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BAG 13.02.2020 - 6 AZR 268/19
BAG 13.02.2020 - 6 AZR 268/19
Vorinstanz
vorgehend ArbG Düsseldorf, 16. April 2018, Az: 9 Ca 6999/17, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 30. Januar 2019, Az: 7 Sa 415/18, Urteil
nachgehend BVerfG, 5. Januar 2021, Az: 1 BvR 1771/20, Nichtannahmebeschluss
nachgehend BVerfG, 5. Januar 2021, Az: 1 BvR 1847/20, Beschluss
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2019 - 7 Sa 415/18 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das die Kündigungsschutzklage gegen den Revisionsbeklagten abweisende Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. April 2018 - 9 Ca 6999/17 - zurückgewiesen hat.
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2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. April 2018 - 9 Ca 6999/17 - im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als es die Kündigungsschutzklage gegen den Revisionsbeklagten abgewiesen hat.
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3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG vom 28. November 2017 aufgelöst worden ist.
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4. Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 90 % und der Revisionsbeklagte zu 10 %.
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Die Gerichtskosten der zweiten Instanz tragen der Kläger und der Revisionsbeklagte je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in zweiter Instanz trägt der Revisionsbeklagte zur Hälfte, diejenigen der Deutschen Lufthansa AG (vormalige Berufungsbeklagte zu 2.) trägt der Kläger in vollem Umfang. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung in der zweiten Instanz nicht statt.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Revisionsbeklagte.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
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Der Kläger war seit dem 1. Juni 2010 bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (Schuldnerin) bzw. deren Rechtsvorgängerin als Co-Pilot und Senior First Officer beschäftigt. Sein Einsatzort war die Station der Schuldnerin in Düsseldorf.
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Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft und bediente mit mehr als 6.000 Beschäftigten im Linienflugverkehr inner- und außereuropäische Ziele. Hierfür unterhielt sie ua. Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf. In Berlin war der Leiter des Flugbetriebs („Head of Flight Operations“) ansässig. Diesem oblag die Leitung und Führung des Cockpitpersonals im operativen Geschäft. Die Umlauf- und Dienstplanung erfolgte für den gesamten Flugbetrieb zentral von Berlin aus. Für das Cockpitpersonal waren vier Area Manager tätig, die jeweils für mehrere Stationen zuständig und dem Flottenmanagement unterstellt waren. Das Kabinenpersonal wurde ua. durch zwei Regional Manager betreut. Der Regional Manager West war für die Station Düsseldorf zuständig.
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Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG durch Abschluss des „Tarifvertrags Personalvertretung (TVPV) für das Cockpitpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ eine Personalvertretung (PV Cockpit) gebildet. Der TVPV enthielt in § 74 eine § 102 BetrVG nachgebildete Verpflichtung der Schuldnerin, die PV Cockpit vor jeder Kündigung zu hören.
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Am 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten zu 1. (im Folgenden Beklagter) am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter. Danach leitete die Schuldnerin eine Investorensuche ein, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übertragenden Sanierung ermöglichen sollte. Nach Ablauf der Angebotsfrist am 15. September 2017 lag kein annahmefähiges Angebot vor.
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Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung. Demnach war beabsichtigt, den Betrieb bis spätestens 31. Januar 2018 stillzulegen.
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Mit Beschluss vom 1. November 2017 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Es ordnete Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten zum Sachwalter. Dieser zeigte noch am gleichen Tage gegenüber dem Insolvenzgericht eine drohende Masseunzulänglichkeit an.
