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BAG 27.01.2011 - 2 AZR 646/09
BAG 27.01.2011 - 2 AZR 646/09 - Internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit - Auslegung von Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO - "gewöhnlicher Arbeitsort" eines zwischen Deutschland und den Niederlanden verkehrenden Binnenschiffers
Normen
Art 19 Nr 2 Buchst a EGV 44/2001
Vorinstanz
vorgehend ArbG Duisburg, 28. August 2008, Az: 2 Ca 2684/07, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 28. Mai 2009, Az: 13 Sa 1492/08, Urteil
Leitsatz
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Gewöhnlicher Arbeitsort iSd. Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO (juris: EGV 44/2001) ist der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfüllt.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2009 - 13 Sa 1492/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang über die die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
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Der 1981 geborene und in Deutschland lebende Kläger trat im April 2003 als Binnenschiffer/Matrose gegen eine Monatsbruttovergütung von 1.766,96 Euro in die Dienste der Beklagten. Zuvor war er aufgrund befristeter Arbeitsverträge für die Reederei H. tätig gewesen, die zu dem - seit über 200 Jahren in Duisburg ansässigen und weltweit operierenden - Handelskonzern H. gehörte. Um 1995 hatte sich der H.-Konzern von der Seeschifffahrt, bis zum Jahre 2002 auch von der von Duisburg aus betriebenen Binnenschifffahrt getrennt. Im Jahre 2003 wurden die vormals dem H.-Konzern zugehörigen Unternehmen der Schifffahrt in I-Reederei-Gruppe umbenannt. Die Beklagte ist ein Unternehmen dieser Gruppe, die von Duisburg aus operiert. Eines der dort ansässigen Unternehmen der Gruppe ist die Muttergesellschaft der Beklagten.
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Die Beklagte selbst bereedert Binnenschiffe, die im Eigentum der Muttergesellschaft stehen. Sie beschäftigt etwa 195 Mitarbeiter und hat ihren Sitz in W im Großherzogtum Luxemburg, etwa 250 Meter von der deutschen Grenze entfernt. Dort unterhält sie ein Büro, in welchem zwei Mitarbeiter für Personalverwaltung und weitere zwei für Buchhaltung zuständig sind. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete zuletzt der vom Kläger in dem W Büro unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 30. Dezember 2003. Der Geschäftsführer der Beklagten arbeitet sowohl im Luxemburger Büro als auch in Duisburg. Die Schiffe fahren unter deutscher Flagge. Die Beklagte ist nach luxemburgischem Recht Inhaberin einer Ausrüsterbescheinigung, welche sie berechtigt, das Schiff mit Personal nach luxemburgischem Recht zu besetzen.
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Der Kläger war auf einem Schubschiff eingesetzt, das im sogenannten „Continue-Betrieb“ den Rhein zwischen Duisburg und Rotterdam befuhr. Der Rhein fließt auf dieser Strecke zu einem Drittel auf deutschem und zu zwei Dritteln auf niederländischem Staatsgebiet. Im „Continue-Betrieb“ schiebt das Schubschiff mit Erz beladene Leichter von Rotterdam nach Duisburg, liefert die Ladung ab, nimmt leere Leichter auf, schiebt diese zurück nach Rotterdam und so fort. Dabei fährt das Schubschiff rund um die Uhr. Landgänge der Besatzung finden nicht statt. An Bord befinden sich jeweils drei Besatzungen, die im Schichtbetrieb tätig sind. Die Arbeitnehmer haben im Wechsel jeweils zwei Wochen Dienst und zwei Wochen frei. Die Besatzungen bestehen zu etwa 70 vH aus deutschen und zu etwa 30 vH aus niederländischen Staatsangehörigen. Auf den Schubschiffen wurde ausschließlich deutsch gesprochen.
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Aufgrund einer Anweisung der Beklagten haben sich die Arbeitnehmer zu Beginn der zweiwöchigen Arbeitsschicht zunächst um 11:00 Uhr an einer Bäckerei im Duisburger Hauptbahnhof einzufinden. Von dort wird telefonisch erfragt, wo sich das Schiff gerade befindet, und alsdann festgelegt, an welcher Stelle der Wechsel der Schiffsbesatzungen stattfinden soll. Zwischen Duisburg und Rotterdam bestehen etwa 15 bis 20 Haltepunkte, an denen ein Wechsel der Schiffsbesatzung möglich ist. Mit einem von der Beklagten bezahlten Taxi fahren die Arbeitnehmer von Duisburg zu der verabredeten Stelle und gehen an Bord. Teilweise reist auch einer der Arbeitnehmer mit einem von der Beklagten gestellten Leihfahrzeug zum Duisburger Hauptbahnhof, nimmt dort Kollegen auf und fährt mit ihnen zur verabredeten Stelle. Die von Bord gehende Besatzung wiederum fährt mit dem Taxi oder dem Leihwagen zum Duisburger Hauptbahnhof zurück. Die Beklagte hat diesen Treffpunkt ausgewählt, weil er, bezogen auf die Haltepunkte an der Rheinstrecke, für die aus dem ganzen Bundesgebiet anreisenden Arbeitnehmer am verkehrsgünstigsten gelegen ist. In Duisburg fanden auch Betriebsversammlungen statt.
