen zur Auslegung des Unionsrechts geht, die es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, nicht nur die Vereinbarkeit des Steuerzuschlags selbst, mit dem die Missachtung der steuerlichen Dokumentationspflicht geahndet wird, mit dem Unionsrecht zu beurteilen, sondern auch diese Pflicht als solche.
Für die Zwecke des Ausgangsverfahrens erscheint es hingegen nicht erforderlich, dem vorlegenden Gericht Anhaltspunkte für eine Beurteilung an die Hand zu geben, ob die von ihm thematisierten Aspekte der deutschen Regelung zum Steuerzuschlag bei verspäteter Vorlage der anwendbaren steuerlichen Dokumentation mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
Zur anzuwendenden Verkehrsfreiheit
Da sich die Vorlagefrage auf die Bestimmungen des EG-Vertrags und des AEU-Vertrags zur Niederlassungsfreiheit und zum freien Dienstleistungsverkehr bezieht, muss geklärt werden, welche Freiheit im Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist.
Hierzu ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass für die Feststellung, ob eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere Verkehrsfreiheit fällt, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen ist (Urteil vom 21. Januar 2010, SGI, C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Übrigen fällt eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit (Urteil vom 31. Mai 2018, Hornbach-Baumarkt, C-382/16, EU:C:2018:366, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hierzu ist festzustellen, dass sich die steuerliche Dokumentationspflicht nur auf grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle zwischen sich „nahe stehenden“ Unternehmen im Sinne des nationalen Rechts bezieht, wobei dieses Näheverhältnis durch das Bestehen einer auf das Kapital oder andere Punkte bezogenen Verflechtung definiert wird, die sich – offenbar in jedem Fall – durch einen sicheren Einfluss des einen Unternehmens auf das andere auszeichnet. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich das Näheverhältnis wie im Ausgangsrechtsstreit durch den Umstand auszeichnet, dass eine Person unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung hält, die mindestens einem Viertel des Kapitals des Steuerpflichtigen entspricht. Y hält nämlich mittelbar über eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft 100 % des Kapitals der in Deutschland ansässigen X.
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen sind die nationalen Rechtsvorschriften ausschließlich im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit zu prüfen.
Wenngleich sich das vorlegende Gericht in seiner Frage auf die Niederlassungsfreiheit bezogen hat, die jeweils in Art. 43 EG und Art. 49 AEUV verankert ist, wird im Übrigen nur auf Art. 49 AEUV Bezug genommen, wobei die Auslegung in jedem Fall auch für Art. 43 EG gilt.
Folglich ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen erstens der Steuerpflichtige einer Dokumentationspflicht im Hinblick auf Art und Inhalt sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen seiner grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle mit Personen unterliegt, zu denen eine auf das Kapital oder andere Punkte bezogene Verflechtung besteht, die es diesem Steuerpflichtigen oder diesen Personen ermöglicht, auf den oder die jeweils anderen einen sicheren Einfluss auszuüben, und nach denen zweitens vorgesehen ist, dass bei einem Verstoß gegen diese Pflicht nicht nur widerlegbar vermutet wird, dass seine steuerbaren Einkünfte im betreffenden Mitgliedstaat höher sind als die erklärten Einkünfte, wobei die Steuerbehörde zulasten des Steuerpflichtigen eine Schätzung vornehmen kann, sondern auch ein Zuschlag verhängt wird, der mindestens 5 % und höchstens 10 % des ermittelten Mehrbetrags der Einkünfte bei einem Mindestbetrag von 5000 Euro beträgt, es sei denn, die Nichterfüllung dieser Pflicht ist entschuldbar oder das Verschulden geringfügig.
Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
Zur Steuererklärungspflicht
Nach ständiger Rechtsprechung ist mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Unionsbürgern gewährt, gemäß Art. 54 AEUV für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, eine Zweigniederlassung oder eine Agentur auszuüben (Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Gerichtshof hat insbesondere entschieden, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt, wenn eine nationale Regelung vorsieht, dass außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile, die eine gebietsansässige Gesellschaft einer mit ihr verflochtenen Gesellschaft gewährt, den eigenen Gewinnen der erstgenannten Gesellschaft nur dann hinzugerechnet werden, wenn die empfangende Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist (Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall bezieht sich die steuerliche Dokumentationspflicht auf grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle zwischen einer gebietsansässigen und einer anderen Gesellschaft, mit der eine auf das Kapital oder andere Punkte bezogene Verflechtung besteht, die es dieser anderen Gesellschaft ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die gebietsansässige Gesellschaft auszuüben. Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt sich ferner, dass gebietsansässige Gesellschaften für Geschäftsvorfälle mit anderen gebietsansässigen Gesellschaften keiner vergleichbaren Pflicht unterliegen.
