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BVerfG 15.09.2023 - 2 BvR 1082/23
BVerfG 15.09.2023 - 2 BvR 1082/23 - Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde gegen künftige Mitwirkung der Bundesrepublik an geplanten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften 2005 und an einem internationalen Pandemievertrag unzulässig - kein tauglicher Beschwerdegegenstand - zudem unzureichende Beschwerdebegründung
Normen
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, IGV
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die zukünftige Zustimmung zu den geplanten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften 2005 und zu einem internationalen Pandemievertrag beziehungsweise gegen den zukünftigen Erlass eines entsprechenden Ratifikationsgesetzes.
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I.
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1. Am 1. Dezember 2021 einigten sich die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (im Folgenden: WHO) im Rahmen einer Sondersitzung auf den Beginn des Prozesses der Ausarbeitung und Aushandlung eines Übereinkommens, einer Vereinbarung oder eines anderen internationalen Instruments zur Stärkung der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion (WHO convention, agreement or other international instrument on pandemic prevention, preparedness and response - WHO CA+). Für die Durchführung der Verhandlungen wurde ein zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (Intergovernmental Negotiating Body, im Folgenden: INB) eingesetzt. Dieses veröffentlichte auf seiner vierten Sitzung am 1. Februar 2023 einen ersten Entwurfstext für ein internationales Abkommen als Grundlage für die weiteren Verhandlungen (siehe Zero Draft of the WHO CA+ for the consideration of the Intergovernmental Negotiating Body at its fourth meeting, 1. Februar 2023, A/INB/4/3). Am 2. Juni 2023 gab das INB eine überarbeitete Entwurfsfassung (siehe Bureau's text of the WHO convention, agreement or other international instrument on pandemic prevention, preparedness and response <WHO CA+>, 2. Juni 2023, A/INB/5/6) heraus. Nach den Entwürfen sollen insbesondere bei zukünftigen Pandemien Forschungsmaßnahmen sowie die Verteilung von Impfstoffen koordiniert und Informationen unter den Vertragsstaaten rascher ausgetauscht werden. Auch sollen entsprechend einem Staatenberichtssystem die Implementierung der Konvention überwacht und Empfehlungen für eine verbesserte Umsetzung ausgesprochen werden können. Einzelne mögliche Sanktionen gegen Vertragsstaaten beziehungsweise die Einführung eines Sanktionssystems sind den Entwurfstexten nicht zu entnehmen. Der derzeitige Zeitplan sieht vor, dass bis Mai 2024 ein unterschriftsreifer Vertragstext ausgehandelt sein soll. Im Zusammenhang mit dem möglichen Abschluss eines Pandemievertrags sollen auch die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO von 2005 ("International Health Regulation 2005") überarbeitet werden. Die Mitgliedstaaten haben hierzu mehr als 300 Änderungsvorschläge eingereicht (siehe Report of the Review Committee regarding amendments to the International Health Regulations 2005>, 6. Februar 2023, A/WGIHR/2/5, S. 10).
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2. Am 12. Mai 2023 nahm der Deutsche Bundestag einen Antrag der Koalitionsfraktionen vom 9. Mai 2023 (BTDrucks 20/6712) an, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird, sich unter anderem bei der Ausarbeitung eines Pandemieabkommens oder -instruments sowie der Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften aktiv zu beteiligen und darauf hinzuwirken, dass die WHO im Bereich der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion eine zentrale Rolle einnimmt.
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3. Mit der am 29. Juni 2023 eingegangenen Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass die WHO aufgrund der derzeit verhandelten Regelungen legislative und exekutive Gewalt erhalten solle und hierdurch die Souveränität der Mitgliedstaaten aufgehoben werde. Die WHO und deren Generaldirektor könnten in selbst ausgerufenen Pandemien und Gesundheitsnotständen verbindliche Anordnungen treffen und Entscheidungen souveräner Staaten über Gesundheitsmaßnahmen außer Kraft setzen. Die geplanten Regelungen des Pandemievertrags und der reformierten Internationalen Gesundheitsvorschriften führten zur Einschränkung von Grund- und Menschenrechten und verletzten das Demokratieprinzip, das Wahlrecht der Beschwerdeführerin und die Verfassungsidentität des Grundgesetzes. Die Bundesregierung dürfe ihnen daher nicht zustimmen.