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Ebenfalls in Duisburg befinden sich nach Darstellung der Beklagten zahlreiche ihrer Zulieferbetriebe. Sie versorgen die Schiffe der Beklagten mit Material. Die Beklagte sieht Duisburg als Standort an, wo Material oder auch Arbeitskleidung und Proviant für die Besatzungen mit dem sog. Schichtwechseltaxi an Bord genommen werden können.
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Durch Schreiben vom 10. Dezember 2007 sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien aus.
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Mit seiner beim Arbeitsgericht Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht. Die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit sei zur Entscheidung des Falles international zuständig. Der Kläger hat behauptet, er sei regelmäßig in Duisburg an bzw. von Bord gegangen. In Luxemburg habe er nur den Arbeitsvertrag unterschrieben, was etwa 90 Minuten gedauert habe, und sich einmal einer Eignungsuntersuchung gestellt.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die unter dem 10. Dezember 2007 verfassten Kündigungen weder zum 31. Dezember 2007 noch zum 15. Februar 2008 sein Ende gefunden hat.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Sie hat gerügt, die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Die gesamte Personalführung sei von Luxemburg aus erfolgt. Während seiner Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger auch Krankengeld von der Luxemburgischen Krankenkasse bekommen und sei vom medizinischen Dienst der Krankenkassen nach Luxemburg eingeladen worden. Jedenfalls habe der Kläger keinen Arbeitsort in Deutschland gehabt.
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Das Arbeitsgericht hat sich als international unzuständig angesehen und die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
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I. Die internationale Gerichtszuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).
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1. Die EuGVVO ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar. Sie geht nationalem Recht im Rang vor (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 26 mwN, AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4).
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2. Die EuGVVO ist auf die Beklagte anwendbar, da sie ihren Sitz im EU-Mitgliedstaat Luxemburg hat. Nach Art. 60 Abs. 1 EuGVVO haben Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Das ist hier W im Großherzogtum Luxemburg.
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II. Da Gegenstand des Verfahrens Ansprüche sind, die aus einem individuellen Arbeitsvertrag abgeleitet werden, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nach dem Kapitel II Abschn. 5 der EuGVVO, also nach deren Art. 18 ff., soweit darin nicht auf andere Vorschriften der EuGVVO verwiesen wird (EuGH 22. Mai 2008 - C-462/06 - [Glaxosmithkline] Rn. 19, Slg. 2008, I-3965).
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1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte ergibt sich nicht aus einer rügelosen Einlassung der Beklagten. Eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung - zuständigkeitsbegründende Einlassung -, die auch im Rahmen der EuGVVO möglich ist (EuGH 20. Mai 2010 - C-111/09 - Rn. 21, VersR 2010, 1099), ist nicht zustande gekommen. Die Beklagte hat von vornherein und - obwohl eine Einlassung im Gütetermin nicht zuständigkeitsbegründend wäre (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 38 mwN, AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4) - noch vor dem Gütetermin die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte geltend gemacht.
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2. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte folgt nicht aus Art. 19 Nr. 1 EuGVVO. Die Beklagte hat ihren Wohnsitz nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg.
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3. Die deutschen Arbeitsgerichte sind jedoch nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO zuständig. Nach dieser Bestimmung kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, auch an dem Ort in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dieser Ort - der gewöhnliche Arbeitsort - liegt im Streitfall in Duisburg.
