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EuGH 28.01.2016 - C-64/15
EuGH 28.01.2016 - C-64/15 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer) - 28. Januar 2016 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Steuerrecht — Allgemeines Verbrauchsteuersystem — Richtlinie 2008/118/EG — Unregelmäßigkeit, die während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren eingetreten ist — Beförderung von Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung — Zum Zeitpunkt der Lieferung fehlende Waren — Erhebung der Verbrauchsteuer mangels Nachweises der Zerstörung oder des Verlustes der Waren“
Leitsatz
In der Rechtssache C-64/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof mit Entscheidung vom 11. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar 2015, in dem Verfahren
BP Europa SE
gegen
Hauptzollamt Hamburg-Stadt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und E. Regan,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der BP Europa SE, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Völker und A. Grin,
des Hauptzollamts Hamburg-Stadt, vertreten durch J. Thaler als Bevollmächtigten,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Collabolletta, avvocato dello Stato,
der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Tomat und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BP Europa SE (im Folgenden: BP Europa) und dem Hauptzollamt Hamburg-Stadt wegen der Energiesteuer, die BP Europa aufgrund der bei der Lieferung an ein in Deutschland gelegenes Steuerlager festgestellten Fehlmenge an Gasöl auferlegt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2008/118
Die Richtlinie 2008/118 enthält u. a. folgende Erwägungsgründe:
Die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [(ABl. L 76, S. 1)] wurde mehrfach in wesentlichen Punkten geändert. Da noch weitere Änderungen vorgenommen werden müssen, empfiehlt es sich aus Gründen der Klarheit, diese Richtlinie zu ersetzen.
Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, müssen die Voraussetzungen für die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Waren, die der Richtlinie 92/12/EWG unterliegen …, harmonisiert bleiben.
…
Da es nach wie vor für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, dass der Begriff der Verbrauchsteuer und die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs in allen Mitgliedstaaten gleich sind, muss auf Gemeinschaftsebene klargestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchsteuerschuldner ist.
Da die Verbrauchsteuer auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben wird, sollte sie nicht auf Waren erhoben werden, die unter bestimmten Umständen zerstört wurden oder unwiederbringlich verloren gegangen sind.
…“
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 lautet:
„Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt) erhoben werden:
Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/EG [des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51)];
…“
Art. 4 der Richtlinie 2008/118 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie und ihrer Durchführungsbestimmungen gelten folgende Definitionen:
…
Das ‚Verfahren der Steueraussetzung‘ ist eine steuerliche Regelung, die auf die Herstellung, die Verarbeitung, die Lagerung sowie die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die keinem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren unterliegen, unter Aussetzung der Verbrauchsteuer Anwendung findet.
…
Ein ‚Steuerlager‘ ist jeder Ort, an dem unter bestimmten von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem sich das Steuerlager befindet, festgelegten Voraussetzungen verbrauchsteuerpflichtige Waren im Rahmen eines Verfahrens der Steueraussetzung vom zugelassenen Lagerinhaber in Ausübung seines Berufs hergestellt, verarbeitet, gelagert, empfangen oder versandt werden.“
Art. 7 der Richtlinie sieht vor:
„(1) Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.
(2) Als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Richtlinie gilt
die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung;
…
(4) Die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche Verlust einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellter verbrauchsteuerpflichtiger Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit, infolge unvorhersehbarer Ereignisse oder höherer Gewalt oder einer von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates erteilten Genehmigung gelten nicht als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.
Im Sinne dieser Richtlinie gelten Waren dann als vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren gegangen, wenn sie nicht mehr als verbrauchsteuerpflichtige Waren genutzt werden können.
Die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche Verlust der betreffenden verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche Verlust eingetreten ist, oder, wenn nicht festgestellt werden kann, wo der Verlust eingetreten ist, den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Verlust entdeckt wurde, hinreichend nachzuweisen.
