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BSG 08.03.2023 - B 7 AS 7/22 R
BSG 08.03.2023 - B 7 AS 7/22 R - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Kostenerstattungsanspruch bei Aufenthalt im Frauenhaus - zuständiger kommunaler Träger - bisheriger gewöhnlicher Aufenthaltsort - Zwischenaufenthalt bei Freundin bis zum Freiwerden eines Platzes im Frauenhaus am neuen Aufenthaltsort
Normen
§ 36a SGB 2, § 30 Abs 3 S 2 SGB 1
Vorinstanz
vorgehend SG Osnabrück, 10. Januar 2022, Az: S 24 AS 22/21, Urteil
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 10. Januar 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2048,27 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die beteiligten Jobcenter streiten über eine Kostenerstattung bei Aufenthalt in einem Frauenhaus nach § 36a SGB II.
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Die nicht am Verfahren beteiligte Leistungsberechtigte und ihre Kinder lebten ursprünglich in M. Sie suchten dort vom 30.4. bis 12.6.2020 Schutz im Frauenhaus. Nachdem sie das Frauenhaus M verlassen hatten, kamen sie für ungefähr zehn Tage im Haushalt einer Freundin in O unter, um auf einen freien Platz im O Frauenhaus zu warten. Im Anschluss hielten sie sich im streitgegenständlichen Zeitraum vom 22.6. bis 14.7.2020 im Frauenhaus O auf, bevor sie den Aufenthaltsort noch einmal wechselten.
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Das klagende Jobcenter Osnabrück machte gegenüber dem beklagten Jobcenter Münster einen Kostenerstattungsanspruch für die Zeit des Aufenthalts im O Frauenhaus geltend. Dies lehnte der Beklagte ab.
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Das SG hat den Beklagten zur Erstattung von 2048,27 Euro verurteilt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Leistungsberechtigte und ihre Kinder hätten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt. Durch den Aufenthalt bei der Freundin sei kein gewöhnlicher Aufenthalt in O begründet worden. Es habe lediglich ein für den Kostenerstattungsanspruch unschädlicher tatsächlicher Aufenthalt vorgelegen. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 36a SGB II bleibe die Erstattungsverpflichtung des kommunalen Trägers des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts bestehen, bis an einem anderen Ort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werde.
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Mit der Sprungrevision macht der Beklagte eine Verletzung des § 36a SGB II geltend. Zwar bestehe die Erstattungspflicht fort, wenn die in ein Frauenhaus geflüchtete Frau nahtlos in ein anderes Frauenhaus an einem anderen Ort wechsle. Dies gelte aber nicht, wenn zwischendurch ein Aufenthalt außerhalb eines Frauenhauses begründet werde. Ob es sich insoweit um einen gewöhnlichen oder einen tatsächlichen Aufenthalt handele, sei unerheblich. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Frau im ursprünglichen Frauenhaus hätte verbleiben können, bis in dem anderen Frauenhaus ein Platz für sie frei werde, der Wegzug ohne nahtlosen Einzug in ein weiteres Frauenhaus mithin aufgrund einer freien Entscheidung der betreffenden Frau erfolgt sei.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 10. Januar 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er ist der Ansicht, dass trotz des Zwischenaufenthalts bei der Freundin eine durchgehende Flucht ins Frauenhaus vorgelegen habe, weshalb der Beklagte weiterhin erstattungspflichtig sei.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG als Berufungsgericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2, Abs 4 Satz 1 SGG). Im Ergebnis zutreffend hat das SG entschieden, dass der Beklagte dem Grunde nach erstattungsverpflichtet ist. Die Feststellungen des SG lassen aber keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten in der geltend gemachten Höhe besteht.
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1. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig, obwohl das SG sie nach Verkündung seines Urteils durch Beschluss ohne gebotene Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zugelassen hat (vgl nur BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 161 RdNr 7c mwN). Der Kläger verfolgt den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch zutreffend mit Hilfe einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG). Die Leistungsberechtigte und ihre Kinder waren nicht notwendig zum Verfahren beizuladen (§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG; vgl hierzu nur BSG vom 17.12.2014 - B 8 SO 19/13 R - RdNr 11).
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2. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 36a SGB II als gegenüber §§ 102 ff SGB X spezialgesetzliche Kostenerstattungsregelung (eingefügt in das SGB II durch das Freibetragsneuregelungsgesetz vom 14.8.2005, BGBl I 2407; zuletzt geändert durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706; hier idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850). Danach gilt: Sucht eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht, ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten.