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a) Der Senat hat die Frage einer Vorlage nach Art. 267 AEUV anhand der vom Bundesverfassungsgericht (21. Dezember 2010 - 1 BvR 506/09 - GRUR 2011, 225) aufgestellten Maßstäbe geprüft. Da die im Streitfall maßgebliche Auslegungsfrage geklärt ist, liegen die Voraussetzungen einer Vorlage nach Art. 267 AEUV nicht vor. Der für die Auslegung des Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO zuständige Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat sich mit dieser Norm bisher zwar nicht unmittelbar befasst. In einem Art. 19 EuGVVO betreffenden Vorlageverfahren, das ihm vom Tribunal du travail von Charleroi unterbreitet wurde, erklärte er sich für unzuständig nach Art. 68 EG-Vertrag (EuGH 10. Juni 2004 - C-555/03 - [Warbecq] Slg. 2004, I-6041). Jedoch hat der EuGH für die, soweit von Interesse, wortidentische Vorgängerregelung des Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO, nämlich Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüsseler Übereinkommen), bereits eine verbindliche Auslegung vorgenommen, auf die zurückzugreifen ist (OGH Wien 10. Juli 2008 - ObA 33/08y - IPRax 2010, 71; zustimmend Temming IPRax 2010, 59; MünchKomm ZPO/Gottwald 3. Aufl. Art. 19 EuGVVO Rn. 1 - 2; Hk-ZPO/Heinrich Dörner 4. Aufl. Art. 19 EuGVVO Rn. 4). Der Senat legt sie seiner Entscheidung zugrunde.
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aa) Für die Bestimmung der Zuständigkeit im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens ist diejenige Verpflichtung als maßgeblich anzusehen, die für den Arbeitsvertrag charakteristisch ist, also die Pflicht zur Verrichtung der Arbeit. Dabei steht das Bestreben nach einem stärkeren Schutz der Arbeitnehmer im Vordergrund (EuGH 26. Mai 1982 - C-133/81 - [Ivenel] Slg. 1982, I-1891). Dieses Ziel gilt nach dem Erwägungsgrund 13 auch für die EuGVVO. Sie will bei Arbeitssachen die schwächere Partei durch die Zuständigkeitsvorschriften in den Art. 18 - 21 EuGVVO schützen. Die Regeln über die internationale Zuständigkeit sollen für die schwächere Partei günstiger sein als die allgemeinen Regeln (Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 16. Dezember 2010 - C-29/10 - [Koelzsch] Rn. 50).
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bb) Als Ort, an dem die für den Vertrag charakteristische Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, ist der Ort anzusehen, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt (EuGH 13. Juli 1993 - C-125/92 - [Mulox] Rn. 24 und 26, Slg. 1993, I-4075 - im Französischen, das in dieser Rechtssache auch Verfahrenssprache war, lautet dieses Kriterium: „lieu où ou à partir duquel le travailleur s'acquitte principalement de ses obligations à l'égard de son employeur“; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 16. Dezember 2010 - C-29/10 - [Koelzsch] Rn. 100; Musielak/Stadler ZPO 7. Aufl. Art. 19 EuGVVO Rn. 2).
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cc) In diesem Sinn hat der EuGH auch den Ort verstanden, den der Arbeitnehmer zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit gemacht hat: Es ist derjenige Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil der Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt (EuGH 9. Januar 1997 - C-383/95 - [Rutten] Slg. 1997, I-57).
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dd) Zur Bestimmung dieses gewöhnlichen Arbeitsorts iSd. Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens hat der EuGH weiter präzisierend ausgeführt, er sei vom nationalen Gericht jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für das betreffende Arbeitsverhältnis zu bestimmen (EuGH 9. Januar 1997 - C-383/95 - [Rutten] Rn. 25, Slg. 1997, I-57; vgl. auch EuGH 27. Februar 2002 - C-37/00 - [Weber] Rn. 49, Slg. 2002, I-2013; 10. April 2003 - C-437/00 - [Pugliese] Slg. 2003, I-3573).
