Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 20.01.2021 - C-288/19
EuGH 20.01.2021 - C-288/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) - 20. Januar 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuern – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 2 Abs. 1 Buchst. c – Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt – Art. 26 Abs. 1 – Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellte Umsätze – Art. 56 Abs. 2 – Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts – Vermietung von Beförderungsmitteln – Überlassung von Fahrzeugen an Arbeitnehmer“
Leitsatz
In der Rechtssache C-288/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht des Saarlandes (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 9. April 2019, in dem Verfahren
QM
gegen
Finanzamt Saarbrücken
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von QM, vertreten durch G. Hagemeister, A. Pogodda-Grünwald und F. Schöter, Steuerberater, im Beistand der Rechtsanwälte F.-J. Müller und F. von Itter,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und N. Gossement als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2020
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 (ABl. 2008, L 44, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2006/112).
Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen QM, einem Unternehmen, und dem Finanzamt Saarbrücken (Deutschland) wegen dessen Entscheidung, die Überlassung von Fahrzeugen durch diese Gesellschaft an zwei ihrer in Luxemburg tätigen Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Sechste Richtlinie
Nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. 1995, L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) befreien die Mitgliedstaaten „die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken“ von der Mehrwertsteuer.
Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;
die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.“
Richtlinie 2006/112
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.
Nach Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt als „Lieferung von Gegenständen“ die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 gilt als „Dienstleistung“„jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist“.
Art. 26 Abs. 1 dieser Richtlinie definiert die einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellten Umsätze wie folgt:
Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat;
unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.“
In Art. 56 der Richtlinie 2006/112 heißt es:
„(1) Als Ort der Vermietung eines Beförderungsmittels über einen kürzeren Zeitraum gilt der Ort, an dem das Beförderungsmittel dem Dienstleistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung gestellt wird.
(2) Als Ort der Vermietung eines Beförderungsmittels an Nichtsteuerpflichtige, ausgenommen die Vermietung über einen kürzeren Zeitraum, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
…
(3) Als ‚kürzerer Zeitraum‘ im Sinne der Absätze 1 und 2 gilt der Besitz oder die Verwendung des Beförderungsmittels während eines ununterbrochenen Zeitraums von nicht mehr als 30 Tagen und bei Wasserfahrzeugen von nicht mehr als 90 Tagen.“
Durchführungsverordnung
Art. 38 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 (ABl. 2011, L 77, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung) sieht vor:
„(1) Als ‚Beförderungsmittel‘ im Sinne von Artikel 56 und Artikel 59 Unterabsatz 1 Buchstabe g der [Richtlinie 2006/112] gelten … Fahrzeuge …
(2) Als Beförderungsmittel nach Absatz 1 gelten insbesondere folgende Fahrzeuge:
Landfahrzeuge wie Personenkraftwagen, …
…“
Deutsches Recht
Nach § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I 2013, S. 1809) geänderten Fassung (im Folgenden: UStG) unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
§ 3 Abs. 9a UStG stellt den sonstigen Leistungen gegen Entgelt gleich:
„1. die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; …
2. die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.“
§ 3a UStG regelt, wie der Ort der sonstigen Leistungen ermittelt wird, und bestimmt:
Eine sonstige Leistung wird vorbehaltlich der Absätze 2 bis 8 und der §§ 3b, 3e und 3f an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. …
Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Absätze 3 bis 8 und der §§ 3b, 3e und 3f an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend bei einer sonstigen Leistung an eine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, und bei einer sonstigen Leistung an eine juristische Person, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig ist; dies gilt nicht für sonstige Leistungen, die ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals oder eines Gesellschafters bestimmt sind.
Abweichend von den Absätzen 1 und 2 gilt [mit Wirkung vom 30. Juni 2013]:
…
2. Die kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels wird an dem Ort ausgeführt, an dem dieses Beförderungsmittel dem Empfänger tatsächlich zur Verfügung gestellt wird. Als kurzfristig im Sinne des Satzes 1 gilt eine Vermietung über einen ununterbrochenen Zeitraum
von nicht mehr als 90 Tagen bei Wasserfahrzeugen,
von nicht mehr als 30 Tagen bei anderen Beförderungsmitteln.
Die Vermietung eines Beförderungsmittels, die nicht als kurzfristig im Sinne des Satzes 2 anzusehen ist, an einen Empfänger, der weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, wird an dem Ort erbracht, an dem der Empfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat. …“
Nach § 3f UStG werden „Lieferungen“ im Sinne des § 3 Abs. lb UStG und „sonstige Leistungen“ im Sinne des § 3 Abs. 9a UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
QM, eine Verwaltungsgesellschaft eines Investmentfonds mit Sitz in Luxemburg, stellte zwei ihrer Mitarbeiter zwei Fahrzeuge zur Verfügung; die Mitarbeiter haben ihren Wohnsitz in Deutschland und üben ihre Tätigkeit in Luxemburg aus. Die Fahrzeuge werden sowohl für dienstliche als auch für private Zwecke genutzt.
