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BAG 22.08.2017 - 1 AZR 546/15 (A)
BAG 22.08.2017 - 1 AZR 546/15 (A) - Eigenverwaltender Schuldner - Prozesskostenhilfe
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Freiburg (Breisgau), 21. November 2014, Az: 10 Ca 33/14, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 23. Juni 2015, Az: 10 Sa 59/14, Urteil
Tenor
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Der Beklagten zu 1. wird mit Wirkung ab dem 7. Juli 2017 für die Revisionsinstanz Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass kein eigener Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten ist. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte werden ihr Rechtsanwälte Taylor, Wessing, München, beigeordnet.
Gründe
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I. Die Beklagte zu 1. (im Folgenden Antragstellerin) ist eine eigenverwaltende Insolvenzschuldnerin. Sie wurde von der Klägerin auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Antragstellerin abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 18. Juli 2017 zurückgewiesen.
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Ein Gesuch der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung hat das Arbeitsgericht abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juli 2014 (- 11 Ta 18/14 -) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ua. ausgeführt, bei einer Eigenverwaltung in der Insolvenz komme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht infrage (vgl. auch LAG Baden-Württemberg 3. Juli 2014 - 10 TaBV 3/14 -) und hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin hat der Senat als unzulässig verworfen. Mit am 7. Juli 2017 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin nunmehr Prozesskostenhilfe für die Revisionsinstanz unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten beantragt.
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II. Dem Antrag war nach § 11a Abs. 1 ArbGG iVm. § 116 Satz 1 Nr. 1, § 114 ZPO zu entsprechen.
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1. Dem Gesuch steht der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juli 2014 (- 11 Ta 18/14 -) nicht entgegen. Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Im Übrigen erlangt ein die Prozesskostenhilfe versagender Beschluss auch im Falle seiner Unanfechtbarkeit keine materielle Rechtskraft (ausf. BGH 3. März 2004 - IV ZB 43/03 -). Auf die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung durch die Antragstellerin kommt es nicht an, weil die Klägerin als im Berufungsverfahren unterlegene Partei die Revision eingelegt hat (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Schließlich ist der Umstand, dass die Revision der Klägerin mit Urteil des Senats vom 18. Juli 2017 zurückgewiesen worden ist, für das Gesuch ohne Belang. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe muss lediglich - wie hier geschehen - vor Abschluss der Instanz beim zuständigen Gericht eingehen. Obsiegt der Hilfsbedürftige nach rechtzeitig gestelltem Antrag im Erkenntnisverfahren, entfällt dadurch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine noch ausstehende Bewilligungsentscheidung. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe ist rechtlich selbstständig und unabhängig von einem Kostenerstattungsanspruch zu beurteilen (Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 117 Rn. 2c).
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2. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.
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a) Nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Das gilt sowohl für Aktiv- (vgl. BGH 16. Juli 2009 - IX ZB 221/08 -) als auch für Passivprozesse (vgl. OLG Stuttgart 15. Februar 2012 - 7 U 197/11 -).
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b) Danach kann die Antragstellerin Prozesskostenhilfe beanspruchen.
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aa) Sie ist als eigenverwaltende Insolvenzschuldnerin zwar keine „Partei kraft Amtes“. Nach Sinn und Zweck des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist sie aber wie eine solche zu behandeln.
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(1) Parteien kraft Amtes sind Personen, die als Partei auftreten, aber fremde Interessen vertreten und nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Kosten aufzukommen haben. Ihr Amt wird ihnen durch besonderen Bestellungsakt übertragen (Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 116 Rn. 2). Typische Beispiele hierfür sind Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter. Abzugrenzen ist die Partei kraft Amtes vom Vertreter eines anderen, dessen Aufgabe ausschließlich in der Wahrung der Interessen einer bestimmten oder doch bedingt bestimmten Person oder Personenmehrheit besteht (BGH 14. Juli 2016 - IX ZA 9/16 - Rn. 11 mwN).