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ee) Der gewöhnliche Arbeitsort in diesem Sinne wird vom EuGH als Ort für die Zuständigkeitsbestimmung ua. deshalb als geeignet angesehen, weil damit das der Vertragsbeziehung am nächsten liegende Gericht zuständig wird (EuGH 9. Juli 2009 - C-204/08 - [Rehder] Rn. 37, Slg. 2009, I-6073). Damit wird regelmäßig derjenige Ort für die Klageerhebung zuständig, an dem der Arbeitnehmer am leichtesten klagen kann, weil er hier, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht und im Einklang mit dem EuGH hingewiesen hat, das räumlich, sozial, sprachlich und kulturell am ehesten vertraute Umfeld vorfindet (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: Schlussanträge des Generalanwalts Colomer 3. Juni 2008 - C-310/07 - [Holmqvist] Rn. 49, 60, Slg. 2008, I-7871). Vermieden werden soll eine prohibitive Wirkung etwaiger Klageerhebungskosten (Reisekosten, Dolmetscherkosten etc., vgl. zum Kostengesichtspunkt: Schlussanträge des Generalanwalts Colomer 3. Juni 2008 - C-310/07 - [Holmqvist] Fn. 31 mwN, aaO). In dieselbe Richtung weisen auch die Erwägungsgründe 23 und 24 zur Rom-I-VO, wonach bei Verträgen, bei denen die eine Partei als schwächer angesehen wird, die schwächere Partei geschützt werden soll. Zu diesem Schutz gehört auch die Senkung der Kosten für Rechtsstreitigkeiten. Die Rom-I-VO findet zwar auf den Streitfall noch keine Anwendung, kann jedoch zur Auslegung der EuGVVO herangezogen werden (EuGH 7. Dezember 2010 - C-585/08 - [Pammer] und - C-144/09 - [Alpenhof] Rn. 42, 43, 56 - 59, NJW 2011, 505). Maßgebend ist der Gedanke, dass der Arbeitnehmer an einem Ort soll klagen können, mit dem er verbunden ist und an dem er mit den relativ geringsten Kosten seine Rechte wahrnehmen kann (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 44 mwN, AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4). Außerdem ist der Ort, von dem aus die Arbeit aufgenommen wird, regelmäßig leicht zu erkennen. Damit ist dem Anliegen der EuGVVO gedient, eine möglichst rasche und einfache Klärung der Zuständigkeitsfrage zu erreichen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 12. Januar 2010 - C-19/09 - [Wood Floor Solutions] Rn. 70; EuGH 13. Juli 2006 - C-4/03 - [Gesellschaft für Antriebstechnik] Rn. 28, Slg. 2006, I-6509; 13. Juli 2006 - C-539/03 - [Roche Nederland ua.] Rn. 37, Slg. 2006, I-6535; 1. März 2005 - C-281/02 - [Owusu] Rn. 41, Slg. 2005, I-1383; vgl. ferner Junker FS Heldrich (2005) 719, 735; Mankowski IPRax 2003, 21 ff.).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall Duisburg als gewöhnlicher Arbeitsort anzusehen. Von hier aus nahm der Kläger die Arbeit auf und der Ort weist nach der Gesamtheit der Umstände des Falles die engsten Verbindungen zum Arbeitsverhältnis auf.
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aa) Das Arbeitsverhältnis hat in Duisburg, also in Deutschland, seine Wurzeln. Es geht auf frühere Arbeitsverhältnisse mit einem in Duisburg ansässigen Unternehmen zurück, das seinerseits zu einem ebenfalls in Duisburg ansässigen Konzern gehörte.
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bb) Die Beklagte gehört auch heute zu einem überwiegend von Duisburg aus operierenden Konzern und wird im Wesentlichen geleitet von einer zumindest auch in Duisburg ansässigen Geschäftsführung. Die Beklagte ist außerdem das Tochterunternehmen der in Duisburg ansässigen Muttergesellschaft.
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cc) Die Arbeitnehmer der Beklagten nehmen von Duisburg aus die Arbeit auf und beenden sie regelmäßig in Duisburg. Landgänge andernorts finden nicht statt. Die Arbeitnehmer werden - was Arbeitskleidung, Proviant etc. betrifft - von Duisburg aus versorgt. Von hier aus werden auch die Zubringerdienste organisiert und bezahlt. Die Beklagte hält Betriebsversammlungen in Duisburg ab.
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dd) Die Schiffsmannschaft besteht weit überwiegend aus deutschen Staatsangehörigen. Auf dem Schiff wird deutsch gesprochen. Sowohl das Arbeitsumfeld als auch das Vertragsumfeld sind entscheidend von der deutschen Sprache geprägt. Es liegt auf der Hand, dass die Zuständigkeit eines Gerichts, dessen Gerichtssprache deutsch ist, diesen Umständen besonders entgegenkommt. Das gilt sowohl für organisatorische Fragen als auch für die Kostenfrage. Es gilt aber besonders im Hinblick auf die für ein Gerichtsverfahren wünschenswerte Unmittelbarkeit des allseitigen Verständnisses für die räumlichen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten und auf die - durch die nationale Rechtskultur vorgeprägten - Haltungen und Erwartungen der Prozessbeteiligten, in die ein Arbeitsrechtsstreit gewöhnlich eingebettet zu sein pflegt.
