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BSG 19.04.2012 - B 5 R 36/11 BH
BSG 19.04.2012 - B 5 R 36/11 BH - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Grundsatzrüge - klärungsbedürftige Rechtsfrage - Zulässigkeit der Verrechnung von Beitragsforderungen mit nach § 54 Abs 4 SGB 1, §§ 850, 850c ff ZPO pfändungsfreiem Einkommen während eines Insolvenzverfahrens)
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 51 Abs 2 SGB 1, § 52 SGB 1, § 54 Abs 4 SGB 1, § 850 ZPO, § 850c ZPO, §§ 850cff ZPO, § 35 InsO, § 36 Abs 1 S 1 InsO, § 89 Abs 1 InsO, § 14 KO
Vorinstanz
vorgehend SG Chemnitz, 8. Februar 2010, Az: S 7 R 1125/09
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 20. September 2011, Az: L 5 R 638/10, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S. beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
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Mit Urteil vom 20.9.2011 hat es das Sächsische LSG abgelehnt, die Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit der Altersrente des Klägers aufzuheben und damit seinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der Altersrente verneint.
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Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. , beantragt.
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Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 S 1, § 121 Abs 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.
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Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
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Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.
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Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Dass die vom Kläger angesprochene Problematik der "Zulässigkeit der Verrechnung von Beitragsforderungen mit gemäß §§ 54 Abs 4 SGB I, §§ 850, 850c ff ZPO pfändungsfreiem Einkommen während eines Insolvenzverfahrens" in die Form einer Rechtsfrage gebracht werden und dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, ist nicht ersichtlich.
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Das LSG stützt seine Entscheidung tragend darauf, dass es dem Sozialleistungsträger aufgrund des § 51 Abs 2 SGB I möglich sei, mit dem unpfändbaren Teil der laufenden Sozialleistung während des Insolvenzverfahrens bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit zu verrechnen. Obgleich das BSG hierzu noch keine Entscheidung getroffen hat, ist nicht erkennbar, dass sich insofern klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben könnten, weil die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl dazu BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSGE 40, 158, 159 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8). § 51 Abs 2, § 52 SGB I enthält eine sachlich begrenzte Privilegierung von Sozialversicherungsträgern (s bereits BSGE 45, 271 = SozR 1200 § 51 Nr 3) und ermächtigt sie, auch mit dem unpfändbaren Teil der Sozialleistung bis zur Hälfte der Ansprüche auf laufende Geldleistungen sowie bis zur Grenze der nachgewiesenen Hilfsbedürftigkeit iS des SGB II und des SGB XII aufzurechnen bzw zu verrechnen. Wie sich aus § 54 Abs 4 SGB I, §§ 850, 850c ff ZPO ergibt, hat der Gesetzgeber dieses Privileg, auch dann noch aufrechnen bzw verrechnen zu können, wenn die Einzelzwangsvollstreckung und damit die Pfändung ausgeschlossen ist, im Interesse der Versichertengemeinschaft bewusst vorgesehen. Dem stehen vorliegend Regelungen des Insolvenzrechts nicht entgegen. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 36 Abs 1 S 1 Insolvenzordnung (InsO) gehören nämlich Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse iS von § 35 InsO. Der streitige Betrag unterliegt damit von vorneherein nicht dem Insolvenzbeschlag, sodass die Verrechnung zu keiner Gefährdung der Rechtsposition sonstiger Insolvenzgläubiger führen kann. Zu Gunsten des Klägers kann ein Verbot der Aufrechnung/Verrechnung vorliegend auch nicht dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs 1 InsO entnommen werden. Der BGH hat bereits zu dem im wesentlichen gleich lautenden § 14 Konkursordnung entschieden, dass es sich bei der Aufrechnung nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handelt und eine analoge Anwendung der Norm über deren Wortlaut hinaus ausscheidet (BGH vom 26.5.1971 - VIII ZR 137/70 - NJW 1971, 1563 mit Hinweis auf RGZ 26, 66). An Hinweisen auf eine seither eingetretene Änderung der Rechtslage fehlt es (vgl zur entsprechenden Problematik bei § 77 Abs 2 VAG aF zuletzt BGH vom 20.7.2011 - IV ZR 177/09 - ZIP 2011, 1826 ff und zu freiwilligen Zahlungen aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners BGH vom 14.1.2010 - IX ZR 93/09 - ZIP 2010, 380 ff).
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Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ein tragender abstrakter Rechtssatz des LSG, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG, insbesondere dem Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - widersprochen haben könnte, ist weder vom Kläger benannt worden noch sonst ersichtlich. Allein daraus, dass das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz, auf den es sich ausdrücklich stützt, ggf missverstanden hat, kann nicht darauf geschlossen werden, es habe seinerseits einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN).
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Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbs 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein derartiger Beweisantrag, den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) übergangen haben könnte, ist hier nicht ersichtlich. Auch im Übrigen sind Verfahrensmängel nicht erkennbar.
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Da dem Kläger somit keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.
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