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4. Beim Bundesverfassungsgericht sind zahlreiche nahezu identische Verfassungsbeschwerden eingegangen, deren Inhalt sich - wie hier - an einem im Internet frei zugänglichen Muster orientiert.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Es liegt bereits kein tauglicher Beschwerdegegenstand vor (1.). Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Substantiierungsanforderungen (2.).
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1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich nicht gegen einen tauglichen Beschwerdegegenstand.
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a) Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG kann mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden, durch die öffentliche Gewalt in einem Grundrecht oder grundrechtsgleichem Recht verletzt zu sein. Die Mitwirkung der Bundesregierung an dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags auf der internationalen Ebene eignet sich nicht als Beschwerdegegenstand, weil sie noch keine innerstaatlichen Rechtswirkungen auszulösen vermag; derartige Rechtswirkungen werden vielmehr erst durch ein Zustimmungsgesetz bewirkt (vgl. BVerfGE 1, 281 283>; 77, 170 209 f.>; 143, 65 89 Rn. 42>; 160, 208 269 Rn. 153> - CETA - Vorläufige Anwendung). Zwar können Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen angesichts der völkerrechtlichen Bindung, die mit der Ratifikation eintritt, schon vor ihrem Inkrafttreten vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden. Die zu überprüfende Norm muss jedoch bereits erlassen - wenn auch nicht notwendigerweise schon in Kraft getreten - sein (vgl. BVerfGE 10, 20 54>; 104, 23 29>; 123, 267 329>; 153, 74 132 Rn. 94> - Einheitliches Patentgericht; 160, 208 269 Rn. 155>). Dies setzt voraus, dass sich Bundestag und Bundesrat abschließend mit dem Gesetz befasst haben, das Gesetz also nur noch der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung bedarf (vgl. BVerfGE 1, 396 414>; 153, 74 132 Rn. 94>; 160, 208 269 Rn. 155>). Ein Zustimmungsgesetz kann mit der Verfassungsbeschwerde daher erst ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung angegriffen werden (vgl. BVerfGE 24, 33 53 f.>; 123, 267 329>; 153, 74 132 Rn. 94>; 160, 208 269 f. Rn. 155>).
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b) Ausgehend hiervon ist die angegriffene zukünftige Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an dem (erst zukünftig) geplanten Abschluss eines Pandemieabkommens und der zeitgleich geplanten Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften kein tauglicher Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde, denn sie löst keine innerstaatlichen Rechtswirkungen aus, die geeignet wären, die Beschwerdeführerin in ihren (Grund)Rechten zu verletzen. Da die Verhandlungen auf der internationalen Ebene noch andauern, liegt folglich schon kein Zustimmungsgesetz vor, welches Gegenstand einer abschließenden Befassung von Bundestag und Bundesrat gewesen ist.
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2. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Substantiierungsanforderungen.
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a) Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 81, 208 214>; 89, 155 171>; 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 113, 29 44>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 329>; 99, 84 87>; 115, 166 179 f.>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 214 ff.>; 99, 84 87>; 101, 331 345 f.>; 123, 186 234>; 130, 1 21>).
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b) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde lässt eine mögliche Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen. Insbesondere soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Verfassungsidentität und ihres Wahlrechts infolge einer beabsichtigten Hoheitsrechtsübertragung rügt, setzt sie sich nicht detailliert und nachvollziehbar mit den einzelnen Artikeln der Entwurfstexte hinsichtlich möglicher konkreter innerstaatlicher Rechtswirkungen auseinander und zeigt nicht auf, dass die derzeitigen Entwurfstexte auf eine mit den Vorgaben des Grundgesetzes unvereinbare Hoheitsrechtsübertragung abzielen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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