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EuGH 06.11.2018 - C-684/16
EuGH 06.11.2018 - C-684/16 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 6. November 2018 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Art. 7 – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Nationale Regelung, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt – Richtlinie 2003/88/EG – Art. 7 – Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 31 Abs. 2 – Möglichkeit der Geltendmachung in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-684/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2016, in dem Verfahren
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V.
gegen
Tetsuji Shimizu
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten M. Vilaras, T. von Danwitz und F. Biltgen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter M. Ilešič, J. Malenovský, E. Levits, L. Bay Larsen und S. Rodin,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., vertreten durch Rechtsanwalt J. Röckl,
von Herrn Shimizu, vertreten durch Rechtsanwalt N. Zimmermann,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,
der ungarischen Regierung, vertreten durch E. Sebestyén und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und T. S. Bohr als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Mai 2018
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) und von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. (im Folgenden: Max-Planck-Gesellschaft) und Herrn Tetsuji Shimizu, einem ihrer ehemaligen Arbeitnehmer, über die Weigerung der Max-Planck-Gesellschaft, ihm eine finanzielle Vergütung für den vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1993, L 307, S. 18) war ausgeführt:
„In der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer, die von den Staats- und Regierungschefs von elf Mitgliedstaaten auf der Tagung des Europäischen Rates von Straßburg am 9. Dezember 1989 verabschiedet wurde, heißt es unter … Punkt 8 … wie folgt:
‚…
Jeder Arbeitnehmer der Europäischen Gemeinschaft hat Anspruch auf die wöchentliche Ruhezeit und auf einen bezahlten Jahresurlaub, deren Dauer gemäß den einzelstaatlichen Gepflogenheiten auf dem Wege des Fortschritts in den einzelnen Staaten einander anzunähern ist.
…‘“
Nach ihrem ersten Erwägungsgrund erfolgte durch die Richtlinie 2003/88, mit der die Richtlinie 93/104 aufgehoben wurde, eine Kodifizierung der Bestimmungen der Richtlinie 93/104.
Die Erwägungsgründe 4 bis 6 der Richtlinie 2003/88 lauten:
Die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit stellen Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.
Alle Arbeitnehmer sollten angemessene Ruhezeiten erhalten. Der Begriff ,Ruhezeit‘ muss in Zeiteinheiten ausgedrückt werden, d. h. in Tagen, Stunden und/oder Teilen davon. Arbeitnehmern in der [Union] müssen Mindestruhezeiten – je Tag, Woche und Jahr – sowie angemessene Ruhepausen zugestanden werden. …
Hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung ist den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation Rechnung zu tragen; dies betrifft auch die für Nachtarbeit geltenden Grundsätze.“
Art. 7 der Richtlinie 2003/88, der mit Art. 7 der Richtlinie 93/104 wörtlich übereinstimmt, sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“
Nach Art. 17 der Richtlinie 2003/88 können die Mitgliedstaaten von bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie abweichen. Eine Abweichung von Art. 7 der Richtlinie ist jedoch nicht zulässig.
Deutsches Recht
§ 7 des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. Januar 1963 (BGBl. 1963 S. 2) in der Fassung vom 7. Mai 2002 (BGBl. 2002 I S. 1529) (im Folgenden: BUrlG) bestimmt:
„(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluss an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
…
(3) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. …
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst enthält in § 26 („Erholungsurlaub“) Abs. 1 folgende Regelung:
„… Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt … werden.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Herr Shimizu war vom 1. August 2001 bis 31. Dezember 2013 auf der Grundlage mehrerer befristeter Verträge bei der Max-Planck-Gesellschaft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden das BUrlG und der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 bat die Max-Planck-Gesellschaft Herrn Shimizu, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen, ohne ihn jedoch zu verpflichten, ihn zu einem von ihr festgelegten Termin zu nehmen. Herr Shimizu nahm am 15. November und am 2. Dezember 2013 jeweils einen Tag Urlaub.
Nachdem Herr Shimizu mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 die Max-Planck-Gesellschaft erfolglos zur Zahlung von 11979 Euro als finanzielle Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013 aufgefordert hatte, erhob er eine entsprechende Zahlungsklage.
