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BSG 10.10.2013 - B 9 V 66/12 B
BSG 10.10.2013 - B 9 V 66/12 B - (Soziales Entschädigungsrecht - Gewaltopferentschädigung - Gewalttat im Ausland - zeitlicher Anwendungsbereich des § 3a OEG - Übergangsregelung - Verfassungsmäßigkeit des § 10 S 6 OEG - Rückwirkung - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage - Klärungsbedürftigkeit - Darlegungsanforderungen)
Normen
§ 3a OEG, § 10 S 6 OEG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 15. November 2010, Az: S 139 VG 34/10, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 27. September 2012, Az: L 13 VG 1/11, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-sozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. September 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt C F, B, beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Mit Urteil vom 27.9.2012 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) Ansprüche des Klägers auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen angeblich in der Zeit vom 9. bis 13.7.2002 in türkischem Polizeigewahrsam erlittener Gewalttaten verneint, weil der insoweit einschlägige § 3a OEG erst zum 1.7.2009 in das Gesetz eingefügt worden und nur für Gewalttaten anzuwenden sei, die nach seinem Inkrafttreten begangen worden seien. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (s § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Begründungsanforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden.
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Der Kläger hat einige Rechtsfragen aufgeworfen, die er für klärungsbedürftig, klärungsfähig und allgemein bedeutsam hält. Alle Fragen zielen auf die Anwendung des § 3a OEG bei Gewalttaten, die vor seinem Inkrafttreten am 1.7.2009 im Ausland begangen worden sind. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fragen:
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Bezieht sich die Formulierung "nach seinem Inkrafttreten" in § 10 Satz 1 OEG auch im Hinblick auf später in das OEG eingefügte Normen auf das Inkrafttreten des OEG am 16.5.1976?
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Ist mit der Formulierung "§§ 1 bis 7" in § 10 S. 2 OEG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des OEG vom 25. Juni 2009 auch § 3a OEG gemeint?
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Kann ein Anspruch auf Leistungen bei Gewalttaten i.S.d. § 3a OEG bestehen, wenn dieser sich auf eine nach dem Inkrafttreten des OEG 1976, aber vor Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des OEG vom 25. Juni 2009 begangene Gewalttat bezieht?
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Wurde mit der Einfügung des § 3a OEG durch das 3. Gesetz zur Änderung des OEG vom 25. Juni 2009 ein Anspruch für Leistungen bei Gewalttaten im Ausland geschaffen, die zwar vor dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des OEG vom 25. Juni 2009, aber nach dem Inkrafttreten des OEG 1976 begangen wurden?
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Es fehlen hinreichende Ausführungen zur höchstrichterlichen Klärungsbedürftigkeit der Fragen. Eine Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; § 160a Nr 13 und 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7), wenn sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX RdNr 66).
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Der Kläger hat zwar erkannt, dass durch Art 3 Nr 4 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.6.2011 (BGBl I 1114) dem § 10 OEG ein Satz angefügt worden ist, wonach dieses Gesetz in den Fällen des § 3a erst für Ansprüche aus Taten gilt, die nach dem 30.6.2009 begangen worden sind. Er hat jedoch nicht genügend berücksichtigt, welche Bedeutung diese Neuregelung für die von ihm aufgeworfenen Fragen hat. Es wird nicht deutlich, warum damit nicht als geklärt angesehen werden kann, dass nach § 10 OEG die Regelung des § 3a OEG auf Gewalttaten vor ihrem Inkrafttreten am 1.7.2009 nicht anzuwenden ist.
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Dem Vorbringen des Klägers kann entnommen werden, dass er auch die Frage für klärungsbedürftig hält, ob § 10 S 6 OEG idF vom 20.6.2011 (nF) mit höherrangigem Recht im Einklang steht. Hierzu hat der Kläger zwar dargetan, dass § 10 S 6 OEG nF eine echte Rückwirkung entfalte. Auch hat er ausgeführt, dass eine echte Rückwirkung nur ausnahmsweise zulässig sei, wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls dies geböten oder ein fehlendes Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung gestatte. Sodann hat er jedoch lediglich behauptet, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 OEG in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung (aF) Opfer von vor 2009 im Ausland begangenen Gewalttaten darauf hätten vertrauen können, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3a OEG Entschädigung gewährt zu bekommen. Insoweit fehlt eine nähere Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ein Vertrauensschutz des betroffenen Personenkreises gegen eine echte Rückwirkung von gesetzlichen Bestimmungen zu verneinen ist (vgl dazu zB BVerfGE 126, 369, 393 f = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 75). Dabei wäre ua darauf einzugehen gewesen, wie sich die Behauptung des Klägers, der Wortlaut des § 10 OEG aF sei eindeutig, mit seinem Vorbringen vereinbaren lässt, die insoweit aufgeworfenen Fragen seien höchstrichterlich klärungsbedürftig. Dies gilt umso mehr, als nach der vom Kläger zitierten Auffassung von Rademacker (in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 10 OEG RdNr 8) die bis zum 30.6.2011 geltende Rechtslage als unklar anzusehen war. Ebenso hätte erörtert werden müssen, inwiefern das vom Kläger selbst erwähnte Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 5.10.2009 und die sich daraus ergebende Verwaltungspraxis der Länder der Entstehung eines Vertrauens der betroffenen Gewaltopfer entgegenstehen konnte. Insgesamt wird damit nicht deutlich, warum sich die Verfassungsmäßigkeit des § 10 S 6 OEG nF nicht anhand der vorliegenden Rechtsprechung des BVerfG und des BSG bejahen lässt.
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Da die Nichtzulassungsbeschwerde nach alledem keinen Erfolg hat, ist der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe mangels einer hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 114 S 1 ZPO).
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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