In den Jahren 2013 und 2014 erfolgte die Überlassung für den einen Mitarbeiter kostenfrei, während QM dafür vom Gehalt des anderen Mitarbeiters einen jährlichen Betrag von 5688 Euro einbehielt.
QM ist in Luxemburg im vereinfachten Besteuerungsverfahren registriert. In diesem Mitgliedstaat unterlag die Überlassung der beiden Fahrzeuge nicht der Mehrwertsteuer und berechtigte auch nicht zum Abzug der in Verbindung mit den beiden Fahrzeugen gezahlten Vorsteuer.
Im November 2014 ließ sich QM in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren. Im Jahr 2015 meldete sie hinsichtlich der Überlassung der Fahrzeuge steuerpflichtige sonstige Leistungen in Höhe von 7904 Euro (2013) bzw. 20767 Euro (2014) zur Umsatzsteuer an.
Das Finanzamt Saarbrücken stimmte dem zu; am 30. Juli 2015 legte QM jedoch gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen im Zusammenhang mit ihren Meldungen Einspruch ein.
Das Finanzamt Saarbrücken wies den Einspruch am 2. Mai 2016 zurück.
Am 2. Juni 2016 erhob QM Klage gegen diesen Bescheid beim Finanzgericht des Saarlandes (Deutschland), in der sie geltend macht, dass die Voraussetzungen für die Umsatzbesteuerung der Überlassung der Fahrzeuge nicht vorlägen. Zum einen handele es sich nicht um Dienstleistungen gegen Entgelt; die Überlassung eines Fahrzeugs an einen der beiden betroffenen Mitarbeiter, der sich daran finanziell beteiligt habe, könne allenfalls als teilweise entgeltliche Leistung angesehen werden. Zum anderen liege auch keine Vermietung von Beförderungsmitteln im Sinne von Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vor.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht des Saarlandes beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass mit „Vermietung eines Beförderungsmittels an Nichtsteuerpflichtige“ auch die Überlassung eines dem Unternehmen eines Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs (Firmenfahrzeug) an sein Personal zu verstehen ist, wenn dieses dafür kein Entgelt leistet, das nicht in seiner (teilweisen) Arbeitsleistung besteht, also keine Zahlung erbringt, keinen Teil seiner Barvergütung dafür verwendet und auch nicht nach einer Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach der Anspruch auf Nutzung des Firmenfahrzeugs mit dem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist, zwischen verschiedenen vom Steuerpflichtigen angebotenen Vorteilen wählt?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die Überlassung eines dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn der Arbeitnehmer dafür weder eine Zahlung erbringt noch einen Teil seiner Vergütung dafür verwendet und das Recht zur Nutzung des Fahrzeugs nicht mit seinem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist.
Die Anwendung von Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112, der den Ort der Mehrwertbesteuerung der Vermietung eines Beförderungsmittels bestimmt, setzt voraus, dass der zu prüfende Umsatz der Mehrwertsteuer unterliegt.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 die Lieferung von Gegenständen definiert als „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.
Da es im Ausgangsverfahren bereits an dieser Voraussetzung fehlt, sind die in Rede stehenden Fahrzeugüberlassungen nicht als „Lieferungen von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 anzusehen, sondern als „Dienstleistungen“ im Sinne ihres Art. 24 Abs. 1, wonach jeder Umsatz, der keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne von Art. 14 ist, als Dienstleistung gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2010, Astra Zeneca UK, C-40/09, EU:C:2010:450, Rn. 26).
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass QM Steuerpflichtige ist und als solche handelte, als sie ihren Arbeitnehmern die Fahrzeuge zur Verfügung stellte.
Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Dienstleistung jedoch nur dann im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 „gegen Entgelt“ erbracht und ist somit steuerbar, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2020, San Domenico Vetraria, C-94/19, EU:C:2020:193, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang kann sich in den Beziehungen zwischen einem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer durch einen Teil der Barvergütung konkretisieren, auf den Letzterer als Gegenleistung für eine Leistung des Ersteren verzichten muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Oktober 1997, Fillibeck, C-258/95, EU:C:1997:491, Rn. 14 und 15, sowie vom 29. Juli 2010, Astra Zeneca UK, C-40/09, EU:C:2010:450, Rn. 29).