Da dieser Klage sowohl in der ersten als auch in der Berufungsinstanz stattgegeben wurde, legte die Max-Planck-Gesellschaft beim vorlegenden Gericht, dem Bundesarbeitsgericht (Deutschland), Revision ein.
Das Bundesarbeitsgericht führt aus, die im Ausgangsverfahren fraglichen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub seien gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, da der Urlaub nicht im Urlaubsjahr genommen worden sei. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfalle nämlich der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, es sei denn, die Übertragungsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung lägen vor. Sei der Arbeitnehmer in der Lage gewesen, seinen Urlaub im Urlaubsjahr zu nehmen, gehe der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub daher am Ende des Urlaubsjahres unter. Da diese Ansprüche verfallen seien, könnten sie nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG umgewandelt werden. Anders sei es nur, wenn der Arbeitgeber trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags des Arbeitnehmers diesem keinen Urlaub gewährt habe. § 7 BUrlG könne aber nicht so ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, den Arbeitnehmer dazu zu zwingen, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts lässt sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entnehmen, ob eine nationale Regelung mit der in der vorstehenden Randnummer beschriebenen Wirkung mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta vereinbar sei, während im Schrifttum die Meinungen dazu auseinandergingen. Es stelle sich insbesondere die Frage, ob der Arbeitgeber gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 verpflichtet sei, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen, oder ob das Urteil vom 12. Juni 2014, Bollacke (C-118/13, EU:C:2014:1755), dahin zu verstehen sei, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch dann nicht mit Ablauf des Bezugsjahres oder des Übertragungszeitraums erlöschen dürfe, wenn der Arbeitnehmer in der Lage gewesen sei, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen.
Im Übrigen sei die Max-Planck-Gesellschaft eine gemeinnützige Organisation des Privatrechts, die zwar größtenteils aus öffentlichen Mitteln finanziert werde, jedoch nicht mit besonderen Rechten ausgestattet sei, die über das hinausgingen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelte. Sie sei somit als Privatperson anzusehen. Daher habe der Gerichtshof zusätzlich zu klären, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 oder Art. 31 Abs. 2 der Charta eventuell eine unmittelbare Wirkung in den Beziehungen zwischen Privatpersonen zukomme.
Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Steht Art. 7 der Richtlinie 2003/88 oder Art. 31 Abs. 2 der Charta einer nationalen Regelung wie der in § 7 BUrlG entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?
Falls die Frage zu 1 bejaht wird:
Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf Zahlung einer finanziellen Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert.
Zunächst ist zu beachten, dass das Recht jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der Richtlinie 2003/88 selbst ausdrücklich gezogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Bollacke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub als Grundsatz des Sozialrechts der Union hat zudem nicht nur besondere Bedeutung, sondern ist auch in Art. 31 Abs. 2 der Charta, der nach Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zukommt, ausdrücklich verbürgt (Urteil vom 30. Juni 2016, Sobczyszyn, C-178/15, EU:C:2016:502, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was als Erstes Art. 7 der Richtlinie 2003/88 betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Rechtssache des Ausgangsverfahrens die Weigerung betrifft, eine Vergütung für bezahlten Jahresurlaub zu zahlen, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens nicht genommen worden war.
Ist das Arbeitsverhältnis beendet, ist die tatsächliche Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs, der dem Arbeitnehmer zusteht, nicht mehr möglich. Um zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss dieses Anspruchs, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Bollacke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Gerichtshof entschieden hat, stellt Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 keine andere Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf finanzielle Vergütung auf als die, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte (Urteil vom 20. Juli 2016, Maschek, C-341/15, EU:C:2016:576, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub gezahlt wird, wenn es ihm nicht möglich war, den gesamten bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, der ihm vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zustand, weil er sich z. B. während des gesamten Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon im Krankheitsurlaub befand (Urteile vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 62, vom 20. Juli 2016, Maschek, C-341/15, EU:C:2016:576, Rn. 31, sowie vom 29. November 2017, King, C-214/16, EU:C:2017:914, Rn. 65).
Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub und damit auch der Anspruch auf die in Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehene finanzielle Vergütung durch den Tod des Arbeitnehmers untergehen können. Dabei hat der Gerichtshof insbesondere betont, dass, wenn die Pflicht zur Auszahlung einer solchen Vergütung wegen der durch den Tod des Arbeitnehmers bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen würde, dieser Umstand zur Folge hätte, dass ein unwägbares Vorkommnis rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub selbst führen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Bollacke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 25, 26 und 30).
Das Erlöschen des von einem Arbeitnehmer erworbenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub oder des im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses korrelierenden Anspruchs auf Zahlung einer Vergütung für nicht genommenen Urlaub, ohne dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätte, den Anspruch auszuüben, würde nämlich das Recht auf bezahlten Jahresurlaub in seinem Wesensgehalt antasten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2013, Überprüfung Kommission/Strack, C-579/12 RX-II, EU:C:2013:570, Rn. 32).
In Bezug auf das Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts die Weigerung des früheren Arbeitgebers von Herrn Shimizu, ihm eine finanzielle Vergütung für den vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zu zahlen, auf eine Bestimmung des nationalen Rechts gestützt ist, nach der dieser Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solcher untergeht, sondern aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses keinen Antrag auf Inanspruchnahme des Urlaubs im Bezugszeitraum gestellt hat.
Im vorliegenden Fall stellt sich somit im Wesentlichen die Frage, ob Herr Shimizu vor dem Hintergrund der in Rn. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Beendigung des im Ausgangsverfahren fraglichen Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hatte, der sich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in eine finanzielle Vergütung umwandeln konnte.
Diese Frage betrifft demnach in erster Linie die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und geht dahin, ob dieser es ausschließt, dass die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf am Ende eines Bezugszeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub davon abhängig gemacht werden kann, dass der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum einen Antrag auf Wahrnehmung dieses Anspruchs gestellt hat, und ob er es ausschließt, dass bei Fehlen eines solchen Antrags der Verlust des Anspruchs vorgeschrieben ist, ohne dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen.
Insoweit ist erstens festzustellen, dass aus der in den Rn. 22 bis 25 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht abgeleitet werden kann, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen wäre, dass der Anspruch nach Abs. 1 und – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – der Anspruch auf die Vergütung, die gemäß Abs. 2 an seine Stelle treten kann, dem Arbeitnehmer völlig unabhängig von den Umständen erhalten bleiben müssten, die dazu geführt haben, dass er den bezahlten Jahresurlaub nicht genommen hat.
Zweitens darf zwar nach ständiger Rechtsprechung Art. 7 der Richtlinie 2003/88, um sicherzustellen, dass das im Unionsrecht verankerte Grundrecht des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub beachtet wird, nicht auf Kosten der Rechte, die dem Arbeitnehmer nach dieser Richtlinie zustehen, restriktiv ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Bollacke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist jedoch ebenfalls zu beachten, dass das in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie vorgeschriebene Urlaubsentgelt es dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, den Urlaub, auf den er Anspruch hat, tatsächlich zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 49).
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird mit dem in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verankerten Anspruch auf Jahresurlaub nämlich der Zweck verfolgt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (Urteil vom 20. Juli 2016, Maschek, C-341/15, EU:C:2016:576, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Indem Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 vorsieht, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf, soll im Übrigen auch gewährleistet werden, dass der Arbeitnehmer über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen kann, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit gewährleistet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Drittens ist es, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, Sache der Mitgliedstaaten, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Wahrnehmung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen und dabei die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer diesen Anspruch geltend machen können (Urteil vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Dies hat der Gerichtshof u. a. dahin präzisiert, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 grundsätzlich einer nationalen Regelung, die für die Wahrnehmung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen, nicht entgegensteht, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch wahrzunehmen (Urteil vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 43).
Eine nationale Regelung wie § 7 Abs. 1 und 3 BUrlG, die vorsieht, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer vorliegen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, oder dass der Urlaub grundsätzlich im Bezugsjahr zu nehmen ist, fällt in den Bereich der Modalitäten für die Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs.
