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BVerfG 08.09.2022 - 1 BvR 1726/22
BVerfG 08.09.2022 - 1 BvR 1726/22 - Erfolgloser Eilantrag bzgl der vorläufigen Vollstreckbarkeit einer patentrechtlichen Entscheidung - mangelnde Darlegung erheblicher Nachteile
Normen
§ 32 Abs 1 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend OLG Karlsruhe, 2. August 2022, Az: 6 U 131/22, Beschluss
vorgehend OLG Karlsruhe, 5. Juli 2022, Az: 6 U 131/22, Beschluss
vorgehend LG Mannheim, 2. Juni 2022, Az: 7 O 88/21, Urteil
Tenor
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die vorläufige Vollstreckbarkeit eines von ihr mit der Berufung angefochtenen landgerichtlichen Urteils in einer Patentstreitsache.
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1. Die Beschwerdeführerin betreibt in der Bundesrepublik Deutschland einen Streamingdienst. Die von der Beschwerdeführerin eingesetzte Streamingsoftware beherrscht sog. "Trick play-Funktionen" (insbesondere Spulen und Springen in den abgespielten Medieninhalten), die gegenüber herkömmlichen Lösungen (etwa lineares Streaming) einen Zugriff auf die vom Nutzer jeweils ausgewählte Wiedergabestelle ohne größeren Zeitversatz ermöglichen. Die Gegnerin des Ausgangsverfahrens sieht hierin die Verletzung eines von ihr innegehabten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Europäischen Patents.
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2. Mit landgerichtlichem Urteil wurde die Beschwerdeführerin zur Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung verurteilt und die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30 Millionen Euro angeordnet. Die Gegnerin des Ausgangsverfahrens hat die Sicherheit bereits hinterlegt. Das von der Beschwerdeführerin angestrengte Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der im Berufungsrechtszug gestellte Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne, erforderlichenfalls gegen Sicherheitsleistung ist vom Oberlandesgericht abgelehnt worden. Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge ist ohne Erfolg geblieben.
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3. Mit ihrem mit einer Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgt die Beschwerdeführerin ihr auf Außervollzugsetzung der Vollstreckbarkeit des landgerichtlichen Urteils gerichtetes Begehren weiter.
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II.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG liegen nicht vor.
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1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (vgl. BVerfGE 66, 39 56>; stRspr). Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, bleiben dabei grundsätzlich außer Betracht; eine materielle Überprüfung der angegriffenen Entscheidung ist nicht Gegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2016 - 1 BvQ 48/16 -, Rn. 2). Im Übrigen gälten, selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hätte, für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der insoweit grundsätzlich maßgeblichen Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 88, 185 186>; 91, 252 257 f.>; 111, 147 152 f.>; stRspr) strenge Maßstäbe. Bei der Entscheidung über den Eilantrag ist zudem zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht eine weitere Rechtsschutzinstanz des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2016 - 1 BvQ 48/16 -, Rn. 2).
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2. Hieran gemessen hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend dargetan, dass ihr im Falle der Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils erhebliche Nachteile drohen.
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Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Antragsschrift der Nachteilsbetrachtung zu Grunde legt, das landgerichtliche Urteil verpflichte sie zur vollständigen Einstellung des Streamingdienstes "in seiner gegenwärtigen Form" wenigstens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens und der Streamingdienst, "so wie er von der Beschwerdeführerin zur Zeit angeboten" werde, werde nicht mehr erfolgen können, trägt sie der vom Landgericht im Rahmen der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung angestellten Erwägung, es reiche aus, entweder die "Trick play-Funktionen" der Streamingsoftware zu deaktivieren oder diese durch alternative, wenn auch aufgrund (größeren) Zeitversatzes weniger komfortable Lösungen zu ersetzen, nicht hinreichend Rechnung. Dass die Ergreifung solcher Maßnahmen der Beschwerdeführerin nicht möglich oder unzumutbar sein sollte oder dies im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache (wirtschaftliche) Nachteile in einem Ausmaß nach sich zöge, die durch die bereits erbrachte Sicherheitsleistung und diese der Höhe nach gegebenenfalls noch übersteigenden Ansprüche auf Ersatz des Vollstreckungsschadens (§ 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht hinreichend abgedeckt wären, ist in der Antragsschrift weder mit Substanz dargetan noch sonst ersichtlich. Zu entsprechendem Vortrag wäre die Beschwerdeführerin jedenfalls im verfassungsrechtlichen Eilverfahren gehalten gewesen. Der mit der Antragsschrift gehaltene Vortrag, es sei unklar, ob "sich irgendwelche technischen Ausweichlösungen ohne signifikante Imageeinbußen und damit nachhaltige Verluste darstellen lassen würden", reicht insoweit nicht aus. Damit legt die Beschwerdeführerin kein spezifisches Interesse an vorläufigem Vollstreckungsschutz dar, sondern beruft sich im Kern - hier unbehelflich (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Januar 2018 - 1 BvQ 70/17 -, Rn. 9) - auf Gehörsverstöße betreffend das für vorläufig vollstreckbar erklärte landgerichtliche Urteil und deren Perpetuierung durch die nachlaufenden oberlandesgerichtlichen Beschlüsse. Die Maßstäbe, die sich aus der prozessualen Waffengleichheit in äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren an die Einbeziehung der Gegenseite ergeben (vgl. dazu zusammenfassend: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 2022 - 1 BvR 812/22 -, Rn. 13, 19 ff. m.w.N.), sind auf die hier gerügten Gehörsverstöße in einem kontradiktorischen Hauptsacheverfahren, in dem die Beschwerdeführerin Stellung nehmen konnte und auch genommen hat, nicht übertragbar.
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Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist nach alledem nicht geboten.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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