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BSG 11.11.2020 - B 3 KR 33/20 B
BSG 11.11.2020 - B 3 KR 33/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Rüge des Übergehens eines Beweisantrags in der Berufungsinstanz - Fragerecht dient der Gewährung rechtlichen Gehörs
Normen
§ 116 S 2 SGG, § 124 Abs 1 SGG, § 124 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 103 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Stuttgart, 2. Oktober 2019, Az: S 19 KR 985/18
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 18. Mai 2020, Az: L 4 KR 3908/19, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 18.5.2020 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld (Krg) in der Zeit vom 14.8.2017 bis zum 7.1.2018 verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger ab 14.8.2017 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen sei und daher gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm § 46 Sätze 1 und 2 SGB V (idF des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes - GKV-VSG vom 16.7.2015, BGBl I 1211 ab 23.7.2015) kein Anspruch auf Krg in der streitigen Zeit gehabt habe. Die durch den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) begründete Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger habe nur nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bestanden. Vorliegend fehle es daran, dass die Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers nicht spätestens am nächsten Werktag nach Ablauf des letzten Abschnitts der Bewilligung von Krg (bis 13.8.2017) erneut ärztlich festgestellt worden sei. Der Kläger habe einen Arzt erst am 17.8.2017 aufgesucht. Die Lückenhaftigkeit der ärztlichen AU-Feststellung könne auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht ausnahmsweise behoben werden (Hinweis auf Urteile vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8 und vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 46 Nr 10). Ein solcher Sachverhalt habe hier nicht vorgelegen. Der Kläger sei im Zeitraum vom 14.8. bis 16.8.2017 nicht durch Umstände außerhalb seines Verantwortungsbereichs gehindert gewesen, seine AU rechtzeitig feststellen zu lassen. Er sei insbesondere weder geschäfts- oder handlungsunfähig gewesen.
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Mit der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht formgerecht aufgezeigt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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a) Soweit - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34).
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Zudem kann ein in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Denn nur dann hätte nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Teilsatz SGG ein Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).
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Wird ein Rechtsstreit - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG (BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f).
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Der Kläger rügt, dass das LSG im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) verpflichtet gewesen sei, den behandelnden Arzt F ergänzend zu seinem Attest vom 19.10.2017 zu befragen, wonach der Kläger vom 14.8. bis 16.8.2017 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, seine Praxis aufzusuchen. F habe den Kläger aus vorangegangenen früheren Behandlungen gut gekannt und er hätte die Fähigkeiten des Klägers im streitigen Zeitraum gut beurteilen können.
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Aus diesem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass der Kläger trotz Erklärung des Einverständnisses gemäß § 124 Abs 2 SGG auf die Durchführung einer etwaigen Beweisaufnahme "beharrt" habe. Denn nur dann gelten zuvor schriftsätzlich gestellte Beweisanträge als nicht erledigt. Jedenfalls einem in der Berufungsinstanz durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt, muss klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachaufklärung entscheiden kann (stRspr, zB BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 5).
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b) Sollte das Beschwerdevorbringen des Klägers sinngemäß dahin zu verstehen sein, dass er die Verletzung des Fragerechts nach § 116 Satz 2 SGG rügt mit dem Inhalt, dem Zeugen Fragen zu stellen, die zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet werden, so lässt sich auch daraus kein Verfahrensmangel bezeichnen. Das Fragerecht dient nicht in erster Linie der Sachaufklärung, sondern der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 11 mwN). Daher muss der Kläger darlegen, alles getan zu haben, um eine Befragung oder Anhörung des Arztes zu erreichen (vgl allgemein dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig einen solchen Antrag gestellt hat, schriftlich Fragen angekündigt hat, die objektiv sachdienlich sind und diese auch aufrecht erhalten hat (vgl BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 4 RdNr 5).
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Auch ein solches Vorbringen lässt sich der Beschwerdebegründung nicht hinreichend entnehmen. Es fehlt schon daran, dass nicht dargelegt worden ist, ob und wann eine Anhörung oder weitere Befragung des Arztes gegenüber dem LSG im Berufungsverfahren beantragt worden sei.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
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