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BAG 10.06.2010 - 5 AZB 3/10
BAG 10.06.2010 - 5 AZB 3/10 - Rechtsweg - Zusammenhangsklage - Wettbewerbsverstöße von Nichtarbeitnehmern
Normen
§ 17a Abs 4 S 4 GVG, § 78 S 1 ArbGG, § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst d ArbGG, § 2 Abs 3 ArbGG, § 13 Abs 1 S 1 UWG 2004, § 233 ZPO, § 575 Abs 2 S 1 ZPO, § 575 Abs 2 S 2 ZPO, § 611 Abs 1 BGB, § 3 Abs 1 UWG 2004, § 4 Nr 8 UWG 2004, § 9 S 1 UWG 2004
Vorinstanz
vorgehend ArbG Lübeck, 27. Mai 2009, Az: 1 Ca 638/09, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 16. Dezember 2009, Az: 2 Ta 140/09, Beschluss
Leitsatz
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In Wettbewerbsstreitigkeiten schließt § 13 Abs. 1 UWG (Juris: UWG 2004) die Erhebung einer Zusammenhangsklage iSv. § 2 Abs. 3 ArbGG gegen Nichtarbeitnehmer vor den Gerichten für Arbeitssachen aus.
Tenor
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1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 10. und 11. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 16. Dezember 2009 - 2 Ta 140/09 - aufgehoben, soweit über die Zulässigkeit des Rechtswegs betreffend die Beklagte zu 10. und den Beklagten zu 11. und die Kosten des Beschwerdeverfahrens entschieden worden ist.
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2. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27. Mai 2009 - 1 Ca 638/09 - wird zurückgewiesen, soweit über die Zulässigkeit des Rechtswegs betreffend die Beklagte zu 10. und den Beklagten zu 11. entschieden worden ist.
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3. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsbeschwerde voll und der sofortigen Beschwerde zu 2/3 zu tragen. Der Beklagte zu 1. hat die Kosten der sofortigen Beschwerde zu 1/3 zu tragen.
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4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 304.868,68 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
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Die Klägerin stellt Kassen- und Abrechnungssysteme her, programmiert und wartet sie. Hauptkunde der Klägerin ist die Unternehmensgruppe E. Im Januar 2008 schloss ein Arbeitnehmer der Klägerin, der Beklagte zu 3., namens der Klägerin mit der Beklagten zu 10., diese vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Beklagten zu 11., einen Rahmenvertrag über die zentrale Vergabe von Einkäufen. Hiernach war die Klägerin verpflichtet, Hardwarekomponenten der Beklagten zu 10. zu einem Aufpreis von 14,5 % auf die Einstandspreise abzunehmen.
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Der Beklagte zu 11. war Gründungsgesellschafter und Vorstand einer am 28. Mai 2008 gegründeten K AG. Weitere Gründungsgesellschafter waren die Beklagten zu 1. bis 9., die zu dieser Zeit Mitarbeiter der Klägerin waren. Diese neu gegründete AG bot der E Südwest/E Bayern am 12. Juni 2008 den Abschluss eines Wartungsvertrags an.
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Die Klägerin macht geltend, die Beklagten zu 3. und 10. hätten bei Abschluss des Rahmenvertrags zum Nachteil der Klägerin gehandelt. Mit dem Rahmenvertrag sei Vermögen der Klägerin veruntreut worden. Die Beklagten zu 10. und 11. sollten durch den Vollzug dieses Rahmenvertrags die Kenntnis von den zur Ausführung der Wartungsverträge erforderlichen Geschäftsgeheimnissen erlangen.
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Die Klägerin behauptet, die Gründung der K AG sei allein zu dem Zweck erfolgt, wettbewerbswidrig den Wartungsauftrag der E zu übernehmen. Anlässlich eines Treffens am 27. April 2008, an dem ua. die Beklagten zu 1. bis 9. teilnahmen, sei durch die Beklagten zu 2. und 3. suggeriert worden, die Klägerin sei insolvenzreif und werde den E-Auftrag verlieren. Entsprechendes habe der Beklagte zu 1. bei einem weiteren Treffen mit ca. 40 bei der Klägerin angestellten Technikern erklärt.
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Die Klägerin hat folgende Anträge angekündigt:
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1.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1. bis 9. und zu 11. - wie Gesamtschuldner - gegenüber der Klägerin verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen bereits entstandenen und/oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen, der
a)
daraus resultiert ist, dass die Beklagten gegenüber den für Kassen- und Abrechnungssysteme zuständigen Mitarbeitern der E Südwest und/oder der E Bayern sinngemäß behauptet haben und/oder durch Dritte sinngemäß behaupten ließen, die Klägerin wäre insolvenzreif und/oder mit der Klägerin ginge es den Bach herunter und/oder die Klägerin wäre nicht in der Lage, die bestehenden Wartungsverträge über Kassen- und Abrechnungssysteme mit der E Südwest und/oder der E Bayern vertragsgerecht auszuführen,
b)
daraus resultiert, dass die Beklagten gegenüber den für Kassen- und Abrechnungssysteme zuständigen - namentlich benannten - Mitarbeitern der Klägerin behaupteten oder behaupten ließen, die Klägerin wäre insolvenzreif und/oder mit der Klägerin ginge es den Bach herunter und/oder die Klägerin wäre nicht in der Lage, die bestehenden Wartungsverträge über Kassen- und Abrechnungssysteme mit der E Südwest und/oder der E Bayern vertragsgerecht auszuführen.