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Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach ist ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der kommunalen Träger durch eine Flucht der leistungsberechtigten Frau und ggf ihrer Kinder vom bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in ein Frauenhaus. Erstattungsverpflichtet ist der kommunale Träger am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb eines Frauenhauses ("Herkunftskommune"). Erstattungsberechtigt ist die Kommune, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich iS des § 36 SGB II das Frauenhaus gelegen ist ("aufnehmende Kommune"; BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 17; BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 156/11 R - SozR 4-4200 § 36a Nr 1 RdNr 16).
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Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach vor. Der Kläger ist durch die Flucht der Leistungsberechtigten und ihrer Kinder in ein Frauenhaus örtlich zuständig geworden (§ 36 Abs 1 Satz 2 SGB II). Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb eines Frauenhauses war M, weshalb der Beklagte erstattungsverpflichtet ist. Erstattungsberechtigt ist der Kläger, weil vorliegend die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im O Frauenhaus streitgegenständlich sind. Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die erstmalige Zufluchtssuche in M und damit am Ort der Herkunftskommune erfolgte (3.). In Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung steht dem Anspruch auch nicht entgegen, dass die Leistungsberechtigte und ihre Kinder einen gewöhnlichen Aufenthalt in O bereits in dem Zeitpunkt begründet haben, als sie vorübergehend bei der Freundin und damit außerhalb eines Frauenhauses unterkamen (4.). Einer abschließenden Entscheidung über den Anspruch stehen aber fehlende Feststellungen zu dessen Umfang entgegen (5.).
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3. Dem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Leistungsberechtigte und ihre Kinder erstmals in M im Frauenhaus Zuflucht suchten. Der Wortlaut der Vorschrift schließt eine gleichwohl bestehende Kostenerstattungsverpflichtung des kommunalen Trägers am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts nach weiteren Aufenthaltswechseln nicht aus. Zwar bezweckt die Regelung die Vermeidung der einseitigen Kostenbelastung derjenigen kommunalen Träger nach dem SGB II, die ein Frauenhaus unterhalten (BT-Drucks 15/5607 S 6). Vorliegend befinden sich in beiden betroffenen Kommunen Frauenhäuser, die von der Leistungsberechtigten und ihren Kindern nacheinander aufgesucht wurden. Dies schließt einen Kostenerstattungsanspruch aber nicht aus, wovon das BSG bereits in der Vergangenheit ausging (vgl BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 2, 19) und woran festzuhalten ist. Dass die erstmalige Zufluchtssuche in der Herkunftskommune erfolgt, soweit sich dort ein Frauenhaus befindet, ist Ausdruck der in der Regel bestehenden Akut- und Notsituation, die zunächst eine möglichst ortsnahe Unterbringung erforderlich machen kann, und der - wegen der Bedrohungssituation typischen - "Fluchtkette" von einem Frauenhaus in ein weiteres an einem anderen Ort (vgl hierzu bereits BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 22).
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4. Entgegen der Auffassung des SG begründeten die Leistungsberechtigte und ihre Kinder bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt in O, als sie bei einer Freundin unterkamen, um auf einen freien Platz im O Frauenhaus zu warten (a). In Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung steht dies einer weiterhin bestehenden Kostenerstattungsverpflichtung des Beklagten nicht entgegen (b).
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a) Die Leistungsberechtigte und ihre Kinder hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in O bereits während des Aufenthalts bei der Freundin und damit zunächst außerhalb eines Frauenhauses.
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Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I). Dabei ist unter "Ort" die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen und nicht ein bestimmtes Haus, eine bestimmte Wohnung oder eine konkrete Einrichtung (BSG vom 10.7.1997 - 14 REg 8/96 - BSGE 80, 288 = SozR 3-7833 § 8 Nr 4, juris RdNr 12; BSG vom 20.12.2012 - B 7 AY 5/11 R - RdNr 16) wie hier das Frauenhaus. Für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls tatrichterlich festzustellen und im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung zu würdigen (vgl ausführlich nur BSG vom 17.12.2014 - B 8 SO 19/13 R - juris RdNr 15 mwN). Aus dieser prognostischen Beurteilung folgt zugleich, dass der gewöhnliche Aufenthalt bereits begründet sein kann beim Eintreffen am Einrichtungsort und nicht erst nach einem längeren Aufenthalt vor Ort.