Eine Regelung solcher Art gehört zu den auf die Festlegung des Urlaubs der Arbeitnehmer anwendbaren Bestimmungen und Verfahren des nationalen Rechts, die zum Ziel haben, den verschiedenen widerstreitenden Interessen Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Vicente Pereda, C-277/08, EU:C:2009:542, Rn. 22).
Wie aus Rn. 35 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist jedoch dafür Sorge zu tragen, dass die Anwendung solcher nationalen Bestimmungen nicht zum Erlöschen der vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub führen kann, wenn es ihm tatsächlich nicht möglich war, diese Ansprüche wahrzunehmen.
Im vorliegenden Fall ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass die in Rn. 36 des vorliegenden Urteils angeführten nationalen Vorschriften dahin ausgelegt werden, dass, wenn ein Arbeitnehmer im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines bezahlten Jahresurlaubs gestellt hat, dies grundsätzlich dazu führt, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums und entsprechend seinen Anspruch auf eine Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert.
Wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden mit einem solchen automatischen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, der keine vorherige Prüfung voraussetzt, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen, die in Rn. 35 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen verkannt, die von den Mitgliedstaaten zwingend einzuhalten sind, wenn sie die Modalitäten für die Ausübung dieses Anspruchs im Einzelnen festlegen.
Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann. Aufgrund dieser schwächeren Position kann der Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2010, Fuß, C-429/09, EU:C:2010:717, Rn. 80 und 81 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Zudem ist die Schaffung eines Anreizes, auf den Erholungsurlaub zu verzichten oder die Arbeitnehmer dazu anzuhalten, darauf zu verzichten, mit den in den Rn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils genannten Zielen unvereinbar, die mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfolgt werden und u. a. darin bestehen, zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. April 2006, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C-124/05, EU:C:2006:244, Rn. 32). Demnach verstößt auch jede Praxis oder Unterlassung eines Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer davon abhalten kann, den Jahresurlaub zu nehmen, gegen das mit dem Recht auf Jahresurlaub verfolgte Ziel (Urteil vom 29. November 2017, King, C-214/16, EU:C:2017:914, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Unter diesen Umständen ist eine Situation zu vermeiden, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, während der Arbeitgeber damit die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers seiner eigenen Pflichten zu entziehen.
Für die Antwort auf die erste Frage ist zwar darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Verpflichtung des Arbeitgebers aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht so weit gehen kann, von diesem zu verlangen, dass er seine Arbeitnehmer zwingt, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-484/04, EU:C:2006:526, Rn. 43). Er muss den Arbeitnehmer jedoch in die Lage versetzen, einen solchen Anspruch wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2017, King, C-214/16, EU:C:2017:914, Rn. 63).
Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 41 bis 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist der Arbeitgeber in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, u. a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.
Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber (vgl. entsprechend Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 68). Kann er nicht nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, verstießen das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am Ende des Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – das entsprechende Ausbleiben der Zahlung einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub gegen Art. 7 Abs. 1 und gegen Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88.
Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, und zeigt sich daher, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 50 und 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und aus Rn. 42 des vorliegenden Urteils hervorgeht, wäre jede Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88, die den Arbeitnehmer dazu veranlassen könnte, aus freien Stücken in den betreffenden Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeiträumen keinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, um seine Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen, mit den durch die Schaffung des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub verfolgten Zielen unvereinbar.
Was als Zweites Art. 31 Abs. 2 der Charta anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen Anwendung finden (vgl. u. a. Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale, C-176/12, EU:C:2014:2, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Da mit der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung die Richtlinie 2003/88 umgesetzt wird, findet Art. 31 Abs. 2 der Charta im Ausgangsverfahren Anwendung (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale, C-176/12, EU:C:2014:2, Rn. 43).
Schon dem Wortlaut von Art. 31 Abs. 2 der Charta ist zu entnehmen, dass in dieser Bestimmung das „Recht“ jeder Arbeitnehmerin und jedes Arbeitnehmers auf „bezahlten Jahresurlaub“ verankert ist.