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Mit Formular und Begleitschreiben vom 24. November 2017 erstattete die Schuldnerin bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord eine Massenentlassungsanzeige bzgl. des Cockpitpersonals. In dem hierfür vorgesehenen Formularfeld wurde angegeben, die Anzeige beziehe sich auf den „Hauptsitz der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“. Dort seien in der Regel 1.301 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, welche voraussichtlich alle im Zeitraum vom 27. November 2017 bis zum 26. Dezember 2017 entlassen werden sollten. Hinsichtlich der in der Regel Beschäftigten wird auf Anlagen verwiesen. In diesen wird bei den „Angaben zu Entlassungen Cockpit“ die Zahl von 1.301 Beschäftigten des Cockpitpersonals nach Stationen und Berufsgruppen aufgeschlüsselt. Das Begleitschreiben erläutert den Kündigungsgrund bzgl. dieser Beschäftigtengruppe. Die Personalleitung für diese Beschäftigten erfolge in sämtlichen Angelegenheiten von Berlin aus. Dort habe auch die auf tariflicher Grundlage gebildete PV Cockpit ihren Sitz. Die Agentur für Arbeit Berlin Nord setzte die örtliche Agentur für Arbeit am Stationierungsort Düsseldorf von den bevorstehenden Entlassungen in Kenntnis und übersandte eine Abschrift der Massenentlassungsanzeige.
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Mit einem am 29. November 2017 zugegangenen Schreiben vom 28. November 2017 kündigte die Schuldnerin mit Zustimmung des Beklagten gegenüber dem Kläger das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2018.
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Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
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Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 28. November 2017 gewandt. Sie sei unwirksam. Eine Betriebsstilllegung sei zum Zeitpunkt ihres Zugangs nicht beschlossen gewesen, die Schuldnerin habe vielmehr noch mit möglichen Betriebserwerbern verhandelt. Die PV Cockpit sei vor Kündigungszugang nicht ordnungsgemäß gemäß § 74 TVPV gehört worden. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft.
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Der Kläger hat zuletzt noch beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Schuldnerin vom 28. November 2017 aufgelöst wurde.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei wegen der beabsichtigten und tatsächlich erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Ein Betriebs(teil)übergang sei nicht geplant gewesen und habe auch nicht stattgefunden. Die Rechte der PV Cockpit seien gewahrt. Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt worden.
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Das Arbeitsgericht hat nach teilweiser Klagerücknahme, die ua. Feststellungs- und hilfsweise Weiterbeschäftigungsanträge gegen acht weitere Beklagte betraf, den gegen den jetzigen Beklagten gerichteten Kündigungsschutzantrag sowie die im Verhältnis zur Lufthansa AG (vormalige Berufungsbeklagte zu 2.) beanspruchte Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses wegen eines Betriebsübergangs abgewiesen. Die gegenüber der Lufthansa AG hilfsweise begehrte Weiterbeschäftigung fiel nicht zur Entscheidung an. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er entsprechend der beschränkten Revisionszulassung durch das Landesarbeitsgericht ausschließlich den gegen den Beklagten gerichteten Kündigungsschutzantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Der Kündigungsschutzantrag ist zulässig und begründet. Insoweit war das Berufungsurteil aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden.
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1. Die streitgegenständliche Kündigung ist wegen einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erstattete die Schuldnerin die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige wegen Verkennung des unionsrechtlich determinierten Betriebsbegriffs nicht ordnungsgemäß iSd. § 17 Abs. 3 KSchG. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren bereits entschieden und nimmt auf die Begründung dieses Urteils Bezug (BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 70 ff.). Es wurde eine inhaltlich nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige bei der unzuständigen Agentur für Arbeit Berlin Nord erstattet. Eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf erfolgte vor Kündigungszugang hingegen nicht. Soweit die Agentur für Arbeit Berlin Nord die Agentur für Arbeit Düsseldorf von den bevorstehenden Entlassungen in Kenntnis gesetzt und eine Abschrift der Massenentlassungsanzeige übersandt hat, ist weder festgestellt noch vom Beklagten vorgetragen, dass dies vor Zugang der Kündigung beim Kläger am 29. November 2017 erfolgte. Zudem wären die Anzeige und damit auch die Kündigung ebenso bei rechtzeitigem Eingang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wegen der inhaltlichen Mängel unwirksam gewesen.
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2. Die Kosten der Vorinstanzen sind zwischen den Parteien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu verteilen. Dabei ist für die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, dass der Kläger im Prozessrechtsverhältnis zur vormaligen Berufungsbeklagten zu 2. aufgrund der mit der Revision nicht angegriffenen diesbezüglichen Berufungszurückweisung zur vollständigen Kostentragung verpflichtet ist. Die Kosten des auf den Kündigungsschutzantrag beschränkten Revisionsverfahrens hat der Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.
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