Eine solche Ungleichbehandlung kann eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV darstellen, da im Besteuerungsstaat ansässige Gesellschaften ungünstiger behandelt werden, wenn die mit ihnen verflochtenen Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.
Eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft könnte sich nämlich veranlasst sehen, von dem Erwerb, der Gründung oder der Aufrechterhaltung einer Zweigniederlassung in diesem zuerst genannten Mitgliedstaat abzusehen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine steuerliche Maßnahme, die geeignet ist, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken, aber nur dann statthaft, wenn sie Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch vom Unionsrecht anerkannte zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In diesem Fall muss die Beschränkung außerdem geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hierzu ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass bei der Prüfung der Vergleichbarkeit einer grenzüberschreitenden Situation mit einer mitgliedstaatsinternen Situation das mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgte Ziel sowie ihr Zweck und ihr Inhalt zu berücksichtigen sind (Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds], C-342/20, EU:C:2022:276, Rn. 69).
Die deutsche Regierung argumentiert dagegen im Wesentlichen mit dem Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht über die Verrechnungspreise zu gewährleisten, damit überprüft werden kann, ob die grenzüberschreitenden Umsätze des Steuerpflichtigen mit verbundenen Unternehmen den Marktbedingungen entsprechen, was weniger eine Frage der Vergleichbarkeit der Situationen ist, sondern eher der Rechtfertigung mit dem Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. entsprechend Urteil vom 31. Mai 2018, Hornbach-Baumarkt, C-382/16, EU:C:2018:366, Rn. 40).
Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt sich nämlich, dass eine solche Regelung durch die Erleichterung von Steuerprüfungen das Ziel verfolgt, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, was, wie der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen ist, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C-269/09, EU:C:2012:439, Rn. 63, und vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 31).
Die Notwendigkeit, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, kann dann eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, wenn mit der untersuchten Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Besteuerungszuständigkeit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden (Urteil vom 31. Mai 2018, Hornbach-Baumarkt, C-382/16, EU:C:2018:366, Rn. 43).
Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es zu einer Gefährdung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten kommen könnte, wenn Zweigniederlassungen gebietsfremder Gesellschaften erlaubt würde, ihre Gewinne in Form außergewöhnlicher Vorteile auf ihre Muttergesellschaften zu übertragen, und dass dies das System der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnte, da der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung, die solche Vorteile gewährt, gezwungen wäre, auf sein Recht als Sitzstaat dieser Zweigniederlassung zur Besteuerung ihrer Einkünfte – eventuell zugunsten des Sitzmitgliedstaats der empfangenden Muttergesellschaft – zu verzichten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich ermöglicht es die steuerliche Dokumentationspflicht dadurch, dass sie vom Steuerpflichtigen, vorliegend der im Besteuerungsmitgliedstaat ansässigen Zweigniederlassung, verlangt, eine Dokumentation über ihre grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle mit verflochtenen Unternehmen zu erstellen, die sich sowohl auf Art und Bedingungen dieser Geschäftsvorfälle als auch auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen von Preisübereinkünften und sonstigen Geschäftsbedingungen bezieht, diesem Mitgliedstaat, effizienter und präziser zu prüfen, ob diese Geschäftsvorfälle unter Marktbedingungen abgeschlossen wurden, und ermöglicht es ihm, seine Besteuerungszuständigkeit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 33).
Daher ist eine nationale Regelung wie die über die steuerliche Dokumentationspflicht, die eine effizientere und präzisere steuerliche Prüfung des Steuerpflichtigen gewährleistet und die verhindern soll, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat erzielte Gewinne über Geschäfte, die nicht den Marktbedingungen entsprechen, unversteuert aus dem Steuerhoheitsgebiet dieses Staates hinaus transferiert werden, geeignet, die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungszuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 34).
