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BAG 05.12.2012 - 3 AZB 40/12
BAG 05.12.2012 - 3 AZB 40/12 - Prozesskostenhilfe - beendeter Rechtsstreit
Normen
§ 114 ZPO, § 117 Abs 2 S 1 ZPO, § 139 ZPO, § 118 Abs 2 S 4 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Karlsruhe, 7. November 2011, Az: 1 Ca 395/11, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 3. April 2012, Az: 12 Ta 28/11, Beschluss
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 3. April 2012 - 12 Ta 28/11 - wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Kündigungsschutzverfahren.
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Die Klägerin hatte sich mit ihrer am 20. Oktober 2011 beim Arbeitsgericht Karlsruhe eingegangenen Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch mehrere Kündigungen innerhalb der Wartezeit gewandt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Am Ende der Klageschrift hatte die Klägerin hinsichtlich der beantragten Prozesskostenhilfe darauf hingewiesen, dass sie die Kosten des Rechtsstreits aus eigenen Mitteln nicht finanzieren könne. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst den zugehörigen Nachweisen werde alsbald nachgereicht.
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Nachdem zunächst mit Verfügung vom 24. Oktober 2011 Termin zur Güteverhandlung auf den 15. November 2011 bestimmt worden war, übermittelten die Klägerin und die Beklagte mit übereinstimmenden Schriftsätzen vom 26. Oktober 2011 dem Arbeitsgericht einen vollständig ausformulierten Vergleichstext mit der Bitte, das Zustandekommen des Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO durch Beschluss festzustellen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bat zugleich um Bescheidung des PKH-Antrags. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 stellte das Arbeitsgericht das Zustandekommen des Vergleichs fest.
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Mit Verfügung vom 31. Oktober 2011 wies das Arbeitsgericht die Klägerin darauf hin, dass Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne, da dem Gericht keine Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen würden und eine rückwirkende Bewilligung nicht mehr möglich sei, da das Verfahren durch den Vergleich vom 27. Oktober 2011 erledigt worden sei.
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Mit Schriftsatz vom 2. November 2011 - beim Arbeitsgericht am 3. November 2011 eingegangen - reichte die Klägerin eine vollständige Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst zugehöriger Unterlagen beim Arbeitsgericht eingereicht.
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Mit Beschluss vom 7. November 2011 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Der sofortigen Beschwerde der Klägerin hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter. Die am Prozesskostenhilfeverfahren beteiligte Vertretung der Staatskasse ist der Rechtsbeschwerde entgegengetreten.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Klägerin gegen den ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht positiv beschieden werden.
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1. Nach § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung gewährt werden. Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt vor, dass sich die Parteien für die Erklärung der amtlichen Vordrucke zu bedienen haben. Grundsätzlich kann erst zu dem Zeitpunkt, in dem diesen Anforderungen genügt ist, Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden (BGH 8. Oktober 1991 - XI ZR 174/90 - NJW 1992, 839; BFH 13. Mai 1992 - II S 1/92 - zu II der Gründe). Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche und Zumutbare getan hat (BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - Rn. 13, EzA ZPO 2002 § 114 Nr. 3; 8. November 2004 - 3 AZB 54/03 - zu II 2 b der Gründe, BAG-Report 2005, 379; BGH 8. Oktober 1991 - IX ZR 174/90 - zu 2 der Gründe, aaO). Soweit die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse die Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat (BGH 10. Oktober 1995 - VI ZR 396/94 - zu II 1 der Gründe, AGS 1997, 141). Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - Rn. 13, EzA ZPO 2002 § 114 Nr. 3; 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).
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Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen die Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten - etwa durch einen Vorschuss gem. § 9 RVG - deckt. Eine weiter rückwirkende Bewilligung diente nur noch dazu, einem Prozessbevollmächtigten durch die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Das ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe (BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - Rn. 14, EzA ZPO 2002 § 114 Nr. 3; 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).
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2. Danach lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstmals mit Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin am 3. November 2011 vor. Zu diesem Zeitpunkt war der Rechtsstreit bereits durch den bestandskräftigen Vergleich vom 27. Oktober 2011 beendet.