Nach den Erläuterungen zu Art. 31 der Charta, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta bei deren Auslegung zu berücksichtigen sind, orientiert sich Art. 31 Abs. 2 der Charta an der Richtlinie 93/104, an Art. 2 der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten und am 3. Mai 1996 in Straßburg revidierten Europäischen Sozialcharta sowie an Nr. 8 der auf der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 verabschiedeten Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (Urteil vom 19. September 2013, Überprüfung Kommission/Strack, C-579/12 RX-II, EU:C:2013:570, Rn. 27).
Wie sich aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 ergibt, wurde mit ihr die Richtlinie 93/104 kodifiziert. Art. 7 der Richtlinie 2003/88, der den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub betrifft, hat denselben Wortlaut wie Art. 7 der Richtlinie 93/104 (Urteil vom 19. September 2013, Überprüfung Kommission/Strack, C-579/12 RX-II, EU:C:2013:570, Rn. 28).
In diesem Zusammenhang ist außerdem zu beachten, dass das in Art. 31 Abs. 2 der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub nur unter Einhaltung der in Art. 52 Abs. 1 der Charta vorgesehenen strengen Bedingungen und insbesondere nur unter Achtung seines Wesensgehalts beschränkt werden kann. Folglich können die Mitgliedstaaten nicht von dem sich aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta ergebenden Grundsatz abweichen, wonach ein erworbener Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2017, King, C-214/16, EU:C:2017:914, Rn. 56).
Infolgedessen sind sowohl Art. 7 der Richtlinie 2003/88 als auch – für die in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalte – Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Umstand, dass ein Arbeitnehmer im Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines gemäß diesen Bestimmungen erworbenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, automatisch, ohne dass demnach zuvor geprüft würde, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen, dazu führt, dass er diesen Anspruch und entsprechend seinen Anspruch auf die finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verliert.
Hat der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub hingegen aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht genommen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, stehen Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auch dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen, ohne dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, den Arbeitnehmer dazu zu zwingen, diesen Anspruch tatsächlich wahrzunehmen.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta ausgelegt werden kann.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs haben nämlich die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Gerichtshof ebenfalls entschieden hat, umfasst das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung u. a. die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt worden ist (Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen. Es ist insoweit Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der darin anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen, ob es in der Lage ist, zu einer Auslegung dieses Rechts zu gelangen, mit der die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet werden kann.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta in dem Fall, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht im Einklang mit ihnen ausgelegt werden kann, dahin auszulegen sind, dass sie zur Folge haben, dass das nationale Gericht diese nationale Regelung in einem Rechtsstreit zwischen dem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber unangewendet zu lassen hat und der Arbeitnehmer von diesem Arbeitgeber eine finanzielle Vergütung für den von ihm gemäß diesen Bestimmungen erworbenen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub erhalten muss.
Was nun als Erstes die Frage einer etwaigen unmittelbaren Wirkung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 anbelangt, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem kann der Einzelne, wenn er sich dem Staat gegenüber auf eine Richtlinie berufen kann, dies unabhängig davon tun, ob der Staat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann (Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Aufgrund dieser Erwägungen hat der Gerichtshof anerkannt, dass sich der Einzelne auf nicht von Bedingungen abhängige und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie nicht nur gegenüber einem Mitgliedstaat und allen Trägern seiner Verwaltung einschließlich dezentralisierter Behörden berufen kann, sondern auch gegenüber Organisationen und Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder die von einem Mitgliedstaat mit der Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe betraut wurden und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C-122/17, EU:C:2018:631, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist die insoweit erforderliche Prüfung Sache des vorlegenden Gerichts, das im Übrigen allein über die dafür sachdienlichen Informationen verfügt. Das vorlegende Gericht ist, wie sich aus Rn. 16 des vorliegenden Urteils ergibt, davon ausgegangen, dass die Max-Planck-Gesellschaft als Privatperson anzusehen ist.
Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. Eine Ausdehnung der Möglichkeit, sich auf eine Bestimmung einer nicht oder unrichtig umgesetzten Richtlinie zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen Privaten, liefe nämlich darauf hinaus, der Union die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zulasten der Einzelnen Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C-122/17, EU:C:2018:631, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich kann selbst eine klare, genaue und nicht von Bedingungen abhängige Bestimmung einer Richtlinie, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, als solche im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen, keine Anwendung finden (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C-122/17, EU:C:2018:631, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 kann daher, obwohl er die Kriterien der Unbedingtheit und hinreichenden Genauigkeit erfüllt, die für eine unmittelbare Wirkung erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom heutigen Tag, Bauer und Willmeroth, C-569/16 und C-570/16, Rn. 71 bis 73), nicht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten geltend gemacht werden, um die volle Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu gewährleisten und zu erreichen, dass jede entgegenstehende nationalrechtliche Bestimmung unangewendet bleibt (Urteil vom 26. März 2015, Fenoll, C-316/13, EU:C:2015:200, Rn. 48).
Als Zweites ist zu Art. 31 Abs. 2 der Charta, für den in den Rn. 49 bis 55 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, dass er auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens Anwendung findet und dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, vorab darauf hinzuweisen, dass das Recht auf bezahlten Jahresurlaub einen wesentlichen Grundsatz des Sozialrechts der Union darstellt.
Dieser Grundsatz hat seinen Ursprung sowohl in Rechtsakten, die wie die in Art. 151 AEUV erwähnte Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von den Mitgliedstaaten auf Unionsebene geschaffen wurden, als auch in den völkerrechtlichen Verträgen, bei denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind. Zu diesen gehört die ebenfalls in Art. 151 AEUV erwähnte Europäische Sozialcharta, der alle Mitgliedstaaten angehören, da sie ihr entweder in ihrer ursprünglichen Fassung, in ihrer revidierten Fassung oder ihren beiden Fassungen beigetreten sind. Zu erwähnen ist auch das Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung), das, wie der Gerichtshof in den Rn. 37 und 38 des Urteils vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a. (C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18), festgestellt hat, Grundsätze der Internationalen Arbeitsorganisation enthält, denen nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 Rechnung zu tragen ist.
Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/104 wird insbesondere darauf verwiesen, dass es in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer unter Punkt 8 heißt, dass jeder Arbeitnehmer der Union Anspruch u. a. auf einen bezahlten Jahresurlaub hat, dessen Dauer gemäß den einzelstaatlichen Gepflogenheiten im Wege des Fortschritts anzunähern ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 2001, BECTU, C-173/99, EU:C:2001:356, Rn. 39).
Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub wurde also nicht mit Art. 7 der Richtlinie 93/104 und Art. 7 der Richtlinie 2003/88 selbst eingeführt. Es hat seinen Ursprung u. a. in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen (vgl. entsprechend Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 75), und hat als wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union zwingenden Charakter (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 48 und 68). Dieser wesentliche Grundsatz umfasst den Anspruch auf „bezahlten“ Jahresurlaub als solchen und den mit diesem eng verbundenen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub (vgl. Urteil vom heutigen Tag, Bauer und Willmeroth, C-569/16 und C-570/16, Rn. 83).
Mit der zwingenden Formulierung, dass „jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer“ das „Recht“„auf bezahlten Jahresurlaub“ hat – und zwar ohne dass insoweit, wie z. B. in Art. 27 der Charta, zu dem das Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C-176/12, EU:C:2014:2), ergangen ist, auf „Fälle und Voraussetzungen, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind“, verwiesen würde –, spiegelt Art. 31 Abs. 2 der Charta den wesentlichen Grundsatz des Sozialrechts der Union wider, von dem nur unter den in Art. 52 Abs. 1 der Charta vorgesehenen strengen Bedingungen und insbesondere nur unter Achtung des Wesensgehalts des Grundrechts auf bezahlten Jahresurlaub abgewichen werden kann.
Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub, das in Art. 31 Abs. 2 der Charta für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer verankert ist, ist infolgedessen, was sein Bestehen selbst anbelangt, zugleich zwingend und nicht von Bedingungen abhängig, da die Charta nicht durch unionsrechtliche oder nationalrechtliche Bestimmungen konkretisiert werden muss. In diesen sind nur die genaue Dauer des Jahresurlaubs und gegebenenfalls bestimmte Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Rechts festzulegen. Folglich verleiht Art. 31 Abs. 2 der Charta schon für sich allein den Arbeitnehmern ein Recht, das sie in einem Rechtsstreit gegen ihren Arbeitgeber in einem vom Unionsrecht erfassten und daher in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalt als solches geltend machen können (vgl. entsprechend Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76).