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ee) Die Beziehungen zwischen dem Vertrag und dem Großherzogtum Luxemburg fallen demgegenüber nicht ins Gewicht. Sie sind zwar insoweit nicht zufällig, als die Beklagte diesen Sitz mit Bedacht gewählt haben dürfte. Gleichwohl erweisen sie sich - was die Nähe zum gelebten Arbeitsverhältnis betrifft - als vernachlässigenswert und marginal (vgl. zur Bedeutungslosigkeit des Sitzes einer Fluggesellschaft und zur Maßgeblichkeit von Abflugort und Zielort für den Vertrag mit dem Fluggast: EuGH 9. Juli 2009 - C-204/08 - [Rehder] Slg. 2009, I-6073). Irgendwelche Arbeitsleistungen am Sitz der Beklagten hat der Kläger nie erbracht und konnte er nach Lage der Dinge in W oder sonst im Großherzogtum Luxemburg auch nicht leisten. Weisungen wurden dem Kläger von dort aus nicht erteilt.
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ff) Die Tatsache, dass der Kläger den etwas überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit auf dem Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande verbringen dürfte, könnte an sich ein Hinweis darauf sein, dass sich dort auch sein gewöhnlicher Arbeitsort befindet (zum Kriterium des Zeitanteils vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 12. Januar 2010 - C-19/09 - [Wood Floor Solutions] Rn. 76; OGH Wien 10. Juli 2008 - ObA 33/08y - IPRax 2010, 71). Indes sind angesichts der hier gegebenen Besonderheiten die während des Aufenthalts auf dem schwimmenden Schiff durch die räumliche und die zeitliche Dimension vermittelten Beziehungen flüchtig und fließend und für die rechtliche Anknüpfung ohne Aussagewert (vgl. zur Notwendigkeit einer wertenden Betrachtung: Junker FS Heldrich (2005) 719, 735; Mankowski IPRax 2003, 21 ff.). Der Kläger betritt bei seiner Arbeit den Boden des Königreichs der Niederlande so gut wie nicht. Seine Arbeitsleistung hat zu den arbeitsrechtlichen, sprachlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten im Königreich der Niederlande noch weniger Bezug als zu denjenigen im Großherzogtum Luxemburg. Sie ist nicht durch die Lebensbedingungen in den Niederlanden geprägt. Inhaltlich beeinflusst werden Arbeitsleistung und Arbeitsumfeld des Klägers allein durch die mit Weisungen und organisatorischen Vorkehrungen von Duisburg aus den Arbeitsprozess steuernde und in ihn eingreifende Geschäftsführung, durch die in Duisburg ansässige Schiffseignerin, die ebenfalls dort tätigen Ausrüster des Schiffs und die überwiegend deutsche Mannschaft.
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gg) Da der Senat im Streitfall auf der Grundlage der Auslegung entschieden hat, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat, und der Senat entsprechend dieser Auslegung den gewöhnlichen Arbeitsort anhand der Umstände des hier gegebenen Falles vorgenommen hat, lagen die Voraussetzungen einer Vorlage nach Art. 267 AEUV nicht vor. Eine klärungsfähige Auslegungsfrage hat sich nicht gestellt. Soweit etwa in der arbeitsrechtlichen Literatur die Auffassung vertreten wird, es sei vom EuGH noch nicht vollständig ausgeurteilt, welche Bedeutung der Ort besitzt, „von dem aus“ der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt (Temming in Bepler/Düwell jurisPR-ArbR 15/2010 Anm. 6), mag das in dieser Allgemeinheit zutreffen. Indes sind aus dem damit beschriebenen Problemkreis nicht sämtliche, sondern lediglich diejenigen Fragen vorlagefähig, die die Auslegung betreffen. Eine solche war hier schon deshalb nicht zu entscheiden, weil nach der Rechtsprechung des EuGH die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts aufgrund der Umstände des Einzelfalles vom nationalen Gericht vorzunehmen ist.
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hh) Der Entscheidung des Senats steht das Urteil des Achten Senats vom 24. September 2009 (- 8 AZR 306/08 - AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4; dazu Temming in Bepler/Düwell jurisPR-ArbR 15/2010 Anm. 6; Noltin Anm. EzA Verordnung 44/2001 EG-Vertrag 1999 Nr. 4) nicht entgegen. Die Entscheidung verhält sich ausdrücklich allein zu Fällen der internationalen Seeschifffahrt (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - insbesondere Rn. 46, aaO).
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c) Ein Fall des Art. 19 Nr. 2 Buchst. b EuGVVO liegt nicht vor. Die Regelung greift ein, wenn ein gewöhnlicher Arbeitsort in einem Mitgliedstaat nicht besteht. Eben dies ist aber hier der Fall.
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III. Die Kosten der erfolglosen Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.
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Kreft
Rachor
Schmitz-Scholemann
Beckerle
B. Schipp
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