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(2) Ein eigenverwaltender Insolvenzschuldner steht den anerkannten Fallgruppen einer Partei kraft Amtes gleich.
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(a) Zwar behält der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO und wird so zum Amtswalter in eigenen Angelegenheiten. Diese Stellung ist ihm aber - ebenso wie bei einem Insolvenzverwalter - kraft besonderen gerichtlichen Bestellungsaktes übertragen. Er leitet seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das dem Insolvenzbeschlag unterlegene Vermögen aus der Entscheidung des Insolvenzgerichts ab, die Eigenverwaltung durchzuführen. Es handelt sich um eine vom Insolvenzgericht zugewiesene insolvenzspezifische Verfügungsbefugnis (Weber ZInsO 2014, 2151, 2153). Dem eigenverwaltenden Insolvenzschuldner obliegt die Verwaltung und Verwertung der Masse nach Maßgabe des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (Uhlenbruck/Zipperer 14. Aufl. § 270 InsO Rn. 12).
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(b) Für ein Insolvenzverfahren, in dem kein Insolvenzverwalter bestellt wird und stattdessen der Schuldner berechtigt ist, unter Sachwalteraufsicht die Insolvenzmasse zu verwalten, gelten die gleichen Vorschriften wie für das Regelinsolvenzverfahren (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO; vgl. hierzu zB HK-InsO/Landfermann 8. Aufl. Vor §§ 270 ff. Rn. 7). Dementsprechend wird - ohne Wechsel in der Prozessführungsbefugnis - durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein anhängiger, die Insolvenzmasse betreffender Rechtsstreit nach § 240 ZPO unterbrochen (BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11 -). Die durch die Unterbrechung bewirkte Überlegungsfrist benötigt auch ein Insolvenzschuldner, der sein Vermögen selbst verwaltet. Denn er darf sein bisheriges Prozessverhalten nicht ohne Weiteres beibehalten; vielmehr hat er nach der Insolvenzeröffnung ausschließlich die Interessen seiner Gläubiger zu wahren und eigene Interessen zurückzustellen. Zudem kann eine Abstimmung mit dem Sachwalter erforderlich werden (BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11 - Rn. 42 mwN).
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(c) Auch § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist - wie im Regelinsolvenzverfahren - anzuwenden (Eckardt EWiR 2014, 571; Weber ZInsO 2014, 2151; Wolff jurisPR-InsR 7/2015 Anm. 3). Im Hinblick auf den Insolvenzverwalter bezweckt § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die Prozessführung zwecks Anreicherung der Insolvenzmasse zu erleichtern (vgl. unter Hinweis auf die Gesetzeshistorie BAG 3. August 2011 - 3 AZB 8/11 - Rn. 29). Es soll vermieden werden, dass Masseprozesse nur aus dem Grunde nicht geführt werden können, weil zahlungsfähige Gläubiger angesichts der geringen Quote, die sie zu erwarten haben, das Prozessrisiko nicht übernehmen wollen, oder dass Geschäftspartner des Insolvenzschuldners sich rechtswidrige Vorteile in der Erwartung verschaffen, dem Insolvenzverwalter werde es nicht gelingen, die Mittel zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands aufzubringen (BGH 27. September 1990 - IX ZR 250/89 - zu II 2 der Gründe). Das gilt unabhängig davon, ob die Insolvenzeröffnung mit der Anordnung einer Eigen- oder Fremdverwaltung verbunden ist.
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bb) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind erfüllt.
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(1) Die Insolvenzmasse ist unzulänglich. Das hat die Antragstellerin hinreichend dargelegt. Bei angezeigter Masseunzulänglichkeit ist im Übrigen regelmäßig davon auszugehen, dass die Kosten des Rechtsstreits nicht aus der Masse aufgebracht werden können (Martini AnwZert InsR 20/2010 Anm. 3).
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(2) Die Antragstellerin hat ferner ausreichend aufgezeigt, dass es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten für die Verteidigung gegen die Revision aufzubringen.
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