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Vorliegend lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Leistungsberechtigte und ihre Kinder einen gewöhnlichen Aufenthalt in O bereits zu dem Zeitpunkt begründet haben, als sie sich bei einer Freundin aufhielten. Sie hatten nicht vor, in O nur vorübergehend zu verweilen, sondern ihr Aufenthalt war im Hinblick auf den späteren Frauenhausaufenthalt hinreichend zukunftsoffen. Einem gewöhnlichen Aufenthalt am Ort des Frauenhauses steht insbesondere nicht entgegen, dass der Aufenthalt einerseits durch äußere Umstände (insbesondere die Bedrohungssituation durch einen Partner) bestimmt wird und andererseits der Art nach stets zeitlich begrenzt ist (BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 20). Dass das SG rechtsfehlerhaft für die Bestimmung des Aufenthaltsorts angeknüpft hat an die Wohnung der Freundin und nicht an den Ort (Stadt O), in dem die Wohnung lag und der sich durch den späteren Wechsel in das ortsansässige Frauenhaus nicht geändert hat, ist insoweit unerheblich.
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b) Der Beklagte ist verpflichtet, die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im O Frauenhaus zu erstatten, obwohl durch den Zwischenaufenthalt bei der Freundin ein gewöhnlicher Aufenthalt zunächst außerhalb eines Frauenhauses begründet worden ist. Die bisherige Rechtsprechung des BSG zu § 36a SGB II ist insoweit unter Anlehnung an sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum Schutz des Einrichtungsorts fortzuentwickeln.
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Nach der bisherigen Rechtsprechung besteht die Kostenerstattungsverpflichtung der Herkunftskommune so lange fort, bis ein Aufenthalt außerhalb eines Frauenhauses begründet wird. Ob dies schon bei einem tatsächlichen oder erst bei einem gewöhnlichen Aufenthalt eintritt, war bislang offengeblieben (BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 19).
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Der vorliegende Fall gibt Anlass, die bisherige Rechtsprechung für bestimmte Zwischenaufenthalte zu konkretisieren. In Rechtsprechung und Literatur wird vertreten, dass im Hinblick auf den Gesetzeszweck ein kurzfristiger tatsächlicher Aufenthalt außerhalb eines Frauenhauses die Erstattungsverpflichtung der Herkunftskommune nicht entfallen lässt (Bayerisches LSG vom 6.4.2016 - L 11 AS 355/15 - juris RdNr 27; SG Darmstadt vom 8.9.2016 - S 19 AS 1233/10 - juris RdNr 24; Aubel in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 36a RdNr 13; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 36a RdNr 20 f, Stand November 2013). Dem ist zuzustimmen, ohne dass es allerdings darauf ankommen kann, ob der Zwischenaufenthalt zB in einem Hotel oder - wie hier - bei einer Freundin am Einrichtungsort erfolgt und deswegen bereits während des Zwischenaufenthalts ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird und nicht nur ein tatsächlicher Aufenthalt besteht. Dies folgt aus der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung zur finanziellen Entlastung der Einrichtungsorte, die insoweit auf § 36a SGB II zu übertragen ist.
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Nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung zum Schutz der Einrichtungsorte vor einer Kostentragung (vgl § 98 Abs 2 iVm § 109 SGB XII) bedarf dieser Schutz einer Vorverlagerung im Hinblick auf einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Ortes, an dem der Hilfebedürftige in die Einrichtung aufgenommen worden ist. Würde eine solche, auch nur kurzfristige Aufenthaltsbegründung außerhalb der Einrichtung Anknüpfungspunkt für die Kostentragung sein, liefe der Schutz des Einrichtungsorts weitgehend leer. Dieser Schutz gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine Person in der Absicht, später in eine Einrichtung aufgenommen zu werden, den Ort der Einrichtung aufsucht, und nur eine vorübergehende Zeit außerhalb der Einrichtung bis zur Aufnahme überbrücken muss und will (vgl BSG vom 17.12.2014 - B 8 SO 19/13 R - RdNr 18; BSG vom 24.3.2015 - B 8 SO 20/13 R - SozR 4-3500 § 109 Nr 1 RdNr 15 f in Fortführung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, vgl insoweit nur BVerwG vom 17.5.1973 - V C 107.72 - BVerwGE 42, 196, juris RdNr 14).