Eine solche Regelung darf allerdings nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige, ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen, in die Lage versetzt wird, die relevanten Daten zu grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen mit Unternehmen, mit denen ein Näheverhältnis besteht, vorzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti [Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil], C-558/19, EU:C:2020:806, Rn. 36).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorlagefrage, dass sich die steuerliche Dokumentationspflicht auf „Art und Inhalt“ der Geschäftsbeziehungen, aber auch auf „die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine … Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen“ bezieht. § 90 Abs. 3 AO sieht allerdings vor, dass Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen durch eine Rechtsverordnung zu bestimmen sind, deren Inhalt in der Vorlageentscheidung nicht ausgeführt wird und zu der das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird, ob sie nicht zu übermäßigen Verwaltungszwängen für den Steuerpflichtigen führen kann.
Der Vorlageentscheidung lässt sich außerdem entnehmen, dass die Steuerbehörde die Vorlage dieser Aufzeichnungen in der Regel nur für die Durchführung einer Steuerprüfung verlangen soll und dass diese Vorlage grundsätzlich innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu erfolgen hat, die in begründeten Einzelfällen verlängert werden kann.
Unter dem Vorbehalt der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen ist folglich nicht ersichtlich, dass eine solche steuerliche Dokumentationspflicht über das hinausginge, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
Daraus ergibt sich, dass Art. 49 AEUV einer solchen Pflicht grundsätzlich nicht entgegensteht.
Zum Steuerzuschlag
Zum Steuerzuschlag, mit dem die Missachtung der steuerlichen Dokumentationspflicht sanktioniert wird, ist darauf hinzuweisen, dass Sanktionsregelungen auf steuerlichem Gebiet zwar mangels unionsrechtlicher Harmonisierung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, aber nicht dazu führen dürfen, dass die im AEU-Vertrag vorgesehenen Freiheiten beeinträchtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2020, Google Ireland, C-482/18, EU:C:2020:141, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Da mit dem Steuerzuschlag die Missachtung der steuerlichen Dokumentationspflicht sanktioniert wird, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen kann, kann er im vorliegenden Fall selbst eine solche Beschränkung darstellen.
Allerdings kann eine solche Beschränkung, wie in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zulässig sein, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und soweit ihre Anwendung in einem solchen Fall geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Verhängung von Sanktionen einschließlich solcher strafrechtlicher Art als erforderlich angesehen werden kann, um die wirksame Einhaltung einer nationalen Regelung zu gewährleisten, allerdings unter der Voraussetzung, dass Art und Höhe der verhängten Sanktion gemessen an der Schwere der mit ihr geahndeten Zuwiderhandlung in jedem Einzelfall verhältnismäßig sind (Urteil vom 3. März 2020, Google Ireland, C-482/18, EU:C:2020:141, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur Frage, ob der Steuerzuschlag geeignet ist, die Erreichung des vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziels zu gewährleisten, ist festzustellen, dass die Anwendung eines ausreichend hohen Aufschlags geeignet erscheint, Steuerpflichtige, die der steuerlichen Dokumentationspflicht unterliegen, von deren Missachtung abzuhalten und somit zu verhindern, dass dem Besteuerungsmitgliedstaat die Möglichkeit genommen wird, grenzüberschreitende Transaktionen zwischen verflochtenen Unternehmen wirksam zu kontrollieren, um eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Das Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens und der Europäischen Kommission, ein solcher Zuschlag könne nicht erforderlich sein, wenn es bereits weniger strenge Sanktionen in vergleichbaren nationalen Sachverhalten gebe, scheint in Wirklichkeit eher auf die Frage abzuzielen, ob die Höhe des Steuerzuschlags angemessen ist. In jedem Fall ist anzumerken, dass sich die Existenz solcher Sanktionen nicht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt. Im Übrigen kommt dem Umstand, dass die deutschen Rechtsvorschriften angeblich weniger strenge Sanktionen vorsehen, wenn der Steuerpflichtige bei einer rein internen Fallgestaltung die Mitwirkungspflichten im Rahmen der Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb nicht beachtet, von vornherein keine Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit des Steuerzuschlags zu, mit dem ein anderes Ziel verfolgt wird, nämlich die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten.
Zur Verhältnismäßigkeit dieses Zuschlags ist festzustellen, dass die Anwendung einer Sanktion von mindestens 5 % und höchstens 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte, die sich bei einem Verstoß gegen die steuerliche Dokumentationspflicht nach einer Berichtigung durch die Steuerbehörde ergeben, und zwar ohne einen absoluten Höchstbetrag und mit einem Mindestbetrag von 5000 Euro auch in den Fällen, in denen letztlich kein Mehrbetrag der Einkünfte durch die Steuerbehörde festgestellt wurde, als solche nicht geeignet erscheint, zur Verhängung einer dem Betrag nach unverhältnismäßigen Sanktion zu führen.
