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BAG 07.02.2012 - 8 AZA 53/11 (F)
BAG 07.02.2012 - 8 AZA 53/11 (F) - Letztinstanzliche Gerichtsentscheidung - Begründungserfordernis - Prozesskostenhilfeantrag
Normen
§ 72a Abs 5 S 2 ArbGG, § 78a Abs 1 S 1 ArbGG, Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 114 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Hannover, 15. Juli 2010, Az: 11 Ca 110/10 Ö, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 4. August 2011, Az: 5 Sa 1351/10, Urteil
Leitsatz
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Wird ein Prozesskostenhilfegesuch für einen beabsichtigten Rechtsbehelf wegen dessen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt, so kann der Begründungszwang für diese Entscheidung grundsätzlich nicht höher sein als bei einer Entscheidung über einen bereits eingelegten Rechtsbehelf.
Tenor
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Die Gehörsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17. November 2011 - 8 AZA 38/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
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I. Die Parteien streiten um Entschädigung und Schadensersatz, weil sich die Klägerin bei der Ablehnung ihrer Bewerbung ua. aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt sieht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg, das die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen hat. Dagegen beabsichtigt die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen, wofür sie beim Bundesarbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat. Diesen Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 17. November 2011 abschlägig beschieden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot, § 114 Satz 1 ZPO.
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Durch diesen Beschluss sieht sich die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass der Beschluss über die Bekundung mangelnder Erfolgsaussicht hinaus keine Begründung enthalte und somit die Entscheidung inhaltlich kaum überprüfbar sei. Es bestehe ein besonderes Begründungserfordernis wegen der offenkundigen Grundrechtsrelevanz des Streitgegenstands. Darüber hinaus habe die Klägerin mit der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs durch das Landesarbeitsgericht rügen wollen. Die begründungslose Ablehnung des PKH-Gesuchs stelle auch eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG dar. Das anzufechtende Berufungsurteil lege eine Verletzung des Willkürverbots nahe. Wenn der Senat im Wege des ablehnenden PKH-Beschlusses dies faktisch gutheiße, so dränge sich auch insoweit die Annahme einer Willkürentscheidung geradezu auf. Weiter lege die Nichtgewährung der Prozesskostenhilfe den Schluss nahe, dass der Senat bereits die Erfolgsaussichten auch der Revision geprüft habe, ohne dass der Klägerin Gelegenheit zur Äußerung gegeben oder sie veranlasst worden sei, bereits eine vollständige Revisionsbegründung vorzulegen. Aus dem anzufechtenden Berufungsurteil gingen Gehörsverstöße und weitere Grundrechtsverletzungen des Landesarbeitsgerichts hervor.
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II. Die Gehörsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 78a Abs. 1 Satz 1 ArbGG für die Fortführung des Verfahrens sind nicht gegeben.
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1. Die Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG eröffnet die Selbstkorrektur unanfechtbarer instanzbeendender Entscheidungen in bestimmten Fällen. Es handelt sich wie bei § 321a ZPO um einen Sonderfall einer Verfahrensrüge. Die rügende Partei soll Gelegenheit erhalten aufzuzeigen, dass das Gericht bei seiner Entscheidung unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen ist oder dass ihm unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sonstige Rechtsfehler unterlaufen sind. Allerdings dient die Rüge nicht dazu, dass mit ihr eine aus der Sicht des Rügeführers fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Gericht geltend gemacht werden kann, durch welche er nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist. Dabei gilt, dass nicht jede falsche Rechtsanwendung durch ein Gericht die Verletzung des Anspruchs des Unterlegenen auf rechtliches Gehör indiziert. Ein Rechtsfehler des Gerichts stellt nur dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn die Entscheidung einer bloßen Willkürkontrolle nicht standhält oder wenn die Rechtsanwendung offenkundig unrichtig ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt (BVerfG 23. Juni 2004 - 1 BvR 496/00 - NJW 2004, 3551). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
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2. Wird ein Prozesskostenhilfegesuch für einen beabsichtigten Rechtsbehelf wegen dessen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt, so kann der Begründungszwang für diese Entscheidung grundsätzlich nicht höher sein als bei einer Entscheidung über einen bereits eingelegten Rechtsbehelf. Andernfalls käme die nicht hinreichend bemittelte Partei in den Vorteil, eine Vorab-Auskunft über die von ihr beabsichtigte Rechtsmittelbegründung zu erlangen.
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a) Entscheidungen über eine tatsächlich schon eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ergehen durch Beschluss, § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden, § 72a Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Davon kann bei einem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden oder verwerfenden Beschluss abgesehen werden, wenn die Begründung nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG. Kommen also bei einer Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet oder bei ihrer Verwerfung als unzulässig nur bereits geklärte Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde zur Anwendung, kann von einer Begründung abgesehen werden.
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b) Gegen erstinstanzliche Ablehnungen eines Prozesskostenhilfegesuchs kann der Antragsteller unter Umständen sofortige Beschwerde zum Landesarbeitsgericht einlegen, § 11a Abs. 3 ArbGG iVm. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Gegen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts in Prozesskostenhilfesachen ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Landesarbeitsgericht sie zugelassen hat, § 78 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Gegen Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts in Prozesskostenhilfesachen, ob sie Rechtsbeschwerdeentscheidungen oder Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe in dritter Instanz betreffen, sind Rechtsmittel nicht gegeben. Grundsätzlich bedürfen mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen von Verfassungs wegen keiner Begründung (BVerfG 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 136/05 - BVerfGE 118, 212, 238; 4. April 1998 - 1 BvR 968/97 - NJW 1998, 3484; 14. November 1989 - 1 BvR 956/89 - BVerfGE 81, 97, 106; 22. Januar 1982 - 2 BvR 1506/81 - NJW 1982, 925; 28. Februar 1979 - 2 BvR 84/79 - BVerfGE 50, 287, 289 f.).