…“
Art. 10 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Wurde bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eine Unregelmäßigkeit begangen, die eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a zur Folge hatte, so findet die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr in dem Mitgliedstaat statt, in dem die Unregelmäßigkeit begangen wurde.
(2) Wurde bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eine Unregelmäßigkeit festgestellt, die eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a zur Folge hatte, und kann der Ort, an dem die Unregelmäßigkeit begangen wurde, nicht bestimmt werden, so gilt die Unregelmäßigkeit als in dem Mitgliedstaat und zu dem Zeitpunkt eingetreten, in dem bzw. zu dem sie entdeckt wurde.
(3) In den in den Absätzen 1 und 2 genannten Fällen unterrichten die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden oder als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten, die zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats.
(4) Sind verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Verfahren der Steueraussetzung befördert werden, nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen und wurde während der Beförderung keine Unregelmäßigkeit festgestellt, die eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a zur Folge hatte, so gilt eine Unregelmäßigkeit als im Abgangsmitgliedstaat und zu dem Zeitpunkt begangen, zu dem die Beförderung begonnen hat, es sei denn, dass den zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats innerhalb von vier Monaten nach Beginn der Beförderung gemäß Artikel 20 Absatz 1 ein hinreichender Nachweis über die Beendigung der Beförderung nach Artikel 20 Absatz 2 oder über den Ort, an dem die Unregelmäßigkeit begangen wurde, erbracht wird.
…
(6) Als Unregelmäßigkeit im Sinne dieses Artikels gilt ein während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eintretender Fall – mit Ausnahme des in Artikel 7 Absatz 4 genannten Falls –, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht nach Artikel 20 Absatz 2 beendet wurde.“
Nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. c und d der Richtlinie 2008/118 muss der zugelassene Lagerinhaber eine Buchhaltung über die Bestände und Warenbewegungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren führen sowie alle in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten verbrauchsteuerpflichtigen Waren nach Beendigung der Beförderung in sein Steuerlager verbringen und in seinen Büchern erfassen.
Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Verbrauchsteuerpflichtige Waren können in einem Verfahren der Steueraussetzung wie folgt innerhalb des Gebiets der Gemeinschaft befördert werden, und zwar auch dann, wenn die Waren über ein Drittland oder ein Drittgebiet befördert werden:
aus einem Steuerlager zu
einem anderen Steuerlager,
…“
Nach Art. 19 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie muss der registrierte Empfänger alle Kontrollen dulden, die es den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats ermöglichen, sich vom tatsächlichen Empfang der Waren zu überzeugen.
In Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 heißt es:
„Die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung endet in den in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a [Ziffer] i … genannten Fällen, wenn der Empfänger die verbrauchsteuerpflichtigen Waren übernommen hat …“
Richtlinie 2003/96
Nach den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2003/96 erheben die Mitgliedstaaten insbesondere auf Gasöl im Sinne des Codes 2710 19 41 der Kombinierten Nomenklatur eine Steuer.
Deutsches Recht
In § 8 („Entstehung der Steuer bei Entnahme in den steuerrechtlich freien Verkehr“) des Energiesteuergesetzes vom 15. Juli 2006 (BGBl. I S. 1534, im Folgenden: EnergieStG) heißt es:
„(1) Die Steuer entsteht dadurch, dass Energieerzeugnisse im Sinn des § 4 aus dem Steuerlager entfernt werden, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt, oder dass sie zum Ge- oder Verbrauch innerhalb des Steuerlagers entnommen werden (Entnahme in den steuerrechtlich freien Verkehr). Schließt sich an die Entnahme in den steuerrechtlich freien Verkehr ein Verfahren der Steuerbefreiung (§ 24 Abs. 1) an, kommt es zu keiner Steuerentstehung.