Denn mit der Festsetzung des Betrags dieser Sanktion anhand eines Prozentsatzes der Berichtigung der steuerlichen Einkünfte lässt sich, wie die Kommission ausführt, eine Korrelation zwischen dem Betrag der Geldbuße und der Schwere des Verstoßes herstellen. Der Ansatz einer Mindeststrafe von 5000 Euro ermöglicht es zudem, die abschreckende Wirkung des Steuerzuschlags aufrechtzuerhalten, wenn dessen Betrag zu niedrig wäre, wohingegen mit der Festsetzung einer Obergrenze von 10 % sichergestellt wird, dass der Zuschlag nicht übermäßig hoch ausfällt.
Diese Würdigung wird durch den Umstand bestätigt, dass der Steuerzuschlag keine Anwendung findet, wenn der Verstoß gegen die steuerliche Dokumentationspflicht entschuldbar oder das Verschulden nur geringfügig ist.
Schließlich kann der Umstand, dass die deutschen Rechtsvorschriften bei einem Verstoß gegen die steuerliche Dokumentationspflicht auch eine Berichtigung der steuerbaren Einkünfte des Steuerpflichtigen vorsehen, für die dann widerlegbar vermutet wird, dass sie unterbewertet wurden, keine andere Auslegung rechtfertigen.
Diese Regeln weisen nämlich eine andere Beschaffenheit auf als diejenigen über den Steuerzuschlag, da sie nicht darauf gerichtet sind, eine Missachtung der steuerlichen Dokumentationspflicht zu sanktionieren, sondern darauf, die steuerbaren Einkünfte des Steuerpflichtigen zu berichtigen.
Art. 49 AEUV ist folglich dahin auszulegen, dass er auch einem Steuerzuschlag wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen erstens der Steuerpflichtige einer Dokumentationspflicht im Hinblick auf Art und Inhalt sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen von Preisen und anderen geschäftlichen Bedingungen seiner grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle mit Personen unterliegt, zu denen eine auf das Kapital oder andere Punkte bezogene Verflechtung besteht, die es diesem Steuerpflichtigen oder diesen Personen ermöglicht, auf den oder die jeweils anderen einen sicheren Einfluss auszuüben, und nach denen zweitens vorgesehen ist, dass bei einem Verstoß gegen diese Pflicht nicht nur widerlegbar vermutet wird, dass seine steuerbaren Einkünfte im betreffenden Mitgliedstaat höher sind als die erklärten Einkünfte, wobei die Steuerbehörde zulasten des Steuerpflichtigen eine Schätzung vornehmen kann, sondern auch ein Zuschlag verhängt wird, der mindestens 5 % und höchstens 10 % des ermittelten Mehrbetrags der Einkünfte bei einem Mindestbetrag von 5000 Euro beträgt, es sei denn, die Nichterfüllung dieser Pflicht ist entschuldbar oder das Verschulden geringfügig.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen erstens der Steuerpflichtige einer Dokumentationspflicht im Hinblick auf Art und Inhalt sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen von Preisen und anderen geschäftlichen Bedingungen seiner grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle mit Personen unterliegt, zu denen eine auf das Kapital oder andere Punkte bezogene Verflechtung besteht, die es diesem Steuerpflichtigen oder diesen Personen ermöglicht, auf den oder die jeweils anderen einen sicheren Einfluss auszuüben, und nach denen zweitens vorgesehen ist, dass bei einem Verstoß gegen diese Pflicht nicht nur widerlegbar vermutet wird, dass seine steuerbaren Einkünfte im betreffenden Mitgliedstaat höher sind als die erklärten Einkünfte, wobei die Steuerbehörde zulasten des Steuerpflichtigen eine Schätzung vornehmen kann, sondern auch ein Zuschlag verhängt wird, der mindestens 5 % und höchstens 10 % des ermittelten Mehrbetrags der Einkünfte bei einem Mindestbetrag von 5000 Euro beträgt, es sei denn, die Nichterfüllung dieser Pflicht ist entschuldbar oder das Verschulden geringfügig.
Rossi
Bonichot
Rodin
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Oktober 2022.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Die Kammerpräsidentin
L. S. Rossi
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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