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Diese Grundsätze sind trotz unterschiedlicher Regelungsstruktur auf § 36a SGB II zu übertragen. Der Gesetzeszweck - Schutz des Einrichtungsorts - ist identisch. Identisch ist auch die gesetzgeberische Grundaussage sowohl im SGB XII als auch im SGB II, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt durch eine Aufnahme in eine Einrichtung außer Betracht bleiben soll. Dies wird erreicht, indem ein gewöhnlicher Aufenthalt insoweit ausgeschlossen wird (§ 109 SGB XII) oder die Kostenerstattungspflicht an den "bisherigen" gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft (§ 36a SGB II). Aus dieser strukturellen Ähnlichkeit beider Leistungssysteme folgt, dass die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in der aufnehmenden Kommune (zunächst) außerhalb eines Frauenhauses dann einer Erstattungspflicht der Herkunftskommune nicht entgegensteht, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in der Absicht begründet worden ist, in das Frauenhaus vor Ort aufgenommen zu werden und nur eine vorübergehende Zeit außerhalb der Einrichtung bis zur Aufnahme zu überbrücken ist.
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Dass dieses Ergebnis zutreffend ist, zeigt eine Kontrollüberlegung: Ginge man davon aus, dass der bereits im Zeitpunkt des Aufenthalts bei der Freundin und damit außerhalb eines Frauenhauses in O begründete gewöhnliche Aufenthalt die erstattungsrechtliche "Fluchtkette" unterbricht, würde dies nicht nur die Erstattungsverpflichtung des Beklagten entfallen lassen. Folge wäre zugleich, dass der Kläger im Hinblick auf weitere Folgeaufenthalte zu einer Herkunftskommune und damit seinerseits erstattungsverpflichtet würde. Dies entspricht erkennbar nicht dem Gesetzeszweck im Hinblick auf den Schutz der Einrichtungsorte.
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Soweit der Beklagte gegen die Unbeachtlichkeit bestimmter Zwischenaufenthalte außerhalb eines Frauenhauses einwendet, insbesondere die Frage, wann ein solcher Aufenthalt noch "vorübergehend" sei, mache die Kostenerstattungsverpflichtung von einzelfallabhängigen Wertungen abhängig, folgt hieraus nichts anderes. Solche vom konkreten Geschehensablauf abhängigen Wertungsfragen lassen sich bei der Anwendung des § 36a SGB II nicht vermeiden. Sie würden sich insbesondere auch dann stellen, wenn man - wie der Beklagte - annähme, jeder zwischenzeitliche tatsächliche Aufenthalt außerhalb eines Frauenhauses lasse die Kostenerstattungsverpflichtung der Herkunftskommune im Grundsatz entfallen. Eine solche Herangehensweise bedürfte weiterer Einschränkungen, um § 36a SGB II nicht seine praktische Wirksamkeit zu nehmen. Soweit der Beklagte darauf abstellen will, ob der Wegzug aus einem Frauenhaus ohne nahtlosen Einzug in ein weiteres Frauenhaus aufgrund einer "freien Entscheidung" der betreffenden Frau erfolgt sei, wirft dies im Hinblick auf die jeder Aufnahme in einem Frauenhaus zugrundeliegenden sozialen Notlage nur weitere Fragen auf, ohne die Beantwortung der Frage nach der Reichweite der Kostenerstattungsverpflichtung zu erleichtern.
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Die Voraussetzungen für einen kostenerstattungsrechtlich unschädlichen Zwischenaufenthalt liegen hier vor: Die Leistungsberechtigte und ihre Kinder haben den gewöhnlichen Aufenthalt in O in der Absicht begründet, in das Frauenhaus vor Ort aufgenommen zu werden. Nach den Feststellungen des SG hielten sie sich nur deswegen übergangsweise bei einer Freundin auf, um auf einen freien Platz im O Frauenhaus zu warten. Es war auch nur eine vorübergehende Zeit zu überbrücken, was hier mit dem 10-tägigen Zwischenaufenthalt der Fall war.
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5. Einer abschließenden Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch stehen fehlende Feststellungen zu dessen Umfang entgegen. Die Kostenerstattungspflicht nach § 36a SGB II gilt nicht für Bundesleistungen, sondern nur für solche Leistungen, die in die Leistungs- und Finanzierungsverantwortung der kommunalen Träger fallen (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II, vgl hierzu BT-Drucks 16/1410 S 27). Der Kostenerstattungsanspruch setzt zudem voraus, dass Leistungen rechtmäßig erbracht wurden (BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 23). Ob dies der Fall war und wie sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch zusammensetzt, kann der Senat nicht überprüfen, weil das SG hierzu keine Feststellungen getroffen, sondern nur ausgeführt hat, der Umfang der Erstattungsforderung sei zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 40, § 47 Abs 1 und 2 und § 52 Abs 3 Satz 1 GKG.
S. Knickrehm Neumann Harich
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