(1a) Die Steuer entsteht nicht, wenn die Energieerzeugnisse auf Grund ihrer Beschaffenheit oder infolge unvorhersehbarer Ereignisse oder höherer Gewalt vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren gegangen sind. Energieerzeugnisse gelten dann als vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren gegangen, wenn sie als solche nicht mehr genutzt werden können. Die vollständige Zerstörung sowie der unwiederbringliche Verlust der Energieerzeugnisse sind hinreichend nachzuweisen.
…“
§ 11 („Beförderungen aus anderen und in andere Mitgliedstaaten“) EnergieStG bestimmt:
„(1) Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 dürfen unter Steueraussetzung, auch über Drittländer oder Drittgebiete, befördert werden
…
2. aus Steuerlagern in anderen Mitgliedstaaten oder von registrierten Versendern vom Ort der Einfuhr in anderen Mitgliedstaaten
in Steuerlager
…
im Steuergebiet
…
(4) … In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 endet die Beförderung unter Steueraussetzung mit der Aufnahme der Energieerzeugnisse in das empfangende Steuerlager …“
In § 14 („Unregelmäßigkeiten während der Beförderung“) EnergieStG heißt es:
„(1) Als Unregelmäßigkeit gilt ein während der Beförderung unter Steueraussetzung eintretender Fall, mit Ausnahme der in § 8 Absatz 1a geregelten Fälle, auf Grund dessen die Beförderung oder ein Teil der Beförderung nicht ordnungsgemäß beendet werden kann.
…
(3) Wird während der Beförderung unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat oder von einem Ort der Einfuhr in einem anderen Mitgliedstaat im Steuergebiet festgestellt, dass eine Unregelmäßigkeit eingetreten ist, und kann nicht ermittelt werden, wo die Unregelmäßigkeit eingetreten ist, so gilt sie als im Steuergebiet und zum Zeitpunkt der Feststellung eingetreten.
(4) Sind Energieerzeugnisse unter Steueraussetzung aus dem Steuergebiet in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden (§ 11 Absatz 1 Nummer 1, § 13 Absatz 1) und nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen, ohne dass während der Beförderung eine Unregelmäßigkeit festgestellt worden ist, so gilt die Unregelmäßigkeit nach Absatz 1 als im Steuergebiet zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung eingetreten, es sei denn, der Versender führt innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Beginn der Beförderung den hinreichenden Nachweis, dass die Energieerzeugnisse
am Bestimmungsort eingetroffen sind und die Beförderung ordnungsgemäß beendet wurde oder
auf Grund einer außerhalb des Steuergebiets eingetretenen Unregelmäßigkeit nicht am Bestimmungsort eingetroffen sind.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Im Januar 2011 verschiffte BP Europa 2,4 Mio. Liter Gasöl im Sinne des Codes 2710 19 41 der Kombinierten Nomenklatur von einem in den Niederlanden gelegenen Steuerlager zu einem Steuerlager in Deutschland. Der Transport erfolgte im Rahmen einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung gemäß den Art. 17 bis 31 der Richtlinie 2008/118.
Nach Anlieferung des Gasöls am Bestimmungsort stellte der Inhaber des deutschen Steuerlagers fest, dass er eine gegenüber den Angaben in dem für die Anwendung des Verfahrens der Steueraussetzung ausgestellten elektronischen Verwaltungsdokument um 4854 Liter reduzierte Menge, was 0,202 % der angemeldeten Menge entsprach, erhalten hatte, und teilte dies den Zollbehörden in seiner Eingangsmitteilung mit.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2012 setzte das Hauptzollamt Hamburg-Stadt Energiesteuer in Höhe von 24,93 Euro für die Fehlmenge an Gasöl fest, die die von der deutschen Verwaltung allgemein akzeptierte Toleranzschwelle von 0,2 % überstieg.
