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BSG 07.10.2020 - B 14 AS 418/19 B
BSG 07.10.2020 - B 14 AS 418/19 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten - Verfassungsmäßigkeit des § 34 Abs 1 SGB 2 aF - Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz - Anforderungen an die Darlegung)
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 34 Abs 1 SGB 2 vom 13.05.2011, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Hamburg, 10. März 2017, Az: S 19 AS 3330/14, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Hamburg, 30. September 2019, Az: L 4 AS 95/17, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. September 2019 wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit steht ein Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten nach § 34 SGB II. Nach dem Beschwerdevorbringen löste der Kläger während der Probezeit ein Arbeitsverhältnis auf, ohne bereits eine Anschlussbeschäftigung zu haben, weil die ihm übertragenen Aufgaben nicht den Absprachen entsprochen hätten. Das beklagte Jobcenter gewährte ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von September 2013 bis Juni 2014 und machte ua für den Zeitraum von September 2013 bis März 2014 Ersatzansprüche gemäß § 34 SGB II geltend. Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 30.9.2019).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die auf die Grundsatzrüge (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.
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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG), weil der zu ihrer Begründung angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt ist.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX RdNr 56 ff). Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, ist auszuführen, dass entweder noch eine große Zahl offener Verfahren zu entscheiden ist oder sich nach neuer Rechtslage vergleichbar stellt (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 f mwN).
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Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet sie es, ob "§ 34 Abs 1 SGB II in der Fassung vom 01.04.2011 bis 31.07.2016 gegen das Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verstößt" und insbesondere "ob es mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar [ist], dass nach § 34 Abs 1 SGB II Personen, die die Hilfebedürftigkeit durch ein sozialwidriges Verhalten herbeiführen, die deshalb gewährten Leistungen zu erstatten haben, während Personen, die die Hilfebedürftigkeit durch ein sozialwidriges Verhalten aufrechterhalten oder vergrößern hierzu nicht verpflichtet sind". Insoweit kann dahinstehen, ob sie die fortdauernde Bedeutung dessen im Hinblick auf die Änderung von § 34 SGB II durch das 9. SGB II-ÄndG vom 26.7.2016 (BGBl I 1824) ausreichend aufgezeigt hat. Danach gilt als Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit iS von § 34 Abs 1 Satz 1 SGB II seit dem 1.8.2016 auch, wenn sie "erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde" (§ 34 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des 9. SGB II-ÄndG), weshalb sich die bezeichnete Frage auf seither (erstmals) entstandene Ersatzansprüche überhaupt nicht mehr und für andere Ersatzansprüche nur noch eingeschränkt stellt.
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Denn jedenfalls fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B; BSG vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden (BSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - RdNr 6). Bei Rügen eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichheitsgebot erfordert das ua eine Auseinandersetzung mit naheliegenden Gründen für die als Gleichheitsverstoß gerügte Differenzierung (vgl zur schlüssigen Darlegung eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichheitsgebot BVerfG <Kammer> vom 23.8.2010 - 1 BvR 1141/10 -SozR 4-2500 § 87 Nr 23 RdNr 15 mwN).
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Dazu hätte sich die Beschwerde damit auseinandersetzen müssen, dass der Einfügung von Satz 2 in § 34 Abs 1 SGB II im Gesetzgebungsverfahren eine lediglich klarstellende Bedeutung beigemessen worden ist (vgl BR-Drucks 66/16 S 47 f) und ihr deshalb die Überzeugung zugrunde lag, dass die hinzugefügte Regelung der Sache nach bereits in der Ursprungsfassung von § 34 SGB II und zuvor in § 92a BSHG angelegt war. Das hat der erkennende Senat zwar anders beurteilt und in der Neufassung eine Rechtsänderung gesehen (BSG vom 8.2.2017 - B 14 AS 3/16 R - SozR 4-4200 § 34 Nr 3 RdNr 26). Dennoch hätte sich die Beschwerde zur schlüssigen Darlegung des gerügten Gleichheitsverstoßes damit auseinandersetzen müssen, dass die beanstandete Differenzierung nach den Gesetzesmaterialien auf einer vom Gesetzgeber bis dahin nicht erkannten Gesetzeslücke beruhte und den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen von Verfassungs wegen für die notwendige Beobachtung und Evaluierung hinreichend Zeit gegeben werden muss (vgl nur BVerfG <Kammer> vom 27.1.2011 - 1 BvR 3222/09 - NJW 2011, 1578 RdNr 51 mwN). An dieser Befassung fehlt es indessen vollständig, weshalb dahinstehen kann, ob die Beschwerde sich im Übrigen ausreichend damit auseinandergesetzt hat, inwieweit Regelungsinkonsistenzen von Verfassungs wegen hinzunehmen und die insoweit gezogenen Grenzen hier verletzt sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
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