2.
Die Beklagten zu 1., 2., 3., 10. und 11. werden - wie Gesamtschuldner - verurteilt, an die Klägerin 197.795,50 Euro zuzüglich Zinsen iHv. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2008 (mittlerer Zinstermin) zu zahlen.
3.
Die Beklagten zu 1. bis 9. und 11. werden - wie Gesamtschuldner - verurteilt, an die Klägerin 716.810,55 Euro zuzüglich gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Das Arbeitsgericht hat hinsichtlich der Beklagten zu 1., 10. und 11. den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und insoweit den Rechtsstreit an das Landgericht L verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Beschlusses heißt es, die Rechtsbeschwerde müsse innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung des Beschlusses schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde sei gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses schriftlich zu begründen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist den Beklagten zu 10. und 11. am 30. Dezember 2009 zugestellt worden. Mit ihrer am 25. Januar 2010 beim Bundesarbeitsgericht eingelegten und am 8. März 2010 begründeten Rechtsbeschwerde machen die Beklagten zu 10. und 11. weiterhin die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen geltend. Hilfsweise beantragen die Beklagten zu 10. und 11. wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Beklagten zu 10. und 11. haben die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde von einem Monat nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 78 Satz 1 ArbGG, § 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwar nicht eingehalten. Ihnen ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ( § 233 ZPO ).
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Nachdem die Beklagten zu 10. und 11. mit Schreiben vom 17. Februar 2010, zugestellt am 22. Februar 2010, auf die Versäumung der Begründungsfrist hingewiesen wurden, haben sie am 8. März 2010 und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
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Der Antrag ist begründet, denn die Beklagten zu 10. und 11. waren ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsbeschwerde fristgerecht zu begründen. Sie durften auf die in der Sache unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des Landesarbeitsgerichts vertrauen. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung rechtfertigt in der Regel die Annahme eines fehlenden Verschuldens des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung. Nur wenn die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich nicht geeignet ist, den Anschein der Richtigkeit zu erwecken, ist die Fristversäumnis als schuldhaft anzusehen(vgl. Senat 25. Januar 2007 - 5 AZB 49/06 - AP SGB II § 16 Nr. 1 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 6; BAG 16. Dezember 2004 - 2 AZR 611/03 - AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 30 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 3). Die Rechtsmittelbelehrung des Landesarbeitsgerichts war zwar bezüglich der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde falsch, weil diese nicht zwei Monate, sondern einen Monat, beginnend mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung, beträgt ( § 575 Abs. 2 ZPO ). Dieser Fehler ist aber nicht so offenkundig, dass für die Beklagten nicht der Anschein einer richtigen Belehrung entstehen konnte.
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III. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Unrecht bejaht. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt nicht aus § 2 Abs. 3 ArbGG.
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1. Nach § 2 Abs. 3 ArbGG können vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter die Absätze 1 und 2 fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für die Geltendmachung des Anspruchs nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Rechtlich oder innerlich zusammengehörende Verfahren sollen nicht in Verfahren vor verschiedenen Gerichten aufgespalten werden(BAG 27. Februar 1975 - 3 AZR 136/74 - zu II 4 der Gründe - AP ArbGG 1953 § 3 Nr. 1 = EzA ArbGG § 3 Nr. 1).
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2. Für die Klägerin besteht die durch § 2 Abs. 3 ArbGG eröffnete Wahlmöglichkeit nicht. Zwar handelt es sich bei der Hauptsacheklage gegen die Beklagten zu 2. bis 9. um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit. Die Klägerin macht gegen ihre Mitarbeiter sowohl Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb als auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, geltend. Hierfür sind gem.§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig. Doch ist für die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagten zu 10. und 11. die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts - Kammer für Handelssachen - gegeben. Damit scheidet nach § 2 Abs. 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen aus.
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a) Die Formulierung des Arbeitsgerichtsgesetzes „und für die Geltendmachung des Anspruchs nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist“ zielt auf die in anderen Gesetzen geregelten ausschließlichen Zuständigkeiten bestimmter Gerichte ab, wie sie ua. in § 29a Abs. 1 ZPO, § 143 Abs. 1 PatG und § 39 Abs. 1 ArbnErfG zu finden sind. Gleiches trifft auf § 13 Abs. 1 UWG zu. Nach dieser Norm sind die Landgerichte - Kammer für Handelssachen - für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht wird, ausschließlich zuständig.
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b) Die Klägerin macht gegen die Beklagten zu 10. und 11. Schadensersatzansprüche geltend, die sie aus unlauterem Wettbewerb herleitet. In der Summe ihres Vorbringens behauptet sie, die Gründung der K AG und die damit zusammenhängenden Einzelaktionen aller Beklagten hätten dem verabredeten Ziel gedient, der Klägerin wettbewerbswidrig den Wartungsauftrag der E abzujagen. Damit behauptet die Klägerin ein zielgerichtetes wettbewerbswidriges Vorgehen aller Beklagten. Soweit diese zur Tatzeit Arbeitnehmer der Klägerin waren, kommt damit die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen zum Tragen. Hinsichtlich der Beklagten zu 10. und 11., die in keiner arbeitsrechtlichen Beziehung zur Klägerin standen oder stehen, verbleibt es bei der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts - Kammer für Handelssachen -.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.
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V. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 63, 39 GKG. Festzusetzen ist ein Drittel des Hauptsachestreitwerts.
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