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c) Dies gilt auch für Entscheidungen der obersten Bundesgerichte, mit denen eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Ergebnis zurückgewiesen wird (BVerfG 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497; 8. Januar 2004 - 1 BvR 864/03 - BVerfGK 2, 213, 220). An diesen Grundsätzen zur Begründung letztinstanzlicher Entscheidungen ändert sich auch dann nichts, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Vorinstanz gerügt wird. Von Verfassungs wegen geboten ist lediglich eine einmalige Kontrolle gerichtlichen Verfahrenshandelns auf eine Gehörsverletzung, nicht aber eine Begründung der hierauf ergehenden Entscheidung (BVerfG 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10 - Rn. 21, aaO; 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395, 411 ff.). Die Begründungserleichterung gilt erst recht bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge.
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d) Somit kann eine Begründung letztinstanzlicher gerichtlicher Entscheidungen nur ausnahmsweise geboten sein. Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn von dem eindeutigen Wortlaut einer Norm abgewichen werden soll und der Grund hierfür nicht ohne Weiteres erkennbar ist (BVerfG 5. November 1985 - 2 BvR 1434/83 - BVerfGE 71, 122, 136) oder sich die Zulassungsgründe nach der zweitinstanzlichen Entscheidung geändert haben (BVerfG 29. September 2010 - 1 BvR 2649/06 - Rn. 25 f.). Eine weitere Ausnahme kann gegeben sein, wenn wesentliche, der Rechtsverfolgung und -verteidigung dienende Tatsachenbehauptungen umfangreich und detailliert vorgebracht wurden und die gerichtliche Entscheidung hierzu völlig schweigt (BVerfG 25. Oktober 2011 - 2 BvR 2407/10 - Rn. 7; 21. Oktober 1981 - 1 BvR 1024/79 - BVerfGE 58, 353, 357; 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182, 189).
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3. Danach verletzt der von der Klägerin aufgrund ihrer Anhörungsrüge zu überprüfende Beschluss des Senats vom 17. November 2011, mit dem ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Verletzung kann die Klägerin nicht aus der fehlenden Begründung des Beschlusses folgern. Eine ausnahmsweise bestehende Begründungspflicht für einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich nicht daraus, dass die Entscheidung andernfalls inhaltlich kaum überprüfbar wäre. Mit einem ordentlichen Rechtsmittel ist ein solcher Beschluss des Revisionsgerichts nicht überprüfbar. Weder die Anhörungsrüge noch eine Verfassungsbeschwerde stellen ein weiteres Rechtsmittel dar. Häufig ist in Arbeitsgerichtsprozessen ein mehr oder weniger ausgeprägter Grundrechtsbezug gegeben, zB ist jede Bestandsstreitigkeit in letzter Konsequenz auch unter dem Blickwinkel grundrechtlich geschützter Interessen der Arbeitsvertragsparteien (Art. 12 GG) zu sehen. Aus solchen Überlegungen kann für das arbeitsgerichtliche Verfahren grundsätzlich kein Begründungszwang abgeleitet werden. Der Senat hat bei seiner ablehnenden Entscheidung zur beantragten Prozesskostenhilfe auch keinen Tatsachenvortrag der Klägerin, den sie bei ihrer beabsichtigen Nichtzulassungsbeschwerde entscheidungserheblich vorgebracht hätte, übergangen. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde hätte als unzulässig verworfen werden müssen, weil die Klägerin mit ihr darstellen wollte, dass das Landesarbeitsgericht „tragende Teile der rechtlichen Argumentation der Klägerin in seinem Urteil vom 04.08.2011 außer Betracht gelassen“ und so den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt hat und „den klägerischen Vortrag bestenfalls oberflächlich zur Kenntnis genommen hat“. Auch die zur Begründung einer Zulassung wegen Divergenz dargestellten Rechtssätze divergieren offensichtlich nicht, abgesehen davon, dass die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang eine Doppelbegründung des Berufungsurteils nicht behandelt. Die Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs für die Revisionsinstanz stellt grundsätzlich keine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG dar, weil die Rechtsweggarantie gerade nicht die Garantie eines dritten Rechtszugs beinhaltet. Schließlich ist das anzufechtende Berufungsurteil zwar knapp, aber ersichtlich nicht willkürlich begründet. Ob es Rechtsfehler enthält, prüft der Senat weder bei einer eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde noch bei einem vorausgehenden Ersuchen um Prozesskostenhilfe und auch nicht aus Anlass einer Anhörungsrüge. Mit dieser können im Übrigen angebliche Gehörsverstöße des anzufechtenden Berufungsurteils nicht ein weiteres Mal geltend gemacht werden (unzulässige sog. „sekundäre Anhörungsrüge“, vgl. BVerfG 5. Mai 2008 - 1 BvR 562/08 - NJW 2008, 2635).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Hauck
Böck
Breinlinger
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