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BSG 23.11.2023 - B 9 V 8/23 B
BSG 23.11.2023 - B 9 V 8/23 B
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. März 2023 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Leistungen der Opferentschädigung wegen schwerer, auch sexueller Misshandlungen in einem katholischen Kinderheim in den Jahren 1965 und 1966.
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Das LSG hat den Anspruch wie vor ihm das SG verneint, weil ihm in Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der im Verfahren eingeholten aussagepsychologischen Gutachten und Stellungnahmen, die von der Klägerin beschriebenen Gewalt- und Missbrauchsszenen nicht glaubhaft erschienen (Urteil vom 8.3.2023).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie rügt Verfahrensmängel und meint, das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behaupteten Verfahrensmängel noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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1. Die Klägerin hat die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht hinreichend bezeichnet.
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a) Soweit sie die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das LSG rügt (allgemein zu den Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge BSG Beschluss vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 105/22 B - juris RdNr 6, jeweils mwN), hat sie bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet.
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Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen, muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO). Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Diese ist möglichst präzise und bestimmt zu behaupten. Zudem ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte oder unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 17.4.2023 - B 9 SB 46/22 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B - juris RdNr 6).
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Insoweit teilt die Beschwerde aber lediglich mit, das LSG habe es unterlassen, eine Reihe von ihr benannter Zeugen zu hören oder persönlich statt schriftlich zu vernehmen. Einen prozessordnungsgemäßen und bis zuletzt vor dem LSG in der mündlichen Verhandlung vom 8.3.2023 aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnet sie damit nicht.
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b) Soweit die Klägerin offenbar der Meinung ist, das LSG habe die im Verfahren erstellten aussagepsychologischen Gutachten und Stellungnahmen falsch gewürdigt, wendet sie sich gegen dessen Beweiswürdigung. Diese ist jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzogen. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10 mwN).
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c) Ebenso wenig genügt die Beschwerdebegründung den formellen Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels, soweit die Klägerin mit ihrem Vortrag, sie halte insbesondere den Vorsitzenden Richter des LSG für befangen, eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) und einen Verstoß gegen § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO rügen wollte. Die im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin hat bereits nicht dargelegt, im Verfahren vor dem LSG ein ordnungsgemäßes Ablehnungsgesuch angebracht zu haben. Ebenso wenig teilt sie mit, ob und mit welcher Begründung das Berufungsgericht dieses Gesuch abgelehnt hat. Ohne konkrete Angaben der Klägerin zur Begründung des LSG für die Ablehnung eines etwaigen Ablehnungsgesuchs ist das BSG als Beschwerdegericht außerstande zu beurteilen, ob eine Entscheidung des LSG über das Gesuch - wie für den Erfolg der Beschwerde notwendig - aus inhaltlichen Gründen auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruhen könnte, oder ob die Entscheidung darauf hindeutet, dass das LSG Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt habe (vgl BSG Beschluss vom 22.12.2021 - B 9 SB 42/21 B - juris RdNr 24 mwN). Ein erst nach Abschluss der Berufungsinstanz - etwa sinngemäß mit der Beschwerdeschrift - eingereichtes Ablehnungsgesuch wäre von vornherein unstatthaft, weil der vollständige Abschluss der Instanz den letzten möglichen Zeitpunkt für die Geltendmachung von Ablehnungsgründen bildet (vgl BSG Beschluss vom 13.7.2022 - B 7 AS 21/22 B - juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 17.8.2020 - B 14 AS 242/19 B - juris RdNr 6). Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn sich erst aus den Entscheidungsgründen Hinweise auf die Befangenheit eines an der Entscheidung mitwirkenden Richters ergeben (vgl BSG Beschluss vom 13.7.2022 - B 7 AS 21/22 B - juris RdNr 4), bedarf hier keiner weiteren Erörterung, weil dafür nichts Substantiiertes vorgetragen worden ist.
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2. Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin nicht dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN).
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Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort weder von vornherein praktisch außer Zweifel steht, noch so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG auseinandersetzen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN).
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Diese Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzrüge verfehlt die Beschwerdebegründung. Die Klägerin formuliert schon keine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten, genau bezeichneten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl hierzu BSG Beschluss vom 20.1.2023 - B 11 AL 30/22 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 30.9.2021 - B 9 V 25/21 B - juris RdNr 7). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, aus dem Vorbringen der Klägerin selbst eine entsprechende Rechtsfrage herauszusuchen und zu benennen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 17 mwN).
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Soweit es der Klägerin um die Anforderungen an die Erstellung von sogenannten Glaubhaftigkeitsgutachten im Opferentschädigungsrecht geht, fehlt es darüber hinaus an einer für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit notwendigen substantiierten Auseinandersetzung mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Beschluss vom 18.4.2019 - B 9 V 47/18 B - juris RdNr 12 mwN) sowie an der Darlegung, warum sich die von ihr für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen nicht mithilfe dieser Rechtsprechung beantworten lassen (vgl hierzu BSG Beschluss vom 6.3.2020 - B 9 SB 86/19 B - juris RdNr 6) und deshalb weiterer Klärungsbedarf besteht. Allein die auszugsweise Wiedergabe verschiedener Urteile des BSG in der Beschwerdebegründung genügt dafür nicht.
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Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 9.2.2023 - B 9 SB 35/22 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris RdNr 11).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Kaltenstein
Othmer
Röhl
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