Das Finanzgericht Hamburg wies die Klage von BP Europa gegen diesen Bescheid ab. Es vertrat die Auffassung, dass die Fehlmenge an Gasöl auf eine Unregelmäßigkeit zurückzuführen sei, die als im Steuergebiet eingetreten gelte und eine Überführung des Gasöls in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt habe. Der mit der Revision befasste Bundesfinanzhof möchte wissen, ob diese rechtliche Beurteilung des Rechtsstreits, die sich aus der Anwendung des zur Umsetzung der Richtlinie 2008/118 ergangenen nationalen Rechts ergebe, den Anforderungen dieser Richtlinie genüge, insbesondere in Bezug auf die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs und die Bestimmung des für die Steuererhebung zuständigen Mitgliedstaats, wenn nur eine Teilmenge der unter Steueraussetzung beförderten Waren nicht am Bestimmungsort eintreffe.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 dahin gehend auszulegen, dass dessen Voraussetzungen nur dann erfüllt sind, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, oder kann die Regelung unter Berücksichtigung von Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118 auch auf Fälle angewendet werden, bei denen nur eine Teilmenge der unter Steueraussetzung beförderten verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft?
Ist Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin gehend auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung erst dann endet, wenn der Empfänger das bei ihm eingetroffene Transportmittel vollständig entladen hat, so dass die Feststellung einer Fehlmenge während des Entladevorgangs noch während der Beförderung erfolgt?
Steht Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der die Erhebungskompetenz des Bestimmungsmitgliedstaats (neben dem Ausschluss der in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 geregelten Fälle) allein von der Feststellung des Eintritts einer Unregelmäßigkeit und der Unmöglichkeit der Ermittlung des Orts, an dem die Unregelmäßigkeit begangen worden ist, abhängig gemacht wird, oder ist zusätzlich die Feststellung erforderlich, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch ihre Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind?
Ist Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 dahin gehend auszulegen, dass bei der Feststellung einer Unregelmäßigkeit nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 eine Überführung der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten und am Bestimmungsort nicht eingetroffenen verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr in sämtlichen Fällen anzunehmen ist, in denen der in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 vorgesehene Nachweis der vollständigen Zerstörung oder des unwiederbringlichen Verlustes der festgestellten Fehlmenge nicht erbracht werden kann?
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
Nach Art. 2 der Richtlinie 2008/118 sind die in ihrem Art. 1 genannten Waren verbrauchsteuerpflichtig. Dazu zählen Energieerzeugnisse gemäß der Richtlinie 2003/96 bei ihrer Herstellung innerhalb des Gebiets der Europäischen Union oder bei ihrer Einfuhr in dieses Gebiet. Während die Verbrauchsteuerpflicht somit an die Herstellung der betreffenden Waren innerhalb des genannten Gebiets oder ihre Einfuhr in dieses Gebiet anknüpft, entsteht nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 der Verbrauchsteueranspruch erst zum Zeitpunkt der Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr.
Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2008/118 können verbrauchsteuerpflichtige Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung innerhalb des Gebiets der Union u. a., wie im Ausgangsverfahren, aus einem in einem Mitgliedstaat gelegenen Steuerlager in ein in einem anderen Mitgliedstaat gelegenes Steuerlager befördert werden. Ein solches Aussetzungsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Verbrauchsteueranspruch für die darunter fallenden Waren noch nicht entstanden ist, obwohl der Steuertatbestand bereits erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Cipriani, C-395/00, EU:C:2002:751, Rn. 42). In Bezug auf die verbrauchsteuerpflichtigen Waren bewirkt diese Regelung daher den Aufschub der Steuerpflicht, bis eine Voraussetzung des Steueranspruchs erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Transport og Logistik, C-230/08, EU:C:2010:231, Rn. 78).
Bei solchen, einem Verfahren der Steueraussetzung unterliegenden Waren gilt nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 die Entnahme, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus diesem Verfahren als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.
Während die Richtlinie 92/12 in ihrem Art. 6 Abs. 1 vorsah, dass die Steuer nicht nur mit der Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr, sondern auch „mit der Feststellung von Fehlmengen“ entstand, wurde dieser die Fehlmengen betreffende Fall der Entstehung des Steueranspruchs nicht in die Richtlinie 2008/118 übernommen.
Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Vorschriften über die Entstehung des Steueranspruchs nach der Richtlinie 2008/118 auf die in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren anzuwenden sind, wenn zum Zeitpunkt der Lieferung festgestellt wird, dass die Warenmenge geringer ist als am Abgangsort.
Da die Richtlinie 2008/118 nach ihrem Art. 7 Abs. 2 Buchst. a die Entstehung des Steueranspruchs für Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung an die Entnahme aus diesem Verfahren knüpft, ist zunächst auf die zweite Frage zu antworten, die Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 betrifft, wonach die Beförderung solcher Waren endet, wenn der Empfänger sie übernommen hat.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung im Sinne dieser Bestimmung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens dann endet, wenn der Empfänger dieser Waren nach vollständiger Entladung des sie befördernden Transportmittels festgestellt hat, dass die Warenmenge geringer ist als die Menge, die ihm hätte geliefert werden sollen.
Da in der Richtlinie 2008/118 nicht definiert wird, was darunter zu verstehen ist, dass „der Empfänger die verbrauchsteuerpflichtigen Waren übernommen hat“, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sowohl ihr Wortlaut als auch ihr Kontext und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (vgl. u. a. Urteil Spanien/Parlament und Rat, C-44/14, EU:C:2015:554, Rn. 44).
Erstens ist zum Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 festzustellen, dass er sich auf die Waren selbst bezieht, ohne in irgendeiner Weise auf ihre Beförderungsmittel Bezug zu nehmen. Bei der Bestimmung ihres Lieferzeitpunkts ist daher auf den tatsächlichen Erhalt der Waren als solche durch ihren Empfänger abzustellen und nicht auf das bloße Eintreffen des sie enthaltenden, wie auch immer gearteten Behältnisses beim Empfänger.
Zweitens ist zum Kontext, in dem die fraglichen Bestimmungen der Richtlinie 2008/118 stehen, festzustellen, dass Art. 20 der Richtlinie Teil ihres Kapitels IV („Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung“) ist. Zu den Bestimmungen dieses Kapitels gehört Art. 19 Abs. 2 Buchst. c, wonach der Empfänger alle Kontrollen dulden muss, die es den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats ermöglichen, sich vom tatsächlichen Empfang der betreffenden Waren zu überzeugen. Der Unionsgesetzgeber wollte damit den tatsächlichen Empfang der Waren zum maßgeblichen Bestandteil der Voraussetzungen machen, unter denen die Beförderung dieser Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung bei ihrer Lieferung zu beurteilen ist. Keine andere Bestimmung von Kapitel IV gebietet eine abweichende Auslegung.
Drittens soll mit den Bestimmungen von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, die näher regeln, wann die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung endet, festgelegt werden, wann solche Waren, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten und wann infolgedessen der Steueranspruch bei diesen Waren entsteht.
Zudem ist, da die Verbrauchsteuer, wie dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 zu entnehmen ist, eine anhand der Menge der zum Verbrauch angebotenen Waren bemessene Steuer darstellt, der Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs so zu wählen, dass die Menge der betreffenden Waren genau gemessen werden kann. Angesichts dieses Ziels ist die in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie aufgestellte Regel, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung endet, wenn der Empfänger diese Waren übernommen hat, dahin auszulegen, dass die Übernahme zu dem Zeitpunkt als erfolgt anzusehen ist, zu dem der Empfänger genaue Kenntnis von der Menge der tatsächlich erhaltenen Waren haben kann.