Im vorliegenden Fall bezieht sich das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage auf eine Fahrzeugüberlassung, für die der Mitarbeiter weder eine Zahlung leistet noch einen Teil seiner Barvergütung verwendet und auch nicht nach einer Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach der Anspruch auf Nutzung des Firmenfahrzeugs mit dem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist, zwischen verschiedenen vom Steuerpflichtigen angebotenen Vorteilen gewählt hat.
Somit kann diese Leistung vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Sachverhaltsprüfungen nicht als eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 eingestuft werden.
Hinsichtlich der Frage, ob dieser Umsatz einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 gleichzustellen sei, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung einen Umsatz einer Dienstleistung gegen Entgelt in zwei Fällen gleichstellt. Der erste Fall in Abs. 1 Buchst. a dieser Vorschrift betrifft die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat; der zweite Fall in Abs. 1 Buchst. b dieser Bestimmung betrifft die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
Wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann eine Dienstleistung, die in der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke besteht und einer Dienstleistung gegen Entgelt nicht nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gleichgestellt werden kann, weil der betreffende Gegenstand, anders als es diese Bestimmung verlangt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, einer solchen Dienstleistung nicht hilfsweise auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie gleichgestellt werden; anderenfalls würde die praktische Wirksamkeit der in Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 enthaltenen Voraussetzung betreffend den Vorsteuerabzug in Frage gestellt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten, dass QM in Luxemburg dem vereinfachten Besteuerungsverfahren unterlag; in dessen Rahmen konnte sie in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahren keinen Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem einem Mitarbeiter ohne Gegenleistung überlassenen Fahrzeug geltend machen.
Aus den Akten geht jedoch nicht ausdrücklich hervor, ob ein solcher Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht möglicherweise in Deutschland entstanden wäre.
Auch wenn das vorlegende Gericht die Auffassung vertreten sollte, dass diese Voraussetzung in Deutschland erfüllt sei und dass selbiges für die anderen Anwendungsvoraussetzungen von Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gelte, kann jedoch die Gleichstellung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugüberlassung mit einer sich daraus dann ergebenden Dienstleistung gegen Entgelt jedenfalls nicht unter Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 fallen.
Ein einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gleichgestellter Umsatz kann nämlich keine „Vermietung eines Beförderungsmittels“ im Sinne ihres Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 darstellen.
Mangels einer Definition in der Richtlinie 2006/112 oder eines Verweises auf das Recht der Mitgliedstaaten stellt der Begriff „Vermietung eines Beförderungsmittels“ im Sinne von Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, der unabhängig von den Wertungen in den Mitgliedstaaten in der gesamten Union eine einheitliche Auslegung erhalten muss (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juli 2020, AJPF Caraş-Severin und DGRFP Timişoara, C-716/18, EU:C:2020:540, Rn. 30).
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt eine „Vermietung eines Grundstücks“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie voraus, dass mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar, dass der Eigentümer eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache in Besitz zu nehmen und andere von diesem Recht auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2001, Goed Wonen, C-326/99, EU:C:2001:506, Rn. 55, sowie vom 18. Juli 2013, Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen gelten entsprechend bei der Bestimmung, was eine „Vermietung eines Beförderungsmittels“ im Sinne von Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 darstellt.
Folglich setzt eine solche Einstufung voraus, dass der Eigentümer des Beförderungsmittels dem Mieter gegen die Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, das Beförderungsmittel zu benutzen und andere davon auszuschließen.
Was die Voraussetzung eines Mietzinses betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen einer solchen Zahlung nicht durch den Umstand aufgewogen werden kann, dass im Rahmen der Einkommensteuer die private Nutzung des dem in Rede stehenden Unternehmen zugeordneten Gegenstands als ein quantifizierbarer geldwerter Vorteil und somit in gewisser Weise als ein Teil der Vergütung angesehen wird, auf die der Begünstigte als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des fraglichen Gegenstands verzichtet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 28).
Aus der Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass der Begriff des Mietzinses zum Zwecke der Anwendung von Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 nicht im Wege der Analogie ausgelegt werden kann, indem ihm ein geldwerter Vorteil gleichgestellt wird, und dass er das Vorliegen eines in Geld zu entrichtenden Mietzinses voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 29 und 34).
Diese Voraussetzung kann im Fall einer kostenfreien Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, die einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gleichgestellt sein soll, nicht erfüllt sein.
Ein solcher Umsatz fällt daher nicht unter Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112.
Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch darüber hinaus ausdrücklich hervor, dass das Ausgangsverfahren auch die Überlassung eines Fahrzeugs durch QM an einen ihrer Mitarbeiter betrifft, der hierfür während der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahre rund 5700 Euro jährlich zahlte, die von seinem Gehalt in Abzug gebracht wurden.
Obwohl diese Leistung vom vorlegenden Gericht in seiner Frage nicht ausdrücklich genannt wurde, erachtet es der Gerichtshof für erforderlich, diesbezüglich ergänzende Ausführungen zu machen.
In einem solchen Fall kann es sich nämlich um eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 handeln, die somit möglicherweise unter Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie fällt, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Beweise zu prüfen ist.
Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass das Fahrzeug einem Nichtsteuerpflichtigen durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelte, zur Verfügung gestellt wurde und dass es sich um ein „Beförderungsmittel“ im Sinne von Art. 38 der Durchführungsverordnung handelt. Es ist offenkundig auch nicht streitig, dass es sich um eine Überlassung mit einer Dauer von mehr als 30 Tagen handelt und sie somit keine Überlassung über einen „kürzere[n] Zeitraum“ im Sinne von Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 darstellt, die vom Anwendungsbereich ihres Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 ausgeschlossen wäre.
Zudem kann, wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Umstand, dass QM nach nationalem Recht in juristischer Hinsicht möglicherweise nicht Eigentümerin des Fahrzeugs ist und es in anderer Eigenschaft vermieten konnte, insbesondere, weil sie über das Fahrzeug im Rahmen eines Leasingvertrags verfügen kann, der Annahme nicht entgegenstehen, dass diese Überlassung eine Vermietung dieses Fahrzeugs nach Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 darstellt.
Auch die beiden Umstände, dass die Überlassung des Fahrzeugs nicht Gegenstand eines vom Arbeitsvertrag getrennten Vertrags war und dass die Mietdauer zeitlich nicht genau begrenzt ist, sondern vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen QM und ihrem Mitarbeiter abhängig ist, würden einer solchen Einstufung nicht entgegenstehen, solange die Dauer gleichwohl 30 Tage übersteigt.
Dagegen ist es Sache des Gerichts, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, zu prüfen, ob zwischen diesen Personen eine „wirkliche Vereinbarung“ über die Dauer des Nutzungsrechts sowie über das Recht, den Gegenstand zu benutzen und andere von ihm auszuschließen, vorhanden ist, wie dies im Bereich des Wohnraums entschieden worden ist (vgl. entsprechend Urteile vom 8. Mai 2003, Seeling, C-269/00, EU:C:2003:254, Rn. 51, und vom 29. März 2012, BLM, C-436/10, EU:C:2012:185, Rn. 29).
Außerdem erfordert es die Voraussetzung, wonach der Mieter dazu befugt sein muss, das Fahrzeug zu nutzen und andere davon auszuschließen, zwar nicht, dass es dem Steuerpflichtigen unmöglich sein muss, die Fahrzeugnutzung zu dienstlichen Zwecken vorzugeben. Wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, beruht sie aber auf der Prämisse, dass das Fahrzeug dem Mitarbeiter dauerhaft auch für seinen privaten Bedarf zur Verfügung bleibt.
Diese Auslegung wird durch die Überlegungen, die den Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 über den Ort der Dienstleistung zugrunde liegen, gestützt, wonach die Besteuerung nach Möglichkeit an dem Ort erfolgt, an dem die Gegenstände verbraucht oder die Dienstleistungen in Anspruch genommen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Srf konsulterna, C-647/17, EU:C:2019:195, Rn. 29); dabei handelt es sich nach Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 um den Ort, an dem der Nichtsteuerpflichtige, dem das Fahrzeug vermietet wird, ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die Überlassung eines dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn dieser Umsatz keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c darstellt. Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 findet dagegen auf einen solchen Umsatz Anwendung, wenn es sich um eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c handelt und der Arbeitnehmer gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer von mehr als 30 Tagen dauerhaft über das Recht verfügt, das Fahrzeug zu privaten Zwecken zu benutzen und andere davon auszuschließen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Überlassung eines dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn dieser Umsatz keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c darstellt. Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 findet dagegen auf einen solchen Umsatz Anwendung, wenn es sich um eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c handelt und der Arbeitnehmer gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer von mehr als 30 Tagen dauerhaft über das Recht verfügt, das Fahrzeug zu privaten Zwecken zu benutzen und andere davon auszuschließen.
Bonichot
Bay Larsen
Toader
Safjan
Jääskinen
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20 Januar 2021.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Ersten Kammer
J.-C. Bonichot
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK Baden-Württemberg
Persönlicher Ansprechpartner
Kontaktformular
Weitere Kontakt- und Bankdaten