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3. Prozesskostenhilfe war nicht deshalb rückwirkend zu bewilligen, weil das Arbeitsgericht vor Feststellung des Vergleichs nicht darauf hingewiesen hatte, dass der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin noch nicht bescheidungsfähig war, weil keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlag. Das Arbeitsgericht war weder nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO verpflichtet, vor Feststellung des Vergleichs auf die fehlende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen noch lässt sich eine entsprechende Hinweispflicht aus § 139 ZPO herleiten.
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a) Nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, wenn der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zurückgewiesen, weil die Klägerin Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat, sondern weil bis zum Abschluss des Rechtsstreits am 27. Oktober 2011 nicht einmal eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlag.
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Arbeitsgericht auch nicht verpflichtet, vor Feststellung des Vergleichs am 27. Oktober 2011 auf die fehlende Formularerklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen. Die Klägerin hatte in der Klageschrift vom 19. Oktober 2011 angekündigt, die Formularerklärung nachreichen zu wollen. Der Klägerin war daher die Notwendigkeit der Einreichung des Formulars über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt (vgl. BGH 8. April 1987 - IVb ZB 77/87 - EzFamR ZPO § 117 Nr. 3). Eines Hinweises bedurfte es daher nicht.
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b) Das Arbeitsgericht hat - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend geschaffen, dass es nach Abschluss des Rechtsstreits eingereichte Unterlagen noch berücksichtigen werde. Ein solcher Vertrauenstatbestand ergibt sich nicht daraus, dass das Arbeitsgericht mit Verfügung vom 24. Oktober 2011 die Klage zugestellt und zugleich der Beklagten Gelegenheit gegeben hat, zum Prozesskostenhilfeantrag Stellung zu nehmen. Damit ist das Arbeitsgericht nur seiner Verpflichtung aus § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachgekommen, wonach dem Gegner vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Darin liegt jedenfalls dann kein Hinweis an die Klägerin, dass ihr Prozesskostenhilfegesuch vollständig vorliegt, wenn sie in der zuzustellenden Klageschrift gerade selbst mitteilt, dass die Formularerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist.
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c) Die im Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 enthaltene Bitte der Klägerin, über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch zu diesem Zeitpunkt war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig und damit nicht positiv bescheidungsfähig.
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d) Der Umstand, dass es in dem zugrunde liegenden Kündigungsschutzverfahren keine mündliche Verhandlung gegeben hat, gebietet ebenfalls keine andere Beurteilung. Zwar steht im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO der konkrete Zeitpunkt der Beendigung des Rechtsstreits durch die Beschlussfassung des Gerichts nicht fest. Jedoch ist jedenfalls dann, wenn die Parteien sich außergerichtlich geeinigt haben und diese Einigung dem Gericht mit wortgleichen Vergleichstexten mitteilen, damit zu rechnen, dass unverzüglich eine entsprechende Beschlussfassung erfolgen wird. Den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung können die Parteien damit selbst beeinflussen.
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e) Das Arbeitsgericht war nicht verpflichtet, nach § 139 ZPO einen Hinweis zu gegeben, zu welchem Zeitpunkt es beabsichtigte, den Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO zu erlassen. Die Klägerin musste damit rechnen, dass dies zeitnah zu der Mitteilung des Vergleichsschlusses erfolgen würde. Die Klägerin hat im Übrigen auch nicht vorgetragen, weshalb sie zwar den Vergleichstext am 26. Oktober 2011 dem Arbeitsgericht zugeleitet hat, nicht jedoch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, obwohl sie im gleichen Schriftsatz an die Bescheidung ihres Prozesskostenhilfeantrags erinnert hat.
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f) Aus der Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 10. Juni 2011 - 1 T 40/11 - kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Dort war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden, die lediglich nicht vollständig war, weil Zahlungen des Jobcenters nicht enthalten waren, die allerdings aufgrund des Parteivortrags für das Gericht erkennbar waren. Die Klägerin des hier zugrunde liegenden Rechtsstreits hatte in der Klageschrift lediglich mitteilen lassen, dass sie finanziell nicht in der Lage sei, die Kosten der Prozessführung aufzubringen; eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fehlte vollständig.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kostenausspruch erfasst lediglich die Pauschalgebühr nach Nr. 8623 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet (BGH 9. März 2010 - VI ZB 56/07 - MDR 2010, 767).
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