Wäre die Übernahme bereits zu dem Zeitpunkt als erfolgt anzusehen, zu dem das mit den verbrauchsteuerpflichtigen Waren beladene Transportmittel an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, ohne dass der Empfänger die tatsächlich gelieferte Menge ermitteln konnte, entstünde der Steueranspruch unter Verstoß gegen die mit der Natur der fraglichen Steuer selbst zusammenhängenden Anforderungen, die – wie in der vorstehenden Randnummer ausgeführt – eine genaue Kenntnis der Menge der in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Waren voraussetzt. In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens kann daher vor der vollständigen Entladung des die fraglichen Waren befördernden Transportmittels nicht davon ausgegangen werden, dass ihre Übernahme erfolgt ist.
Überdies wollte der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er vom Lagerinhaber in Art. 16 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/118 verlangt, alle in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten verbrauchsteuerpflichtigen Waren nach Beendigung der Beförderung in sein Steuerlager zu verbringen und in seinen Büchern zu erfassen, und damit vorsieht, dass diese materiellen und buchhalterischen Vorgänge zeitlich mit der Beendigung der Beförderung zusammenfallen, ihre Beendigung zu einem Zeitpunkt eintreten lassen, zu dem der Lagerinhaber die fraglichen Waren tatsächlich erhalten hat und deren Menge im Hinblick auf ihre buchhalterische Erfassung in den Lageraufzeichnungen genau ermittelt werden konnte.
Unter diesen Umständen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung im Sinne dieser Bestimmung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens dann endet, wenn der Empfänger dieser Waren nach vollständiger Entladung des sie befördernden Transportmittels festgestellt hat, dass die Warenmenge geringer ist als die Menge, die ihm hätte geliefert werden sollen.
Zur dritten und zur vierten Frage
Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall nicht zu den von ihnen geregelten Fällen gehört und dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, mit der Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie dergestalt umgesetzt wird, dass seine Anwendung nicht von der Voraussetzung abhängt, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch ihre Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind.
Nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 gilt, wenn bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde, die eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie zur Folge hatte, und der Ort, an dem die Unregelmäßigkeit begangen wurde, nicht bestimmt werden kann, die Unregelmäßigkeit als in dem Mitgliedstaat und zu dem Zeitpunkt eingetreten, in dem bzw. zu dem sie entdeckt wurde.
Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass sie den Fall betreffen, in dem eine bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung festgestellte Unregelmäßigkeit eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung zur Folge hatte.
Daher darf eine nationale Vorschrift, mit der Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 umgesetzt wird, grundsätzlich nicht vorsehen, dass eine solche Unregelmäßigkeit als in dem Mitgliedstaat und zu dem Zeitpunkt eingetreten gilt, in dem bzw. zu dem sie entdeckt wurde, ohne diese Vermutung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die Unregelmäßigkeit die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge hatte.
Es steht fest, dass § 14 EnergieStG, mit dem die Umsetzung vorgenommen wurde, keine solche Voraussetzung erwähnt.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Gerichte das innerstaatliche Recht bei seiner Anwendung jedoch so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auslegen, um das darin festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da es den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (vgl. u. a. Urteil Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 24).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118 als „Unregelmäßigkeit“ im Sinne dieses Artikels ein während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eintretender Fall – mit Ausnahme des in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie genannten Falles – gilt, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil einer Beförderung von Waren nicht nach Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie beendet wurde.
Die Feststellung von Fehlmengen bei der Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung stellt aber eine notwendigerweise vergangene Situation dar, in der die fehlenden Waren nicht Teil der Lieferung waren, so dass ihre Beförderung nicht nach Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 beendet wurde. Es handelt sich folglich um eine Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie. Eine derartige Unregelmäßigkeit führt notwendigerweise zu einer Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung und gilt somit nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.
In diesem Kontext kann, wenn in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 wie § 14 EnergieStG nicht erwähnt wird, dass ihre Anwendung davon abhängt, dass die Unregelmäßigkeit die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge hatte, dies einer Anwendung der nationalen Vorschrift bei der Feststellung von Fehlmengen, die notwendigerweise eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach sich ziehen, nicht entgegenstehen.