Art. 31 Abs. 2 der Charta hat daher für die in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalte insbesondere zur Folge, dass das nationale Gericht eine Regelung unangewendet zu lassen hat, die den in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz verletzt, dass einem Arbeitnehmer, wenn er nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen, ein erworbener Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums oder die finanzielle Vergütung, die als eng mit diesem Anspruch auf „bezahlten“ Jahresurlaub verbundener Anspruch am Ende des Arbeitsverhältnisses an dessen Stelle tritt, nicht genommen werden kann. Nach dieser Bestimmung können sich die Arbeitgeber auch nicht auf eine solche nationale Regelung berufen, um sich der Zahlung dieser Vergütung zu entziehen, zu der sie die Achtung des in dieser Bestimmung gewährleisteten Grundrechts verpflichtet.
Bezüglich der Wirkung, die Art. 31 Abs. 2 der Charta gegenüber privaten Arbeitgebern entfaltet, ist festzustellen, dass die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 zwar für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Unionsrechts gilt. Hingegen trifft Art. 51 Abs. 1 der Charta keine Regelung darüber, ob Privatpersonen gegebenenfalls unmittelbar zur Einhaltung einzelner Bestimmungen der Charta verpflichtet sein können, und kann demnach nicht dahin ausgelegt werden, dass dies kategorisch ausgeschlossen wäre.
Wie der Generalanwalt in Nr. 78 seiner Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Bauer und Willmeroth (C-569/16 und C-570/16, EU:C:2018:337) ausgeführt hat, kann der Umstand, dass manche Bestimmungen des Primärrechts in erster Linie an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, es nicht ausschließen, dass diese auch für Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen gelten können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 77).
Der Gerichtshof hat insbesondere bereits anerkannt, dass das in Art. 21 Abs. 1 der Charta niedergelegte Verbot schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht verleiht, das er in einem Rechtsstreit gegen eine andere Privatperson als solches geltend machen kann (Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76), ohne dass deshalb Art. 51 Abs. 1 der Charta dem entgegenstünde.
Speziell in Bezug auf Art. 31 Abs. 2 der Charta ist hervorzuheben, dass das Recht jeder Arbeitnehmerin und jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub schon seinem Wesen nach mit einer entsprechenden Pflicht des Arbeitgebers einhergeht, nämlich der Pflicht zur Gewährung bezahlten Jahresurlaubs oder einer Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub.
Sollte die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung nicht im Einklang mit Art. 31 Abs. 2 der Charta ausgelegt werden können, wird es daher in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens dem vorlegenden Gericht obliegen, im Rahmen seiner Befugnisse den aus dieser Bestimmung erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit der Bestimmung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls die nationale Regelung unangewendet lässt (vgl. entsprechend Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 79).
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass sich in dem Fall, dass eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta ausgelegt werden kann, aus Art. 31 Abs. 2 der Charta ergibt, dass das mit einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber befasste nationale Gericht diese nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um ihn tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub, deren Zahlung in diesem Fall unmittelbar dem betreffenden Arbeitgeber obliegt, verlieren kann.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen. Es ist insoweit Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der darin anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen, ob es in der Lage ist, zu einer Auslegung dieses Rechts zu gelangen, mit der die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet werden kann.
In dem Fall, dass eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta ausgelegt werden kann, ergibt sich aus Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta, dass das mit einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber befasste nationale Gericht diese nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um ihn tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub, deren Zahlung in diesem Fall unmittelbar dem betreffenden Arbeitgeber obliegt, verlieren kann.
Lenaerts
Bonichot
Prechal
Vilaras
von Danwitz
Biltgen
Jürimäe
Lycourgos
Ilešič
Malenovský
Levits
Bay Larsen
Rodin
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. November 2018.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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