Überdies ist festzustellen, dass von der Unregelmäßigkeit, auf die sich Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 bezieht, der in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie genannte Fall – wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt – ausgenommen ist, so dass sie nicht „die vollständige Zerstörung oder de[n] unwiederbringliche[n] Verlust … verbrauchsteuerpflichtiger Waren“ erfasst.
Wird der Nachweis einer solchen vollständigen Zerstörung oder eines unwiederbringlichen Verlustes der einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellten verbrauchsteuerpflichtigen Waren erbracht, kann es daher nicht zur Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 und folglich auch nicht zur Anwendung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie kommen. Somit ist der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall vom Anwendungsbereich dieser Bestimmungen ausgenommen.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass
zu den von ihnen geregelten Fällen der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall nicht gehört und
der Umstand, dass in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Richtlinienbestimmung die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt haben muss, der Anwendung dieser nationalen Vorschrift bei der Feststellung von Fehlmengen, die notwendigerweise eine solche Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach sich ziehen, nicht entgegenstehen kann.
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage, die zuletzt zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass er nicht nur dann anwendbar ist, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, sondern auch dann, wenn nur eine Teilmenge dieser Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft.
Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der genannten Bestimmung, wenn verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Verfahren der Steueraussetzung befördert werden, nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen sind und während der Beförderung keine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde, die eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 zur Folge hatte, eine Unregelmäßigkeit als im Abgangsmitgliedstaat und zu dem Zeitpunkt begangen gilt, zu dem die Beförderung begonnen hat.
Somit ist schon nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 die Anwendung dieser Bestimmung keineswegs Fällen vorbehalten, in denen die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist.
Eine andere Tragweite kann dieser Bestimmung weder aufgrund ihres Kontextes noch aufgrund ihrer Zielsetzung beigemessen werden.
Zum einen regelt Abs. 4 von Art. 10 der Richtlinie 2008/118 ebenso wie dessen Abs. 1 und 2 die Fälle, in denen bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung Unregelmäßigkeiten begangen wurden. Wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt, gilt nach Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118 als „Unregelmäßigkeit“ im Sinne dieses Artikels ein Fall, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil einer Beförderung von Waren nicht nach Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie beendet wurde. Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 steht somit in einem Kontext, in dem der Unionsgesetzgeber alle Fälle von Unregelmäßigkeiten erfassen wollte, also auch solche, die nur einen Teil der Beförderung betreffen.
Zum anderen dienen die Vorschriften von Art. 10 der Richtlinie 2008/118 zur Festlegung der Regeln für die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung infolge während einer Beförderung eingetretener Unregelmäßigkeiten als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt anzusehen sind. Angesichts dieses Ziels gibt es keinen Grund zur Annahme, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 10 Abs. 4, der den Fall betrifft, in dem die Unregelmäßigkeit zwar während einer Beförderung eingetreten ist, dabei jedoch nicht festgestellt wurde, die Anwendung der in diesem Absatz enthaltenen Regelung nur den Fällen vorbehalten wollte, in denen die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass er nicht nur dann anwendbar ist, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, sondern auch dann, wenn nur eine Teilmenge dieser Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG ist dahin auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung im Sinne dieser Bestimmung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens dann endet, wenn der Empfänger dieser Waren nach vollständiger Entladung des sie befördernden Transportmittels festgestellt hat, dass die Warenmenge geringer ist als die Menge, die ihm hätte geliefert werden sollen.
Art. 7 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 ist dahin auszulegen, dass
zu den von ihnen geregelten Fällen der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall nicht gehört und
der Umstand, dass in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Richtlinienbestimmung die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt haben muss, der Anwendung dieser nationalen Vorschrift bei der Feststellung von Fehlmengen, die notwendigerweise eine solche Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach sich ziehen, nicht entgegenstehen kann.
Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur dann anwendbar ist, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, sondern auch dann, wenn nur eine Teilmenge dieser Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft.
Unterschriften
( *1) Verfahrenssprache: Deutsch.
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